Ich möchte diesen Gastbeitrag gezielt „missbrauchen“, um ein Thema anzusprechen, das mir sehr am Herzen liegt: Wenn zuhause jemand einen Unfall hatte oder einen akuten Erkrankungsanfall hat, ruft man den Rettungswagen. Soweit so gut, und dann?
Vorbereitet sein ist alles
Notfälle kommen immer unerwartet. Doch wenn der Partner oder ein anderes Mitglied des Haushaltes einen medizinischen Notfall hat, ist es zu spät, vorzusorgen. Daher empfehle ich, an einem ruhigen Tag diese Vorsorge zu übernehmen:
1. Macht euch einen Notfall-Ordner
In den Notfall-Ordner sollte für jedes Mitglied des Haushaltes ein Schnellhefter vorliegen. Er wird groß mit dem Namen beschriftet und sollte alle wichtigen medizinischen Daten enthalten (falls vorhanden):
- aktuelle Medikation
- Kopien der letzten Arztbriefe
- Liste der Allergien und Unverträglichkeiten
- Eigene Beschreibung der körperlichen Situation
- Pässe zu Implantaten, Stents, Schrittmachern usw.
- ggf. Patientenverfügung
- Kontaktdaten des Hausarztes
- Kontaktdaten eines Bekannten oder Verwandten außerhalb des Hauses, der sich im Notfall kümmert
- Infos über Kinder in Schule oder Kindergarten, ob und wann sie abgeholt werden müssen, wo sie kurzfristig untergebracht werden sollen.
- Infos über Haustiere, wer sie versorgt (Telefon!) oder abholt.
- Ort der Notfalltasche (siehe unten)
Das erleichtert einem Arzt oder Sanitäter die Diagnose.
Der Notfallordner sollte deutlich gekennzeichnet werden, z.B. mit einem weißen Kreuz auf grünem Grund und der Aufschrift „Medizinischer Notfallordner“. Diesen Ort vermerkt man auf einem Aufkleber in Augenhöhe auf der Innenseite des Türrahmens, ebenfalls durch ein weißes Kreuz auf grünem Grund markiert.
2. Die Notfall-Tasche
In der Notfall-Tasche sollte sich alles befinden, was man für ein bis zwei Tage im Krankenhaus benötigt, z.B.
- Handzahnbürste, Zahnpasta, Seife (hier eignet sich eines der kleinen Fläschchen oder Stücke aus einem Hotel optimal), weitere Kosmetika, die man benötigt,
- Kamm oder Haarbürste,
- Zwei Sätze Unterwäsche, Socken, Jogginghose, Zipper-Pulli,
- Ein Buch, das man immer wieder gerne liest, ich empfehle hier ein Buch mit abgeschlossenen Kurzgeschichten oder Episoden,
- Kopfhörer,
- Hausschuhe,
- Ersatz-Ladegerät fürs Handy
Die Notfall-Tasche sollte an einem festgelegten Ort hinterlegt sein, so dass ein ortsunkundiger Sanitäter sie schnell finden kann. Ein Zettel mit der Aufschrift „Notfalltasche (Name)“ an der Tasche erleichtert ihm die Arbeit.
3. Wie kommt der Rettungsdienst zu mir?
Wer ein gut erkennbares Haus mit deutlich sichtbarer Hausnummer, direkt an der Straße, gegenüber einem markanten Punkt, bewohnt, braucht hier nicht weiter zu lesen. Alle anderen versetzen sich in die Situation des Rettungswagenfahrers: Er weiß, dass jemand schnell Hilfe braucht, hat aber Probleme, Hausnummern zu finden und weiß nicht, wo genau das Haus ist.
Optimal ist es, eine Person an die Straße zu stellen, die den Rettungswagen erwartet und die Retter zur Wohnung führt. Wenn die Nachbarn mitbekommen, dass ein Notfall besteht, sollte man sich einen oder zwei von ihnen greifen. Erstens bekommen sie dann was zu tun und können helfen, zweitens stehen sie nicht in der Wohnung oder im Treppenhaus im Weg herum.
Ist kein „Einweiser“ greifbar, leisten Pannenleuchten gute Arbeit: diese gut handtellergroßen Lampen haben ein oranges Blinklicht, das im Hellen wie im Dunkeln gut zu sehen ist. Sie haben einen eingebauten Magnet, mit dem sie sich hervorragend an einer erhöhten Position befestigen lassen, z.B. einem Briefkasten.
Wir nutzen drei Notfall-Blinkleuchten, die wir an bekannte Stellen auf dem Weg zum Haus aufstellen, so hat der Rettungsdienst problemlos zum Haus in der 2. Reihe gefunden. Natürlich machen wir auch alles andere an Licht an, was leuchtet.
Die Zeit zwischen dem Notruf und dem Eintreffen des Rettungsdienstes ist meist quälend lang. Hat man genug Leute, die den Notfall gut zu betreuen und den Rettungsdienst einweisen, sollten alle Anwesenden beschäftigt werden:
Notfallordner und Notfalltasche bereitstellen, in Treppen und Fluren Platz für die Trage schaffen.
Sollten trotzdem noch Leute da sein, die nicht zur Familie oder zum engen Freundeskreis gehören, schickt sie nach Hause. So spannend das ist, so viel Anteil man auch nimmt und soviel Action man verpasst: Während der Untersuchung und Behandlung haben Nachbarn u.ä. im Zimmer nichts zu suchen!
4. Der Ablauf im Detail
Während eines Notfalls ist man nervös, das ist mehr als verständlich. Daher hilft es, den Ablauf einer Rettungsmaßnahme aufzuschreiben, auszudrucken und außen auf den Notfallordner zu kleben:
- Patienten soweit möglich stabilisieren und beruhigen.
- falls möglich, auf Symptome für Herzinfarkt oder Schlaganfall prüfen
- 112 wählen
- Wer ruft an? Namen nennen
- Wo ist der Notfall? Adresse nennen, ggf. Wegbeschreibung, markante Punkte in der Nähe des Hauses, auf oranges Blinklicht und/oder Einweiser hinweisen
- Wer ist der Patient? Namen und Eckdaten wie Alter, Vorerkrankungen, akute Erkrankungen, Symptome nennen
- ggf. Corona-Status nennen
- Auf Rückfragen warten
- Einweiser auf den Weg schicken oder Blinklichter selber platzieren (Platz/ Plätze hier vermerken)
- Notfallordner bereit legen
- Notfalltasche holen
- Falls weitere Personen da sind, Treppenhaus und Flure frei räumen lassen, 2 starke Leute als Tragehilfe da behalten. Alle anderen wegschicken. Tragehilfen vor dem Haus als weitere Einweiser abstellen.
5. Üben und kontrollieren
Egal wer im Haushalt lebt, es lohnt sich, diesen Fall mehr oder weniger regelmäßig zu üben. Vor allem, wenn man Kinder hat, sollte man es zunächst einmal im Monat, später alle 2 Monate üben. Auch wenn ausschließlich Erwachsene im Haus leben, lohnen sich regelmäßige Übungen, denn Erwachsene reagieren meist nicht so cool wie Kinder.
Es lohnt sich, hierfür regelmäßig an einem bestimmten Tag im Monat eine Stunde Zeit zu nehmen und einen solchen Ablauf einmal durchzuspielen und danach zu besprechen. Auch den eigentlichen Notruf am Telefon kann man mehr als einmal üben. Bei der Gelegenheit sollte jeder die Blinkleuchten ein- und ausschalten üben. Dabei kann man auch direkt die Batterien prüfen.
Einen Tag im Monat, z.B. den ersten Samstag, sollte man sich eine halbe Stunde Zeit nehmen, um den Notfallordner auf den neuesten Stand zu bringen.
6. Sich fortbilden
Auch während der Corona-Pandemie führen zahlreiche Sozial- und Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, die Deutsche Unfallhilfe und zahlreiche andere Erste Hilfe Kurse an. Das Kursprogramm ist mittlerweile so kompakt, dass man den Kurs an einem Samstag oder Sonntag absolvieren kann – und es macht Spaß! Insbesondere wenn man diese Kurse zu zweit absolviert.
Neben dem Schein, den man sicher gelegentlich brauchen kann, gibt er tatsächlich Sicherheit im Notfall.