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In den vergangenen 14 Tagen kamen mehrfach Meldungen in den Massenmedien, in oder in der Nähe von Städten seien Wölfe gesichtet worden. Waren Wolfsmeldungen vor einigen Jahren noch „ganz toll und ganz weit weg“, kommen die Wölfe gerade im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW gefühlt näher und damit werden sie bedrohlicher. Doch was steht wirklich dahinter und wo liegt eine Bedrohung?

Hier einige Beispiele aus dem rauschenden Blätterwald

WDR am 05.03.2025: Video: Schafszüchter rüsten sich gegen Wölfe

Tagesschau am 07.03.2025: Jäger warnen: Vorsicht in der Paarungszeit der Wölfe

Tagesschau am 10.03.2025: Mutmaßlicher Wolf in Kaarst gesichtet

WDR am 18.03.2025: Audio: Wolf gesichtet

WDR am 20.03.2025: Polizeieinsatz in Bottrop: Wolf in Wohngebiet gesichtet? 

Tagesschau am 21.03.2025: Wölfe im Ilm-Kreis: Landrätin fordert Änderung der Gesetze zum Abschuss

Tagesschau am 21.03.2025: Immer wieder Wölfe in NRW: Jagd erlauben?

WDR vom 21.03.2025: Audio: Sichtungen in NRW

übrigens: die sonst eher naturferne Redaktion von n-tv bringt in diesem Zeitraum nur einen Bericht,  dass ein Wolf im Wildtierpark Edersee aus dem Gehege geflüchtet, aber auf dem Gelände des Tierparks erschossen wurde – und dass in Rheinland-Pfalz auf einem Wohnmobilstellplatz in Rhodt ein Wildschwein drei Menschen verletzt hat (und anschließend von einem beherzten Polizisten erschossen wurde). Damit hat ein einzelnes Wildschwein an einem Tag mehr Menschen verletzt, als alle Wölfe Deutschlands zusammen in den letzten 25 Jahren.

 

Das Frühjahr ist für die Wölfe in Mitteleuropa die Wanderzeit

Anders als in Nordamerika oder Sibirien, wo die meisten TV-Dokus über Wölfe herkommen, leben die Wölfe in Mitteleuropa selten in großen Rudeln. Die meisten revierbesitzenden Wölfe leben hier als Paare oder Einzeltiere. Nur unter günstigen Umständen vermehren sich die Paare, häufig sind es dann nur ein bis drei Welpen pro Wurf und ein Wurf im Jahr. In der Regel bleiben diese Welpen – sofern sie überleben – im kommenden Sommer noch bei ihren Eltern, um dann im Herbst oder vor allem im Frühling abzuwandern. Der Grund ist einfach: Um als Wolf in unseren Landschaften klar zu kommen, müssen sie eine Menge lernen. Das geht nicht immer nur innerhalb eines Jahres. Dazu kommt, dass Jungwölfe gelegentlich auch bei der Aufzucht des kommenden Wurfes mithelfen, jedoch beim übernächsten nicht mehr unbedingt geduldet werden, zumal dann auch die Geschlechtsreife naht. Das Revier wirft dann nicht genug Nahrung ab und Paarungskonkurrenz wird sich das dominante Paar nicht erlauben.

Da in Mitteleuropas Wäldern häufig Reh und Wildschwein, ggf. Mufflon die größten Tiere sind, Dam- und Rothirsche werden „zum Schutz des Waldes“ nur in bestimmten Regionen überhaupt geduldet.  Um diese vergleichsweise kleinen Tiere zu jagen, müssen Rudel nicht groß sein.

 

Verlassen Jungwölfe ihre Rudel, aktiviert sich oft ein Wandertrieb, so dass sie nicht einfach ins nebenliegende Revier abwandern, wie das beispielsweise Luchse tun. Es kann sein, dass Wölfe viele hundert Kilometer wandern, bis ihnen ein Revier zusagt (und es frei ist). Wölfe in Mitteleuropa scheinen dabei offene, lichte Wälder mit Freiflächen, gerne heideähnlich zu bevorzugen. Kein Wunder, dass die meisten deutschen Wölfe in Niedersachsen und Brandenburg zu finden sind.
Wandernde Wölfe wählen häufig Wege „des geringsten Widerstands“. Wozu sollen sie sich durch Unterholz zwängen, wenn 10 m nebenan ein Waldweg verläuft? Das Problem bei Waldwegen ist, dass sie irgendwann an Straßen enden, die wiederum in Dörfer oder gar Städte führen. Gelegentlich, nicht oft, verirren sich die Wölfe dann in Städte oder nehmen die langsam zunehmende Bebauung nicht als bedrohlich wahr, bis sie in der Stadt stehen. Lampen, Lärm, der Geruch nach Hunden und Menschen, nach Abfall, ggf. Verkehrsopfern dürfte sie dabei sensorisch stark fordern.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Wolf in einer Stadt ansiedelt, geht gegen null.

 

Zwei Wölfe
Zwei Wölfe

 

Was tun, wenn einem ein mutmaßlicher Wolf über den Weg läuft?

Die Wahrscheinlichkeit, dass einem ein streunender Hund über den Weg läuft, ist um ein vielfaches größer, als bei einem Wolf. Dennoch sollte man zusehen, dass man das Tier fotografiert, Ort notiert und ggf. der Polizei oder der Umweltbehörde meldet. Die wissen in der Regel, wer der lokale Wolfsbeauftragte ist und was der wissen will – und geben es weiter.

Wie bei jedem anderen Wildtier dieser Größe ist Vorsicht angesagt. Keine gute Idee ist, den Wolf anzulocken oder zu verfolgen. Dort, wo viel Verkehr ist, sollte man auch nicht versuchen, ihn wegzujagen. Zu leicht rennt er in den Verkehr, ein Unfall mit einem über 25 Kilo schweren Tier ist kein Pappenstil und kann durchaus zu Verletzten führen. Am besten ist es, nach den Fotos einen geordneten Rückzug anzutreten oder einfach stehen zu bleiben.

 

Was tun, wenn man von einem Wolf verfolgt wird?

Es gab vereinzelt Berichte, nachdem ein Wolf neben Fahrradfahrern her gerannt ist oder Jogger verfolgt haben soll. In jedem dieser Fälle war dies Spiel- oder Neugierverhalten. Wölfe können längere Strecken mit über 50 km/h rennen, im Sprint sogar noch schneller. Wenn sie ihre Geschwindigkeit einem Radfahrer (hier City-E-Bike auf Waldweg) oder einem Jogger anpassen, dann ist das wie ein Rennwagen im Standgas – wenn sie etwas wollten, ginge es viel schneller.

Auch hier: Keine Panik, besser stehen bleiben, als flüchten.

 

Was tun, wenn man einen Hund dabei hat?

Sinnvoll ist, den Hund anzuleinen und dicht zu sich zu holen. Dabei wird in der Regel das große Erscheinungsbild eines Menschen das des Hundes überlagern.

Trotzdem kann es Schwierigkeiten geben: Wölfe kommunizieren deutlich über Körpersprache, die sie im Rudel erlernen. Hunde könnten das genauso, sind aber häufig mit Menschen und nicht mit anderen Hunden oder Wölfen sozialisiert (insbesondere kleine Hunde scheinen eher gar nicht sozialisiert zu sein). Es ist also leider zu erwarten, dass es zu Missverständnissen kommen kann, wenn sich Hund und Wolf begegnen und es zu einer Rangelei oder gar einem Kampf kommt. In der Regel genügt es, wenn der Hund dem Wolf Unterwürfigkeit demonstriert, was er leider in den seltensten Fällen tun wird. Zum Einen haben nur die wenigsten Hunde gelernt, auf wölfische Weise zu demonstrieren „du bist hier der Boss“, zum anderen sehen sie ihr Frauchen/Herrchen bedroht und wollen es verteidigen.
Die fehlende Unterwürfigkeitshaltung wird vom Wolf als Herausforderung interpretiert. Mit etwas Glück (für den Hund) reicht dem Wolf ein symbolischer Sieg, dann muss der Hund aber mitspielen. Falls nicht, geht es wahrscheinlich schlecht für den Hund aus.

Auf gar keinen Fall einmischen, sonst könnte der Wolf auch den Menschen als Problem sehen.

 

Spaziergängerin mit Hund
In der Natur gilt für den Hund sowieso „online“, egal ob Wölfe in der Nähe sein könnten.

 

Sind Wölfe gefährlich?

Wölfe sind groß, kräftig, haben große Zähne und sind in der kulturellen Erinnerung immer ein Feind gewesen. Doch seit wir davon ab sind, Kinder als Hüter von Kleinvieh in die Wälder zu schicken, scheint keine echte Gefahr mehr zu bestehen. Der letzte Angriff eines freilebenden Wolfes in Deutschland stammt aus dem Jahr 1674, damals wurde eine Frau von einem tollwütigen Wolf getötet (wobei keineswegs sicher ist, ob der Wolf oder die Tollwut die Frau umbrachte). Tollwut gibt es in Deutschland nicht mehr.

Ein Fall von 1977 steht noch in der Statistik, als ein siebenjähriger Junge von einem Wolf totgebissen wurde, der beim Transport zwischen zwei Wildparks ausgebrochen war. Dem Zootier fehlte die natürliche Scheu vor Menschen, kein Vergleich zu freilebenden Wölfen.

 

Wolf gähnt
Natürlich ist der Wolf als Raubtier nicht zu unterschätzen, trotzdem: Keine Panik, das ist kein Tiger!

 

Vergleicht man die tatsächlichen Angriffe von Hunden und Wölfen auf Menschen, sieht die Sache für den Zeitraum 2000 bis 2020 so aus:

 

Land Tier Angriffe Tote
Finnland Wolf 2 0
Kroatien Wolf 1 0
Europa ohne Russland* Wolf 0 0
Deutschland Haushund unbekannt** 76
Deutschland Jagdunfall*** entfällt 4

* und die o.g. Länder; Russland entfällt nur, weil die Statistik nicht zwischen europäischen und asiatischen Vorfällen unterscheidet.

** Die meisten Angriffe von Hunden passieren im privaten Umfeld, werden nicht gemeldet und tauchen daher in keiner Statistik auf.

*** Die Zahl bezieht sich auf versehentlich getötete an der Jagd Unbeteiligte, z.B. durch Querschläger. Durch Unfälle mit Jagdwaffen außerhalb der Jagd (z.B. bei der Waffenwartung) kamen im gleichen Zeitraum etwa 60 Menschen ums Leben.

 

Am Ende bleibt nur der Ratschlag aus einem  Online-Kommentar zu möglicher Wolfssichtung in Grevenbroich:

Bitte rote Kleidung vermeiden. Keinen Korb mit Kuchen und Wein mit sich führen und dabei lustig singen.


Die Zahlen stammen aus diesem Beitrag.

Von Tobias Möser

Tobias Möser ist Diplom-Biologie und hat zudem Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.