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Das alte Ägypten war bei uns gelegentlich Thema, meist ging es um unbekannte Tiere, die auf ägyptischen Malereien gefunden wurden (u.a. Link zu den Meidum-Gänsen). Einige dieser Kunstwerke sind so exakt, dass eine Bestimmung bis auf Gattungs- oder sogar Artebene möglich ist. Bei Säugetieren hat es bereits Überraschungen gegeben (Link zur Buchbesprechung), insbesondere bei den artenreicheren Vögeln und Fischen kann man anhand der Bilder feststellen, welche Tiere den Ägyptern besonders wichtig waren. Bei der Darstellung ging es hauptsächlich um Jagd- und Fischbeute, nicht nur zum Essen.

 

Hatschepsut-Totentempel
Der ausladende Totentempel der Pharaohnin Hatschepsut

 

Tier bekannt, Geschichte unbekannt

In diesem speziellen Fall ist es anders. Hier liegt kein Gemälde eines Tieres, sondern sein Schädel vor. Er ist mit modernen Methoden eindeutig einer bekannten Art zugeordnet worden. So stellt sich die Frage, was das mit Kryptozoologie zu tun hat.

Zunächst einmal: Er stellt eine Out of Place „Sichtung“ dar. Die Art kommt in Ägypten heute nicht vor und ist auch historisch nicht als dort lebende Art belegt. Im Gegenteil, eine andere, verwandte Art ist prähistorisch aus Ägypten belegt und in dieser Gattung gibt es so gut wie keine Gebietsüberschneidungen der einzelnen Arten.

Damit erregt die Sache die erste kryptozoologische Aufmerksamkeit. Ein zweiter, nicht weniger spannender Punkt ist, dass dieser Schädel aus dem sagenhaften Land Punt stammt, oft als Goldland oder Land der Götter beschrieben wird.

 

Mantelpavian Papio hamadryas
Mantelpaviane Papio hamadryas in einem Zoo

 

Das Land Punt – sagenhaftes Eldorado oder sehr realer Handelspartner?

Seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. reisten die Ägypter in ein Land namens Punt oder hatten zumindest Handelskontakte mit der unbekannten Region. Dabei führte Ägypten unter anderem Weihrauch, Eben- und Zedernholz, Myrrhe, Elfenbein, Gold, Augenschminke, Silber, Speisesalz, Affen, Hunde, Pantherfelle sowie Straußenfedern und -eier ein. Ägypten dürfte vor allem Getreide, Hülsenfrüchte, Speiseöl, Kupfer, Bronze und deren Produkte, aber auch Papyrus, Edelsteine und handwerkliche Erzeugnisse exportiert haben.

Historische Belege für eine Punt-Kultur gibt es kaum, hauptsächlich sind sie aus zweiter Hand, Berichten von Ägyptern, Darstellung in ägyptischen Tempeln, Palästen und Gräbern. Dies lässt für das Land einen gewissen Legendenstatus entstehen, vergleichbar mit Eldorado, Atlantis oder Shangri La. Die älteste bekannte Expedition ließ König Sahure (5. Dynastie, Altes Reich, folgte der Pyramidenbauer-Dynastie Snofrus, ca. 2490 – 2475 v. Chr.). Sahure war ein außenpolitisch reger König, der auch durch seine Bautätigkeit (Pyramide, Palast, Sonnentempel) gut belegt ist. Er unterhielt unter anderem Handels- und sicher auch diplomatische Beziehungen nach Vorderasien und den Nil hinauf nach Nubien. In seinem letzten Regierungsjahr trafen größere Mengen Handelsgüter aus Punt ein, was nahelegt, dass vorher eine Handelsexpedition entsannt wurde.

Auch spätere Handelsexpeditionen unter anderen Königen waren erfolgreich und sind in die Aufzeichnungen eingegangen.

Die berühmte Königin Hatschepsut schickte um 1470 v. Chr. eine große Expedition nach Punt, die sie selbst als sehr erfolgreich darstellen ließ. Die Expedition nimmt in der Dekoration ihres Totentempels viel Raum ein. Dabei wurden primäre Handelswaren wie Weihrauch und Ebenholz, aber auch Tiere und Pflanzen mitgebracht, letztere auch, um sie in Ägypten anzubauen und die Abhängigkeit von Handelsexpeditionen zu senken. Viele dieser Darstellungen sind so exakt, dass sie auf die ungefähre Lage des sagenhaften Landes hindeuten: Unter den Fischen sind Fledermaus-, Falter- und Doktorfische zu erkennen, ebenso ein Kuh-Kofferfisch, alles Tiere der indopazifischen Riffe. Vor dem Bau des Suez-Kanals waren sie keine Bewohner des Mittelmeeres. So ist klar, dass Punt am Ufer des Roten Meeres oder des Indischen Ozeans lag.

Ein Reiher oder ähnlicher Stelzvogel zeigt seltsame Ähnlichkeit mit dem Totenvogel Benu. Mutmaßlich handelt es sich um eine sehr große Reiherart, die am Persischen Golf vorkam und jahreszeitlich nach Ägypten zog, jedoch bereits in der Antike ausstarb. Die Art Ardea bennuides, der größte „rezente“ Reiher, ist durch ein einziges subfossiles Knochenfragment aus den Arabischen Emiraten bekannt, das aus etwa 3050 v. Chr. stammt. Wie weit die Darstellung im Totentempel der Hatschepsut eine zoologisch korrekte Darstellung oder kultisch bedingt ist, sei dahingestellt.

 

Fisch aus dem Hatschepsut-Tempel
Ein Fisch aus dem Hatschepsut-Tempel. Anhand der Körperform ist er als Doktorfisch, möglicherweise eine Acanthurus-Art, erkennbar (Die Schwanzflosse passt nicht)

 

Was ist nun mit dem Schädel?

Angefangen hat die Sache mit mehreren Schädeln – von Pavianen. Im heutigen Ägypten leben keine Paviane, ähnlich hat es mit ziemlicher Sicherheit auch in der Bronzezeit ausgesehen. Tatsächlich gibt es keine holozänen Relikte von Affen in Ägypten, außer dem Mantelpavian Papio hamadryas (eng.: sacred oder hamadryas baboon). Folgt man den subfossilen Überlieferungen, fehlt die Art jedoch spätestens seit 20.000 Jahren in Ägypten.

Paviane wurden allgemein mit dem Gott Thot verbunden. Thot galt zunächst als Gott der Weisheit, später auch der Wissenschaften als Schreiber und des Kalenders. In dieser Eigenschaft steht er für Kontinuität und Ordnung.

Neben der Darstellung als Pavian wird er oft als Mensch mit Ibiskopf und Kopftuch abgebildet. Bei der Darstellung als Pavian ist sicher auch die Sitzhaltung der Paviane ausschlaggebend gewesen, die der ägyptischer Schreiber ähnelte.

Statuette des Thot als Pavian
Pavianstatuette des Thot, Diorit, aus der 21. Dynastie. Penn Egypt. Mus. CC-BY-SA 4.0 by Mary Harrsch

Paviane im alten Ägypten

Vordynastische Zeit

Die frühesten Pavian-Überreste fanden sich in den Überresten eines Friedhofes in Hierakonpolis (HK6), etwa 3750 – 3500 v. Chr.) (Van Neer et al., 2017). Damit sind sie älter als die Pyramiden von Gizeh und ebenfalls älter als die erste bekannte Punt-Expedition. Insgesamt 16 Tiere aller Altersklassen und beider Geschlechter wurden einzeln oder in Gruppen beerdigt. Ein etwa 4 – 5 Jahre alter Pavian war mit einem menschlichen Teenager (10 – 15 Jahre) gemeinsam beerdigt, was einen Status als Haustier nahelegt.
Die Tiere wurden offenbar nicht besonders gut behandelt, wie Skelettveränderungen zeigen.

HK6 ist einer der wenigen Ort im alten Ägypten dieser Zeit, in der P. anubis-Überreste gefunden wurden. Da hier auch die Reste zweier (?) afrikanischer Elefanten gefunden wurden, deutet dies auf einen Handel mit dem weiter südlicher liegenden Nubien, heute im Sudan, hin. (Van Neer et al., 2004).

 

Neues Reich

1837 kaufte das British Museum zwei mumifizierte Paviane, eines aus dem Tempel des Khons (EA6736) und eines aus Theben (EA6738). Eine Mumie eines Pavians fand sich um Grab KV34 (KV steht für „King Valley“, Tal der Könige), dem Grab von Thutmosis III.

Weitere fünf Pavianmumien wurden in Gräbern im Tal der Könige (KV50, KV51 und KV52) gefunden. Bei diesen Gräbern handelte es sich um Tiergräber, die 1906 bis 1908 entdeckt und ausgegraben wurden. Zum Fund in KV51 schreibt der US-amerikanische Maler Joseph Lindon Smith:

„Das bizarrste Schaustück in KV51 war ein perfekt erhaltener, großer und völlig uneingewickelter Affe, der ein Halsband aus kleinen blauen Schmucksteinen trug.“

Allen Tieren dieser Gräber wurden im Leben die Hundszähne gezogen. Diese Vorsichtsmaßnahme hat sicher auch damit zu tun, dass die Tiere offenbar genutzt wurden, unter anderem zum Früchte-Pflücken. Andere mumifizierte Individuen werden aufgrund der Qualität der Mumifizierung als königliche Haustiere interpretiert.

Alle Paviane des Neuen Reiches gehörten der Art Papio hamadryas, dem Mantelpavian an.

 

Spätzeit und Ptolemäer-Zeit

In einer Totenstadt im Norden von Sakkara fanden Ägyptologen 1968 Reste von Anubis-Pavianen (P. anubis, n = 143), Äthiopischen Grünen Meerkatzen (Chlorocebus aethiops, n = 2) und Berberaffen (Macaca sylvanus, n = 21). Die einzelnen Individuen datieren auf 404 – 40 v. Chr.

Unter den Anubis-Pavianen fanden sich alle Altersklassen, was die Autoren als Hinweis auf eine organisierte Zucht werten. Man fand doppelt so viele Männchen wie Weibchen, was Davies, 2006 als geschlechtsorientierte Unterbringung interpretiert. Ich bin nicht sicher, ob ich seine Intention richtig deute, aber auch moderne Zoos kennen das Problem der überzähligen Männchen: Männchen und Weibchen werden im Verhältnis 1:1 geboren, Männchen müssen bei Anubis-Pavianen die Gruppen bei Geschlechtsreife verlassen bzw. werden aggressiv verjagt. Sie leben dann eine Weile alleine und können sich ggf. später einer anderen Gruppe anschließen. Da das Alleine-Leben riskanter ist, als in einer Gruppe, entsteht so auf natürliche Weise ein Weibchenüberschuss. Wie weit altägyptischen Tierzüchtern diese Lebensweise klar war, ist heute unbekannt. Sicher ist, dass sie Probleme mit ihren Pavianen bekamen, wenn Jungtiere geschlechtsreif wurden. Eine pragmatische Lösung wäre dann, diese Tiere zur Mumifizierung zu „entnehmen“.

 

3 Affenmumien
Drei Affenmumien aus dem Grab King Valley (KV) 35, in dem ursprünglich Amenophis II. beerdigt wurde. Sie sehen wie Paviane aus, eine Bestimmung traue ich mir anhand des Bildes aber nicht zu. 

 

Allgemeine Anmerkungen hierzu

Die geringe Zahl der untersuchten Tiere und der große Zeitraum, der sich quasi über die gesamte ägyptische Antike erstreckt, lassen vermuten, dass Paviane sehr selten importiert und gehalten wurden. Hier werden knapp 170 Tiere betrachtet, deren Alter um 3700 Jahre variiert. Das bedeutet: der erste bekannte mumifizierte Pavian war am Ende dieser Tradition doppelt so alt, wie der Jüngste heute ist. Durchschnittlich hätte man alle 22 Jahre ein Pavian mumifiziert.

Dies entspricht nicht der Wirklichkeit. Paviane wurden wesentlich häufiger gehalten, mit großer Sicherheit auch gezüchtet und in unterschiedlicher Qualität mumifiziert. Dies bezieht sich auf beide genannten Arten. In nahezu allen großen Tempelkomplexen hat man auch Pavianüberreste gefunden. In der Nähe von Theben hat man einen Komplex aus der 3. Zwischenzeit zum Übergang in die Spätzeit gefunden, in dem Paviane ungefähr zwischen grob: 800 – 500 v. Chr. gezüchtet wurden. In ihrer Arbeit (van Meer, 2023) erwähnen die Autoren ähnliche mehr oder weniger zeitgenössische Komplexe in Tuna el-Gebel und Sakkara sowie einen wesentlich älteren im prädynastischen Hierakonpolis. Dieses legt nahe, dass die alten Ägypter tatsächlich über 3000 Jahre mehr oder weniger kontinuierlich Paviane züchteten.

Die wenigsten Pavianmumien, die in dieser Zeit entstanden sind, werden in der Literatur erwähnt. Frühe Ägyptologen waren vor allem auf Könige und deren Gold aus, später stand der Mensch im Mittelpunkt, Affenmumien wurden meist nur als Kuriosum angesehen und nicht weiter beachtet, untersucht oder gar bestimmt – dies ist / war für viele Ägyptologen fachfremd und daher meist ungeliebt.

 

Pavianhaltung ist anspruchsvoll

Paviane sind über die langen Hundszähne hinaus wehrhafte Tiere. Sie sind intelligent, schnell und agieren im Team. Daher halten moderne Zoos sie „hands-off“, d.h. es gibt keinen direkten Kontakt von Pavianen mit ihren Pflegern, selbst durch ein Gitter ist so etwas problematisch. Üblicherweise werden die Tiere zwischen zwei Gehegen hin und her gesperrt, während sie das eine nutzen, kann das andere gewartet werden. Unter altägyptischen Bedingungen, mit nur in geringen Mengen verfügbarem, weichem Metall, erscheint eine halbwegs moderne Infrastruktur kaum machbar. Das zeigt sich dann auch an der Qualität der Haltung:

Besonders „gut“ in der Pavianzucht waren die alten Ägypter nicht. Die von van Meer et al. untersuchten Pavianüberreste zeigten deutliche Spuren von Mangelernährung, Vitamin D-Mangel und zahlreiche Knochenbrüche. Dies lässt vermuten, dass sie hauptsächlich in geschlossenen Räumen gehalten wurden, vermutlich um das Ausbrechen zu verhindern. Auch die natürliche Nahrung, Blätter und Früchte, wurden ihnen vermutlich weitgehend verwehrt, ob aus Unkenntnis oder wirtschaftlichen Gründen, bleibt offen. Früchte waren Mangelware und wurden mutmaßlich durch Getreide und Brot ersetzt.
In der untersuchten Anlage wurden beide Arten, P. anubis und P. hamadryas gehalten. Ob den Ägyptern bewusst war, dass sie hier zwei unterschiedliche Arten mit unterschiedlichem Sozialverhalten gemeinsam einpferchten, ist mehr als fraglich. Da einige Überreste nicht auf die Art herunter bestimmt werden konnten, ist eine Hybridisierung zumindest nicht auszuschließen: Männliche Mantelpaviane können unter Umständen männliche Anubis-Paviane verdrängen und deren Weibchen in ihren Harem zwingen. Dies kann zu hybridem Nachwuchs führen, wie weit dieser durch Genetik und Verhalten fruchtbar ist, konnte ich nicht herausfinden.

Hier zeigen sich auch in einem gewissen Maße die Schwierigkeiten, die eine Pavianzucht gehabt haben muss. Die Tiere sind clever, gute Kletterer, geduldig und aggressiv. Sie klettern fast glatte und senkrechte Wände hoch, Lehmziegelmauern dürften für sie Spielplatzniveau haben. Altägyptische Gitter und Türen aus Flechtwerk (aus Papyrus oder Palmblättern) sind eine Einladung zum Ausbüchsen, entweder fummeln sie sie auf oder brechen mit roher Gewalt durch. Die alternierende Nutzung zweier Gehege erscheint daher schwierig, so dass die Pfleger ins besetzte Gehege hinein mussten, um es zu reinigen. Wie das möglich war, ist vielleicht anhand der zahlreichen Frakturen der Tiere zu sehen. Ein Ausbruch war für die Pfleger sicher kein Vergnügen – er musste verhindert werden, denn erfahrene Pavianpfleger waren sicher nicht an jeder Palme zu finden.

 

Paviane und Punt

Wenn es produktive Pavianzuchten gab, wieso wurden dann Tiere aus Punt importiert?

Die profane Antwort ist einfach: Weil es sie gab.

Die Zucht von Pavianen ist aufwändig, v.a. wenn man sie zur Fütterung und Reinigung nicht umsperren kann, wenn geschlossene Käfige und Elektrozäune fehlen. Zuchtpaviane dürften also eine Menge Geld gekostet haben. Möglicherweise waren Importe billiger, wenn sich Handelsrouten etabliert hatten. Wurden sie unterbrochen, verschob sich das Verhältnis wieder zugunsten der Zuchten.

Dazu kommt noch ein weiterer Punkt: Wenn man Paviane auf Teufel-komm-raus vermehrt, bekommt man früher oder später Inzucht und deren negative Folgen. Ein missgebildeter Pavian war vielleicht für einen armen Pilger akzeptabel, aber für einen Gott???

Ob die alten Ägypter irgendwann gelernt haben, dass man zur Inzuchtvermeidung gelegentlich frisches Blut benötigt, ist unklar.

 

Heutige Verbreitung der Pavianarten, dort, wo Punt vermutet wird, kommt nur eine Art vor
Heutige Verbreitung der Pavianarten. In der frühen Antike, der späten Bronzezeit könnten sich insbesondere die nördlichen Arten noch weiter im Norden gehalten haben.

 

Zurück zu Schädel EA6738

Der Schädel des Fundes EA6738 stammt aus dem (späten) neuen Reich und wurde in Theben gefunden. Bereits 1902 wurde er als P. hamadryas bestimmt. Um seine Herkunft zu bestimmen, haben die Studienautoren unter anderem eine Strontium-Isotop-Analyse an Zahnschmelz und Knochenmaterial durchgeführt.

 

 

Strontium-Isotopen-Verhältnisanalyse

Das Element Strontium liegt in der Natur unter anderem in den beiden Isotopen Sr86 und Sr87 vor. Diese stehen in einem gewissen Verhältnis zueinander, das regional aufgrund der Gesteine der Umgebung variieren kann. Beide Isotope werden in Knochen und Zähnen, hauptsächlich in das Mineral Apatit, eingelagert.

Da die Strontium-Einlagerung in Zahnschmelz langsamer vor sich geht, als in Knochen, kann man hieran Wanderbewegungen eines Individuums feststellen: Die Einlagerung im Zahnschmelz erfolgte vor der Einlagerung in den Knochen, sie repräsentiert also einen Ort, an dem sich das Tier (oder der Mensch) früher aufgehalten hat, während die Knochen einen relativ rezenten Aufenthaltsort zeigen.

 

Das 87Sr/86Sr-Verhältnis bei Pavianen und Menschen, die sich zeitlebens im Stromgebiet des Nils aufgehalten haben, liegt zwischen 0,7075 und 0,7081 für das Nil-Sediment. Die Thebener Felsen sind noch enger definiert.

Für EA6738 wurde im Knochen ein 87Sr/86Sr-Verhältnis von 0,7078 festgestellt, das mitten in die Ratio des Nil-Sediments und der Thebener Felsen fällt. Jedoch weicht das 87Sr/86Sr-Verhältnis aus dem Zahnschmelz deutlich ab. Es liegt bei etwa 0,7074, also deutlich außerhalb der Streuungsbreite des Nil-Sedimentes.

Hieraus schließen die Studienautoren, dass das Tier aus einer anderen Gegend stammt, und von dort aus nach Ägypten gelangt ist (wie auch immer), wo es wiederum vor seinem Tod mehrere Jahre gelebt hat.

Das 87Sr/86Sr-Verhältnis von 0,7074 sollte den Ursprung des Tieres belegen. Die Forscher haben 55 moderne Hamadryas-Paviane beprobt, die in ihrem natürlichen Lebensraum gesammelt wurden. Die Proben der rezenten Paviane wurden mit den Werten aus den Geweben von EA6736 verglichen, so dass eine Wahrscheinlichkeit der Herkunft des Tieres berechnet werden konnte.

Diese Berechnung schränkt die Herkunft von EA6736 auf den östlichen Teil der heutigen Verbreitung von Papio hamadryas ein: Er stammt aus der Gegend um die Bab al-Mandab-Meerenge am Südeingang des Roten Meeres.

Heute liegen auf der afrikanischen Seite die Staaten Eritrea, Dschibuti, der Norden Somalias und der Nordosten Äthiopiens, auf arabischer Seite der Westen des Jemen.

 

 

Richtung stimmt, Reiseroute unklar

Kombiniert man diese Info mit anderen Bildern, die Importe aus Punt zeigen, so zeigen sich so gut wie keine Widersprüche. Fische aus dem Roten Meer, Schilfboote, Importe von Eben- und Zedernholz, Myrrhe, Elfenbein, Speisesalz, Affen, Leopardenfelle sowie Straußenfedern und -eiern – all dies gab es in der Gegend um den Bab al-Mandab. Doch was gab es auf welcher Seite der Meerenge, könnte das Fehlen bestimmter Waren Aufschluss über die Lage Punts geben?

Unklar ist, wie der Pavian nach Ägypten gelangt ist. Kam er über den Blauen Nil und dann den Hauptstrom mit einer Binnen-Verschiffung durch Nubien? Oder wurde er an den Ufern des Roten Meeres in ein seegängiges Boot geladen, das die alte Handelsstadt Safaga, die ausgerechnet von König Sahure gegründeit wurde, in Ägypten erreichte?

 

Mit den Handelsgütern und den Berichten über die Natur, sowie der Lokalisierung des Pavianschädels kann man Punt in einen Umkreis von grob 300 km um den Bab al-Mandab lokalisieren.

 

Grimmig guckender Pavian

 


Literatur

Goudsmit, J., & Brandon-Jones, D. (1999). Mummies of Olive Baboons and Barbary Macaques in the Baboon Catacomb of the Sacred Animal Necropolis at North Saqqara*. The Journal of Egyptian Archaeology85(1), 45-53. https://doi.org/10.1177/030751339908500104 (Original work published 1999)

Nicholas Reeves, Richard H. Wilkinson: Das Tal der Könige. Geheimnisvolles Totenreich der Pharaonen. München 1997, S. 185.

Thomas Prohaska, Maria Teschler-Nicola, Patrick Galler, Antonin Přichystal, Gerhard Stingeder, Monika Jelenc and Urs Klötzli: Non-destructive Determination of 87Sr/86Sr Isotope Ratios in Early Upper Paleolithic Human Teeth from the Mladeč Caves – Preliminary Results. In: Early Modern Humans at the Moravian Gate. Springer, Vienna 2006, S. 505–514, doi:10.1007/978-3-211-49294-9, ISBN 3-211-23588-4.

Van Neer W, Linseele V, Friedman RF (2004): Animal burials and food offerings at the Elite Cemetery HK6 of Hierakonpolis – In: Hendrickx S, Friedman R. F, Cialowicz K. M, Chlodnicki M, editors. Egypt at Its Origins: Studies in Memory of Barbara Adams. Leuven: Peeters. pp. 67–129. – Google Scholar

Van Neer W, Udrescu M, Linseele V, De Cupere B, Friedman R (2017): Traumatism in the wild animals kept and offered at Predynastic Hierakonpolis, Upper Egypt International Journal of Osteoarchaeology 27:86–105. – https://doi.org/10.1002/oa.2440

Van Neer W, Udrescu M, Peters J, De Cupere B, Pasquali S, Porcier S (2023) Palaeopathological and demographic data reveal conditions of keeping of the ancient baboons at Gabbanat el-Qurud (Thebes, Egypt). PLoS ONE 18(12): e0294934. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0294934

Von Tobias Möser

Tobias Möser ist Diplom-Biologie und hat zudem Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.