In den einschlägigen Portalen in den sozialen Medien geht es hoch her. Auf dem australischen Festland soll ein Beutelwolf gefilmt worden sein. Wir haben recherchiert und uns mit den Hintergründen befasst.
Der Beutelwolf auf dem FestlandAllgemeinesBeutelwölfe waren die größten „rezenten“ Raubbeutler. Sie erreichten eine Kopfrumpflänge von 85 bis 130 cm, eine Schulterhöhe von bis zu 60 cm und ein Gewicht zwischen üblicherweise 15 und 25 kg. Damit waren sie etwa so groß, wie ein Golden Retriever, jedoch leichter gebaut. Sie sahen Hunden sehr ähnlich, sind jedoch als Beuteltier nicht näher mit den Hundeartigen (die ja Plazentalier sind) verwandt. Die Ähnlichkeit ist Folge konvergenter Evolution. ![]() Ursprünglich war der Beutelwolf auf dem australischen Festland, Teilen Neuguineas und Tasmanien verbreitet. Bei Ankunft der Europäer in Australien war er jedoch vom Festland und auf Neuguinea ausgestorben. Die jüngsten Fossilien auf dem Festland stammen aus dem Northern Territory und werden etwa auf 3000 v. Chr. datiert. Über die genauen Umstände des Aussterbens wird noch diskutiert, aber die Ausbreitung des Menschen und mit ihm des Dingos dürfte hierbei auf die ein oder andere Weise eine Schlüsselrolle gespielt haben. Lediglich auf Tasmanien überlebte der Beutelwolf bis ins 20. Jahrhundert. Dies mag damit zu tun haben, dass Dingos dorthin nicht gelangten. Tasmanien wurde um ca. 6000 v. Chr., vor Einführung des Dingos auf dem Festland, durch die Überflutung der Bass-Straße zur Insel. Diese Insellage und damit sehr kleine Bevölkerung führte nicht nur ein geringes Innovationspotential der Einwohner, sondern auch den allmählichen Verlust bereits vorhandener kultureller Errungenschaften wie zum Beispiel Fischfang, Speerjagd oder Kleidung. Dies führte vermutlich zu einem sehr geringen Jagddruck auf den Beutelwolf. Aussterben auf dem FestlandAnders auf dem Festland. Die Aboriginals waren (und sind) fortgeschrittene Jäger, die jedes Lebewesen in ihrem Lebensraum jagen und töten können. Dies führte zu einer massiven Veränderung der Großtierfauna Australiens, vergleichbar der quartären Aussterbewelle aller Kontinente, sobald der moderne Mensch dort auftauchte. Dem fiel mit höchster Wahrscheinlichkeit auch der Beutelwolf zum Opfer. Ob die direkte Jagd, die Konkurrenz durch verwilderte Dingos oder das Verschwinden von wichtigen Beutetieren eine Rolle spielten, ist auch hier nicht geklärt. Aussterben auf TasmanienÜber das Aussterben und ggf. Weiterexistenz des Beutelwolfes über das „offizielle Aussterben“ hinaus haben wir regelmäßig berichtet. Dossier Beutelwolf, 85 Jahre ohne Beutelwolf?, der noch immer aktuelle Stand im Frühjahr 2023 – Alle Links öffnen in neuen Tabs. |
Das Video
Das diskutierte Video wurde am 6. Oktober 2025 in den Yarra Ranges aufgenommen. Es zeigt „thermal images“, als Aufnahmen einer Wärmebildkamera, auf denen ein vierbeiniges Tier zu sehen ist, das von links nach rechts durchs Bild läuft. Das Tier wird in der Folge noch weiter analysiert.
Das Video ist bei YouTube unter dem Titel „Mainland Thylacine Filmed | Not extinct | Yowza | 2mins+ of Footage | October 2025“ von einem User namens ambiguousworld eingestellt. Der Nutzer, Christian Harding, sagt von sich selbst, dass er bereits seit längerem an einer „Studie“ zum Beutelwolf arbeitet, und sonst vor allem Nachtaufnahmen aus Wärmebildkameras präsentiert. Er ist sich sicher, dass er einen Beutelwolf gefilmt hat und sieht dies als Beweis für dessen Weiterexistenz auf dem Festland an.
Das „Mainland Thylacine Filmed“ (Festland-Beutelwolf gefilmt)-Video ist 10:20 Minuten lang in mehrere Kapitel gegliedert: Die Sequenz, die den (mutmaßlichen) Beutelwolf zeigt, findet sich am Ende des Films. Vorher zeigt das Video bearbeitete Filmschnipsel und Harding diskutiert, ob es noch weitere Beweise für die Existenz des Beutelwolfes auf dem Festland benötigt. Die Originalsequenz startet bei Minute 6:27.
Sie zeigt eine offene Rasenfläche, im Hintergrund beginnt ein lichter Wald mit einzeln stehenden Bäumen. Man findet dort auch Zäune, eine Viehtränke und andere anthropogene Strukturen.
Zwischen den Bäumen sind einige Kängurus zu sehen, möglicherweise auch ein einzelnes Kaninchen. Bei Minute 7:15 kommt das fragliche Tier aus der Deckung und bewegt sich in einer seltsamen Mischung aus Laufen und Hüpfen über die Grasfläche, hinter einem Baum durch und verschwindet etwa bei Minute 8:00 in einer Senke. Aus dieser taucht es kurze Zeit später wieder auf, wechselt die Richtung und verbirgt sich in einem kleinen Wäldchen. Aus dem Wäldchen flüchten zwei Tiere (Kaninchen, kleine Kängurus?) mit deutlichen Sprüngen einige Meter auf die Rasenfläche. Das fragliche Tier taucht kurz wieder auf, verschwindet dann aber wieder.

Der Ort
Die Yarra Ranges sind ein Nationalpark im australischen Bundesstaat Victoria. Sie haben eine Fläche von 760 km² und erstrecken sich maximal 75 km in ostwest-Richtung sowie bis zu 45 km in nordsüd-Richtung. Das Zentrum liegt etwa 90 km östlich von Melbourne. Die Yarra Ranges sind gebirgig und sehr dicht bewaldet, der „Mountain Ash Tree“ (Eucalyptus regans) ist einer der spektakulärsten Bäume des Parks, er ist eine der größten Baumarten und die höchste Blütenpflanze. Hier leben über 40 einheimische Säugetiere und mehr als 120 einheimische Vogelarten. Im Nationalpark entspringen die Quellen des Yarra-Rivers, der unter anderem für die lokale Trinkwasserversorgung wichtig ist. Ein Großteil des Parks ist als Trinkwasserschutzgebiet seit über 100 Jahren für den Besucherverkehr gesperrt.
Dennoch haben die Yarra-Ranges einige Bedeutung als Naherholungsgebiet für die Bewohner des Großraums um Melbourne. Dem entsprechend gibt es zahlreiche Picknick- und Campingplätze mit einzelnen Bäumen und gepflegten Grasflächen dazwischen.
Eines der größeren Probleme in den Yarra-Ranges ist neben dem (legalen) Holzeinschlag auch in Wasserschutzgebieten die Ausbreitung von fremden Pflanzen und Tieren, unter anderem das Jakobs-Greiskraut (Senecio jacobaea), die Gewöhnliche Kratzdistel (Cirsium vulgare) und der Weißdorn (Crataegus monogyna). Unter den exotischen Tieren fällt vor allem der Rotfuchs auf, der überall im Park mit Fallen und gelegentlich auch durch Jäger gejagt wird. Weitere invasive Tierarten sind das Wildkaninchen und die Hauskatze.

Die Location, an der das Video gedreht wurde, entspricht nicht dem, was man in den Yarra-Ranges erwartet. Sie ist ziemlich offen, mit einzeln oder in kleinen Gruppen stehenden Bäumen und lichtem Wald im Hintergrund. Ob es sich, wie ich zunächst vermutete, um einen Picknickplatz handelt, kann ich nicht sicher sagen. Die Zäune und Viehtränken sprechen eher für eine landwirtschaftlich genutzte Fläche.
Die Technik
Das Video wurde, wie bereits oben erwähnt, mit einer Wärmebildkamera aufgenommen. Es handelt sich nach Angaben des Filmers bei youtube um ein Pulsar Merger Thermal Binoculars LRF XT50. Mehr über das Gerät zeigt die Landing-Page des Herstellers (Link öffnet in eigenem Tab). Bei der Betrachtung diese Webseite war ich zunächst irritiert, dort werden die Tiere, die ja Wärme abstrahlen, hell dargestellt, die pflanzliche Umgebung dunkel. Das Bild im Video ist negativ, hier wird das aufgezeichnete Tier dunkel dargestellt, die Umgebung hell. Sieht man sich das Video auf der Pulsar-Seite an, zeigt sich aber, dass man in dem Gerät eine Negativdarstellung wählen kann.
Der integrierte Laser-Entfernungsmesser gab dem Filmer eine Entfernung von etwa 150 m an.
Nichts, was ich erkennen kann, spricht gegen die angegebene Technik.
Nichts, was ich erkennen kann, spricht für ein Fake.

Das Tier
Keine Frage, das Tier ist das Wichtigste in dem Video. Es läuft, anders als Kängurus vierbeinig (Kängurus hüpfen bei schneller Fortbewegung zweibeinig und laufen langsam quasi fünfbeinig, weil sie den Schwanz wie ein weiteres Bein benutzen). Allen mittelgroßen und großen, bodenlebenden Kängurus ist gemein, dass die Vorderbeine sehr viel kürzer als die Hinterbeine sind Die Rückenlinie fällt also bei ihnen mehr oder weniger stark ab. Die Beine des fraglichen Tieres sind aber ungefähr gleich lang, so dass die Rückenlinie nahezu waagerecht verläuft.
Die eigenartige Fortbewegung des Tieres ist auffällig. Es läuft nicht, wie für ein platzentales Raubtier zu erwarten, in einem leichten Trab. Die Vorderbeine traben, während die Hinterbeine diesem Tempo nur durch Sprünge folgen zu können scheinen. Insgesamt wirkt die Fortbewegung sehr mühselig, energiefressend, unphysiologisch und insgesamt unrund.
Einen brauchbaren Größenvergleich gibt es in dem Video nicht, der einzige Gegenstand, an dem das Tier in „nützlicher Nähe“ vorbei kommt, ist ein Baum. Daher kann man keine auch nur halbwegs objektive Aussage zur Größe machen.
Auf den herangezoomten Sequenzen ist deutlich ein dünner Schwanz zu erkennen. Das Tier hält ihn leicht nach unten abfallend mit leichter Biegung hinter dem Körper, er wirkt während der Fortbewegung recht flexibel, zeigt aber keine besondere Eigenbewegung.
Die Tiere in der Umgebung reagieren eher schwach auf den mutmaßlichen Beutelwolf. Lediglich in dem Wäldchen, in das er bei etwa Minute 8:15 eindringt, sorgt er für eine Reaktion. Zwei Tiere, mutmaßlich ein Kaninchen und ein Känguru, flüchten aus dem direkten Zugriffsbereich.
Eine wesentliche Frage
Nach dem Video wusste Christian Harding sehr genau, wo das Tier langgelaufen ist. Wieso hat er nicht versucht, Fußspuren zu sichern?

Unser Fazit: Wurde wirklich ein Beutelwolf gefilmt?
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beutelwolf die quartäre Aussterbewelle auf dem Festland überlebt hat, weder von Aboriginals dargestellt noch von non-native Australiern beobachtet oder erjagt wurde, ist schon extrem gering. 5000 Jahre völlig in der Versenkung verschwunden und dann am 6. Oktober 2025 zufällig auf einer Weide (oder Picknickplatz) gefilmt. Wer soll einem das denn glauben?
Dennoch halte ich es für zu einfach, hier laut „verletzter Fuchs“ zu schrei(b)en, nur um eine einfache, schnelle Erklärung zu liefern. Dennoch geht mein subjektiver Eindruck genau in diese Richtung. Die Fortbewegung, eine Mischung aus „läuft vorne und hoppst hinten“ wirkt nicht natürlich, sondern eher wie eine anstrengende Notlösung. Ein Tier, das sich auf diese Weise fortbewegt, tut das sicherlich nicht freiwillig. Auch wenn es keine Filmsequenz gibt, die einen Beutelwolf im langsamen Lauf zeigen, so bin ich absolut sicher, dass sie sich so nicht fortbewegt haben.
Hinzu kommt mein Eindruck, dass das Tier für einen ausgewachsenen Beutelwolf zu klein erscheint. Natürlich könnte es sich hier um ein Jungtier handeln, aber Beutelwölfe schienen sehr schnell zu wachsen und die Mutter erst nahezu ausgewachsen zu verlassen. Ein Jungtier würde nahezu zwingend die Anwesenheit einer Mutter voraussetzen.
Die Schwanzhaltung und Bewegung passt nicht zu dem, was auf den wenigen Beutelwolfvideos zu sehen ist. Er erscheint zu kurz und zu beweglich.

Ein weiteres, wesentliches Erkennungsmerkmal ist die Länge des Mittelfußes, der bei Beutelwölfen wesentlich kürzer als bei Hundeartigen ist (siehe Bild). Eine Messung des KRL-Schwanzlängen-Verhältnisses oder der Mittelfußlänge an der Sequenz im YouTube-Video erscheint kaum möglich, hierbei sind aber Artefakte zu beachten: Offenbar hat die Kamerasoftware eine Art Kontrastbetonung implementiert, so dass die dunklen Tiere immer eine helle Corona um sich herum tragen. Dies dürfte nur ein oder zwei Pixel ausmachen, aber bei nur wenigen Pixeln Objektgröße entstehen schnell Abweichungen im zweistelligen Prozentbereich.
Insgesamt halte ich das Video daher nicht für eine glaubwürdige Aufnahme eines Beutelwolfes. Mir scheint es tatsächlich so, als wäre dort ein verletzter Fuchs vor die Kamera geraten.