Lesedauer: etwa 7 Minuten

„‘New‘ giant ape found in DR Kongo”, so titelten die BBC News im Oktober 2004. Die Primatologin Shelly Williams glaubte, das Unmögliche vollbracht zu haben: Im 21. Jahrhundert, einem Zeitalter, in dem die Erde (von den Ozeanen abgesehen) fast vollständig erforscht schien.

Seltsam sahen diese Bili-Affen, wie man sie bald nannte, aus – und sie verhielten sich auch so. Die Riesen von einer Körpergröße bis zu zwei Metern wiesen eine seltsame Mischung von Merkmalen der Gorillas einerseits und der Schimpansen andererseits auf.

 

Screenshot BBC
So titulierte die BBC die Entdeckung am 10. Oktober 2004

 

Auf die Euphorie folgte aber bald darauf ein Stück weit die Ernüchterung: Der Bili-Affe war weder eine eigene Art, noch – aus genetischer Sicht eigentlich per se absurd – eine Kreuzung aus Schimpanse und Gorilla. Durch DNA-Analysen in den Jahren 2005 und 2006 stellte sich schließlich heraus, dass der Bili-Affe all seiner Seltsamkeiten zum Trotz lediglich eine Unterart des Ostafrikanischen Schimpansen darstelle. Damit war die Entdeckung Williams‘ zwar zoologisch immer noch hochrelevant, für die Weltöffentlichkeit aber ungleich unspektakulärer.

Der Bili-Affe ist also eine wissenschaftlich beschriebene und systematisch eingeordnete Unterart. Somit ist er kein Kryptid mehr und sein Geheimnis wurde eben bereits in der Einleitung dieses Artikels gelüftet. Trotzdem könnte er auf der Suche nach menschenähnlichen Kryptiden im Kongo noch relevant werden – doch davon später mehr.

Die Ausgangsquelle dieses Artikels liefert ohnehin ein anderer. Charles Cordier hieß dieser Mann, der Mitte des 20. Jahrhunderts als Tierfänger vornehmlich in Afrika tätig war. Schimpansen und Gorillas kannte er also zweifelsohne aus nächster Nähe. Trotzdem berichtet er nicht von einer, sondern gleich zwei unbekannten, menschen- bzw. affenähnlichen Arten. Zwar bekam er sie nie zu Gesicht, er konnte aber etliche Augenzeugen ausfindig machen und soll selbst Fußabdrücke der Kryptide gesehen haben.

Die Expedition zur Entdeckung beider Arten fand im Verlauf des Jahres 1960 statt.

 

Ortsfragen

Bevor man sich mit den beiden Kryptiden im Einzelnen befasst, sollte zunächst geklärt werden, wo denn überhaupt ihr Lebensraum liegen soll. Dieser kann später mit den Populationsgebieten bekannter Arten abgeglichen werden. Überschneiden sie sich nicht, ist die bekannte Art wahrscheinlich nicht mit dem Kryptid identisch.

 

Kongo - Becken
Das Kongobecken ist das zweitgrößte zusammenhängende tropische Urwaldgebiet der Erde (Karte: Kmusser CC-BY-SA-4.0)

 

Ein grober Überblick

In Cordiers Bericht ist eine Zeichnung enthalten. Diese zeigt alle in einer grob schematischen Darstellung alle Örtlichkeiten, die er m Rahmen seiner Recherchen zu den Kryptiden besuchte. Sie liegen in einem klar umgrenzten Gebiet:

Die nördliche Grenze stellt der „nullte“ Breitengrad – sprich: der Äquator – dar, die südliche der 4 Breitengrad. Die westliche Grenze macht der 26. Längengrad aus, die östliche der 30. Längengrad. Demnach kommt also nur ein Bruchteil der heutigen Demokratischen Republik Kongo als angebliches Verbreitungsgebiet des Kryptide in Frage.

 

Etwas detailliertere Beschreibungen

Weiterhin gibt Cordier an, dass er (beinahe) ausschließlich in der Provinz Kivu – bzw. denjenigen Teilen der Provinz, die innerhalb der zuvor grob angegebenen Region liegen –  recherchiert habe.

Innerhalb der Provinz erwähnt der Tierfänger die Region Walikale. Er orientierte sich an den Flüssen Osso, Lowa und Uku. So entsteht ein relativ dichtes Bild davon, in welchen Gebieten er sich auf der Suche nach den Kryptiden angehalten hatte.

Das „Epizentrum“ beider Kryptidenpopulationen soll in der Nähe der Ortschaft Kasese liegen. Diese zeichnet sich ansonsten durch den Bergbau aus, der dort intensiv betrieben wird.

 


Lage von Walikale im Kongo, nahe der Grenze zu Ruanda und Uganda
 

Kikomba – der haarige Riese

Das erste der beiden Kryptiden wird im Folgenden als Kikomba bezeichnet werden. Diese Wahl ist völlig willkürlich getroffen und dient lediglich zum erleichterten Leseverständnis. Der Name des stets ähnlich beschriebenen Kryptids variiert nämlich von Ortschaft zu Ortschaft stark.

Cordier schlug als Alternativbezeichnung noch den selbst geprägten Begriff „Paranthropus congensis“ vor. Damit gab er einer Art, deren Existenz noch gar nicht erwiesen war, einen pseudo-wissenschaftlichen Namen. Worin der Vorteil bestehen soll, diesen gegenüber einem der volkstümlichen Namen zu verwenden, sei dahingestellt.

 

Kongo
Die Region um Walikale zeichnet sich durch mehrere spektakuläre Katarakte aus.

 

Beschreibung des Kikomba

Wie eingangs erwähnt, bekam Cordier keines der Kryptiden persönlich zu Gesicht. Er musste sich daher auf Berichte der einheimischen Bevölkerung stützen. Darauf basieren demnach auch alle Annahmen zum Kryptid in diesem Artikel.

Ein aufrecht gehender Affe

Zum Äußeren des Kikomba macht Cordier keine allzu detaillierten Angaben. Er bezeichnet das Wesen als „noir velu“,  also als „stark schwarz behaart“. Dies dürfte einerseits auf die Fellfarbe anspielen, andererseits aber auch auf die Länge der Haare. Diese sind laut den Einheimischen nämlich zumindest auf dem Kopf so lang, dass sie das Gesicht des Kryptids bedecken. Auch die Dichte seines Fells spielte wohl eine Rolle in dieser Beschreibung.

Das sonst affenartige Wesen verfügt über ein höchst menschliches Merkmal: Es geht angeblich die ganze Zeit über aufrecht. Dadurch wird auch seine enorme Größe leicht erkennbar. Der Kikomba ist mindestens ebenso groß, wie der durchschnittliche Einheimische, teils noch größer.

 

Gorilla
Gorillas sind im Kongogebiet weit verbreitet, jedoch nie häufig.

 

Allerdings hält sich der Kikomba nicht exklusiv am Boden auf. Er besteigt auch Bäume, unter anderem, um dabei Honig zu ernten.

Seine Ernährung ist fast ausschließlich vegetarischer Art. Cordier zählt verschiedene Pflanzen und Früchte auf, die dem Kryptid als übliche Nahrung dienen. Lediglich Insektenlarven verzehrt der Kikomba darüber hinaus gelegentlich, indem er Stämme von Totholz aufbricht. Ob er einfache Werkzeuge gebraucht, wird nicht eindeutig beschrieben – es steht allerdings zu vermuten. Er führt nämlich beinahe immer einen Ast mit sich.

Trotz der vegetarischen Lebensweise ist der Kikomba keineswegs ein friedliches Wesen. Den zuvor erwähnten Stock nutzt er nämlich als Schlagwaffe, sobald er einem Menschen begegnet. Dabei ist der Kikomba diesem an Körperkraft bei weitem überlegen. Um den Angriff zu überleben, muss sich der Angegriffene totstellen. Dann lässt das Kryptid sofort von ihm ab.

 

Der verwaschene Fußabdruck

Wenn er auch nicht das Kryptid selbst fand, glaubte Cordier doch, zumindest einen Blick auf einen Fußabdruck erhascht zu haben.

Ein Mann, der einige Zeit zuvor angeblich von einem Kikomba angegriffen worden war, wies ihm den Weg. Die Örtlichkeit befand sich etwa 14 km von der Goldmine von Umate entfernt.

Die Vegetation neben der Straße wies menschenähnliche Spuren auf. Insbesondere sie abgeknickte Vegetation fiel den beiden Männern auf. Sie konnten den Spuren nicht bis zu ihrem Urheber folgen – wohl weil der Bodengrund nach einiger Distanz dafür ungeeignet war.

Dafür hatte Cordier aber die Gelegenheit, die Fußabdrücke näher zu untersuchen. Er beschreibt sie als menschenähnlich, aber deutlich kürzer, als man es bei einem menschengroßen Wesen erwarten dürfte. Die Länge betrug nur etwa 20 cm. Dafür waren sie sehr breit.

 

Gorilla-Fuß
Fuß eines Gorillas zum Vergleich

 

Eine weitere Besonderheit stellten die Zehen dar: Der zweite Zeh – d.h. derjenige, der auf den großen Zeh folgt – erschien ihm länger, als der letztgenannte.

Der Tierfänger hatte angeblich sogar daran gedacht, einen Fotoapparat mitzubringen. Gerade wollte er fotografieren, als plötzlich ein heftiges Gewitter losbrach. Dadurch verschwamm der Fußabdruck bis zur Unkenntlichkeit. Nun sind Gewitter im tropischen Regenwald an der Tagesordnung, doch das perfekte Timing macht schon stutzig…


Dieser Artikel hat 4 Teile:

 

 

Von Dominik Schindler

Dominik Schindler ist aktuell Student der Wirtschaftspsychologie (B. Sc.). Sein Interesse für die Kryptozoologie wurde erstmals im Vorschulalter durch eine Fernseh-Dokumentation über das Ungeheuer von Loch Ness geweckt. Da aber bis heute verhältnismäßig wenig deutschsprachiges Material zur Kryptozoologie verfügbar ist, ruhte dieses Interesse für längere Zeit. Erst seit wenigen Jahren beschäftigt er sich intensiv mit diesem Thema. Auslöser dafür war ein Bericht über den Minnesota Iceman, der auf einer englischsprachigen Website über amerikanische Sideshows veröffentlicht wurde.