„Den“ Schwertwal Orcinus orca gibt es nicht. Alleine die Orcas der südlichen Hemisphäre unterscheiden sich genetisch und kulturell mindestens vier „Typen“. Die unterschiedlichen Typen werden der Einfachheit als A- bis D-Type Orcas bezeichnet. Sie „sprechen“ verschiedene Sprachen, bevorzugen unterschiedliche Nahrung und haben unterschiedliche Jagdtechniken. Dazu kommen die ähnlich differenzierten, aber schlechter erforschten europäischen Populationen, Gruppen aus der Arktis, dem indischen Ozean und dem Ostpazifik.
Die geheimnisvollsten Orcas
1955 strandete bei Neuseeland eine 17-köpfige Gruppe von Orcas, wie sie noch niemand gesehen hatte. Damit wurden die Geheimnisvollsten aller Orcas entdeckt. Sie unterscheiden sich stark von anderen Orcas. Männchen werden 6-7 m lang, auch die Weibchen sind mit 6 m relativ groß und schlank. Der helle Augenfleck ist extrem klein und die „Sattel“-Zeichnung ist kaum sichtbar, so wirken die Tiere von oben beinahe schwarz. Die Melone wölbt sich steil und hoch, während die Rückenflosse schmal und niedrig ist. Sie ist weitaus stärker gebogen, als bei anderen Orcas und endet spitz. Als vierter bekannter Ökotyp nannte man sie einfach D-Type Orca.
Mittlerweile gehen viele Wissenschaftler davon aus, dass die Unterschiede zu anderen Ökotypen ausreichen, sie als eigene Art zu bezeichnen. Eine formale Beschreibung steht jedoch noch aus – nominell ist es also tatsächlich ein Kryptid.
Heute weiß man, dass die D-Type Orcas circumpolar in der Hochsee zwischen 40°S und 60°S vorkommen. Die durchschnittliche Gruppengröße liegt bei 17 Tieren. Ihre bevorzugte Nahrung ist noch unbekannt. Die oben beschriebene Begegnung ermöglichte es den Wissenschaftlern, 30 Tiere zu filmen und einige Gewebeproben zu entnehmen. Sie zeigten eine sehr geringe genetische Variabilität, was eine kleine Populationsgröße bedeuten kann.
Bei südamerikanischen Fischer, die auch illegal in diesen Gewässern fischen, sind die Tiere nicht sehr beliebt, auch weil sie bereits gefangene Fische von den Langleinen schütteln. Es kommt vor, dass die Fische die Wale mit Sprengstoff angreifen. Daher sind die Tiere sehr vorsichtig, wenn Boote in der Nähe sind.
Quellen
Andrew D Foote, Alana Alexander, Lisa T Ballance, Rochelle Constantine, Bárbara Galletti Vernazzani Muñoz, Christophe Guinet, Kelly M Robertson, Mikkel-Holger S Sinding, Mariano Sironi, Paul Tixier, John Totterdell, Jared R Towers, Rebecca Wellard, Robert L Pitman, Phillip A Morin: “Type D” killer whale genomes reveal long-term small population size and low genetic diversity. In: Journal of Heredity. Oxford Academic, 2023
Stephanie Kusma: Geheimnisvolle Schwertwale: Erstmals filmen Forscher eine möglicherweise neue Orca-Spezies. NZZ, 2019
Robert L. Pitman, John W. Durban, Michael Greenfelder, Christophe Guinet, Morton Jorgensen, Paula A. Olson, Jordi Plana, Paul Tixier & Jared R. Towers: Observations of a distinctive morphotype of killer whale (Orcinus orca), type D, from subantarctic waters. In: Polar Biology. 34. Auflage. August 2010, S. 303–306.