Im Nationalpark Berchtesgaden haben Naturschützer zwei junge, weibliche Bartgeier ausgesetzt. Etwa 90 Tage sind sie alt, ihre neue Heimat beschränkt sich noch auf eine 20 m breite und 6 m tiefe Nische unter einem Übergang, hoch über dem Königssee. Die noch nicht ganz flüggen Tiere wurden in künstlichen Nestern mit etwas Futter und Wasser zurückgelassen, aber unter Betreuung und Beobachtung: der LBV hat eine Webcam geschaltet.
Die mächtigen Vögel sind Teil eines seit 1986 laufenden Wiederansiedlungsprojektes. Der Bartgeier, einer der größten fliegenden Vögel überhaupt, war in den Alpen ausgerottet, die Tiere zur Wiederansiedlung stammen ursprünglich aus Spanien. Seit 1986 wurden 230 Bartgeier in den Alpen ausgewildert, mit einer hohen Erfolgsquote. Das erste Jahr überleben 88%, das zweite sogar 92%. Danach sinkt die Quote, denn in den Alpen wird vielerorts noch mit bleihaltiger Munition gejagt. Geier und andere große Greifvögel nehmen Bleikugeln aus Kadavern auf und vergiften sich schleichend damit. Im Alpenraum sterben 30% aller Bartgeier vorzeitig an Bleivergiftung, in Österreich sogar 50%. Die Berchtesgadener Jägerschaft hat zur Unterstützung des Projektes auf „bleifrei“ umgestellt.
Derzeit bekommen die beiden Geier noch andere Hilfe. Täglich im Morgengrauen klettert ein Betreuer zur Nestnische und versorgt die noch schlafenden Tiere mit Futter. Drei bis vier Wochen wird es noch dauern, dann starten sie ihre ersten Flugversuche.
Sie werden abwandern – und hoffentlich wiederkommen
Bis in den Oktober hinein bekommen die Bartgeier noch regelmäßige Futtergaben, meist auf Geröllfeldern und Felsplatten. Dabei fressen Bartgeier vor allem Knochen. Sie sind die letzten der großen Aasfresser an einem Kadaver und bevorzugen das, was andere übrig lassen. Mit Schnabel und Krallen können sie keine anderen Tiere töten.
Im Herbst werden die beiden Weibchen vermutlich das Weite suchen und durch den gesamten Alpenraum ziehen. Vielleicht erinnern sie sich in fünf bis sechs Jahren an die Berchtesgadener Alpen, wenn sie selbst Familien gründen.
Übrigens: Die Presse meldet sie als die ersten Bartgeier in Deutschland seit 140 Jahren. Das sind sie nicht. In den letzten Jahren waren im Westallgäu, im Gebiet der Zugspitze immer wieder Jungtiere zu beobachten, die allerdings nicht lange blieben.
Quelle: LBV
Erstveröffentlichung als Teil einer Presseschau vom 13.07.2021