Neuer Schnabelwal?Die unbekannte Schnabelwal-Art. Foto: Simon Ager/Sea Shepherd Conservation Society
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Am 8.12.2020 haben die Sea Shepards auf ihrer Website von der Entdeckung einer bisher nicht zu identifizierenden Schnabelwalart berichtet, die nun provisorisch als „Mesoplodon x“ bezeichnet wird. Forscher an Bord des Hochsee-Seglers Martin Sheen beobachteten am 17. November drei Wale, die nahe dem Schiff an der Oberfläche schwammen. Da eine der Aufgaben der Reise war, die Schnabelwale bei den San Benito-Inseln vor Niederkalifornien (Mexiko) zu beobachten, waren drei Schnabelwalspezialisten an Bord. Sie konnten die Tiere weder anhand der Beobachtung noch an Unterwasserfotos oder ihrer Lautäußerungen identifizieren.

 

Handelt es sich um eine unbekannte Art?

Die Sea Shepards spekulieren mit gutem Recht darauf, dass es sich um eine „neue“, unbekannte Art der Schnabelwale handelt. Da bei der Expedition auch Umwelt-DNA (eDNA)-Proben gesammelt wurden, stehen die Chancen gut, hier einen genetischen Nachweis zu erhalten.

„Wir sahen etwas Neues. Etwas, das wir nicht in dieser Gegend erwartet haben, das nicht zu Bekannten passt, egal ob vom Aussehen oder akustisch. Das ist etwas Unbekanntes“, sagte Dr. Jay Barlow, Wissenschaftler auf der Expedition. Barlow ist einer der führenden Experten in Sachen Schnabelwale, wenn er mit etwas Neuem rechnet, dann ist das realistisch. Im Netz wird die Art bereits als Mesopolodon x bezeichnet, morphologische Daten wie geschätzte Längen und Gewichte gibt es noch nicht, die Art scheint eine kleine bis mittelgroße, nicht sehr schlanke Mesoplodon-Art zu sein.

Aber: Man hat schon von ihr gehört und wird das sicher auch in Zukunft tun.

 

unbekannter Schnabelwal
Markus Bühlers Zeichnung des unbekannten Schnabelwals

 

Mesoplodon x – man hat von ihr gehört!

Möglicherweise ist das mit dem „von ihr hören“ sogar doppelt zu verstehen: Im Jahr 2018 haben Forscher der Sea Shepards ein akustisches Signal nahe der San Benito-Inseln aufgenommen, das keiner bekannten Walart zugeordnet werden konnte. Das als „BW43“ bezeichnete Signal war auch von der Küste Kaliforniens bekannt. Wissenschaftler haben es provisorisch dem kaum bekannten Perrin-Schnabelwal Mesoplodon perrini zugeordnet. Diese Art wurde erst 2002 anhand von Altfunden aus den 1990ern beschrieben. Sie scheint dieses Signal aber nicht zu senden.

 


Lage der San Benito-Inseln. Die Entdeckung passierte etwa 100 Meilen nördlich.

Eine geheimnisvolle Walgruppe

Schnabelwale gelten als die am wenigsten erforschten Wale. Die Tiere leben üblicherweise alleine oder in kleinen Gruppen und bevorzugen die hohe See. Häufig findet man sie über tiefen Meeresgebieten. Sie gelten als Tieftaucher, die über 1000 m tief herabtauchen, um dort nach Kalmaren, Tintenfischen, Kraken, aber auch Fischen zu suchen. Oberhalb von etwa 500 m verhalten sich die Tiere oft sehr ruhig, so dass sie mit den üblichen Unterwassermikrofonen kaum zu hören sind.

 

Immer wieder haben Wissenschaftler auch in den letzten Jahren „neue“ Schnabelwalarten beschrieben. Zuletzt 2019, als die kryptozoologisch schon lange bekannte Art Berardius minimus ihren Namen erhielt. Einige Arten sind nur von einer einstelligen Zahl von Strandungen bekannt, bei einer anderen Art kannte man bis 2010 nur einzelne, subfossile Schädel.

Hier ist kryptozoologisch noch einiges möglich. Wer weiß, ob nicht noch mehr unbekannte Schnabelwale in den Ozeanen tauchen?

 

Der Telegraph hat Bilder der Sea Shepards zum neu entdeckten Schnabelwal als Video veröffentlicht:

 

 

Anmerkung der Redaktion

Dieser Beitrag entstammt einer Presseschau vom 13. Dezember 2020. Die hier als „Mesoplodon x“ bezeichnete Art taucht in der Literatur so gut wie gar nicht auf. Ein Artikel, der zur gleichen Zeit wie die Meldung bei Reuters zu finden ist, scheint die wesentlichen Informationen gut zusammenzufassen. Weder zur Umwelt-DNA-Probe noch zu anderen Aspekten der Erstsichtung der Art konnte ich (Stand: 12.05.2024) ein Paper finden.

 

Die Schnabelwale sind immer wieder Thema auf dieser Webseite. Es handelt sich hier um die artenreichste und gleichzeitig am wenigsten erforschte Gruppe der Wale. Die meisten Arten sind zu klein für den industriellen Walfang gewesen, sind mit kleinen Booten auf der Hochsee kaum zu erreichen und vermeiden den Kontakt mit Motorschiffen. Daher bekommt man sie kaum zu sehen, außer – wie die Sea Shepards – man forscht aufwändig mit Segelschiffen. Viele Erkenntnisse basieren auf Untersuchungen gestrandeter Wale, die aber oft untypische Ergebnisse liefern (verirrte oder verdriftete Tiere, leeres Verdauungssystem usw.
In den letzten Jahren wurden mehrere Arten beschrieben, wir berichteten dann in der Regel davon:

Hinzu kommt, dass der Longman-Schnabelwal Indopacetus pacificus lange Zeit eines der rätselhaftesten Tiere überhaupt war. Er war nur von zwei Schädelfunden bekannt (1882: Queensland Australien und 1955: Somalia). Longman beschrieb die Art 1926 anhand des ersten Schädels, aber es blieb fast 60 Jahre lang unklar, ob die Art nicht schon ausgestorben sei. Erst in den 1980ern gab es Sichtungen bei den Seychellen, die man einer unbekannten Schnabelwal-Art zurechnete, bei denen es sich um Longman-Schnabelwale handeln könnte. 2002 wurde ein vollständiges Tier in Japan angeschwemmt, erst dadurch wurde bekannt, wie die Art überhaupt aussieht. 2003 folgte die nächste Strandung eines Einzeltieres bei den Philippinen, weitere acht Tiere strandeten 2013 in Neukaledonien, vier davon konnten Tierschützer erfolgreich wieder ins Wasser bringen.

Die Art ist sicher einen längeren Beitrag wert.

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.