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Überlebende Dinosaurier werden in Afrika seit der späten Kolonialzeit überall vermutet – besonders im Flusssystem des Kongo (davon ist, durch einen Zufall, fast nur noch der Lac Tele übriggeblieben, obwohl sich der Großteil der Berichte auf die Flusssysteme des Likoula und Sangha bezieht) und in Südamerika (der sogenannte patagonische Plesiosaurus, obwohl das natürlich kein Dinosaurier war).

Im September 1911 berichteten fast alle deutschen Zeitungen regelmäßig über die Ergebnisse der Dinosaurierexpedition, die fossile Funde in Deutsch-Ostafrika barg, dem heutigen Tansania.

 

Hat in Südamerika etwas überlebt?

Über überlebende Exemplare spekulierte man hierzulande ab 1924. Wir lesen im „Vorwärts“ vom 19. November 1924:

 

Die Jagd nach dem lebenden Dinosaurier. Eine Expedition nach Südamerika wird von einem australischen Forscher, Gayne Dexter, unternommen, um den „lebenden Dinosaurier“ zu finden, der verschiedentlich in dem Esguel-See [Lago Esquel, Provinz Chubut] in den Anden gesehen worden sein soll. Der Direktor des Zoologischen Gartens von Buenos Aires, Clemence Onelli, hatte bereits vor zwei Jahren eine mißglückte Jagd nach diesem fabelhaften Untier unternommen. Dexter hofft nun, das Tier zu finden, über dessen Dasein bereits zwölf Zeugnisse vorliegen und dessen Spuren man in der Umgebung des Sees gefunden hat. Die Expedition führt Leuchtraketen mit, um den See bei Nacht zu erleuchten, da das Untier sich nur in der Dunkelheit zeigt. Große Fallen und ein Lastkraftwagen werden ebenfalls mitgeführt, um das merkwürdige Ungeheuer fangen und transportieren zu können. Hoffentlich verbietet der zuständige Staat dem allzu unternehmungslustigen Freibeuter, dieses „fabelhafte Untier“ wegzuschaffen. Er soll es in seinem Milieu lassen und dort studieren.

 

Flussinsel in Gambia, Afrika
Flussinsel in Gambia

 

Dinos in Afrika – Einigkeit in der Presse?

Dieselbe Meldung ist auch im „Wochenblatt für Zschopau und Umgegend“ (22. November 1924) und in der Morgenausgabe der „Berliner Börsen-Zeitung“ (23. November 1924) zu finden. Die Morgenausgabe der „Berliner Börsen-Zeitung“ berichtet zwei Jahre später, am 25. November 1926, wiederum über „Die letzten lebenden Dinosaurier“, der Bericht handelt aber vom Komodo-Waran.

 

Komodo-Waran
Komodo-Warane in einem Dorf auf Komodo

 

Erneut „Vorwärts“ druckte am 18. Februar 1926 einen Artikel des bekannten Autors Willy Ley über mögliche „Nachkommen der alten Dinosaurier“ ab, dessen Material später in sein Buch „Drachen Riesen Rätseltiere“ aufgenommen wurde. Anlass für seine Zusammenstellung englischer und deutscher Zeugenaussagen war der Film „Die vergessene Welt“ nach Arthur Conan Doyle, der damals in die Kinos kam. Ley war ein Pionier der Kryptozoologie in Deutschland und seine Texte sind immer noch schön zu lesen.

 

Das Okapi ist eines der letztentdeckten Großtiere aus Afrika
Okapi im Zoo

 

Das „Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung“ (Morgen-Ausgabe, 26. Oktober 1927, Seite 5) brachte einen Artikel eines mir bislang noch nicht bekannten frühen Kryptozoologen, dem Direktor des Zoos Berlin.

Unter der Überschrift „Gibt es noch unbekannte Vierfüßler? / Funde im Kongo und auf Sundainseln. / ‚Es spukt noch eine Sage / … im innersten Afrika …‘“ berichtet Professor Dr. Ludwig Heck, der Direktor des Zoologischen Gartens in Berlin, über jüngste Tierentdeckungen – den Komodo-Waran und das Okapi. Ganz zum Schluss verweist er noch auf potenziell überlebende Dinosaurier in Afrika:

 

Um die Seen und Sümpfe des innersten Afrika spukt auch noch die Sage von einem riesigen Reptil, in dem kräftige und unerschrockene Phantasie schon einen lebenden Ueberrest der allbekannten Saurier ans dem Mittelalter der Erde erkennen wollte. Das ist aber doch wohl etwas zu viel verlangt, selbst von dem sogenannten „dunklen“ Erdteil, der übrigens heute vielleicht heller erforscht ist als manche andere Gegend der Erde. Denn da müßte sich ein Riesentier unbekannt, unversehrt und unverfolgt, Hunderttausende oder gar Millionen von Jahren forterhalten haben. Und doch: ein australischer Fisch (Ceratodus) hat in diesem Sinne noch mehr geleistet: er lebt seit den ältesten Erdperioden unverändert bis heute fort.

Alles in allem also: Gibt es noch unbekannte Tiere? Kann es noch solche geben? Auf kitzlige, verfängliche Fragen hat man in meiner Darmstädter Heimat eine orakelhafte Antwort: „Wer’s waaß, wird’s wisse.“ — Das ist aber in diesem Falle nur der liebe Gott.

 

Drakensberg mit See in Süden von Afrika
Drakensberg mit See in Südafrika. Schon der Name deutet auf Dinosaurier hin, oder?

Dr. Wilhelm Prenner

Ein weiterer kryptozoologischer Autor scheint Dr. Wilhelm Prenner gewesen zu sein. In der österreichischen Zeitschrift „Mocca“ berichtet er in der Augustausgabe 1937, S. 60 – 62, unter der Überschrift „Wir kennen noch nicht alle Tiere“ über Rätseltiere. Er erwähnt unter anderem Zwergflusspferd, Moa, Waitioreki, Tazzelwurm, das Ungeheuer von Loch Ness sowie das Mokele-Mbebe [sic]. Er schreibt darüber auf S. 61:

 

Das „Mokele-Mbebe“

Im Kongogebiet jagen seit einer Reihe von Jahren viele Jäger, Beamte des Kongogebietes und Abenteurer einem Tier nach, das von vielen Schwarzen gesehen und beobachtet wurde. Unter den Augenzeugen befinden sich Leute, die Glauben verdienen. So auch zwei altgediente Askaris und ein schwarzer Missionär. Seit man das Okapi und das Zwerg-Flußpferd entdeckte, glaubt man sicher an die Existenz dieses sagenhaften Tieres, das die Eingeborenen von ganz Zentralafrika einfach Mokele-Mbebe nennen. Der schwarze Missionär sah das Tier eines Abends in der Nähe eines Tümpels – mitten im Urwald. Er sagte: Es kam langsam aus dem Busch, trank und entfernte sich wieder ganz langsam; es schien keine Angst zu haben. Sein Körper gleicht vollkommen dem eines Flußpferdes; auch die Beine sind die gleichen wie die Beine eines Flußpferdes. Aber – es hat einen langen Hals – wie eine Giraffe; der Hals hat geringeltes Mähnenhaar. Der Kopf ist ein Giraffenkopf — hat aber auf der Nase ein Horn – ein langes und nach rückwärts gebogenes Horn. Die Ohren sind rund und ab­stehend.“

Ein Tier mit Giraffenkopf, Horn und Beinen eines Flusspferdes?

Genau so beschrieben das Tier die beiden Askaris – ohne etwas von der Erzählung des Missionärs zu wissen. Auch einige Stammeshäuptlinge entlang des Kongo sahen dieses Tier und beschrieben es haargenau so. Man brachte auch in Erfahrung, daß dieses seltsame Tier Wasser liebe – ohne ein Wasserpferd zu sein – und daß es sehr wild werden könne, wenn man es angreifen würde. Als sich Hans Schomburgk, einer der kühnsten neuen Forscher, am Bangweolo-See aufhielt, fiel ihm auf, daß es in diesem See keine Flußpferde gab. Er forschte nach und erfuhr, daß die Flußpferde den See verlassen hätten, da sich ein Mokele-Mbebe dort angesiedelt hätte. Das Mokele-Mbebe vertrage keine Flußpferde und hätte sie alle vertrieben.

Auch die deutsche Kongo-Likuala-Expedition hörte von diesem seltsamen Tier. Freiherr von Stein kam im Jahre 1914 an einen See, an dessen Ufer man ihm Spuren des Mokele-Mbebe zeigte. Nach diesen Spuren zu urteilen, muß es sich um ein gigantisches Tier handeln.

 

Freiherr von Stein, der auch die Lieblingspflanze dieses sagenhaften Tieres sah, erklärte später — man könne heute die Existenz dieses Tieres nicht mehr bezweifeln; seiner Ansicht nach handelt es sich um einen kleinen Saurier, der irgendwie aus dem Diluvium in die Neuzeit herübergerettet wurde.

 

 

Flussufer im Kongo, Afrika
Mokele Mbembe soll sich vor allem in Flüssen aufhalten

 

Wer dieser „Missionär“ war, kann ich im Moment nicht bestimmen – die Beschreibung klingt eher nach dem Drachen mushrushu (früher Sirrush) am Ischtar-Tor in Babylon als nach einem der bekannten Augenzeugenberichte.

 

Dinosaurier im 20. Jahrhundert?

Den Anschluss macht ein Bericht der „Badischen neuesten Nachrichten“ vom 25. März 1948, S. 3, überschrieben mit „Dinosaurier im 20. Jahrhundert“. Er liegt mir nur fragmentarisch vor, aus dem Inhaltstrümmern schließe ich, dass es sich um eine Zusammenfassung von Ivan T. Sandersons Beitrag „There Could Be Dinosaurs“ handelt, der im Januar 1948 in der „Saturday Evening Post“ erschien.

Der Autor (vieles ähnelt erneut Willy Ley) erklärt, es gebe so viele Geschichten aus „so verschiedenen Gegenden Afrikas, daß ich zu einer strengen Auswahl gezwungen bin.“

 

Auch Schomburgk bricht nach Afrika auf

Er geht auf einen deutschen Tierfänger ein, wohl Schomburgk, der ausgeschickt worden sei „mit dem ausschließlichen Auftrag, einen Dinosaurier zu fangen. Veranlassung dazu waren Berichte aus Inner-Rhodesien, nach denen dort in den großen Sümpfen“ noch Saurier lebten. „… es gibt genug Beweismaterial dafür, daß diese Tiere – wenn auch nur in einigen Exemplaren – im Innern Afrikas noch existieren können. Denn wenn Krokodile und Schildkröten, [.. bis in unsere.] Tage hinein fortgepflanzt haben, ist eigentlich nicht einzusehen. warum nicht auch Dinosaurier, die teilweise einer viel weniger primitiven Gruppe angehören, zur Zeit noch leben sollten. […] den letzten Beweis für das Noch-Vorhandensein eines Dinosaurus zu erhalten, ist, jedem Großwildjäger für seine Jagd in Afrika kräftig ,,Waidmannsheil“ zu wünschen. Er sollte nur eine Büchse mit großem Kaliber […]“

 

Fluss in Südafrika

 

Der Autor geht, wie Sanderson und Ley, auf das Ischtar-Tor ein: „Ischtar-Tores verwendet worden waren, fanden. Man weiß, daß die Sumerer einen regen Seehandel mit der Ostküste Afrikas betrieben haben. Also ist sehr gut möglich, sogar ziemlich sicher, daß ein Dino- […]“

 

In Deutschland folgen mehrere Artikel über überlebende Dinosaurier in Afrika im Heft „Kosmos“, Willy Leys Buch in den 1950ern und dann Peter Kolosimo mit „Viel Dinge zwischen Himmel und Erde“, der praktisch 1 zu 1 den Artikel von Sanderson nachdruckt.

 

Kivu-See
Der Kivu-See im Abendrot

Dieser Artikel erschien erstmals am 31. August 2023 – erneut heute, der Relaunch, ihr wisst schon.

Von Ulrich Magin

Ulrich Magin (geb. 1962) beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Kryptozoologie, insbesondere mit Ungeheuern in Seen und im Meer. Er ist Mitarbeiter mehrerer fortianischer Magazine, darunter der „Fortean Times“ und Autor verschiedener Bücher, die sich u.a. mit Kryptozoologie befassen: Magischer Mittelrhein, Geheimnisse des Saarlandes, Pfälzer Mysterien und jüngst Magische Mosel.