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Nicht jede Alien Big Cat, von der die Tradition erzählt, ist ein verkappter Exot. Früher glaubten die Menschen an große, geisterhafte Phantomkatzen, die echte Gespenster waren oder die mit Hexen oder dem Teufel unter einer Decke steckten.

 

St. Donat's
Das Torhaus des St. Donat’s Castle, 1907. Foto: Charles Latham (1847-1912)

 

Von einer solchen harmlosen Geisterkatze spricht der englische Geisterforscher Peter Underwood in seinem Buch „Ghosts of Wales“ (London: Corgi 1980, S. 106–107) in Bezug auf den Landsitz St Donat’s Castle bei der walisischen Kleinstadt Llantwit Major. Aktenkundig seien dort drei Gespenster, u.a. „der Geisterpanther, der wiederholt von verschiedenen Familienangehörigen gesichtet wurde, und dessen Erscheinung sich auf die Flure der Burg beschränkte“. Underwood nennt für die Berichte kein Datum, aber seine Quelle ist vermutlich das „Ghost Book“ von Lord Halifax (1937), das ich nicht kenne. Ein Panther auf dem Flur eines Schlosses ist vermutlich weder ein entlaufener Exot noch eine unbekannte einheimische Art

 

Mit dem Teufel und den Hexen im Bunde waren die Geisterkatzen, die der große italienische Romancier Alessandro Manzoni (1785–1873) in seinem Roman „I Promessi Sposi“ von 1827 schildert. Er ist unter unterschiedlichen Titeln in Deutschland erschienen, am häufigsten als „Die Verlobten“, am schönsten übersetzt bei dtv als „Die Brautleute“ (Amazon-Link).

 

St. Donats
St. Donat’s Castle auf einer historischen Zeichnung von 1775.

 

Schon im Pestjahr 1630 in Mailand bekannt?

Ein Viertel des Romans handelt im Mailand des Pestjahres 1630, das Manzoni eng nach historischen Dokumenten gestaltet hat. In Kapitel 23 lesen wir über die Hexen, die die Pest angeblich durch eine eigentümliche gelbe Salbe in der ganzen Stadt verteilten:

 

 

„Aber was noch mehr in Erstaunen setzt, das ist, zu sehen, daß die Aerzte, sage die Aerzte, die von Anfang her an die Pest geglaubt hatten, insbesondere aber Tadino, der sie prophezeiht hatte, der sie herankommen sah, der sie bei ihrem Fortgange so zu sagen im Auge behalten, der gesagt und gepredigt hatte, es sei wirklich die Pest, sie pflanze sich durch Berührung fort, und wenn man ihr keinen Einhalt thue, so werde das ganze Land davon angesteckt werden, daß, sage ich, auch Tadino aus diesen Wirkungen selbst einen sichern Beweis für die giftigen, zauberischen Salbungen schöpfte; er, der bei jenem Carl Colonna, dem zweiten, der in Mailand an der Pest starb, das Irrereden als ein Symptom dieser Krankheit bezeichnet hatte; zu sehen, daß er zum Beweise der Salbungen und der teuflischen Verschwörung folgende Thatsache anführte: daß zwei Zeugen ausgesagt hätten, sie haben von einem ihrer kranken Freunde erzählen hören, wie einmal in der Nacht zwei Personen in seine Stube gekommen und ihm Heilung und Geld angeboten hätten, wenn er die Häuser der Umgegend hätte einsalben wollen; und wie sie nach seiner Weigerung fortgegangen, und an ihrer Statt ein Wolf unter dem Bett und zwei große Katzen auf dem Bette zurückgeblieben seien und bis zum Anbruch des Tages sich verweilt hätten.“

 

(„Die Verlobten“ nach der Übersetzung von Ludwig Clarus, erschienen 1859 bei Fr. Hurter in Schaffhausen, Band 2, S. 263)

 

Luchs auf einem Felsen
Die Figur der „große(n) Katze auf einem Felsen“ lässt sich vielfach interpretieren.

 

 

Keltische Riesenkatzen

Und noch früher begegnet uns eine Riesenkatze, die man in Schottland durch ein satanisches Ritual herbeibeschwören konnte – die sicherlich auch kein entlaufener Puna oder ein zoologisches Wesen war. Nach Donald Alexander Mackenzies „Scottish Folk-Lore and Folk Life“ (Blackie & Son, Glasgow 1935, S. 246) berichtete die „London Literary Gazette“ im März 1824 über ein auf Gälisch taghairm genanntes Ritual, dass zu Anfang des 17. Jahrhunderts auf der Insel Mull durchgeführt wurde. Was folgt ist nichts für Zimperliche. Dort wurden als Opfergaben „Katzen lebendig am Spieß gebraten, und wenn ein Tier starb, wurde an seiner Stelle ein anderes aufgespießt. […]

Schließlich erschien eine Katze von ungeheurer Größe. […] Die Riesenkatze, die ihre [der Opfernden] Wünsche zu erfüllen schien, wurde ‚Großohr‘ genannt. Sie thronte auf einem Felsblock, der laut dem Autor der London Literary Gazette zu seiner Zeit noch gezeigt wurde; die Spuren der Krallen von Großohr waren ‚als kleinen Vertiefungen auf der Oberfläche sichtbar‘.“


Dieser Beitrag wird im Rahmen des Relaunches heute erneut gepostet, ursprünglich erschien er am 19. Januar 2024

Von Ulrich Magin

Ulrich Magin (geb. 1962) beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Kryptozoologie, insbesondere mit Ungeheuern in Seen und im Meer. Er ist Mitarbeiter mehrerer fortianischer Magazine, darunter der „Fortean Times“ und Autor verschiedener Bücher, die sich u.a. mit Kryptozoologie befassen: Magischer Mittelrhein, Geheimnisse des Saarlandes, Pfälzer Mysterien und jüngst Magische Mosel.