Buckelwal bei Camperduin, NL in der Nordsee am 21. Oktober 2021 by Ruud BrouwerDer Buckelwal bei Camperduin, NL am 21. Oktober 2021. Foto: Ruud Brouwer
Lesedauer: etwa 6 Minuten

Wer aktuell in den Niederlanden Urlaub macht, hat neben den üblichen Attraktionen, die unser schönes Nachbarland so bietet, auch zoologisch etwas Besonderes – sogar doppelt, nicht nur Gänsegeier sind zu sehen, sondern auch Buckelwale.

 

Buckelwal
Abtauchender Buckelwal

 

Nachdem im Mai kurzzeitig ein Einzeltier bei Vlieland gesehen wurde, gibt es seit gestern (17. Juni) mehrere Beobachtungen. Zuerst meldete die Stichting SOS Dolfijn, die sich vor allem um gestrandete Meeressäuger kümmert, einen erwachsenen Buckelwal. Das, möglicherweise zwei Tiere sind am Vorabend vor dem Südstrand von Zandvoort beobachtet worden. Bisher ist folgendes bekannt:

  • 16. Juni, abends: ein, möglicherweise zwei Buckelwale vor dem Südstrand von Zandvoort
  • 17. Juni, abends, Zandvoort: mehrere Beobachtungen, der Wal scheint an einer Stelle hin und her zu schwimmen, um zu fressen.
  • 19. Juni, am frühen Abend wird ein Einzeltier vor IJmuiden, also 10 km nördlicher beobachtet.
  • 21. Juni: mehrere Beobachtungen von jeweils einem Einzeltier vor Katwijk aan Zee und Berkheide, 20 bis 25 km südlich von Zandvoort. Beide Orte liegen direkt nebeneinander, es kann sich also um das selbe Tier handeln.

 

Orte der Buckelwal-Beobachtung

 


Im Zusammenhang

Buckelwal-Meldungen aus den Niederlanden sind nicht so ungewöhnlich. In der nördlichen Nordsee, vor Norwegen sieht man die Tiere sehr regelmäßig, gelegentlich vor Schottland auch in der Biskaya. Die südliche Nordsee, den Ärmelkanal und das flache Wattenmeer meiden sie, hier sind sie durchaus etwas Besonderes. Um die Belege zu sammeln, musste ich mich durch fünf Jahre Presseschauen arbeiten:

 

  • 1751 wird ein Bartenwal bei Blankenberge (heute Belgien, damals österreichische Niederlande) angeschwemmt. Erst 255 Jahre später wird er anhand einer alten Zeichnung als Buckelwal identifiziert.
  • 1995 ziehen Fischer ein frisches Schulterblatt eines Buckelwals aus der Nordsee bei der Klaverbank.
  • Am 29. September 2003 strandet ein relativ frischer Kadaver eines Buckelwal-Weibchens bei Maasvlakte (ZH) in den Niederlanden. Das Tier misst 8,5 m. Beobachter halten es zunächst für einen Nordatlantischen Zwergwal. Daher lassen ihn die Behörden zunächst wieder ins Wasser schleppen. Er strandet jedoch am 7. Oktober erneut. Der Schädel und ein Teil des Skelettes sind im Naturalis in Leiden hinterlegt.
  • Am 20. Dezember 2003 strandet ein frischtoter Buckelwal-Bulle bei Katwijk aan Zee. Das 9,5 m lange Tier wurde am Vortag noch lebend beobachtet. Das Skelett ging in die Sammlung des Naturalis in Leiden.
  • 22. Juni 2004 strandet ein frischtoter Buckelwal bei Vliehors auf Vlieland, der selben Gegend, wo der aktuelle Wal gestrandet ist. Hierbei handelte es sich um ein Männchen von 8 m Länge. Der frische und intakte Körper wurde zunächst vergraben, am folgenden Tag aber bereits für das Ecomare wieder geborgen. Das Skelett ist heute Teil der Ausstellung, Gewebeproben für DNA-Analysen existieren ebenfalls. Das Tier starb an einer Verstrickung in ein Seil, das sich tief in Haut, Blubber, Muskeln und Organe geschnitten hatte.
  • 5. März 2006: Totfund bei Nieuwpoort (Belgien), ein 10,5 m langes Weibchen im Zustand fortgeschrittener Verwesung wird nach mehreren Tagen auf See angespült.
  • 8. Oktober 2009: Bei Westgat auf der Insel Ameland wird ein stark verwester Kadaver eines etwa 8,5 m langen, männlichen Buckelwals gefunden. Der Wal ist mindestens eine Woche vor der Strandung gestorben und trieb zwischen den Inseln Terschelling und Ameland umher. Vermutlich war es ein Jungtier, nicht älter als 2 Jahre. Die Todesursache ist unbekannt.
    Skelett und Barten sind im Naturalis Leiden archiviert.
  • 2009 stirbt ein Buckelwal im Bereich der Themsemündung.
  • 18. August 2010 bei Pole 87 in Katwijk: Ein Teil eines stark verwesten Buckelwals wird angeschwemmt. Er besteht nur aus einem Flipper und wenigen weiteren Knochen. Die Länge des Flippers beträgt 150 cm, er ist der einzige vermessene Teil des Fundes. Da Flipper etwa 1/3 der Länge eines Buckelwals ausmachen, rechnen Wissenschaftler mit einem etwa 4,5 m langen Baby. Dies bedeutet, dass ein Buckelwal in der südlichen Nordsee auf die Welt kam. Ein Ereignis, das noch nie beobachtet wurde.
    Das Naturalis in Leiden archiviert auch diesen Fund.
  • 23. März 2012: Ein Wattwanderer (?) findet einen einzelnen Wirbel eines Buckelwals auf einer Sandbank bei Cocksdorp, Texel. Er geht in die Sammlung des Ecomare ein.
  • 2012: 30. Mai, 14. August; 29. November bis 4. Dezember: erste Beobachtung zweier Tiere, die interagieren; ab 4.12. ein Einzeltier „Johanna“, das am 12.12. als „verletzt / krank“, also gestrandet gemeldet wird. Das Tier stirbt am 16.12.:
  • 12. Dezember 2012 auf dem Razende Bol bei Texel strandet ein 10,34 m langes Buckelwal-Weibchen lebend. Die Medien nennen es kurz danach „Johanna“. Durch Kompetenzstreitigkeiten von Behörden und Umweltschützern stirbt das Tier am 16.12. ohne einen kompetenten Rettungsversuch. Dies nimmt die Regierung als Anlass, ein Handbuch zur Rettung lebend gestrandeter Großwale herauszugeben, das Kompetenzen in diesem Fall klar regelt. Das Naturalis in Leiden hat Skelett, Barten und Hautproben gesammelt.
    Magen und Darm von Johanna enthielten Sprotten, außerdem fanden sich 16 Plastikpartikel zwischen 1 mm und 17 cm Länge. Die Untersucher vermuten insgesamt etwa 160 Plastikpartikel in ihrem Darm.
  • 2013 stirbt ein Buckelwal in der Themsemündung
  • 2013: 4. bis 18 Januar: zunächst zwei, ab dem 13.1. nur noch ein Tier vor den Niederlanden
  • 2014: 22. September und 25. Dezember je eine Einzelbeobachtung vor der niederländischen Küste
  • 2015: 14. bis 16. Februar: ein Jungtier, 12. und 14. November: ein Einzeltier; 2. und 29. Dezember: auch je ein Einzeltier vor NL, keine Beobachtung in Belgien
  • 2016: durchgehende Sichtungen vom 29. Dezember 2015 bis 16. Januar 2016; 29. Februar; 22. Oktober jeweils Einzeltiere, auch wieder Niederlande
  • 2017: 16. Januar bis 4. Februar: ein bzw. zwei Tiere; 27. Februar  bis 3. März: Einzeltier; 10. Juli ein weiteres Einzeltier, ebenfalls Niederlande
  • 8. Oktober 2019: Ein Buckelwal wird bewegungslos auf einer Schlickinsel in der Themsemündung gefunden. Es war ein 8,5 m langes Weibchen in schlechtem Allgemeinzustand.
  • 2018: 13. Oktober bis 9. Dezember, ein Einzeltier, das auch frisst; 25. Dezember bis 11.Januar 2019: ein Einzeltier im Bereich der niederländischen Küste
  • 2019: 25. Dezember 2018 bis 11. Januar: ein Einzeltier
  • 2020: Keine Beobachtungen
  • 2021: 16. Oktober bis 18. November: ein Einzeltier ist an der niederländischen Küste unterwegs. Er bewegt sich vor Bergen an Zee, Camperduin und Hondsbossche Zeewering. Dabei scheint es auch zu fressen.
  • 1. Februar 2022: Ein 10 m langer Buckelwal strandet bei Calais und stirbt wenige Stunden danach. Das Tier war mehrere Monate vorher in der Nordsee unterwegs. Die erste Beobachtung datiert auf den 16.10.2021 vor Hondsbossche Zeewering in Nordholland. Dabei pendelte das Tier immer wieder vor der niederländischen Küste und wurde auch regelmäßig beim Fressen beobachtet. Hauptsächlich hießt es sich in Nordholland zwischen Alkmaar und Texel auf, im Süden gibt es Beobachtungen aus Scheveningen und Hoek van Holland. Dort gab es auch die letzten (niederländischen) Beobachtungen.
  • 5. Juli 2022: Ein 7 m langer Buckelwal wird am Strand von Vlieland angeschwemmt. Das Jungtier war bei der Strandung bereits tot. Er war stark abgemagert und dehydriert, vermutlich war er gerade abgestillt und hatte nicht gelernt, Fische zu fressen. Das Tier kreuzte vorher etwa 6 Wochen lang vor Holland und Belgien.
  • 23. November 2022: Wieder ein Buckelwal vor Holland, diesmal vor der westfriesischen Insel Terschelling.
  • 15. Januar 2023: Aus dem einen Buckelwal werden zwei. Offenbar wandern sie zwischen Cornwall und Terschelling hin und her.

 

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.