Manchmal kam ein Tier nicht als Kryptid getarnt daher, sondern wurde zum Gespenst. Anders als in Großbritannien berichtet die deutsche Presse heute nicht regelmäßig über Geistererscheinungen, aber im 19. Jahrhundert war der Glaube an Gespenster noch sehr lebendig.

Wir lesen in der „Regensburger Zeitung“ vom 27. Juli 1860 auf S. 818 ein Beispiel aus der Pfalz
„Großkarlbach. 17. Juli. Schon seit langer Zeit spukte es in unserm Dorfe. In einer Straße, die auf den Karlbach mündet, hörten Leute, wenn sie im Dunkel der Nacht dahin kamen, ein auffallendes Schreien, ähnlich dem des Todtenvogels, und wenn sie näher schritten, ein ‚Plumpsen‘, als ob Jemand sich ins Wasser stürze. Dann war’s still. Manche sahen das Gespenst schleichen, ohne es jedoch näher beschreiben zu können. Furcht ergriff die bangen Gemüther, und sogar der alte Nachtwächter, der doch schon Vieles erlebte, wagte es kaum noch, mit dem Spieße die verrufene Gasse zu beschreiten. In der vorigen Woche nun wurde das Gespenst gebannt.
Bei der unfern Großkalbach gelegenen Kehr’schen Mühle sah der Mühlarzt eines Morgens ein großes Thier beschäftigt, vom Bache aus seine drei Jungen, eins nach dem andern, in eine Dohle zu schaffen. Er hat noch nie so ein Thier gesehen, läuft in die Mühle und benachrichtigt seinen Herrn. Derselbe greift sofort nach dem Gewehr und kommt auf den Platz in dem Augenblick, wo das Thier das letzte Junge eben in die Dohle zerren will. Der Schuß kracht und das Thier wälzt sich getroffen am Boden. Es war ein schöner Fischotter, Weibchen, von außerordentlicher Länge, und wog 14 Pfund. Nun wurden auch die drei Jungen eingefangen.
Als die Kunde von dem Vorfall nach Großkarlbach drang, da kam man auf die Vermuthung, der Fischotter könnte mit dem Gespenst in Verbindung stehen. Es legten sich einige Männer auf die Lauer; in der Nacht des vorigen Donnerstag da schleicht es heran – krach! und das Fischotter-Männchen fällt zusammen, ein prächtiges Thier, 17 Pfund schwer. Nun wurde es ruhig im Dorfe: denn das Gespenst – der Fischotter mit Familie – erschien nicht mehr.“
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Naturgeschichte der Gespenster – Eine BeweisaufnahmeWer hatte im Dunklen noch nie das Gefühl, verfolgt zu werden, wer hat noch nie unerklärliche Geräusche gehört ? Egal wie aufgeklärt wir unser Leben gestalten, nur wenige von uns sind völlig immun gegen die Erfahrung des Unheimlichen, gegen wohligen Grusel und nächtliche Angst. Doch was steckt hinter dem, was wir Spuk nennen, worüber reden wir, wenn wir von Gespenstern sprechen ? Diese Fragen treiben Roger Clarke seit frühester Jugend um. Das Ergebnis seiner lebenslangen Recherche und Obsession ist dieses ungeheuer unterhaltsame Buch, geschrieben nicht ohne ironische Distanz, doch stets präzise wie eine kriminalistische Beweisaufnahme.
Naturgeschichte der Gespenster ist 2015 bei Matthes & Seitz Berlin als gebundenes Buch mit 333 Seiten (wie soll das gehen?) erschienen. Heute ist es im modernen Antiquariat oder antiquarisch erhältlich.
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Auch in Bayern mutmaßte man, hinter einem Spuk stünde bloß ein Tier. Oder, in den aufklärerischen Worten des „Fränkischen Kuriers“ vom 22. Oktober 1867 auf Seite 3:
„In der frommen Bischofstadt Passau spukt es; allabendlich hört man seit einiger Zeit von den Dächern der in der Nähe des Steiner’schen Priesterhauses stehenden Häuser ein Schnaufen und Stöhnen gleich eines verscheidenden Menschen; eine große versammelte Menschenmenge vernimmt alltäglich – wohl mit innerlichem Schauer – das aus dem Geisterreiche sich manifestirende Anzeichen. Nur die ‚Passauer Zeitung‘ ist so gottlos, behaupten und aus Buffon’s Naturgeschichte beweisen zu wollen, daß der Spuk von den auf der Domkuppel sich zahlreich aufhaltenden Schleier-Eulen herrühre.“
