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Der Slide Rock Bolter

(Macrostoma saxiperrumptus)

 

Die Wälder in den Bergen von Colorado werden im Sommer von Touristen heimgesucht. Der Slide-Rock-Bolter hat hier viel Unbehagen verursacht. Dieses schreckliche Tier lebt nur im höchsten Bergland, wo die Hänge steiler als 45 Grad sind. Es hat einen riesigen Kopf mit kleinen Augen und einen Mund, der so groß wie der einer Grundel erscheint und über seine Ohren hinausläuft. Der Schwanz besteht aus einer geteilten Flosse mit riesigen Greifhaken, die er über dem Gipfel des Berges oder Bergrückens legt.

 

Slide Rock Bolter
Angriff eines Slite Rock Bolters

Ein Lauerjäger

Oft bleibt er tagelang regungslos dort und wartet, ob Touristen oder andere unglückliche Kreaturen in die Schlucht unter ihm eindringen. Nachdem er einen Touristen gesichtet hat, hebt er seinen Schwanz und lockert so seinen Halt auf dem Berg. Mit seinen kleinen Augen ist er auf die Unglücklichen fixiert und sabbert dünnes Gleitfett aus den Mundwinkeln. Aufgrund seiner Geschwindigkeit kommt der Bolter wie eine Rodel herunter und schöpft sein Opfer ein, während sein eigener Antrieb ihn den nächsten Hang hinaufträgt, wo er erneut mit dem Schwanz über den Kamm schlägt und wartet. Es wird berichtet, dass ganze Gruppen von Touristen auf einen Schlag geschluckt wurden, wenn ihre Ausflüge sie zu weit in die Berge geführt haben.

 

Erdrutsch
Ganz klar, hier hat ein Bolter zugeschlagen

Die Tiere sind nicht nur für Touristen, sondern auch für den Wald eine Bedrohung. Manch ein Zug mit Fichten bedeckter Hänge wurde umgelegt. Oft haben die von den Gipfeln herabstürzenden Bolter die Bäume von den Wurzeln getrennt oder wie mit einer Sense abgemäht.

 

… und wie man einen von ihnen erwischt

Ein Waldläufer, zu dessen Bezirk die raue Grafschaft zwischen Ophir Peaks und dem Lizzard Head gehört, hatte die kühne Idee, einen Slide-Rock-Bolter zu seiner eigenen Zerstörung zu verführen. Er hat einen Dummy-Touristen mit einer karierten Norfolk-Jacke, einer Kniehose und einem Reiseführer für Colorado ausgestattet. Der „Tourist“ wurde dann mit einer gewaltigen Menge Pulver und Zündhütchen gefüllt und an einer auffälligen Stelle angebracht. Schon am nächsten Tag zog er die Aufmerksamkeit eines Bolters auf sich, der seit Tagen am Hang des Lizzard Head hing. Die resultierende Explosion zerstörte die Hälfte der Gebäude in Rico, die nie wieder aufgebaut wurden. Die herumliegenden Reste des Bolters mästeten für den Rest des Sommers Schwärme von Bussarden.


Die

„Kreaturen der Holzfäller“

 

Holzfäller
US-Holzfäller um 1900: Burschen wie sie haben William Cox ihre Geschichten erzählt

stammen aus einer Zeit, in der die Wildnis Nordamerikas weitgehend unbekannt war. Nach den Waldläufern, Trappern und Goldsuchern kamen die Holzfäller in die Wälder. Es waren oft harte Kerle, die gerne auch ein gewisses Mythos um sich, ihre Arbeit und die gewaltigen Wälder des Kontinentes woben.

 

Die „Kreaturen der Holzfäller“ entstanden aus diesem selbst geschaffenen Mythos eines gefährlichen Jobs, Lagerfeuerromantik und der Eintönigkeit einer harten Arbeit. Forstinspektor William T. Cox, Henry H. Tyron und andere haben sie alle gesammelt und mit einem Augenzwinkern aufgezeichnet. Mittlerweile gibt es weit über 200 dieser Kreaturen, die einen wesentlichen Teil der „Lumberjack-Folklore“ darstellen. Wer weiß, welche Kryptide ihr entstanden sind …

Wir bringen jeden Freitag einer dieser Kreaturen kurzfristigen Internet-Ruhm.


Literatur:

Cox, William T.: Fearsome Creatures of the Lumberwoods; Press of Judd & Detweiler Inc.; Washington D.C.; 1910 mit Illustrationen von Coert Du Bois

Tyron, Henry H. (1939): Fearsome Critters, illustrated by Margret Ramsey Tyron, The Idlewild Press, Cornwall, NY

Von Suzan Reinert

Suzan Reinert studiert Frühpädagogik in Soest. Sie engagiert sich seit 2019 in der Kryptozoologie und interessiert sich vor allem für mythische und nicht greifbare Aspekte der Disziplin. Als Mitarbeiterin der Redaktion befasst sie sich hauptsächlich mit der Überführung von Texten aus dem Englischsprachigen und Hintergrundaufgaben.