Fast genau heute vor einem Jahr, am 08.07.2022 veröffentlichte Tobias Möser seine Analyse zu einem angeblichen Bigfoot-Schädel, der in British Columbia, Kanada gefunden worden war. Grundlage der Analyse war ein Facebook-Post des US-amerikanischen Webvideoproduzenten bzw. -akteurs Nathaniel „Coyote“ Peterson. Dieser hatte nur wenige Stunden zuvor sechs Fotografien des angeblichen Schädels gemeinsam mit einem wirr klingenden Kommentar hochgeladen.
Um vorweg alle Unklarheiten zu beseitigen: Tobias hatte völlig recht mit seiner Einschätzung. Der Bigfoot-Schädel ist eindeutig ein Filmrequisit aus Kunststoff. Dies ist völlig sicher, denn Peterson selbst bestätigte die Fälschung nur wenige Tage später.
Diese Meldung muss irgendwie untergegangen sein. Das NfK hat bis heute noch nicht darüber berichtet, obwohl die Ereignisse bereits ein Jahr alt sind.
Anmerkung der Redaktion: „Touché! Wir haben es in dem Trubel um den vermeintlichen Fund schlicht vergessen. Danke für den Hinweis.“ |
Diese Bestätigung alleine würde aber einen sehr kurzen und wenig informativen Artikel abgeben. Tatsächlich gibt es noch Einiges zu sagen – wenn auch nicht zur Authentizität des Schädels. Zum einen soll an dieser Stelle die Chronologie der Ereignisse nachgezeichnet werden, zum anderen auch das Verhalten der Beteiligten kommentiert werden. Dieses ist allgemein eher unrühmlich.
Drei Quellen – zwei gegensätzliche Aussagen
Peterson und sein Team meldeten sich zwischen dem 07.07.2022 und dem 16.07.2022 insgesamt drei Mal zum angeblichen Bigfoot-Schädel zu Wort. Allerdings unterscheiden sich diese drei Wortmeldungen stark in Ton und Inhalt.
07.07.2022: Nachricht vom (vermeintlichen) Verschwörungstheoretiker
Die erste Wortmeldung besteht in Petersons Facebook-Post. Hier kündigte er erstmals den angeblichen Fund des Bigfoot-Schädels an. Die sechs Fotos mögen dabei die Hauptattraktion gewesen sein, doch Petersons Kommentar zu diesen Bildern irritierte.
Peterson soll einigen Quellen zufolge vor allem als Naturfilmer bekannt sein. Der Verfasser würde eine andere Beschreibung wählen, doch dafür ist an späterer Stelle noch Gelegenheit genug. Jedenfalls befassen sich weder sein YouTube-Kanal „Brave Wilderness“ noch seine Facebook-Seite regelmäßig mit Verschwörungstheorien.
In genau diese Kerbe schlug Peterson aber nach einer kurzen Beschreibung seines „Fundes“. Anders lassen sich die Nachfolgenden Aussagen nicht beschreiben:
„Ich bin mir sicher, dass diese Bilder von der Website genommen werden… dasselbe gilt vermutlich für das Video, von Mitarbeitern der Regierung oder des Nationalparks… aber der Schädel ist in Sicherheit.“
(Peterson 2022; Übers. d. Verf.)
Es ist eigentlich unnötig zu erwähnen, dass der Post noch immer problemlos abrufbar ist.
09.07.2022: Mockumentary mit Ankündigung
Zwei Tage später wurde dann das Video veröffentlich, das den angeblichen Fund des Schädels zeigen sollte.
Zu den ersten 10 Minuten des Videos gibt es nicht viel zu sagen. Es ist wie eine typische Pop-Doku zum Bigfoot aufgebaut. Peterson und seine Crew stapfen durch den Wald; bis auf den mitreisenden Biologen glauben alle an die Existenz des Bigfoot. Die bekanntesten Spekulationen zu Bigfoots Verhalten (Schreie, Wood-Knocks & abgebrochene Vegetation) werden erläutert. Auch die Hypothese, dass Bigfoot ein interdimensionales Alien sei, wird angesprochen.
So weit, so geistlos. Zwangsweise folgt kurz darauf der Fund des Bigfoot-Schädels. Zuvor kommentiert Peterson aber mitten im Video, dass der nachfolgende Teil nicht dokumentarisch ist:
„Achtet gut darauf, was ich euch jetzt sagen werde, denn ich werde es nur einmal sagen: Von jetzt an werden wir ein Was-wäre-wenn-Szenario durchspielen.“
(Brave Wilderness 2022a, Übers. d. Verf.)
In diesem Moment gibt Peterson also bereits zu, dass sein vermeintlich spektakulärer Fund einer Art Mockumentary gleichkommt. Anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären, denn als einzigen Grund für dieses Gedankenexperiment gibt er Neugierde an.
In den nachfolgenden Szenen wird der Schädel gefunden. Peterson will ihn mit in die USA nehmen oder zumindest vermessen. Der mitreisende Biologe verbietet es ihm aber mit juristischen wie auch wissenschaftlichen Argumenten. Während der Rest des Teams bereits zur gemeinsamen Unterkunft aufbricht, bleibt Peterson unter einem Vorwand zurück. Er steckt den Schädel in seinen Rucksack.
Später im Video gibt er dies gegenüber seinen Kollegen zu. Dies führt zu Spannungen, doch Peterson kann sich durchsetzen. Jedenfalls implizieren dies sein Facebook-Post einige Tage zuvor ebenso, wie auch die Anfangsszene des Films. Sie zeigt eine verwackelte Aufnahme, in der Peterson (angeblich) dem Zoll gegenüber verneint, irgendwelche unerlaubten Gegenstände mit sich zu führen.
16.07.2022: Die pädagogisch wertlose Auflösung
Genau eine Woche später wurde ein zweites und letztes Video zum Bigfoot-Schädel auf dem YouTube-Kanal „Brave Wilderness“ veröffentlicht. Es enthält knapp über eine (!) Minute neues Material.
Zuvor werden noch einmal die gespielten Szenen aus dem letzten Video gezeigt. Damit ist derjenige Abschnitt nach Petersons Ankündigung zum nun folgenden Was-wäre-wenn-Szenario gemeint. Daher wird an dieser Stelle auf eine erneute Zusammenfassung verzichtet.
In der neuen Szene sind Peterson und der Biologe des Teams zu sehen. Peterson fragt ihn grinsend, ob der Schädel echt sei. Der Biologe verneint dies ebenfalls lachend.
Anschließend versuchen die beiden, eine Art Lehre zu formulieren: Man solle nicht identifizierbare Knochen oder Artefakte niemals an sich nehmen, sondern sie an Ort und Stelle belassen. Stattdessen solle man die zuständigen Behörden kontaktieren. Im Wesentlichen wird so zum dritten Mal der Rat wiederholt, den der Biologe Peterson bereits im ersten Video gab.
Das Medienecho – (un)saubere Recherchen
Nicht nur auf der Website des Netzwerks für Kryptozoologie wurde Petersons vermeintlicher Fund aufgegriffen. Weitere Websites mit dem Thema Parawissenschaften und sogar vereinzelt die Mainstreampresse berichteten darüber.
Manche Recherchen waren sehr gut. Von wieder anderen kann man das nicht behaupten.
Die nachfolgende Liste ist nicht ansatzweise vollständig. Das muss sie auch gar nicht sein. Vielmehr soll sie Beispiele aufzeigen, wie zu Petersons Bigfoot-Hoax berichtet wurde.
08.07.2022: LiveScience
Viel Kritik an Petersons Fälschung wurde noch vor der Veröffentlichung des eigentlichen Videos auf der englischsprachigen Website LiveScience laut. Im vorliegenden Artikel werden Kommentare von verschiedenen Wissenschaftlern zusammengefasst. Diese werden im Artikel namentlich genannt, worauf für die Zusammenfassung aber verzichtet werden soll.
Auch nach deren Einschätzung ist hier kein Bigfoot-Schädel zu sehen. Der Abguss eines Gorilla-Schädels stammt dem Kommentator zufolge zwar von der chinesischen Versandplattform AliExpress und nicht von „Bone Clones“. Im Prinzip laufen die Einschätzungen auf LiveScience und dem NfK aber auf dasselbe Ergebnis hinaus: Peterson Fälschung wird aufgedeckt, noch ehe er in seinem Video selbst Stellung dazu nimmt.
Trotzdem der (Gorilla-)Schädel aus Kunststoff ist, ergeht man sich in Schilderungen hypothetischer rechtlicher Konsequenzen. Angenommen, dass der Schädel ein tatsächlicher Überrest eines Bigfoot oder auch einer anderen Tierart gewesen wäre: Peterson hätte sowohl gegen kanadisches, als auch US-amerikanisches und internationales Recht verstoßen. Diese Ausführungen nehmen gegenüber der Identifizierung des Schädels deutlich mehr Raum im Artikel ein.
(Bitte mal drüber nachdenken: Wann ist „echt“ echt? Ist ein biogener Gorillaschädel echt? Oder doch nur ein falscher Bigfoot-Schädel? Ist eine Plastik-Nachbildung eines Bigfoot-Schädels nicht „echter“, als ein biogener Gorilla-Schädel?)
Zuletzt wird noch der verschwörungstheoretische Anstrich von Petersons erstem Post kritisiert.
09.07.2022: Mysterious Universe
Relativ frühzeitig berichtete auch Paul Seaburn von „Mysterious Universe“ von Petersons vermeintlichem Fund. Die Website beschäftigt sich ausschließlich mit Meldungen aus den Parawissenschaften (von teils fragwürdiger Qualität) und dementsprechend aufgeschlossener (oder eher: unkritischer) ist der Tonfall des Artikels.
Dazu sei angemerkt, dass Seaburn das am selben Tag veröffentlichte Video offensichtlich noch nicht gesehen hatte. Jedenfalls nimmt er keinen Bezug darauf. So fehlt ihm auch Petersons Geständnis, das selbst den größten Bigfoot-Gläubigen überzeugen müsste.
Überraschender Weise schlägt sich Seaburn nicht völlig auf Petersons Seite. Zwar hält er sich die Möglichkeit offen, dass der Schädel authentisch ist, geht zugleich aber auch auf die bekannte Kritik ein. So wird ausdrücklich berichtet, dass der Schädel verschiedenen Quellen zusammen wohl eher einem Gorilla zuzuordnen ist.
Zuvor hatte er kurz Petersons Post beschrieben.
Die Kritik an Petersons verschwörungstheoretischem Post bleibt dezent. Im Gegenteil hält Seaburn ihn sonst eher für glaubwürdig. Schließlich ist Peterson kein Bigfoot-Forscher, sondern eine Person des öffentlichen Lebens mit besonderem Fokus auf die Tierwelt. So viel zu Seaburns Einschätzung…
11.07.2022: Santa Monica Observer
Dem Fass schlägt schließlich der kalifornische „Santa Monica Observer“ den Boden aus. Veröffentlicht wurde der Artikel am 11.07.2022, also zwei Tage, nachdem Peterson den Hoax zugegeben hatte.
Das Boulevardblatt nimmt im Artikel selbst keinerlei Bezug auf das zuvor veröffentlichte Video. Stattdessen werden wiederum ältere „Fakten“ wiederholt. Peterson fühlt sich von den Behörden bedroht und muss daher unbedingt vorab Fotos veröffentlichen. Die Fachwelt ist dagegen der Ansicht, dass er seinen Fund mit der Replik eines Gorilla-Schädels gefälscht hat.
Auch wenn sich das Blatt auf keine der beiden Seiten schlägt, wäre der Artikel schon schlecht recherchiert. Schließlich finden die neuesten Entwicklungen keinerlei Eingang darin. Na gut, vielleicht wurde er einfach sehr früh geschrieben und erst Tage später veröffentlicht.
Von wegen! Mal ganz abgesehen davon, dass auch das wenig schmeichelhaft wäre: Das fragliche Video ist in den Artikel eingebettet! Trotzdem verliert der Journalist David Genezer kein Wort zum Inhalt.
Im Übrigen scheint der Santa Monica Observer keine Satireseite, sondern einfach nur ein Boulevardblatt zu sein. Jedenfalls finden sich keine gegenteiligen Einschätzungen.
12.07.2022: Unexplained.ie
Sehr viel seriöser kam da schon die Parawissenschafts-Website „Unexplained.ie“ einen Tag später daher. Die Website wird ihrem Namen zum Glück nicht gerecht und überlässt es somit nicht dem Leser, Peterson zu glauben, oder eben nicht.
Auch hier ist das Video eingebettet, doch schon die Überschrift enthüllt den Hoax. Der Artikel ist kurz, aber er erfüllt seinen Zweck vollständig. Die Situation wird kurz beschrieben. Auch, dass Peterson den Hoax zugegeben hat, ist dort zu lesen.
Damit hat irgendeine No-Name-Seite bessere Recherchen betrieben, als eine seit über 20 Jahren bestehende Zeitung…
21.07.2022: The Mirror
Nur sehr knapp überbietet die britische Boulevardzeitung „The Mirror“ ihre amerikanische Kollegin „Santa Monica Observer“. Der Artikel wurde zwölf Tage, nachdem Peterson selbst über die Fälschung informiert hatte, veröffentlicht. Dass die Redaktion diese Zeit für ausführliche Recherchen nutzte, kann man aber nicht sagen.
Zunächst wird darin der Inhalt des ersten Videos zum Bigfoot-Schädel wiedergegeben. Jedweder Hinweis auf die Fälschung fehlt hier noch.
Stattdessen springt der Artikel zu Petersons früheren Facebook-Post. Nachdem sein Verschwörungs-Gerede wiedergegeben wurde, nimmt der Artikel nun plötzlich wieder Bezug zum Youtube-Video. Es wird berichtet, dass Peterson den Schädel durch den Zoll schmuggelte. Auch hier fehlt noch der Verweis darauf, dass hier ein Was-wäre-wenn-Szenario durchgespielt wird.
Stattdessen werden nun scheinbar wahllos Kommentare unter dem Video bzw. Post auf Facebook aufgelistet. Diese sind überwiegend negativ, doch nur einer der Kommentare ist wirklich relevant: Er enthüllt schließlich, dass der Bigfoot-Schädel ein Hoax ist. Dies ist zugleich der einzige Verweis darauf im gesamten Artikel.
Versuch einer Bewertung
Neben Petersons Team kann man noch weitere „Beteiligte“ ausmachen, die auf die Situation Einfluss nahmen: Wissenschaftler, Kryptozoologen, die „Mainstream-Presse“ sowie die Konsumenten ihrer jeweiligen Beiträge.
Die meisten haben sich nicht eben mit Ruhm bekleckert.
Kryptozoologie schneidet mit am besten ab
Erstaunlicherweise scheinen die größten Falschmeldungen nicht von Kryptozoologie- oder Parawissenschafts-Websites ausgegangen zu sein. Zwar waren etwa die Recherchen von „Mysterious Universe“ nicht so kritisch, wie sie hätten sein können. Allerdings vermieden es beide Websites, völlig unkritisch Petersons Verschwörungstheorien zu übernehmen.
Die Autoren gingen allgemein auf all diejenigen Informationen ein, die zum jeweiligen Zeitpunkt bekannt waren. Ansonsten verhielten sie sich relativ neutral.
Eigene Einschätzungen fehlten mit einer Ausnahme: Im Artikel des NfKs wurden Petersons Behauptungen im Detail falsifiziert. Es blieb nicht bei bloßen Zweifeln an seiner Version der Geschichte.
Die etablierte Fachwelt ist bieder, liegt aber völlig richtig.
Die nicht-kryptozoologische Fachwelt war ähnlich bemüht, den Hoax zu entlarven. Dass dieses mühelos gelang, ist wenig überraschend. Wer sonst verfügt über so viel Fachwissen, das bei der Identifizierung eines Schädels dienlich sein kann?
Dass sich überhaupt Wissenschaftler ohne Bezug zur Kryptozoologie Zeit genommen haben, ist äußerst lobenswert. Vielfach vermeiden diese es sonst, sich mit derartigen Themen zu beschäftigen. Zu groß ist die Angst, von Kollegen nicht mehr ernst genommen zu werden. Dass der Schädel eindeutig identifizierbar war und Peterson eine gewisse Reichweite hat, mag sie motiviert haben.
Jedenfalls ist es immer schön, wenn sich auch gelegentlich Menschen mit der Kryptozoologie beschäftigen, denen man keine Agenda unterstellen kann. Dies dürfte zum Ansehen der seriös-skeptischen Sparte in dieser Parawissenschaft beitragen.
Irritierend ist einzig die unglaubliche Biederkeit mancher Wissenschaftler: Gegen welche Gesetze Peterson vielleicht hätte verstoßen haben können, wenn der Schädel denn echt gewesen wäre, wurde viel zu ausführlich diskutiert. In der Realität hätte man Peterson seinen Diebstahl ohne wirklichen Geschädigten ausnahmsweise verzeihen können. Freilich ist es nicht der ideale (und erst recht nicht legale) Weg, doch der Nachweis eines überlebenden nicht-menschlichen Hominiden wäre eine Weltsensation gewesen. Nur die Gerichte wäre das Übrige etwas angegangen.
Wirklich schwer wiegt dieser Kritikpunkt freilich nicht. So nervtötend Überkorrektheit auch sein mag – hier wurde Bedeutendes geleistet: Der Schädel wurde durch unabhängige, fachlich geschulte Beobachter für nicht authentisch erklärt.
Das verdient eindeutig Lob!
Die Klatschpresse macht alles nur noch schlimmer
Nicht einmal im Ansatz Lob verdient hat dagegen die Boulevardpresse. Unter den vorderen Ergebnissen der Google-Suche waren genau zwei englischsprachige Zeitungen. Beide haben Artikel von grauenerregender Qualität geliefert.
Der „Mirror“ war etwas weniger schlecht, dabei aber immer noch minderwertig. Immerhin wurde hier im Ansatz aufgeklärt, dass nicht tatsächlich ein Bigfoot-Schädel gefunden wurde. Das große Problem liegt in der Form: Der einzige Hinweis darauf besteht aus dem Zitat eines YouTube-Kommentars.
Zum einen ist dieser Kommentar mitten im Text schlecht platziert. Zwischen den übrigen, oft wenig gehaltvollen Kommentaren wird er leicht überlesen. Zum anderen geben Kommentare auch nur subjektive Meinungen wieder. Für einen Leser des „Mirror“ ist nicht offensichtlich, ob dieses unkommentierte Zitat die Wahrheit wiedergibt.
Somit hat sich der „Mirror“ ähnlich dubios verhalten, wie Peterson selbst.
Noch schlimmer war nur der „Santa Monica Observer“. Hier verwischt die Grenze zwischen extrem schludriger Recherche und bewusster Falschmeldung. Beides ist eines Blattes, das seine Leser angeblich informieren will, unwürdig.
Petersons Erfolg bleibt ungebrochen …
Weder „Mirror“ noch „Santa Monica Observer“ werden die schlecht recherchierten Artikel schaden. Besonders fundierte Berichterstattung ist die jeweilige Leserschaft wohl ohnehin nicht gewohnt. Ähnliches kann man über Petersons Zuschauer sagen.
Natürlich haben einige von ihnen Petersons Verhalten kritisiert. Eine gewisse Anzahl dieser Kritiker wird auch keine oder weniger Videos von Brave Wilderness (mehr) konsumieren. Im Großen und Ganzen scheint der kleine Skandal Peterson aber nicht geschadet zu haben.
Die Zuschauerzahlen einzelner Videos sind auf Youtube für jedermann öffentlich einsehbar. Brave Wilderness ist ein äußerst erfolgreicher Kanal, dessen Beiträge nach wie vor millionenfach konsumiert werden. Natürlich gibt es auch Rohrkrepierer, die „nur“ einige hunderttausende Views generieren. Mit extrem wenigen Ausnahmen würden sich andere Webvideoproduzenten selbst danach noch die Finger lecken.
Diese sehr unterschiedlichen Zuschauerzahlen enthüllen zugleich auch Petersons Erfolgsgeheimnis: Er ist nicht (wie mancherorts behauptet) primär Naturfilmer. Videos im eher dokumentarischen Stil zählen generell zu den weniger erfolgreichen. Und das braucht nicht zu verwundern: Eigentlich ist Peterson eine Art extremes Ein-Mann-Duschungelcamp.
Seine wirklich erfolgreichen Videos folgen einer einfachen Formel: Peterson lässt sich von Tieren beißen oder stechen und das Publikum darf dabei zusehen. Die Folgen dürften vielfach schmerzhaft, aber grundsätzlich nicht lebensgefährlich für Peterson sein. Das Publikum wiederum befriedigt seine Neugierde, spürt ein wenig Adrenalin ohne Risiko (sowie eigenen Schmerz) und empfindet bestenfalls noch Schadenfreude. Zu Bedauern ist Peterson schließlich nicht.
… und der Hoax passt trotzdem nicht ganz ins Konzept
Peterson liefert also wenig seriöse, aber gerade dadurch erfolgreiche Unterhaltung. Vielleicht ist er geschmacklos, aber dabei letztlich harmlos.
Nun stellt sich ernsthaft die Frage, warum es irgendein Mitglied seines Teams für passend hielt, einen Bigfoot-Hoax zu schaffen…
Natürlich: „Brave Wilderness“ arbeitet massiv mit Clickbait. So kann etwa das Vorschaubild ein Chamäleon zeigen und im Titel wird gefragt, ob es ein Baby-Dino sein könnte. Für sich genommen würde das erste der beiden Video zum Bigfoot-Schädel also ganz gut ins Konzept passen. Hier wird im Titel impliziert, was nicht der Fall ist. Im Video folgt die Aufklärung.
Wirklich dubios ist Petersons Facebook-Post. Sein verschwörungstheoretischer Post weicht extrem stark vom Konzept ab. Rein inhaltlich weist absolut nichts darauf hin, dass hier ein Was-wäre-wenn-Szenario durchgespielt wird. Der Post war mehr als nur Clickbait und Peterson ist nicht als exzentrischer Komiker bekannt. Folglich sollte das Publikum wohl glauben, was er schrieb.
Vielleicht ist Peterson und Konsorten später bewusst geworden, dass sie für ihre Verhältnisse zu weit gegangen sind. Das könnte das zweite Video mit seinem pseudo-pädagogischen Ende erklären. Nur ist dieses zu kurz und es wirkt auch zu improvisiert, um glaubwürdig zu sein.
Die wichtigste Rolle hat der Zuschauer
Hier liegt auch das große Problem: Aller Wahrscheinlichkeit nach schaut kein einziger Zuschauer Petersons Videos an, um sich intellektuell herausfordern zu lassen. Petersons Team weiß das – daher vermutlich auch die klare Ansage im letzten Video.
Paul Seaburn hat die Situation (damals unabsichtlich) sehr gut dargestellt: Der durchschnittliche Zuschauer vertraut Peterson, weil er noch nie als Verschwörungstheoretiker in Erscheinung getreten ist. So wird Vieles von dem, was er sagt, unkritisch aufgenommen.
Dieses Vertrauen ist ein Problem. Freilich ist die Frage nach der Existenz des Bigfoot für das tägliche Leben völlig irrelevant. Bloß sind diejenigen Medien, die die relevanten Informationen verbreiten sollen, nicht immer sorgfältiger.
Man erinnere sich die Artikel in den beiden Zeitungen, die bestenfalls schludrig und schlimmstenfalls gezielte Irreführung waren. Die unumstößliche Wahrheit – der gestandene Hoax – wurde den Journalisten auf dem Silbertablett serviert. Trotzdem haben sie wenig bis gar nicht damit gearbeitet. Selbst wenn ihre Recherchen zu wichtigeren Fragestellungen etwas sorgfältiger sind – diese sind dafür auch deutlich komplexer.
Petersons größte Versäumnis
Ich persönlich – und ich spreche ausnahmsweise ausdrücklich in der Ersten Person – hätte Peterson seinen Hoax problemlos verzeihen können. Sein verschwörungstheoretischer Post mag empören und ich hätte ihn trotzdem sogar begrüßt!
Unter einer Bedingung:
Statt wie im Puppentheater irgendeine Allerwelts-Moral („Stehlen darf man nicht!“, „Lass dir von den Autoritäten helfen!“) zu predigen, hätte er seinen Hoax zu einem Lehrstück machen sollen:
Kritisches Denken ist unfassbar wichtig.
Kritisches Denken hat den Hoax enttarnt. Kritisches Denken hätte Peterson auch dann noch widerlegt, wenn er nicht selbst alles gestanden hätte. Kritisches Denken sorgt überhaupt erst dafür, dass Zuschauer oder Leser weitergehend recherchieren.
Der durchschnittliche „LiveScience“-Leser wird hoffentlich gewohnheitsmäßig kritisch denken, ebenso der durchschnittliche NfK-Leser. Petersons Zuschauern dürfte ein Anstoß dazu aber keineswegs schaden – zumal offensichtlich auch sehr junge Menschen darunter sind. Sicher werden das einige seiner Zuschauer auch nicht nötig haben. Schließlich müssen selbst die größten Intellektuellen einmal abschalten. Schaden würde es trotzdem niemandem.
Das hat Peterson versäumt.
In seinem zweiten Video grinste er in die Kamera, als hätte er dem Publikum seinen besten Streich seit Langem gespielt. Dabei wäre ein ernsthafter Vortrag angemessen gewesen, dass man auch bekannten Personen mit großer Reichweite nicht alles glauben sollte.
Peterson hätte einen wertvollen Beitrag leisten können und hätte trotzdem noch Geld und Aufmerksamkeit gewonnen. Das wollte er offensichtlich nicht – er hat diese gute Chance verpasst.
Quellenverzeichnis
Brave Wilderness (2022a): Bigfoot Skull Found in Canada?, [YouTube] https://www.youtube.com/watch?v=3oKISDukCks [abgerufen am 27.02.2023].
Brave Wilderness (2022b): Bigfoot Skull Revealed and WHAT NOT to Do!, [YouTube] https://www.youtube.com/watch?v=5DtptFYYmLk [abgerufen am 27.02.2023].
Ganezer, David (2022): Coyote Peterson Claims to have Found Bigfoot Skeleton in British Columbia, Canada, Santa Monica Observer, [online] https://www.smobserved.com/story/2022/07/11/news/coyote-peterson-claims-to-have-found-bigfoot-skeleton-in-british-columbia-canada/6888.html [abgerufen am 28.02.2023].
Lanese, Nicoletta (2022): Scientists dismiss Coyote Peterson’s „large primate skull“ discovery as fake, livescience.com, [online] https://www.livescience.com/coyote-peterson-primate-skull-fiasco [abgerufen am 28.02.2023].
Möser, Tobias (2022): Aktuell: Bigfoot-Schädel gefunden?, Netzwerk für Kryptozoologie, [online] https://netzwerk-kryptozoologie.de/aktuell-bigfoot-schaedel-gefunden/ [abgerufen am 27.02.2023].
Peacock, Alice (2022): Mystery as adventurer claims to have found the skull of legendary Bigfoot, mirror, [online] https://www.mirror.co.uk/news/weird-news/mystery-adventurer-claims-found-skull-27463920 [abgerufen am 28.02.2023].
Peterson, Nathaniel „Coyote“ (o. D.): Coyote Peterson, Facebook, [online] https://www.facebook.com/CoyotePeterson [abgerufen am 27.02.2023].
Seaburn, Paul (2022): TV Host Claims Photos are of a Giant Ape or Bigfoot Skull Found in British Columbia, [online] https://mysteriousuniverse.org/2022/07/TV-Host-Claims-Photos-are-of-a-Giant-Ape-or-Bigfoot-Skull-Found-in-British-Columbia/ [abgerufen am 27.02.2023].
Unexplained.ie (2022): Bigfoot Skull Found in ‚What if“: Hoax Scenario By Coyote Peterson, Unexplained.ie, [online] https://www.unexplained.ie/article/223-bigfoot-skull-coyote-peterson-what-if-hoax/ [abgerufen am 28.02.2023].