Lesedauer: etwa 8 Minuten

Seit Jahren die größte Monsterjagd

Dieses Wochenende ist es soweit. Seit Samstagmorgen, dem 26. August läuft die größte Jagd auf das Monster von Loch Ness seit Jahren. Neben Fachleuten mit fliegenden Drohnen, Infrarotkameras und Hydrophonen sind jede Menge private Monsterjäger und Nessie-Fans aufgerufen, an der Suche teilzunehmen.

 

 

Das Loch Ness Center in Drumnadrochit bietet gemeinsam mit der Loch Ness Exploration’s (LNE) zahlreiche Rahmenveranstaltungen um die eigentliche Suche an. Auf der Website kann man einen Live-Stream von der Suche verfolgen, dazu kommen natürlich die zahlreichen Webcams, die dauerhaft um Loch Ness installiert sind.

 

Nessie-Törns

Für Fans, die Nessie noch dichter auf den Pelz rücken wollen, gibt es Boots-Turns auf dem See. Sie finden am Samstag und Sonntag statt und dauern je 90 Minuten. Neben dem – auf den Touristenbooten auf Loch Ness üblichen – Sonar wird hier noch ein 20-Fuß-Hydrophon genutzt, das die Geräusche im See hörbar macht.

 

Spirit of Loch Ness
Die „Spirit of Loch Ness“ ist ein Boot der Touristenflotte auf dem See

 

Expertentalk

Einzigartig wird der Expert-Talk am Samstagabend zwischen 18 und 20 Uhr sein.

Die Experten sind:

  • Steve Feltham, Fulltime-Nessie-Jäger, der seit 1991 dabei ist. Er betreibt die Nessie-Jagd hauptsächlich aus seinem Van am Dores-Beach.
  • Alan McKenna, Chef der Loch Ness Exploration, einer privaten Organisation, die sich mit der Erforschung von Loch Ness und seinen Phänomenen befasst.
  • Roland Watson, einem Autor, der sich seit langem mit den Legenden und Beweisen rund um das Loch Ness Monster befasst.

 

Skurriler Minibus mit einem Verkaufsstand
Der Beobachtungsstand des Nessie Hunters Steve Feltham

 

Die Jedermann-Beteiligung

Zentraler Teil der Aktion wird aber die gemeinsame Suche nach Nessie sein. Nessie-Fans und Monsterjäger sollen an möglichst vielen Stellen über das Wochenende den See beobachten und alles, was ihnen seltsam erscheint, fotografieren oder filmen.

Wer etwas auf den Chip gebannt hat, was er oder sie nicht identifizieren kann, füllt dann bitte einen Fragebogen aus und schickt die Aufnahmen zusammen mit dem Fragebogen an das Loch Ness Center (LNC). Das LNE sammelt die Aufnahmen, identifiziert sie, soweit möglich und sortiert alles aus, was sicher nicht Nessie ist. Wer weiß, ob nicht DAS Foto dabei ist?

 

Bewertung

Fliegende Drohnen, Wärmebildkameras, Sonar, Hydrophone und Experten, das klingt nach einer aufwändigen Suche, die auch noch öffentlich begleitet werden soll. Sieht man sich die Sache genauer an, wirkt es aber nur so.

 

 

 

Drohnen?

Fliegende Drohnen, das hört sich toll an. Als erhöhter Beobachtungsstand sind sie super, klein, leicht, schnell einsetzbar und wesentlich billiger als ein Helikopter. Aber „Drohne“ kann alles oder nichts sein. Vom Quadcopter mit Geländeerfassungslaser, hochauflösenden Kameras für Infrarot, Ultraviolett und sichtbares Licht und zahlreichen weiteren Sensoren bis zur der 49-Euro-Kameradrohne, die auch bei Feinkost-Albrecht verkauft wird.

Welche Fähigkeiten die Drohnen haben sollen, wird nicht veröffentlicht.

 

 

Infrarot?

Infrarot und Wasser sind keine sehr gute Kombination, wenn man im Wasser etwas suchen möchte. Dies hat mehrere Gründe. Anders als an der Luft nimmt Wasser die Körperwärme von Tieren sehr schnell auf und kühlt die Oberfläche. Wale beispielsweise sind erst dann per Infrarot zu sehen, wenn sie auftauchen oder atmen.

Auch bei aktiven Systemen (also solche, die Infrarot ausstrahlen und die Reflexion aufnehmen) ist Wasser ein großes Hindernis. Da Wassermoleküle in sich sehr gut schwingungsfähig sind, absorbieren sie IR-Strahlung sehr stark. Technisch nutzen wir es nahezu täglich, da die Strahlen der Mikrowelle ebenfalls zum (sehr weiten) IR gehören. Sie werden vom Wasser in den Speisen und Getränken absorbiert, die sich dadurch erwärmen.
Sicher, ein heißer Kaffee bzw. in Schottland eher Tee gehören zu einer anständigen Monsterjagd dazu, aber … naja.

 

Infrarotaufnahme Vier Enten auf einem See
Infrarotaufnahme von vier Enten auf einem Teich. Das Bild verdeutlicht, wie stark die Wasseroberfläche Infrarotstrahlung reflektiert.

 

Hydrophone

Auch Hydrophone sind eine tolle Sache. Im Meer nehmen sie jede Menge Geräusche auf (externer Link), von singenden Walen über furzende Heringe (externer Link) und trommelnde Adlerfische bis hin zu Knack- und Knallgeräuschen unzähliger Krebstiere.

Wasser leitet Schall sehr viel besser, schneller und weiter als Luft. Militärs weltweit nutzen um Schiffe zu verfolgen. Wie weit das tatsächlich möglich ist, veröffentlichen sie natürlich nicht, aber die mehr oder weniger genaue Ortung eines Schiffes ist unter günstigen Umständen über mehrere 100 km möglich (wenn man über mindestens zwei Mikrofone in einigem Abstand zu einander verfügt).

Doch die tolle Leitfähigkeit für Geräusche hat auch Nachteile: Nicht nur das Militär hört Schiffe auf riesige Entfernungen. Bei der Suche nach Nessie sind sicher zahlreiche Boote auf dem Loch, deren Motoren und Schiffsschrauben jede Menge Geräusche machen. Zieht ein Boot ein Hydrophon hinter sich her, hört es zunächst vor allem die Geräusche der eigenen Schraube(n) und des Motors. Anders als im offenen Ozean kommt in Loch Ness noch ein weiterer, behindernder Faktor dazu: Der See hat Ufer, teilweise aus hartem Fels. Diese reflektieren den Lärm der Boote, so dass er multiple Echos bzw. einen Hall nach sich zieht.

Hier braucht es also Experten, die diese Geräusche herausfiltern können und hören, wenn sich Nessie äußert. Eins der Probleme ist, dass niemand weiß, wie sich Nessie anhört – falls sie überhaupt etwas erzählen will.

 

Sonar

Nahezu jedes Boot, das auf Loch Ness für Touristenfahrten genutzt wird, hat ein Sonar an Bord. Ein großer Bildschirm zeigt ein Sonarbild von dem, was unter dem Boot ist. Gelegentlich ist auch etwas sichtbar.

Das Problem bei der Sache ist: Kaum jemand kann Sonar wirklich lesen. Man denke in diesem Zusammenhang an Ultraschallbilder von werdenden Kindern im Mutterleib: Wirklich erkennen kann man kaum etwas. Dies hängt mit der Art des Bilderstellung zusammen: Der Schall wird von einem Punkt ausgestrahlt, er breitet sich fächerförmig aus. Dabei werden die Schallwellen an Oberflächenübergängen (z.B. beim Übergang vom Wasser zu Festgewebe oder einer Gasblase) reflektiert. Diese Reflexionen werden dann von einem Mikrofon registriert. Aus dem Zeitraum zwischen Schallabgabe und Empfang berechnet ein Computer die Entfernung zum Mikrofon. Dies führt zu verzerrten Bildern, ebener, glatter Boden wird wie die Außenseite einer Halbkugel dargestellt. Die Interpretation ist also schwierig.

 

Nessie Sonar
Sonarbild von Loch Ness mit einer Anomalie, die Nessie zeigen soll (Foto: Peter Jolly)

 

Natürlich gibt es heute Bildprozessoren, die diese Bilder glätten können und damit für den Laien interpretierbar machen. Ebenso gibt es Programme, die aus den Daten mehrerer Sonar-Sensoren unterschiedlicher Standorte ein 3D-Bild eines Objektes erzeugen können. Aber auch das ist keine 100%ige Lösung. Das gewünschte, rauschfreie, saubere Bild, das alle größeren Objekte unter Wasser erkennbar darstellt, kann vermutlich nur die Navy erstellen – aber die nimmt nicht teil.

 

Vor kurzem wurde sogar einmal ein Sonarbild einer Touristenfahrt veröffentlicht, das vermeintlich das Monster zeigen soll.

 

Wer sich näher damit befassen möchte, dem sei der Wikipedia-Artikel zur Sonographie ans Herz gelegt.

 

Stele mit der Bezeichnung "Loch Ness", der See im Hintergrund
Loch Ness, ohne Nessie. Ob das Monster gerade Urlaub hat?

 

Was ist das nun für eine Aktion?

Spezial-Bootsturns im 90-Minuten-Takt, Expertengespräche, beide für relativ viel Geld, dann die Einbindung privater Nessie-Fans bei der Monsterjagd? Das Ganze findet zufällig einige Wochen nach der Eröffnung einer neuen Ausstellung im Loch Ness Center in Drumnadrochit statt.
Honni soit qui mal y pense – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

 

Eine koordinierte Sonar-Suche gab es bereits zweimal:

  • 2003 ließ die BBC in der Operation Deep Scan (externer Link) eine Kette von Booten parallel durch Loch Ness fahren, jedes mit einem Sonargerät, insgesamt 600 Sonarstrahlen. Man zeichnete damals ein sehr detailliertes Bild vom Seeboden.
  • 2016 vermaß die Firma Kongsberg Maritime den Seeboden mit Sonar und fand eine Nessie-Attrappe, die bei einem Filmdreh 1970 verloren ging (damals wurde „Das Privatleben des Sherlock Holmes“ von Billy Wilder gedreht).

 

Loch Ness wird rund um die Uhr von Webcams überwacht. Sie decken den überwiegenden Teil der Seeoberfläche ab. Dort, wo sie nicht hinblicken können (z.B. hinter kleinere Felsen am Ufer oder unter überhängende Bäume), wird sich Nessie kaum verstecken können.

 

Die Umwelt-DNA-Analyse eines neuseeländischen Teams um Neil Gemmell hat einiges gefunden, aber keine Monster-DNA und keine unerwarteten Großtiere im See.

 

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Aktion etwas entdeckt wird, das nicht schon bekannt ist, ist also nicht sehr groß. Andere, wesentlich qualifiziertere Suchaktionen in Loch Ness brachten nur negative Ergebnisse. Natürlich kann ein Zufallsfund die Sache dann doch noch zu einem Erfolg bringen – doch so unter uns: Wäre dieser tolle See nicht viel interessanter, würde er sein Geheimnis noch länger bewahren?

 

Loch Ness mit Bergketten an beiden Ufern und der Sonne hinter Wolken am gegenüberliegenden Ende
Wie verschlossen liegt Loch Ness an diesem Abend da, kaum eine Welle, und selbst das Licht wirkt bleiern. Noch birgt es seine Geheimnisse.

 


Mehr zu Nessie und Loch Ness im Dossier Loch Ness

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.