„Unsere Exoten“ umgeben uns – oft, ohne dass wir es bemerken. Ob an Küsten, in Flüssen und Seen, Wäldern und Gärten, Brachen oder Höhlen: Nahezu jeder Lebensraum in Deutschland wird von Lebewesen bewohnt, die aus anderen Ländern eingeführt wurden.
Die meisten bleiben unauffällig, doch einige breiten sich aus – häufig begünstigt durch die Klimaerwärmung. Wenige verursachen Ärger oder wecken Sympathien. Nur wenige Neubürger richten erhebliche ökologische oder wirtschaftliche Schäden an. Einzelne sind jedoch so mächtig, dass sie den Lauf der Geschichte entscheidend geprägt haben.
Das Buch
Einige der Leser wissen es bereits, teilweise seit langem. Markus Bühler und ich haben mit viel Rechercheaufwand ein Buch über neu eingewanderte und eingeschleppte Arten in Deutschland verfasst, der Sequoia Verlag produziert es. Wir haben mehr als 200 Pflanzen, Pilze und Tiere herausgesucht und stellen die Neubürger in Deutschland in Wort und Bild vor. Bei der Recherche haben wir zahlreiche Stories gefunden, von denen wir einige herausgreifen und hier, auf der Webseite des NfK, teils schon vor dem offiziellen Erscheinen des Buches vorstellen.
Unsere Exoten – übersehen, gehasst, störend oder geliebt
„Neobiota“, so die Gesamtbezeichnung für neu eingeführte Organismen, sind in Deutschland allgegenwärtig. Sie besiedeln nicht nur jeden Lebensraum, auch in der Fach- und sogar der Tagespresse hört und liest man regelmäßig von ihnen. Meist findet man hier nur die Arten, die Menschen Probleme verursachen, als Pflanzenschädlinge, als Unkraut, als Lästlinge, als mögliche Fressfeinde heimischer Arten. Doch nicht nur die invasiven Arten wie die Asiatische Hornisse, der Waschbär, die Tapinoma-Ameise, Japan- oder Kartoffelkäfer, die Bernstein-Waldschabe oder die Wollhandkrabbe spielen eine Rolle. Zahlreiche Arten sind stille Bewohner von Ruderalflächen, die Bereiche nutzen, die wir Menschen längst aufgegeben haben. Andere können nur in unserer Nähe leben, oft scheiden sich die Geister an ihnen: Die einen stören sich an ihnen, die anderen halten sie für sympathische Exoten.

Mehr als einmal waren Neozoen in Deutschland Thema auf dieser Webseite. Die Beiträge waren immer gut besucht, dennoch gab es in den letzten Jahren kein umfassendes Buch, das sich mit Neobiota in Deutschland „im Ganzen“ befasste. Eine Veröffentlichung brachte Anekdoten über einige, wenige Arten, eine andere lieferte Material, die Neobiota-Problematik im Schulunterricht einzubinden. That’s it.
Wusstet ihr, dass …
- … Deutschlands höchster vermessener Baum einer eingeführten Art angehört?
- … der Persische Ehrenpreis die Strecke zwischen Karlsruhe und Freiburg in nur 20 Jahren zurücklegte?
- … lichtscheue Gesellen jahrzehntelang an den Grundfesten der Hamburger Justiz nagten?
- … es in Deutschland Pflanzen gibt, die sich über giftige Ausdünstungen vor dem Abmähen schützen können?
- … das „vergessene Gemüse“ bei Influencern nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt?
- … ein Pilz die erste Demokratiebewegung in Deutschland initiierte?
- … nicht nur die Haustaube, sondern auch der Kiri-Baum „proletarisiert“ wurden?
- … in Deutschland Flamingos regelmäßig und so erfolgreich brüten, wie überall auf der Welt?
- … rechte Parteien die Blüten und Farbe einer eingewanderten Pflanze als Erkennungszeichen nutzten und heute noch nutzen?
- … eine Heuschreckenart, deren Heimat nie bekannt wurde, durch einen Krieg kam, durch einen anderen verschwand und in einer App wieder auftauchte?
- … es Käfer gibt, die sich mit einer biologischen Waffe gegen einheimische Konkurrenz erwehren?
- … etwa jedes 5. Paar einer bekannten Vogelart gleichgeschlechtlich ist?
… all das unsere Exoten, Tiere, Pilze und Pflanzen betrifft und kaum jemandem bewusst ist?
Die Entstehung
Markus und ich haben uns seit beinahe zwei Jahren intensiv mit diesem Thema befasst. Wir haben unzählige Behörden, Forschungsinstitute, Museen, Naturschutzprojekte und viele Hobbyisten angeschrieben, die sich mit der Thematik befassen, einzelne Neophyten, Neomykoten und Neozoen erforschen oder betreuen. Dazu kamen eine unüberschaubare Vielzahl von Webseiten, amtlichen Schriften, Kartierungen und Veröffentlichungen. Alleine mein Archiv umfasst etwa 130 heruntergeladene Paper und mehrere hundert Internetlinks.
Einen besonderen Aha-Moment hatte ich während der Recherche nach der Schwanengans, die eine kleine Population mitten in Heidelberg begründet hat, stieß ich als allererstes auf den Bestiarium-Blog von Markus, der vor über 10 Jahren zu diesen Tieren schrieb. So schließt sich manchmal der Kreis.
Wir sind nahezu an allen Stellen, ob städtische Umweltämter, biologische Stationen, private Naturfreunde, Forschungsmuseen und bei zufälligen Beobachtern, freundlich aufgenommen worden. Oft lieferten sie die angefragten Informationen schnell, in vielen Fällen mehr als angefragt, teils bekamen wir zudem noch wertvolle Anregungen und sogar das Angebot, „ihre“ Bereiche zur Korrektur zu lesen. Ich war sehr positiv überrascht, und spreche hiermit allen Beteiligten meinen zu tiefst empfundenen Dank aus!
Natürlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, auch selbst auf „Exkursion“ zu gehen. So bin ich in Köln auf eine Population von Ruineneidechsen (Podarcis siculus) gestoßen – Zugegeben: Man hat mir geholfen, sie zu finden – und konnte eine ganze Reihe dieser Tiere fotografieren. Eine andere Eidechsenpopulation zeigte so ungewöhnliche Farben und Zeichnungsmuster, dass sich hier möglicherweise noch ein Forschungsprojekt mit dem … nein, ich verrate nicht zu viel!
Selbstverständlich konnten wir auch andere Arten außer den Eidechsen mit eigenen Fotos illustrieren, insbesondere Pflanzen und einige Vogelarten.

Die Realisation
Neben den eigenen Recherchen, den zahllosen Informationen aus dem Internet, aus Bibliotheken (Subito sei Dank!) und extra deswegen gekauften Büchern hatten wir ein Budget, um Bilder anzukaufen. Ich sag’s euch: Es ist doch ein Unterschied, ob ich einen Artikel mit Creative-Commons Bilden und kostenlosen lizenzfreien Fotos bebildere oder ein paar Euro für Stockfotos oder Aufnahmen direkt vom Fotografen ausgeben kann. Und diesen Unterschied sieht man dem Buch auch an!
Die Vorworte, eine Einführung zur Neobiota-Problematik allgemein und ein kürzeren Vorwort zu Pflanzen, Pilzen und Tieren stammen allesamt von hervorragenden Fachleuten für diese Themen. Unter ihnen ist Frank Brandstätter, der uns auch schon mit tollen Beiträgen und einem charmant-spontanem Vortrag auf dem letztjährigen Symposium unterstützt hat. Auch hier noch einmal herzlichen Dank für eure/ Ihre Bereitschaft und die Arbeiten, die alle unsere bereits hochstehenden Erwartungen übertroffen haben.
Ebenso kamen Anregungen von unerwarteter Seite. Ein Autor des Sequoia Verlages, der im Vertrauen reinlesen durfte, empfahl uns u.a. ein Farbleitsystem für die biologische Systematik zu nutzen, fast noch wertvoller war seine Idee, gerade bei kleinen Organismen einen Maßstab in den Bildern einzublenden. Beides haben wir dank Wilh. Mathias Fischer im Buch.

Unerwartet viel Arbeit war der Anhang: Eine laienhafte Zusammenfassung der juristischen Situation, bei der mindestens 16 bundes- oder europaweit geltender Regelungen ebenso eine Rolle spielen, wie regionale oder spezielle Verordnungen. Ich sage euch, die EU-Verordnung zur Einfuhr von Karamelbonbons ist nichts dagegen! Dann kamen noch so Dinge wie Glossar, Bildnachweis, Erklärung über die Nutzung Künstlicher Intelligenz und ein unglaublicher Berg von Referenzen und Literaturquellen … und wer zeichnet für die Produktsicherheit verantwortlich?
Seit dieser Woche sind „Unsere Exoten“ beim Lektor, sobald es von dort wieder kommt, geht es zur Druckerei. Es wird im Din A5-Format gedruckt, ist im Hardcover gebunden und hat 400 Seiten mit über 500 Abbildungen, etwa 2/3 davon sind Fotos. Natürlich wird es das Buch im guten Buchhandel geben, ebenso bei einigen Versendern (Booklooker, Amazon) und selbstverständlich auch direkt beim Sequoia Verlag. Als Erscheinungsdatum ist der 27.9.2025 fixiert, rechtzeitige Vorbestellungen verschickt der Verlag so, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit am 27.9. beim Empfänger abgegeben werden.
Was hat diese Webseite davon?
Nach Absprache mit dem Sequoia Verlag dürfen wir einige Artikel aus „Unsere Exoten“ in abgewandelter Form hier vorstellen. Da wir hier nicht an einen Druckbogen im Din A4-Format gebunden sind, können wir etwas ausschweifender werden. Bis Ende des Jahres schaffen wir hoffentlich jeden Donnerstag einen Artikel, den ersten Weihnachtsfeiertag ausgenommen. Einige Artikel zum Thema Neozoen in Deutschland hatten wir ja bereits…