Ig-Nobelpreise 2019

„Um sowas komisch zu finden, muss man wohl zu lange die Luft unter einem Labor-Abzug geschnüffelt haben“ befand ein Journalist die Verleihung der Ig-Nobelpreise abfällig. Die Redaktion hat das definitiv, deswegen waren wir uns auch einig, der Verleihung der Ig-Nobelpreise 2019 hier noch einmal Platz zu bieten:

Das Massachusetts Institut for Technology (MIT) und die Harvard University verleihen seit 1991 jedes Jahr die Ig-Nobelpreise. Diese „Ehrung“ ist eine Art Anti-Nobelpreis und satirische Auszeichnung. Sie wird an Menschen verliehen, die sich mit besonderen „Leistungen“ um die Menschheit verdient gemacht haben oder „herausragende“ Forschungsergebnisse veröffentlicht haben. (Englischsprachiges Wortspiel: ignoble = unwürdig, schmachvoll)

Die Preise selber werden von der wissenschaftlichen Zeitschrift „Annals of Improbable Research“ (dt. etwa „Annalen der absurden Forschung“ vergeben. Ziel sind dabei jährlich zehn Errungenschaften, „die Leute erst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen“. Das Lachen darf durchaus bitter sein.

Die Jury

Wie üblich sucht eine Jury die Preisträger aus. Dieses “Ig-Nobel Board of Governors” setzt sich jedes Jahr neu aus Nobelpreisträgern, Ig-Nobelpreisträgern, wissenschaftlichen Autoren, Sportlern, Trägern öffentlicher Ämter und anderen bekannten oder weniger bekannten Personen zusammen. Um ein zufälliges Moment zu erreichen, wird am letzten Tag der Auswahl ein zufälliger Passant in die Jury geladen.

Die Preisverleihung findet jedes Jahr im Herbst, kurz vor der Bekanntgabe der Nobelpreisträger statt. Dieses Jahr war der 12. September der große Tag.

Bekannte Preisträger oder geehrte Arbeiten

Der „Stinker“ ist das offizielle Maskottchen der Zeremonie

Unter den Preisträgern sind berühmte Persönlichkeiten, z.B. Jacques Chirac, der zum Gedenken an den 50. Jahrestag von Hiroshima einen Atomtest durchführte.  Es gab Preise für die Veröffentlichung an sich: einer wurde an Eric Topol und seine Mitautoren verliehen, sie schafften die Veröffentlichung eines medizinischen Forschungspapiers, das hundertmal mehr Autoren als Seiten hatte. Die meisten Preise wurden aber durch absurde Themen bekannt. Karl Kruszelnicki von der Uni in Sydney forschte zum Bauchnabelfussel, aber auch Produkte wie hellblaue Götterspeise, ein sich selbst parfümierender Straßenanzug und die Herstellung von Diamanten aus Tequila.

Bekannt wurden aber vor allem Arbeiten, beispielsweise der (erfolgreiche) Versuch die Passage von Nierensteinen mittels Achterbahnfahrten zu beschleunigen, die Anwendung der Strömungsmechanik zur Frage, ob eine Katze ein Festkörper oder eine Flüssigkeit ist, oder die Untersuchung des biologischen Prinzips, dass nahezu alle Säugetiere 21 Sekunden benötigen, um ihre Harnblase zu leeren (mit 13 Sekunden Standardabweichung).

Die Zeremonie

Ähnlich skurril wie die Arbeiten, ist die Zeremonie, in der die Preise verliehen werden. Grundsätzlich besteht eine Ähnlichkeit mit vergleichbaren Zeremonien: Ein Laudator stellt den Preisträger und seine Arbeit vor, oft in einer humorvoll, teilweise sarkastischen Rede. Als Laudatoren lesen dieses Jahr Eric Maskin (Wirtschaftswissenschaftler, Nobelpreisträger 2007), Rich Roberts (Biochemiker, Nobelpreisträger 1993) und Jerry Friedman (Physiker, Nobelpreisträger 1990). Ist der Preisträger anwesend, was in den letzten Jahren immer häufiger der Fall ist, dann darf er eine Dankesrede halten. Früher hatte sie eine maximale Länge von 5 Wörtern. Heute rennt nach einer gewissen Zeit ein die achtjährige „Miss Sweetie-Poo“ auf die Bühne und ruft dem Redner „Hör auf, mir ist langweilig“ zu.

In den letzten Jahren wurden die Geehrten während ihrer Dankesrede mit Papierfliegern beworfen. Das mussten die Initiatoren dieses Jahr aus Sicherheitsgründen abwandelt. Ein bedauernswerter Mensch darf in schwerer Sicherheitskleidung eine Zielscheibe vor dem Bauch über die Bühne tragen. Diese darf das Publikum während der Zeremonie zweimal bewerfen.

Ein anderer, nicht unwesentlicher Teil sind die 24/7-Lectures. Hier darf ein Top-Wissenschaftler in 24 Sekunden sein Arbeitsfeld erklären, um es danach in 7 Wörtern zusammenzufassen.

Die traditionelle Willkommens- und Abschiedsreden werden wie seit 2007 wieder von Jean Berko Gleason, einer bekannten Sprachwissenschaftlerin gehalten. Man darf gespannt sein:

Die Preisträger

Der Ig-Nobel-Preis für Anatomie geht an Roger Mieusset und Bourras Bengoudifa aus Frankreich. Beide Wissenschaftler haben die Temperatur des Hodensackes bei nackten und bekleideten französischen Briefträgern gemessen.

Im Fachbereich Biologie hat das Komitee eine Arbeit einer sechsköpfigen Gruppe aus sechs Nationen gewürdigt. Ling-Jun Kong und ihre Kollegen entdeckten, dass sich tote magnetisierte Kakerlaken anders verhalten, als lebende magnetisierte Kakerlaken.

Shigeru Watanabe aus Japan erhält den Ig-Nobelpreis für Chemie. Seine Methode zur Schätzung der Menge der Spucke, die ein Säugling am Tag produziert, konnte er direkt auf der Bühne vorführen: Er hatte drei seiner Söhne, die vor 25 Jahren seine Versuchsobjekte waren, dabei. Bevor er erste Ergebnisse darstellen konnte, wurde er (leider?) von „Miss Sweetie-Poo“ unterbrochen.

Ebenfalls sehr groß war eine Arbeitsgruppe aus dem Vereinigten Königreich, Saudi-Arabien, Singapur und den USA, die das Komitee für den Versuch, das Wohlbefinden beim Kratzen einer juckenden Körperstelle zu messen, mit dem Ig-Nobelpreis für Frieden ausgezeichnet hat.

Iman Farahbakhsh aus dem Iran konnte leider nicht persönlich anwesend sein. Für die von ihm entwickelte Wickelmaschine für Säuglinge bekommt er den 2019er Ig-Nobelpreis für Ingenieurswissenschaften.

Wesentlich angenehmer scheint die Forschung von Silvano Gallus aus Italien und den Niederlanden gewesen zu sein. Seine Arbeit besagt, dass Pizza gegen Krankheiten und frühen Tod schützt – vorausgesetzt, sie wird in Italien gemacht und gegessen – und enthält keine Salami.

Die Tiertrainerin Karen Pryor und Theresa McKeon werden mit dem Ig-Nobelpreis für Medizinausbildung geehrt. Sie setzten das Klickertraining bei der Ausbildung von Chirurgen ein.

Biologisch interessant ist die Arbeit, die mit dem Ig-Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. Patricia Yang und sechs weitere Wissenschaftler aus insgesamt sechs Ländern hat es gebraucht, um herauszufinden, warum der Kot von Wombats würfelförmig ist.

Wer weiß, wie dieses Wissen weiterverwendet wird. Vielleicht geht einer der nächsten Ig-Nobelpreise an einen Tierzüchter, der Hühner entwickelt, die würfelförmige Eier legen?

Psychologe Franz Strack aus Deutschland fand heraus, dass es Menschen zum Lächeln bringt und glücklicher macht, wenn sie einen Stift zwischen den Zähnen halten, und dass dieser Effekt nicht auftritt, wenn der Stift zwischen den Lippen gehalten wird. Einige Zeit später fand er genau das Gegenteil heraus. Dafür bekommt er den Ig-Nobelpreis der Kategorie Psychologie.

Der Ig-Nobelpreis in der Kategorie Wirtschaft ging an ein dreiköpfiges Team aus der Türkei, den Niederlanden und Deutschland. Habip Gedik, Timothy A. Voss und Andreas Voss untersuchten, auf aus welchen Ländern die Banknoten am besten gefährliche Bakterien verbreiten.

„Stop it, I’m bored!“


Literatur:

Journal for Improbable Research

Seite des Ig-Nobelpreises beim Journal for Improbable Research

Das Who is Who 2019