Szene vom schwarzen ObeliskenDetail des schwarzen Obelisken: Ein asiatischer Elefant wird als Tribut übergeben. Abb. Aus Otto Keller: Die antike Tierwelt, Band 1; 1927
Lesedauer: etwa 14 Minuten

Im Pliozän und Pleistozän bevölkerten Elefanten und ihre Verwandten einen Großteil des Globus. Während in Kaltzeiten das Wollhaarmammut die Tundren Eurasiens durchstreifte, waren die Warmzeiten und südlichen Regionen für hunderttausende von Jahren das Reich des Altelefanten Palaeoloxodon.

 

Altelefant Palaeoloxodon Schöningen
Modell eines Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus) am Elmhaus Schöningen, rekonstruiert nach den Skeletten aus Neumark-Nord. Im nahegelegenen Braunkohletagebau wurden neben vielen anderen Tieren und den berühmten „Schöninger Speeren“ auch die Knochen mehrerer Elefanten gefunden.

 

In Deutschland zeugen bekannte Fundorte wie Lehringen, Neumark-Nord und Schöningen von der Anwesenheit des Europäischen Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus), der von Homo heidelbergensis und Neandertaler gejagt wurde. Mit dem Steppenelefanten Palaeoloxodon namadicus, der eine Schulterhöhe von 4,50 m und ein Gewicht von bis zu 22 Tonnen erreichte, brachte die Gattung das größte Landsäugetier aller Zeiten hervor. Zugleich entstanden auf den Inseln des Mittelmeeres mehrere Zwergformen, deren kleinste Palaeoloxodon falconeri (Sizilianischer Zwergelefant) mit einer Schulterhöhe von nur 90 cm war.

 

Waldelefanten Palaeoloxodon und ihre Jäger
Eine Gruppe Heidelberg-Menschen und Waldelefanten; Bildquelle: Karol Schauer; National Geographic.

 

Nach allgemeiner Auffassung der Paläontologie starb Palaeoloxodon zusammen mit vielen anderen Arten der pleistozänen Megafauna am Ende der letzten Eiszeit vor rund 11.000 Jahren aus, nur die zwerghaften Inselformen überlebten zum Teil noch einige Jahrtausende länger.
Oder muss diese Auffassung revidiert werden? Laut einer 2012 erschienenen Studie sollen Elefanten der Gattung Palaeoloxodon noch bis in historische Zeiten im Norden Chinas überlebt haben.

Elefanten in China

 

Landschaft China
Im Norden Chinas gibt es schon lange keine Elefanten mehr, im Süden leben noch 200 bis 250 Tiere.

Während im Süden des Landes bis zum heutigen Tag Populationen des Asiatischen Elefanten (Elephas maximus) leben, kommen in Nordchina heute keine wildlebenden Elefanten mehr vor. Dies war nicht immer so: Bereits die frühesten chinesischen Schriftzeugnisse, die Orakelknochen der Shang-Dynastie (17.–11. Jh. v.u.Z.), erwähnen wildlebende Elefanten, ebenso die antiken Literaturwerke Shījīng („Buch der Lieder“, ca. 1100–800 v.u.Z.), Lǐjì („Buch der Riten“) und Zuozhuan (frühestes narratives Geschichtswerk Chinas, 4. Jh. v.u.Z.). Funde von Elefantenskeletten in Yinxu (Anyang, Provinz Henan), den Ruinen der alten Hauptstadt der Shang-Dynastie, bestätigen deren historische Anwesenheit. Nach etablierter Auffassung dürften auch diese Elefanten zur Art Elephas maximus gehört haben.

 

Bezweifelt wird dies jedoch von Li et al., die 2012 den Artikel „The latest straight-tusked elephants (Palaeoloxodon)? “Wild elephants” lived 3000 years ago in North China“ im Journal Quaterny International veröffentlichten. Demzufolge gehörten jene heute ausgestorbenen Elefanten Nordchinas nicht zur Art der Asiatischen Elefanten, sondern zu einer Restpopulation der prähistorischen Gattung Palaeoloxodon.

Belege

Schädel Altelefant Palaeoloxodon
Schädel und Unterkiefer eines Palaeoloxodon im Paläon, Schöningen

 

Beim Dingjiabu-Stausee in Yangyuan entdeckte man verschiedene Tierfossilien, darunter Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) und Auerochse (Bos primigenius). Zwei pleistozäne Schichten enthielten auch Palaeoloxodon namadicus. Ein drittes Stratum wurde anhand von Baumstämmen auf das Alter von 3630 ± 90 and 3830 ± 85 BP (Jahre vor heute) datiert. Das entspricht in China der bronzezeitlichen Shang-Dynastie.

Unter den Fossilien dieses mutmaßlich holozänen Stratums fanden sich auch zwei Elefantenzähne (ein 3. oberer Molar und ein 3. unterer Prämolar). Obwohl bisher dem modernen Elephas maximus zugeordnet, bemerkte schon die erste Veröffentlichung von 1980 die Ähnlichkeiten zu den prähistorischen Arten Palaeoloxodon namadicus und P. naumanni. Li et al. weisen auf die „Loxodonta-Höhlen“ und rhombische Form der Zähne hin, die dem typischen Palaeoloxodon, aber nicht Elephas entsprechen.[1] Somit seien sowohl Palaeoloxodon als auch die in derselben Schicht vorgefundenen C. antiquitatis und B. primigenius noch für das frühhistorische Holozän nachgewiesen.

Chinesische Bronzen mit Elefantendarstellungen
Chinesische Bronzen mit Elefantendarstellungen, 11. bis 9. Jh. v.u.Z. Alle besitzen offenbar zwei „Finger“ am Rüssel. (Li et al., Fig. 2)

 

Zu den fossilen Zähnen kommt zudem ein archäologisches Argument: Aus der späten Shang- bis frühen Zhou-Dynastie (1122/1045–770 v.u.Z.) sind zahlreiche kunstvolle Bronzeobjekte erhalten. Eine Reihe von sogenannten zun-Gefäßen besitzen Füße in der Form von Elefantenköpfen oder sind komplett in Elefantengestalt geformt. Alle diese Bronzedarstellungen aus Nordchina weisen hierbei ein erstaunliches Merkmal auf. Die Rüssel der Elefanten zeigen klar ein symmetrisches Ende mit zwei „Fingern“.

„Am Rüssel sollst du sie erkennen!“ 

Unter heutigen Elefantenarten unterscheidet sich die Gestalt der Rüssel deutlich: Während die Rüssel Afrikanischer Elefanten (Gattung Loxodonta) zwei Finger zum Greifen besitzen, weisen die des Asiatischen Elefanten (Elephas maximus) nur einen auf. Das prähistorische Wollhaarmammut (Mammuthus primigenius) besaß, wie man von gefrorenen Kadavern weiß, zwei asymmetrische, einander überlappende Finger.

Rüsselscheiben unterschiedlicher Elefantenarten
Rüsselenden verschiedener Elefantenarten. Links: Afrikanischer Elefant, Mitte: Asiatischer Elefant, rechts: Wollhaarmammut. Abb: DagdaMor CC-BY SA 3.0

 

 

Mit zwei symmetrischen Fingern unterscheiden sich die chinesischen Bronzen also klar vom Phänotyp des Asiatischen Elefanten, der bis heute in Südchina verbreitet ist. Von 33 untersuchten elefantenförmigen Bronzen aus Nordchina sei bei 21 die Zahl der Rüsselfinger erkennbar, alle mit jeweils zwei Fingern.[2]
Afrikanische Elefanten sind in China bekanntlich nie heimisch gewesen. Auch ein Transport von Afrika bis China sei in jener Zeit unmöglich. In Frage käme für die Elefantendarstellungen also nur die Gattung Palaeoloxodon, deren Angehörige bis zum Ende des Pleistozäns nachweislich in der Region gelebt haben. Mammuthus sei hingegen wegen der schwer zu übersehenden Behaarung und den geschwungenen Stoßzähnen klar auszuschließen.

Zwar ist die Fingeranzahl des Palaeoloxodon mangels Weichteilfunden nicht sicher bekannt, doch belegen molekulargenetische Untersuchungen mittlerweile eine nähere Verwandtschaft zur afrikanischen Gattung Loxodonta.[3] Eine angenommene Zweifingrigkeit auch bei dieser Gattung wäre also nur plausibel. Um welche Art der Gattung Palaeoloxodon es sich bei den bronzezeitlichen Elefanten genau gehandelt haben soll – in Frage kommen P. namadicus und P. naumanni – spezifizieren Li et al. nicht.

Kritik

Elefantenskelett Palaeoloxodon naumanni
Skelettreplik von Palaeoloxodon naumanni (12danya, Wikimedia Commons)

 

Wenig überraschend erzielte die Publikation der Studie eine gewisse Aufmerksamkeit. In der Fachwelt durchsetzen konnte sich die Theorie trotzdem nicht.
Victoria Herridge, Paläontologin und Expertin für prähistorische Elefanten am Natural History Museum London, kritisierte schon wenig später über Twitter die Beweiskraft der Elefantenzähne: Allein die schlechte Auflösung der schwarz-weißen Abbildungen erwecke den Eindruck der Zugehörigkeit zur Gattung Palaeoloxodon. Bei der Betrachtung besserer Fotografien erschienen die fraglichen Stellen weit weniger deutlich. Sie seien also letztlich vielmehr als „Produkte des Kontrasts“ denn als reale Merkmale zu bewerten. Insgesamt entsprächen die Zähne denen Asiatischer Elefanten.[4]

Die „Palaeoloxodon„-Funde werden schon bald neu bewertet

Ein Jahr später wurde das Urteil von Herridge in einer neuen Studie bestätigt: Turvey et al. identifizierten den Zahn IVPP RV 80005 als Elephas maximus (Asiatischer Elefant):

 

„However, re-examination of one of these molars (IVPP RV 80005, an almost complete right upper M3 with a width of 96 mm; Fig. 3) indicates that it is indeed referable to E. maximus, as originally stated by Jia and Wei (1980) and by Stuart and Lister (2012). This specimen has 21 preserved enamel lamellae plus a posterior talon, with two additional lamellae worn to the root at the front; the likely total of 23 is typical for E. maximus (Roth and Shoshani, 1988; Lister et al., 2013), and reflected in the tightlypacked appearance of the lamellae in medial view, but is above the known range for Palaeoloxodon where lamellar number does not normally exceed 19 (Osborn, 1942; Maglio, 1973).

Lamellar frequency in this specimen is approximately seven (estimated following the method of Maglio, 1973), a value typical for E. maximus M3 in specimens of this width (Lister et al., 2013); the value of 5.5e6 given by Jia and Wei (1980) and quoted by Li et al. (2012) was probably taken on the occlusal surface, lowering the apparent value because of oblique wear of the tooth.

The widenings shown in the anterior lamellae and cited by Li et al. (2012) as ‘loxodont sinuses’ characteristic of Palaeoloxodon are in fact common in lamellae of many elephantid species in advanced wear, and are not present in the more posterior (less worn) plates of the Dingjiabu molar as would be expected if these were true loxodont sinuses. The folding of the enamel bands is regularly distributed across the width of the band, like the condition in E. maximus but unlike Palaeoloxodon where the main median fold is typically flanked by parasagittal folds. Finally, the tripartite subdivision of the early-wear posterior lamellae is not the extreme dot-dash-dot pattern common in Palaeoloxodon but is consistent with E. maximus.“[5]

 

 

Auch eindeutig Palaeoloxodon hätte nicht viel Aussagekraft gehabt

Doch selbst wäre die Zuordnung zu Palaeoloxodon korrekt gewesen, so könnte der Zahn doch keinen Beleg für die Anwesenheit der prähistorischen Art in der Bronzezeit leisten.

 

 

„IVPP RV 80005 was sampled and submitted for dating, returning an AMS 14C date of >50,300 yr BP (OxA-26337). Even if this specimen had been identifiable as Palaeoloxodon, it would therefore not indicate Holocene persistence of that genus in northern China as Li et al. (2012) contended“[6]

 

 

Mit einem Alter von über 50.000 Jahren datiert der Zahn somit eindeutig in das prähistorische Pleistozän, in dem auch die Anwesenheit von Palaeoloxodon keine Überraschung darstellen würde. (Vielmehr wird der Nachweis von Elephas in dieser Zeit als wissenschaftlich wertvoll bewertet.) Die Datierung in das 2. Jt. v.u.Z., die Li et al. anführen, geschah hingegen indirekt über die 14C-Datierung mehrerer Baumstämme aus der mutmaßlich selben Schicht.[7]

 

Wollnashorn und Auerochse haben bis ins Holozän fortbestanden

Aus demselben Stratum seien Li et al. zufolge auch das Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) und der Auerochse (Bos primigenius) bezeugt, deren Fortbestehen bis in das Holozän ebenfalls angenommen wird.[8] Das einzige Spezimen von C. antiquitatis (ebenfalls ein Zahn – IVPP RV 80004) wurde von Turvey et al. ebenfalls einer Neubetrachtung unterzogen: Auch wenn (wahrscheinlich wegen der weitgehenden Fossilisierung) keine radiometrische Datierung vorgenommen wurde, so zeigte dieser doch eine „primitive Morphologie“ verglichen mit anderen spätpleistozänen Funden, die eine späte Zeitstellung höchst unwahrscheinlich erscheinen lässt. Ein Kiefer des Auerochsen von derselben Fundstelle (IVPP RV 80007) wurde zur Datierung eingeschick. Diese erbrachte jedoch wegen des Fehlens von Kollagen kein Resultat.[9] Dass die bronzezeitlichen Baumstämme also tatsächlich ein repräsentatives Alter für die gesamte Schicht angeben, dürfte vor dem Hintergrund einer klassisch pleistozänen Fauna mit zumindest in einem Fall sicherer pleistozäner Datierung nicht mehr zu halten sein.

 

Den zweiten Elefantenzahn bewerten Turvey et al. nicht – weder hinsichtlich der Artzugehörigkeit noch der Datierung. Wenn dieser jedoch, wie Li et al. suggerieren, aus demselben Fundkontext stammt wie der zuvor erwähnte[10], so müsste auch für ihn eher eine pleistozäne Datierung gelten. Unabhängig von der Zuordnung zu Elephas oder Paleoloxodon schiede somit auch dieser als Beweismittel aus.

 

Bronzefigur eines Elefanten, kein Palaeoloxodon
Bronzefigur eines Elefanten aus der späten Shang-Dynastie (14.–11. Jh. v.u.Z.), Hunan Provincial Museum, Shangsha. Dieses Exemplar besitzt nur einen Rüsselfinger (also ein Asiatischer Elefant, Elephas maximus), stammt aber auch aus Südchina. (Wikimedia Commons; vgl. Li et al., Fig. 4)

 

Künstlerisch ja – biologisch nein?

Ohne die Bestätigung durch körperliche Überreste ist auch das kunsthistorische Argument von geringerer Aussagekraft. Bei den Bronzen handelt es sich zweifellos um stark stilisierte Formen. Bei ihnen kann eine naturalistische Darstellung von Elefanten nicht unbedingt vorausgesetzt werden. So zeigt auch eine bronzene Elefantenfigur aus Südchina derselben Zeit (Bild oben), von Li et al. als Beispiel für einen Asiatischen Elefanten mit nur einem Finger genannt, zusätzlich zu diesem auch zwei stilisierte „Auswüchse“ an beiden Seiten des Rüsselendes. Bei den zwei „Fingern“ der nordchinesischen Kunstwerke könnte es sich womöglich um ebensolche Ornamente handeln. Sie waren vom Künstler nicht als realistische Wiedergabe der Rüsselfinger gedacht.

Dies ist zweifellos eine unbefriedigende Erklärung, doch gemäß des Sparsamkeitsprinzips von Ockhams Rasiermesser wäre sie der Annahme einer bronzezeitlichen Palaeoloxodon-Population wohl vorzuziehen, solange keine weiteren aussagekräftigen Skelettfunde vorliegen.

 

Sind Afrikanische Elefanten nach China gelangt?

Könnte es dagegen sein, dass bereits zur Zeit der Shang-Dynastie Afrikanische Elefanten bis nach China gelangten und die dortige Kunst beeinflussten? Ausschließen lässt sich dies grundsätzlich nicht, doch kann dieses Szenario ebenso wenig als wahrscheinlich gelten. Wer immer in der Bronzezeit in großem Stil Elefanten importierte, hätte naheliegenderweise eher auf die Asiatischen Elefanten Südchinas und Indiens oder die heute ausgestorbenen Syrischen Elefanten (E. maximus asurus) zurückgegriffen, welche im Nahen Osten verbreitet waren und ebenfalls zur einfingrigen Gattung Elephas zählten. Ein Handel mit Afrikanischen Elefanten über den Nahen Osten lässt sich aktuell dagegen nicht belegen. Selbst auf dem Schwarzen Obelisken des assyrischen Königs Salmanassars III. (reg. 858–824 v.u.Z.), dessen Relief Tributleistungen aus Ägypten in Form exotischer Tiere zeigt, ist offenbar ein Asiatischer Elefant (mit kleinen Ohren und aufrechter Stirn) abgebildet.[11]

Szene vom schwarzen Obelisken
Detail des schwarzen Obelisken: Ein asiatischer Elefant wird als Tribut übergeben. Abb. Aus Otto Keller: Die antike Tierwelt, Band 1; 1927

 

In der Einleitung erwähnen Li et al. die Funde von einem Unterkiefer sowie drei vollständigen Elefantenskeletten, die 1931, 1935 und 1978 in Yin, der Hauptstadt der bronzezeitlichen Shang-Dynastie, gefunden wurden. Bezeichnenderweise jedoch wurde im Folgenden keiner dieser Funde zur zoologischen Neubewertung herangezogen, sondern sich in der Argumentation auf die beiden Zähne aus Yangyuan beschränkt. Angesichts der expliziten These, all diese Elefanten Nordchinas hätten der Gatttung Paleoloxodon angehört[12], ist es auffällig, dass trotz der Existenz von (mindestens) drei vollständigen Skeletten mit verlässlichem archäologischem Kontext nur zwei einzelne Zähne untersucht wurden.

 

Nur schlechte wissenschaftliche Arbeit?

Für eine wissenschaftliche Studie ungewöhnlich ist zudem, dass die 33 untersuchten elefantenförmigen Bronzen bis auf die vier abgebildeten nicht individuell genannt und bibliographisch nachgewiesen werden; eine Überprüfung ist somit nur durch eigene Recherchen möglich. Schließlich bemerkt die zweite These der „Conclusion“ am Ende des Aufsatzes, die nordchinesische Palaeoloxodon-Population müsse die letzte auf der Welt gewesen sein[13] – nicht berücksichtigt wird hierbei, dass die Zwergform Palaeoloxodon tiliensis auf der griechischen Insel Tilos ebenfalls erst um 2.000–1.500 v.u.Z. ausstarb.[14]

Trotz der generellen Erscheinung einer akademischen Publikation lassen sich somit doch klare methodische Mängel der wissenschaftlichen Arbeit feststellen.

 

Marco Polo auf Reisen
Marco Polo kommt in einer Stadt am Rande der Lop Mor-Wüste an. Originalbild aus der Erstveröffentlichung 1271. Der Elefant im Boot ist nicht eindeutig zu identifizieren!

 

Fazit

Es ist eine faszinierende Vorstellung, im Norden Chinas hätte mit Palaeoloxodon und Wollnashorn ein Rest der pleistozänen Megafauna bis in historische Zeiten überlebt. Doch obwohl als wissenschaftliche Studie publiziert, hält die Theorie von Li et al. einer genaueren Überprüfung nicht stand: Die als Relikte des Palaeoloxodon angesprochenen Zähne stellten sich als Überreste des Asiatischen Elefanten heraus, die zudem in das ferne Pleistozän vor über 50.000 Jahren datieren. Als Indizien für die Anwesenheit einer anderen Elefantenart als dieser im China der Shang- und Zhou-Dynastie verbleiben allein die stark stilisierten Darstellungen zweifingriger Elefanten auf antiken Bronzegefäßen, deren zoologische Genauigkeit höchst zweifelhaft ist.

 


Literatur

Black, R. 2012: Bronze Art Sparks Debate Over the Extinction of the Straight-Tusked Elephant. National Geographic, 27.12.2012.

Hilzheimer, M. 1938: Elefant. RlA 2, 354.

Li, J. et al. 2012: The latest straight-tusked elephants (Palaeoloxodon)? “Wild elephants” lived 3000 years ago in North China. Quaternary International 281 (2012), 84–88.

Meller, H. (Hg.) 2010: Elefantenreich. Eine Fossilwelt in Europa. Begleitband zur Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale), 26.03.–03.10.2010.

Meyer, M. et al. 2017: Palaeogenomes of Eurasian straight-tusked elephants challenge the current view of elephant evolution. eLife Sciences 6, 2017, e25413.

Theodorou, G. E. / Symeonides, N. / Stathopoulou, E. 2007: Elephas tiliensis n. sp. from Tilos island (Dodecanese, Greece). Hellenic Journal of Geosciences 42, 19–32.

Turvey, S. T. et al. 2013: Holocene survival of Late Pleistocene megafauna in China. A critical review of the evidence. Quaterny Science Reviews 76, 156–166.

Quellverweise im Text

[1] Li et al. 2012, 84 f.

[2] Li et al. 2012, 85.

[3] Vgl. Meyer et al. 2017.

[4] Black 2012.

[5] Turvey et al. 2013, 160.

[6] Turvey et al. 2013, 160 f.

[7] Li et al. 2012, 84.

[8] Li et al. 2012, 86 f.

[9] Turvey et al. 2012, 161.

[10] Li et al. 2012, 84: „Two teeth were exhumed from the Holocene stratum at Dingjiabu Reservoir in Yangyuan.“

[11] Hilzheimer 1938, 354.

[12] Li et al. 2012, 84: „This paper presents evidence which suggest that these elephants in North China belong to the genus Palaeoloxodon, not Elephas.“

[13] Li et al. 87: „These elephants should be the world’s latest Palaeoloxodon. The latest record in Europe (Palaeoloxodon antiquus) was about 34,000 BP (Stuart, 2005; Mol et al., 2007). On the timing of the extinction of P. naumanni on the Japanese Islands, the reliable extinction age of P. naumanni is 23,600 þ _130BP (Iwase et al., 2012). The previous supposed „latest record“ in China (P. naumanni) was about 10,000 BP (Zhou and Zhang, 1974; Zhang and Zong, 1983).“

[14] Theodorou/Symeonides/Stathopoulou 2007, 25. Die Autoren bezeichnen die Art als Elephas tiliensis, doch werden hier alle Arten von Palaeoloxodon der Gattung Elephas zugeordnet.

Von Leif Inselmann

Leif Inselmann ist geborener Kieler. Bereits seit frühester Kindheit sind prähistorische Lebewesen eines seiner größten Interessen, später kam neben Geschichte und Mythologie auch die Kryptozoologie hinzu. Seit 2016 studiert er Altorientalistik und andere Altertumswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen. Neben dem Studium und dem Schreiben fiktiver Geschichten setzt er sich auf seinem Blog kritisch mit grenzwissenschaftlichen Themen vor allem aus dem Bereich Archäologie und Geschichte auseinander.