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Der kalifornische Gorilla von 1870

Seit 1955 die Presse zum ersten Mal von einem „Bigfoot“ in Kalifornien berichtete (nicht 1958, wie oft behauptet, vgl. Magin 2013) suchen Kryptozoologen nach alten Berichten aus den Vereinigten Staaten, die darauf schließen lassen, man habe Bigfoot schon im 19. Jahrhundert gesehen.

 

Der Antioch Ledger berichtet

Der populärsten dieser frühen Berichte ist – neben dem Fang von „Jacko“ an einem Eisenbahntunnel – eine Meldung aus der Zeitung „Antioch Ledger“ vom 1. Oktober 1870. (Green, S. 41–42) Sie sorgte weltweit für Schlagzeilen und Nachdrucke. In Neuseeland brachte der „Wellington Independent“ den Bericht am 27. Februar 1871, der „Wanganui Herald“ am 4.März 1871, der „Marlborough Express“ am 1. April 1871, der „Colonist“ am 14. April 1871 und die „Tuapeka Times“ am 27. April 1871. In Australien druckte der „Warwick Examiner and Times“ die Sichtung bereits am 21. Oktober 1871 auf Seite 4.

Solche Meldungen reisten also weit. Umso erstaunlicher, dass sich nicht schon damals eine engeres Erzählgeflecht daran knüpfte. Erst die Schlagzeilen um den Yeti ab 1921 erlaubten es zunächst dem kanadischen Sasquatch (ab 1934) und dann dem amerikanischen Bigfoot, selbst zu Medienstars zu werden.

 

Antioch Ledger

Übrigens erreichte der Artikel aus dem „Antioch Ledger“ auch Deutschland, und das noch eher als Neuseeland. Die in Karlsruhe erscheinende „Badische Landes-Zeitung“ übersetzte sie für ihre Ausgabe vom Samstag, den 24. Dezember 1870 (Seite 3)

 

Gorilla

Im Antioch Ledger wurde unlängst gemeldet, daß in Kalifornien kürzlich ein Gorilla gesehen worden. Mit Bezug hierauf theilt ein alter Jäger in Crayson, Kalifornien, mit, daß er einen der wilden Männer von Kalifornien im vorigen Jahre gesehen, während er 20 Meilen südlich von Crayson [= Grayson] in den Bergen jagte. Bei der Rückkehr in sein Lager fand er eines Abends die Feuerbrände umhergeworfen, was ihn veranlaßte, am nächsten Tage vom Gebüsche aus die Stätte zu überwachen. Nach ungefähr zweistündigem Warten sah er ein, einem Menschen ähnliches Geschöpf im Feuer stehen; dasselbe war volle 8 Fuß [2,40 m] hoch und unverhältnißmäßig breit in den Schultern, mit sehr langen Armen, sehr kurzen Beinen und langem Körper, im Vergleich zu den übrigen Gliedmaßen war der Kopf klein und schien ohne Hals auf den Schultern zu sitzen. Das ganze Geschöpf war mit dunkelbraunem und zimmetfarbigem [zimtfarbenem] Haar bedeckt, das auf dem Kopf aufrecht stand, und bis an die Augen hinuntergewachsen war. Es bückte sich und ergriff einen Feuerbrand, den es so lange um sich schwenkte, bis derselbe erloschen war, um dann mit andern Bränden pfeifend dasselbe Manöver zu wiederholen.

Nachdem das Geschöpf sich anscheinend zur Genüge unterhalten hatte, schickte es sich zum Verlassen des Platzes an. Nicht weit davon gesellte sich zu ihm ein ähnliches Wesen – unverkennbar ein weibliches, — beide kamen in einer Entfernung von 20 Ellen bei dem Jäger vorüber, und verschwanden dann im Gebüsch. Das Pfeifen glich dem der Knaben, wenn sie zwei Finger unter ihre Zunge stecken. Der Erzähler fügt hinzu, daß mehrere Personen die Spuren der ungeheuren Füße dieser kuriosen Naturgeschöpfe gesehen haben.

 

 


Literatur

Green, John: Sasquatch – the Apes among us. Surrey, BC: Hancock House 2006

Magin, Ulrich: Was Bigfoot an Ancient Lemurian? Fortean Times 298, März 2013, S. 28–29

Von Ulrich Magin

Ulrich Magin (geb. 1962) beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Kryptozoologie, insbesondere mit Ungeheuern in Seen und im Meer. Er ist Mitarbeiter mehrerer fortianischer Magazine, darunter der „Fortean Times“ und Autor verschiedener Bücher, die sich u.a. mit Kryptozoologie befassen: Magischer Mittelrhein, Geheimnisse des Saarlandes, Pfälzer Mysterien und jüngst Magische Mosel.