Zoo Duisburg trauert um einzigartigen Amazonas-Delfin. Mit „Baby“ stirbt im Dezember 2021 ein Flaggschifftier für den Artenschutz. Er erreichte ein außergewöhnlich hohes Alter von über 46 Jahren. Der Zoo Duisburg schreibt in seiner Pressemitteilung:
Am Ende war es das Alter
„In den vergangenen Tagen veränderte sich der Gesundheitszustand von Flussdelfin „Orinoko“, welcher von uns allen nur liebevoll „Baby“ genannt wurde. Er reagierte zunehmend verhalten und nahm sein Futter teilweise nicht an. Im hinteren Bereich der Anlage Rio Negro konnte „Baby“ zeitnah abgetrennt und von den anwesenden Tierärztinnen und Tierpflegern untersucht werden. Aufgrund seines hohen Alters und einer diagnostizierten Wundinfektion wurde „Baby“ mit einem Antibiotikum versorgt. Um ein Dehydrieren zu verhindern entschied sich das Zoo-Team zusätzlich zur Eingabe von Wasser. Anschließend wurde unser Senior engmaschig überwacht.
Zu unserem großen Bedauern verschlechterte sich sein Zustand trotz der ergriffenen Maßnahmen. Nach gründlicher Abwägung aller Umstände und Rücksprache mit zahlreichen Experten zu dieser Tierart entschieden wir uns daher, „Baby“ heute Morgen gehen zu lassen – eine Entscheidung, die uns allen nicht leicht gefallen ist und unglaublich schmerzt.
Ein Botschafter für den Regenwald
„Baby“ war ein Charaktertier unseres Zoos. Der Verlust trifft Mitarbeiter und Besucher gleichermaßen und macht uns sehr traurig. Viele Menschen kannten ihn bereits von Klein an, sind mit ihm aufgewachsen und teilweise auch alt geworden. Mit „Baby“ haben wir ein Symboltier verloren, das stellvertretend für seine stark gefährdeten Artgenossen in Südamerika sowie das Schwinden des tropischen Regenwaldes stand. Mit seinen über 46 Jahren erreichte der letzte Amazonas-Flussdelfin in einem Zoo außerhalb Südamerikas ein außergewöhnlich hohes Alter – die Lebenserwartung im ursprünglichen Lebensraum liegt bei nur rund 20 Jahren. Er lebte 45 Jahre und 9 Monate im Zoo Duisburg, mit großem Abstand die längste Haltung eines Vertreters dieser Art in Menschenobhut.“
Amazonas-Delfine leben oft alleine
Flussdelfine leben in den seichten, trüben Gewässern des südamerikanischen Regenwaldes. Anders als andere Delfinarten leben sie meist einzelgängerisch und nicht in großen Familienverbänden. Die Artenschutzorganisation Yaqu Pacha e.V. schätzt, dass es in den Fluss-Systemen des Amazonas und des Orinokos noch etwa 35.000 Tiere dieser Art gibt. Die Zahlen beruhen auf Hochrechnungen der Forscher, da die Tiere im ursprünglichen Lebensraum schwer zu beobachten und zu erforschen sind.
Durch zahlreiche Gefahren bedroht
Der Bau von Staudämmen, die Verschmutzung des Wassers und die Jagd setzen dieser außergewöhnlichen Tierart immer weiter zu. Ihr Fleisch wird als Angelköder genutzt, ihre Zähne im Schamanismus eingesetzt. Zahnenden Kindern wird traditionell eine Kette mit einem Flussdelfinzahn um den Hals gehängt. Dies soll die Schmerzen der kleinen Kinder lindern – ein tödlicher Aberglaube. Ein unsichtbarer Feind der Flussdelfine ist Quecksilber, welches beim Abbau von Gold eingesetzt und in die Flüsse geleitet wird. Da Flussdelfine am Ende der Nahrungskette stehen, sammelt sich im Laufe ihres Lebens besonders viel schädliches Quecksilber durch ihre Nahrung im Fettgewebe an und führt zu schleichenden Vergiftungen.
Daher wird der Amazonas-Flussdelfin auf der sogenannten Roten Liste der gefährdeten Tierarten als „stark gefährdet“ geführt. Zum Schutz des Lebensraums unterstützen wir bereits seit Jahren die Artenschutzorganisation YAQU PACHA e.V., welche sich für südamerikanische Säugetiere einsetzt. Forschungsprojekte und Aufklärung der Bevölkerung im Rahmen von Bildungsprojekten zählen ebenso zu den Maßnahmen, wie Populationszählungen.
Um das Leben von Flussdelfinen besser verstehen zu können, bekam „Baby“ mehrfach Besuch von Forschern aus aller Welt. In 2019 erforschte beispielsweise Prof. Marie Trone von der University of Florida die Lautäußerungen unseres Flussdelfins. Die bei uns gesammelten Daten werden im ursprünglichen Lebensraum von Forscherteams zur Ortung von Flussdelfinen eingesetzt, denn im trüben Wasser sind die Tiere nicht zu sehen und auch über Wasser nur schwer zu lokalisieren.
Trauer, nicht nur in Duisburg
Im Moment überwiegt die Trauer, einen unserer einzigartigen Schützlinge verloren zu haben, die das Zoo-Team erst einmal verarbeiten muss. Zu gegebener Zeit wird über die zukünftige Nutzung des großzügigen Wasserareals in der Tropenhalle Rio Negro entschieden, das zwischenzeitlich von einer Reihe südamerikanischer Fischarten bevölkert wird, die „Baby“ schon zu Lebzeiten Gesellschaft geleistet haben.
(Pressemittelung des Zoos Duisburg)
Kommentar:
Ich kenne „Baby“, seit ich den Duisburger Zoo kenne. Als Grundschüler war ich das erste Mal dort und habe ihn und ein anderes Männchen, das „Apure“ hieß, in einem winzigen, flachen und kaum strukturierten Becken schwimmen sehen. Erst viele Jahre später kamen die beiden in ein angemessenes Aquarium, mit einer zwölf Meter langen, gewölbten Scheibe, zwei Inseln und einragenden Wurzeln. Sie teilten dieses Gehege mit zahlreichen großen und kleineren südamerikanischen Fischen, von denen mehr als einer auch als Delfinfutter herhalten musste.
Seit 2006 ist „Baby“, der lange Zeit „Butu“ hieß, alleine in seinem Becken. So hart, wie es klingt, ist es vermutlich nicht gewesen: anders als die „echten“ Delfine aus den Meeren leben Amazonasdelfine nicht gesellig, gerade ältere Männchen haben gerne ihre Ruhe. Eigentlich war mir immer klar, dass beide Tiere (später dann nur ein Tier) sehr alt waren. Jeder Besuch im Zoo Duisburg konnte der letzte sein und damit auch die letzte Chance auf ein Foto dieser Tierart. Dennoch ist mir -auch wegen der dicken Scheibe- nie ein gutes Foto der Tiere gelungen.
Doch Amazonas-Delfinen werden auch gänzlich andere Aktivtäten nachgesagt. So erzählen sich die Indios im Amazonasbecken, dass die Delfine immer da sind, wenn irgendwo ein Fest gefeiert wird. Sie kämen dann als attraktive junge Männer mit grauem Mantel und Hut (um das Blasloch auf dem Kopf zu verbergen) und würden mitfeiern. Da sie gut aussähen und hervorragend tanzen könnten, käme es mehr als einmal zu einem engeren Kontakt mit jungen Damen. Die daraus hervorgehenden Kinder werden als Delfinkinder bezeichnet.
So, wie Apure und Butu drauf waren, haben die es bestimmt in den bekannten Ruhrgebietesdiskos Pulp, Stahlwerk oder Mudia so richtig krachen lassen.
Webseite des Zoo Duisburg mit der Meldung