Ein seltsamer Vogel lieferte zwei Schwungfedern auf dem Kopfschmuck des Inka. Einer der letzten Angehörigen der Inka-Dynastie berichtete in seinen Aufzeichnungen über die Chronik des südamerikanischen Kaiserreichs die folgende, kuriose Geschichte:
Zur Herkunft der Federn
„Diese Federn sind teils schwarz, teils weiß und so groß wie die des weiblichen Bahari-Falken; und sie mussten ein Paar bilden, das heißt die eine musste von einem Flügel und die andere vom anderen stammen. Ich habe sie beim Inka Sayri Túpac gesehen.
Die Vögel, die diese Federn haben, kommen in dem unbewohnten Landstrich von Uillcanuta vor, zweiunddreißig Leguas von Cuzco entfernt, an einem kleinen See zu Füßen des unzugänglichen Schneegebirges. Diejenigen, die sie gesehen haben, versichern, dass man immer nur zwei sehe, das Männchen und das Weibchen. Dass sie immer zusammen seien, und man weiß nicht, woher sie kommen und wo sie nisten, und nie hat man andere als jene in ganz Peru gesehen, wie die Indianer sagen. Obwohl es dortzulande noch viele andere Schneegebirge und unbewohnte Gegenden und große und kleine Seen wie den von Uillcanuta gibt.
Dies scheint der Geschichte vom Vogel Phönix zu ähneln, obwohl ich nicht weiß, wer diesen so wie jene anderen je gesehen hätte.
Da man nicht mehr als diese zwei Vögel gefunden hat und, wie es heißt, auch keine Nachrichten darüber vorliegen, dass es noch andere in der Welt gebe, trugen die Inka-Könige deren Federn und wertschätzten sie so sehr, dass kein anderer sie tragen durfte, nicht einmal der Erbprinz; denn sie sagten, dass diese Vögel auf Grund ihrer Einmaligkeit den ersten Inka ähnelten […] und um die Erinnerung an ihre Urahnen zu wahren, trugen sie als wichtigstes Zeichen die Federn dieser Vögel und hielten sie für heilig. Ich für meinen Teil glaube, dass es noch viele andere solcher Vögel gibt, denn eine solche Einmaligkeit ist nicht möglich; mit der des Vogels Phönix sei es genug; vielmehr werden sie paarweise sehr vereinzelt leben.“
Quelle
Garcilaso de la Vega: Wahrhaftige Kommentare. (deutsch von Wilhelm Plackmeyer). Berlin: Rütten und Loening 1986, S. 235