„Coyote“ Petersons Bigfoot-Hoax – Ein Rückblick

Fast genau heute vor einem Jahr, am 08.07.2022 veröffentlichte NfK-Redakteur Tobias Möser seine Analyse zu einem angeblichen Bigfoot-Schädel, der in British Columbia, Kanada gefunden worden war. Grundlage der Analyse war ein Facebook-Post des US-amerikanischen Webvideoproduzenten bzw. -akteurs Nathaniel „Coyote“ Peterson. Dieser hatte nur wenige Stunden zuvor sechs Fotografien des angeblichen Schädels gemeinsam mit einem wirr klingenden Kommentar hochgeladen.

 

Coyote Peterson und sein Plastikschädel
Coyote Peterson präsentiert seinen „Fund“ dem Publikum (Foto von der Facebookseite Petersons)

 

Um vorweg alle Unklarheiten zu beseitigen: Tobias hatte völlig recht mit seiner Einschätzung. Der Bigfoot-Schädel ist eindeutig ein Filmrequisit aus Kunststoff. Dies ist völlig sicher, denn Peterson selbst bestätigte die Fälschung nur wenige Tage später.

 

Diese Meldung muss irgendwie untergegangen sein. Das NfK hat bis heute noch nicht darüber berichtet, obwohl die Ereignisse bereits ein Jahr alt sind.

 

Anmerkung der Redaktion: „Touché! Wir haben es in dem Trubel um den vermeintlichen Fund schlicht vergessen. Danke für den Hinweis.“

 

Diese Bestätigung alleine würde aber einen sehr kurzen und wenig informativen Artikel abgeben. Tatsächlich gibt es noch Einiges zu sagen – wenn auch nicht zur Authentizität des Schädels. Zum einen soll an dieser Stelle die Chronologie der Ereignisse nachgezeichnet werden, zum anderen auch das Verhalten der Beteiligten kommentiert werden. Dieses ist allgemein eher unrühmlich.

 

Der vermeintliche Bigfoot-Schädel in situ
Der mutmaßliche Bigfoot-Schädel in Situ

 

Drei Quellen – zwei gegensätzliche Aussagen

Peterson und sein Team meldeten sich zwischen dem 07.07.2022 und dem 16.07.2022 insgesamt drei Mal zum angeblichen Bigfoot-Schädel zu Wort. Allerdings unterscheiden sich diese drei Wortmeldungen stark in Ton und Inhalt.

 

07.07.2022: Nachricht vom (vermeintlichen) Verschwörungstheoretiker

Die erste Wortmeldung besteht in Petersons Facebook-Post. Hier kündigte er erstmals den angeblichen Fund des Bigfoot-Schädels an. Die sechs Fotos mögen dabei die Hauptattraktion gewesen sein, doch Petersons Kommentar zu diesen Bildern irritierte.

 

Siegel des FBI
Bisher hat niemand klären können, wieso das FBI Interesse an Bigfoot hat, bzw. das Wissen um seine Existenz unterdrücken sollte. Im Gegenteil, es hat die Bigfoot-Forschung mehrfach unterstützt.

 

Peterson soll einigen Quellen zufolge vor allem als Naturfilmer bekannt sein. Der Verfasser würde eine andere Beschreibung wählen, doch dafür ist an späterer Stelle noch Gelegenheit genug. Jedenfalls befassen sich weder sein YouTube-Kanal „Brave Wilderness“ noch seine Facebook-Seite regelmäßig mit Verschwörungstheorien.

 

In genau diese Kerbe schlug Peterson aber nach einer kurzen Beschreibung seines „Fundes“. Anders lassen sich die Nachfolgenden Aussagen nicht beschreiben:

 

 

„Ich bin mir sicher, dass diese Bilder von der Website genommen werden… dasselbe gilt vermutlich für das Video, von Mitarbeitern der Regierung oder des Nationalparks… aber der Schädel ist in Sicherheit.“

(Peterson 2022; Übers. d. Verf.)

 

 

 

Es ist eigentlich unnötig zu erwähnen, dass der Post noch immer problemlos abrufbar ist.

 

09.07.2022: Mockumentary mit Ankündigung

Zwei Tage später wurde dann das Video veröffentlich, das den angeblichen Fund des Schädels zeigen sollte.

 

Zu den ersten 10 Minuten des Videos gibt es nicht viel zu sagen. Es ist wie eine typische Pop-Doku zum Bigfoot aufgebaut. Peterson und seine Crew stapfen durch den Wald; bis auf den mitreisenden Biologen glauben alle an die Existenz des Bigfoot. Die bekanntesten Spekulationen zu Bigfoots Verhalten (Schreie, Wood-Knocks & abgebrochene Vegetation) werden erläutert. Auch die Hypothese, dass Bigfoot ein interdimensionales Alien sei, wird angesprochen.

So weit, so geistlos. Zwangsweise folgt kurz darauf der Fund des Bigfoot-Schädels. Zuvor kommentiert Peterson aber mitten im Video, dass der nachfolgende Teil nicht dokumentarisch ist:

 

 

„Achtet gut darauf, was ich euch jetzt sagen werde, denn ich werde es nur einmal sagen: Von jetzt an werden wir ein Was-wäre-wenn-Szenario durchspielen.“

(Brave Wilderness 2022a, Übers. d. Verf.)

 

 

In diesem Moment gibt Peterson also bereits zu, dass sein vermeintlich spektakulärer Fund einer Art Mockumentary gleichkommt. Anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären, denn als einzigen Grund für dieses Gedankenexperiment gibt er Neugierde an.

 

Blick über Redwood-Wälder mit tiefhängenden Wolken
Auch ohne ein „Was wäre wenn“-Szenario: Feuchte Umgebung, hohe Reliefenergie, Nadelbäume, die die Böden mit Huminsäuren anreichern: In den Wäldern der amerikanischen Westküste halten sich Knochen nicht gut.

 

In den nachfolgenden Szenen wird der Schädel gefunden. Peterson will ihn mit in die USA nehmen oder zumindest vermessen. Der mitreisende Biologe verbietet es ihm aber mit juristischen wie auch wissenschaftlichen Argumenten. Während der Rest des Teams bereits zur gemeinsamen Unterkunft aufbricht, bleibt Peterson unter einem Vorwand zurück. Er steckt den Schädel in seinen Rucksack.

 

Später im Video gibt er dies Gegenüber seinen Kollegen zu. Dies führt zu Spannungen, doch Peterson kann sich durchsetzen. Jedenfalls implizieren dies sein Facebook-Post einige Tage zuvor ebenso, wie auch die Anfangsszene des Films. Sie zeigt eine verwackelte Aufnahme, in der Peterson (angeblich) dem Zoll gegenüber verneint, irgendwelche unerlaubten Gegenstände mit sich zu führen.

 

16.07.2022: Die pädagogisch wertlose Auflösung

Genau eine Woche später wurde ein zweites und letztes Video zum Bigfoot-Schädel auf dem YouTube-Kanal „Brave Wilderness“ veröffentlicht. Es enthält knapp über eine (!) Minute neues Material.

 

Zuvor werden noch einmal die gespielten Szenen aus dem letzten Video gezeigt. Damit ist derjenige Abschnitt nach Petersons Ankündigung zum nun folgenden Was-wäre-wenn-Szenario gemeint. Daher wird an dieser Stelle auf eine erneute Zusammenfassung verzichtet.

 

In der neuen Szene sind Peterson und der Biologe des Teams zu sehen. Peterson fragt ihn grinsend, ob der Schädel echt sei. Der Biologe verneint dies ebenfalls lachend.

 

Bigfoot-BBQ
Der Begriff Bigfoot ist durch und durch kommerzialisiert, wie man auch hier sieht. Dies sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn man mit angeblichen Sichtungen oder Funden zu tun hat.

 

Anschließend versuchen die beiden, eine Art Lehre zu formulieren: Man solle nicht identifizierbare Knochen oder Artefakte niemals an sich nehmen, sondern sie an Ort und Stelle belassen. Stattdessen solle man die zuständigen Behörden kontaktieren. Im Wesentlichen wird so zum dritten Mal der Rat wiederholt, den der Biologe Peterson bereits im ersten Video gab.

 

 

Das Medienecho – (un)saubere Recherchen

Nicht nur auf der Website des Netzwerks für Kryptozoologie wurde Petersons vermeintlicher Fund aufgegriffen. Weitere Websites mit dem Thema Parawissenschaften und sogar vereinzelt die Mainstreampresse berichteten darüber.

 

Manche Recherchen waren sehr gut. Von wieder anderen kann man das nicht behaupten.

 

Die nachfolgende Liste ist nicht ansatzweise vollständig. Das muss sie auch gar nicht sein. Vielmehr soll sie Beispiele aufzeigen, wie zu Petersons Bigfoot-Hoax berichtet wurde.

 

08.07.2022: LiveScience

Viel Kritik an Petersons Fälschung wurde noch vor der Veröffentlichung des eigentlichen Videos auf der englischsprachigen Website LiveScience laut. Im vorliegenden Artikel werden Kommentare von verschiedenen Wissenschaftlern zusammengefasst. Diese werden im Artikel namentlich genannt, worauf für die Zusammenfassung aber verzichtet werden soll.

 

Auch nach deren Einschätzung ist hier kein Bigfoot-Schädel zu sehen. Der Abguss eines Gorilla-Schädels stammt dem Kommentator zufolge zwar von der chinesischen Versandplattform AliExpress und nicht von „Bone Clones“. Im Prinzip laufen die Einschätzungen auf LiveScience und dem NfK aber auf dasselbe Ergebnis hinaus: Peterson Fälschung wird aufgedeckt, noch ehe er in seinem Video selbst Stellung dazu nimmt.

 

Trotzdem der (Gorilla-)Schädel aus Kunststoff ist, ergeht man sich in Schilderungen hypothetischer rechtlicher Konsequenzen. Angenommen, dass der Schädel ein tatsächlicher Überrest eines Bigfoot oder auch einer anderen Tierart gewesen wäre: Peterson hätte sowohl gegen kanadisches, als auch US-amerikanisches und internationales Recht verstoßen. Diese Ausführungen nehmen gegenüber der Identifizierung des Schädels deutlich mehr Raum im Artikel ein.

 

(Bitte mal drüber nachdenken: Wann ist „echt“ echt? Ist ein biogener Gorillaschädel echt? Oder doch nur ein falscher Bigfoot-Schädel? Ist ein Plastikabguss eines Bigfoot-Schädels nicht „echter“, als ein biogener Gorilla-Schädel?)

Zuletzt wird noch der verschwörungstheoretische Anstrich von Petersons erstem Post kritisiert.

 

09.07.2022: Mysterious Universe

Relativ frühzeitig berichtete auch Paul Seaburn von „Mysterious Universe“ von Petersons vermeintlichem Fund. Die Website beschäftigt sich ausschließlich mit Meldungen aus den Parawissenschaften (von teils fragwürdiger Qualität) und dementsprechend aufgeschlossener (oder eher: unkritischer) ist der Tonfall des Artikels.

 

Dazu sei angemerkt, dass Seaburn das am selben Tag veröffentlichte Video offensichtlich noch nicht gesehen hatte. Jedenfalls nimmt er keinen Bezug darauf. So fehlt ihm auch Petersons Geständnis, das selbst den größten Bigfoot-Gläubigen überzeugen müsste.

 

Überraschender Weise schlägt sich Seaburn nicht völlig auf Petersons Seite. Zwar hält er sich die Möglichkeit offen, dass der Schädel authentisch ist, geht zugleich aber auch auf die bekannte Kritik ein. So wird ausdrücklich berichtet, dass der Schädel verschiedenen Quellen zusammen wohl eher einem Gorilla zuzuordnen ist.

 

Zuvor hatte er kurz Petersons Post beschrieben.

Die Kritik an Petersons verschwörungstheoretischem Post bleibt dezent. Im Gegenteil hält Seaburn ihn sonst eher für glaubwürdig. Schließlich ist Peterson kein Bigfoot-Forscher, sondern eine Person des öffentlichen Lebens mit besonderem Fokus auf die Tierwelt. So viel zu Seaburns Einschätzung…

 

11.07.2022: Santa Monica Observer

Dem Fass schlägt schließlich der kalifornische „Santa Monica Observer“ den Boden aus. Veröffentlicht wurde der Artikel am 11.07.2022, also zwei Tage, nachdem Peterson den Hoax zugegeben hatte.

 

Das Boulevardblatt nimmt im Artikel selbst keinerlei Bezug auf das zuvor veröffentlichte Video. Stattdessen werden wiederum ältere „Fakten“ wiederholt. Peterson fühlt sich von den Behörden bedroht und muss daher unbedingt vorab Fotos veröffentlichen. Die Fachwelt ist dagegen der Ansicht, dass er seinen Fund mit der Replik eines Gorilla-Schädels gefälscht hat.

 

Auch wenn sich das Blatt auf keine der beiden Seiten schlägt, wäre der Artikel schon schlecht recherchiert. Schließlich finden die neuesten Entwicklungen keinerlei Eingang darin. Na gut, vielleicht wurde er einfach sehr früh geschrieben und erst Tage später veröffentlicht.

 

Von wegen! Mal ganz abgesehen davon, dass auch das wenig schmeichelhaft wäre: Das fragliche Video ist in den Artikel eingebettet! Trotzdem verliert der Journalist David Genezer kein Wort zum Inhalt.

 

Im Übrigen scheint der Santa Monica Observer keine Satireseite, sondern einfach nur ein Boulevardblatt zu sein. Jedenfalls finden sich keine gegenteiligen Einschätzungen.

 

12.07.2022: Unexplained.ie

Sehr viel seriöser kam da schon die Parawissenschafts-Website „Unexplained.ie“ einen Tag später daher. Die Website wird ihrem Namen zum Glück nicht gerecht und überlässt es somit nicht dem Leser, Peterson zu glauben, oder eben nicht.

 

 

Auch hier ist das Video eingebettet, doch schon die Überschrift enthüllt den Hoax. Der Artikel ist kurz, aber er erfüllt seinen Zweck vollständig. Die Situation wird kurz beschrieben. Auch, dass Peterson den Hoax zugegeben hat, ist dort zu lesen.

 

Damit hat irgendeine No-Name-Seite bessere Recherchen betrieben, als eine seit über 20 Jahren bestehende Zeitung…

 

21.07.2022: The Mirror

Nur sehr knapp überbietet die britische Boulevardzeitung „The Mirror“ ihre amerikanische Kollegin „Santa Monica Observer“. Der Artikel wurde zwölf Tage, nachdem Peterson selbst über die Fälschung informiert hatte, veröffentlicht. Dass die Redaktion diese Zeit für ausführliche Recherchen nutzte, kann man aber nicht sagen.

 

 

Zunächst wird darin der Inhalt des ersten Videos zum Bigfoot-Schädel wiedergegeben. Jedweder Hinweis auf die Fälschung fehlt hier noch.

Stattdessen springt der Artikel zu Petersons früheren Facebook-Post. Nachdem sein Verschwörungs-Gerede wiedergegeben wurde, nimmt der Artikel nun plötzlich wieder Bezug zum Youtube-Video. Es wird berichtet, dass Peterson den Schädel durch den Zoll schmuggelte. Auch hier fehlt noch der Verweis darauf, dass hier ein Was-wäre-wenn-Szenario durchgespielt wird.

 

Stattdessen werden nun scheinbar wahllos Kommentare unter dem Video bzw. Post auf Facebook aufgelistet. Diese sind überwiegend negativ, doch nur einer der Kommentare ist wirklich relevant: Er enthüllt schließlich, dass der Bigfoot-Schädel ein Hoax ist. Dies ist zugleich der einzige Verweis darauf im gesamten Artikel.

 

Versuch einer Bewertung

Neben Petersons Team kann man noch weitere „Beteiligte“ ausmachen, die auf die Situation Einfluss nahmen: Wissenschaftler, Kryptozoologen, die „Mainstream-Presse“ sowie die Konsumenten ihrer jeweiligen Beiträge.

Die meisten haben sich nicht eben mit Ruhm bekleckert.

 

Kryptozoologie schneidet mit am besten ab

Erstaunlicherweise scheinen die größten Falschmeldungen nicht von Kryptozoologie- oder Parawissenschafts-Websites ausgegangen zu sein. Zwar waren etwa die Recherchen von „Mysterious Universe“ nicht so kritisch, wie sie hätten sein können. Allerdings vermieden es beide Websites, völlig unkritisch Petersons Verschwörungstheorien zu übernehmen.

Die Autoren gingen allgemein auf all diejenigen Informationen ein, die zum jeweiligen Zeitpunkt bekannt waren. Ansonsten verhielten sie sich relativ neutral.

 

Eigene Einschätzungen fehlten mit einer Ausnahme: Im Artikel des NfKs wurden Petersons Behauptungen im Detail falsifiziert. Es blieb nicht bei bloßen Zweifeln an seiner Version der Geschichte.

 

Die etablierte Fachwelt ist bieder, liegt aber völlig richtig.

Die nicht-kryptozoologische Fachwelt war ähnlich bemüht, den Hoax zu entlarven. Dass dieses mühelos gelang, ist wenig überraschend. Wer sonst verfügt über so viel Fachwissen, das bei der Identifizierung eines Schädels dienlich sein kann?

 

Dass sich überhaupt Wissenschaftler ohne Bezug zur Kryptozoologie Zeit genommen haben, ist äußerst lobenswert. Vielfach vermeiden diese es sonst, sich mit derartigen Themen zu beschäftigen. Zu groß ist die Angst, von Kollegen nicht mehr ernst genommen zu werden. Dass der Schädel eindeutig identifizierbar war und Peterson eine gewisse Reichweite hat, mag sie motiviert haben.

 

Jedenfalls ist es immer schön, wenn sich auch gelegentlich Menschen mit der Kryptozoologie beschäftigen, denen man keine Agenda unterstellen kann. Dies dürfte zum Ansehen der seriös-skeptischen Sparte in dieser Parawissenschaft beitragen.

 

Irritierend ist einzig die unglaubliche Biederkeit mancher Wissenschaftler: Gegen welche Gesetze Peterson vielleicht hätte verstoßen haben können, wenn der Schädel denn echt gewesen wäre, wurde viel zu ausführlich diskutiert. In der Realität hätte man Peterson seinen Diebstahl ohne wirklichen Geschädigten ausnahmsweise verzeihen können. Freilich ist es nicht der ideale (und erst recht nicht legale) Weg, doch der Nachweis eines überlebenden nicht-menschlichen Hominiden wäre eine Weltsensation gewesen. Nur die Gerichte wäre das Übrige etwas angegangen.

 

Wirklich schwer wiegt dieser Kritikpunkt freilich nicht. So nervtötend Überkorrektheit auch sein mag – hier wurde Bedeutendes geleistet: Der Schädel wurde durch unabhängige, fachlich geschulte Beobachter für nicht authentisch erklärt.

Das verdient eindeutig Lob!

 

Die Klatschpresse macht alles nur noch schlimmer

Nicht einmal im Ansatz Lob verdient hat dagegen die Boulevardpresse. Unter den vorderen Ergebnissen der Google-Suche waren genau zwei englischsprachige Zeitungen. Beide haben Artikel von grauenerregender Qualität geliefert.

 

Der „Mirror“ war etwas weniger schlecht, dabei aber immer noch minderwertig. Immerhin wurde hier im Ansatz aufgeklärt, dass nicht tatsächlich ein Bigfoot-Schädel gefunden wurde. Das große Problem liegt in der Form: Der einzige Hinweis darauf besteht aus dem Zitat eines YouTube-Kommentars.

 

Zum einen ist dieser Kommentar mitten im Text schlecht platziert. Zwischen den übrigen, oft wenig gehaltvollen Kommentaren wird er leicht überlesen. Zum anderen geben Kommentare auch nur subjektive Meinungen wieder. Für einen Leser des „Mirror“ ist nicht offensichtlich, ob dieses unkommentierte Zitat die Wahrheit wiedergibt.

 

Somit hat sich der „Mirror“ ähnlich dubios verhalten, wie Peterson selbst.

 

Noch schlimmer war nur der „Santa Monica Observer“. Hier verwischt die Grenze zwischen extrem schludriger Recherche und bewusster Falschmeldung. Beides ist eines Blattes, das seine Leser angeblich informieren will, unwürdig.

 

 

Petersons Erfolg bleibt ungebrochen …

Weder „Mirror“ noch „Santa Monica Observer“ werden die schlecht recherchierten Artikel schaden. Besonders fundierte Berichterstattung ist die jeweilige Leserschaft wohl ohnehin nicht gewohnt. Ähnliches kann man über Petersons Zuschauer sagen.

 

Natürlich haben einige von ihnen Petersons Verhalten kritisiert. Eine gewisse Anzahl dieser Kritiker wird auch keine oder weniger Videos von Brave Wilderness (mehr) konsumieren. Im Großen und Ganzen scheint der kleine Skandal Peterson aber nicht geschadet zu haben.

 

Die Zuschauerzahlen einzelner Videos sind auf Youtube für jedermann öffentlich einsehbar. Brave Wilderness ist ein äußerst erfolgreicher Kanal, dessen Beiträge nach wie vor millionenfach konsumiert werden. Natürlich gibt es auch Rohrkrepierer, die „nur“ einige hunderttausende Views generieren. Mit extrem wenigen Ausnahmen würden sich andere Webvideoproduzenten selbst danach noch die Finger lecken.

 

Diese sehr unterschiedlichen Zuschauerzahlen enthüllen zugleich auch Petersons Erfolgsgeheimnis: Er ist nicht (wie mancherorts behauptet) primär Naturfilmer. Videos im eher dokumentarischen Stil zählen generell zu den weniger erfolgreichen. Und das braucht nicht zu verwundern: Eigentlich ist Peterson eine Art extremes Ein-Mann-Duschungelcamp.

 

Seine wirklich erfolgreichen Videos folgen einer einfachen Formel: Peterson lässt sich von Tieren beißen oder stechen und das Publikum darf dabei zusehen. Die Folgen dürften vielfach schmerzhaft, aber grundsätzlich nicht lebensgefährlich für Peterson sein. Das Publikum wiederum befriedigt seine Neugierde, spürt ein wenig Adrenalin ohne Risiko (sowie eigenen Schmerz) und empfindet bestenfalls noch Schadenfreude. Zu Bedauern ist Peterson schließlich nicht.

 

… und der Hoax passt trotzdem nicht ganz ins Konzept

Peterson liefert also wenig seriöse, aber gerade dadurch erfolgreiche Unterhaltung. Vielleicht ist er geschmacklos, aber dabei letztlich harmlos.

Nun stellt sich ernsthaft die Frage, warum es irgendein Mitglied seines Teams für passend hielt, einen Bigfoot-Hoax zu schaffen…

 

 

Natürlich: „Brave Wilderness“ arbeitet massiv mit Clickbait. So kann etwa das Vorschaubild ein Chamäleon zeigen und im Titel wird gefragt, ob es ein Baby-Dino sein könnte. Für sich genommen würde das erste der beiden Video zum Bigfoot-Schädel also ganz gut ins Konzept passen. Hier wird im Titel impliziert, was nicht der Fall ist. Im Video folgt die Aufklärung.

 

Wirklich dubios ist Petersons Facebook-Post. Sein verschwörungstheoretischer Post weicht extrem stark vom Konzept ab. Rein inhaltlich weist absolut nichts darauf hin, dass hier ein Was-wäre-wenn-Szenario durchgespielt wird. Der Post war mehr als nur Clickbait und Peterson ist nicht als exzentrischer Komiker bekannt. Folglich sollte das Publikum wohl glauben, was er schrieb.

Vielleicht ist Peterson und Konsorten später bewusst geworden, dass sie für ihre Verhältnisse zu weit gegangen sind. Das könnte das zweite Video mit seinem pseudo-pädagogischen Ende erklären. Nur ist dieses zu kurz und es wirkt auch zu improvisiert, um glaubwürdig zu sein.

 

der mächtige Stamm eines Redwoods liegt über einem Weg
Überall im Pazifischen Nordwesten der USA gibt es Berichte von großen, haarigen Wesen. Sind das alles Fakes?

 

Die wichtigste Rolle hat der Zuschauer

Hier liegt auch das große Problem: Aller Wahrscheinlichkeit nach schaut kein einziger Zuschauer Petersons Videos an, um sich intellektuell herausfordern zu lassen. Petersons Team weiß das – daher vermutlich auch die klare Ansage im letzten Video.

Paul Seaburn hat die Situation (damals unabsichtlich) sehr gut dargestellt: Der durchschnittliche Zuschauer vertraut Peterson, weil er noch nie als Verschwörungstheoretiker in Erscheinung getreten ist. So wird Vieles von dem, was er sagt, unkritisch aufgenommen.

Dieses Vertrauen ist ein Problem. Freilich ist die Frage nach der Existenz des Bigfoot für das tägliche Leben völlig irrelevant. Bloß sind diejenigen Medien, die die relevanten Informationen verbreiten sollen, nicht immer sorgfältiger.

 

Man erinnere sich die Artikel in den beiden Zeitungen, die bestenfalls schludrig und schlimmstenfalls gezielte Irreführung waren. Die unumstößliche Wahrheit – der gestandene Hoax – wurde den Journalisten auf dem Silbertablett serviert. Trotzdem haben sie wenig bis gar nicht damit gearbeitet. Selbst wenn ihre Recherchen zu wichtigeren Fragestellungen etwas sorgfältiger sind – diese sind dafür auch deutlich komplexer.

 

Flußtal in Nordamerika
Auf dieser Sandbank soll in den 1970er Jahren ein Sasquatch gesehen worden sein.

 

Petersons größte Versäumnis

Ich persönlich – und ich spreche ausnahmsweise ausdrücklich in der Ersten Person – hätte Peterson seinen Hoax problemlos verzeihen können. Sein verschwörungstheoretischer Post mag empören und ich hätte ihn trotzdem sogar begrüßt!

Unter einer Bedingung:

Statt wie im Puppentheater irgendeine Allerwelts-Moral („Stehlen darf man nicht!“, „Lass dir von den Autoritäten helfen!“) zu predigen, hätte er seinen Hoax zu einem Lehrstück machen sollen:

 

Kritisches Denken ist unfassbar wichtig.

 

Kritisches Denken hat den Hoax enttarnt. Kritisches Denken hätte Peterson auch dann noch widerlegt, wenn er nicht selbst alles gestanden hätte. Kritisches Denken sorgt überhaupt erst dafür, dass Zuschauer oder Leser weitergehend recherchieren.

 

Der durchschnittliche „LiveScience“-Leser wird hoffentlich gewohnheitsmäßig kritisch denken, ebenso der durchschnittliche NfK-Leser. Petersons Zuschauern dürfte ein Anstoß dazu aber keineswegs schaden – zumal offensichtlich auch sehr junge Menschen darunter sind. Sicher werden das einige seiner Zuschauer auch nicht nötig haben. Schließlich müssen selbst die größten Intellektuellen einmal abschalten. Schaden würde es trotzdem niemandem.

Das hat Peterson versäumt.

 

In seinem zweiten Video grinste er in die Kamera, als hätte er dem Publikum seinen besten Streich seit Langem gespielt. Dabei wäre ein ernsthafter Vortrag angemessen gewesen, dass man auch bekannten Personen mit großer Reichweite nicht alles glauben sollte.

 

Peterson hätte einen wertvollen Beitrag leisten können und hätte trotzdem noch Geld und Aufmerksamkeit gewonnen. Das wollte er offensichtlich nicht – er hat diese gute Chance verpasst.


Quellenverzeichnis

Brave Wilderness (2022a): Bigfoot Skull Found in Canada?, [YouTube] https://www.youtube.com/watch?v=3oKISDukCks [abgerufen am 27.02.2023].

 

Brave Wilderness (2022b): Bigfoot Skull Revealed and WHAT NOT to Do!, [YouTube] https://www.youtube.com/watch?v=5DtptFYYmLk [abgerufen am 27.02.2023].

 

Ganezer, David (2022): Coyote Peterson Claims to have Found Bigfoot Skeleton in British Columbia, Canada, Santa Monica Observer, [online] https://www.smobserved.com/story/2022/07/11/news/coyote-peterson-claims-to-have-found-bigfoot-skeleton-in-british-columbia-canada/6888.html [abgerufen am 28.02.2023].

 

Lanese, Nicoletta (2022): Scientists dismiss Coyote Peterson’s „large primate skull“ discovery as fake, livescience.com, [online] https://www.livescience.com/coyote-peterson-primate-skull-fiasco [abgerufen am 28.02.2023].

 

Möser, Tobias (2022): Aktuell: Bigfoot-Schädel gefunden?, Netzwerk für Kryptozoologie, [online] https://netzwerk-kryptozoologie.de/aktuell-bigfoot-schaedel-gefunden/ [abgerufen am 27.02.2023].

 

Peacock, Alice (2022): Mystery as adventurer claims to have found the skull of legendary Bigfoot, mirror, [online] https://www.mirror.co.uk/news/weird-news/mystery-adventurer-claims-found-skull-27463920 [abgerufen am 28.02.2023].

 

Peterson, Nathaniel „Coyote“ (o. D.): Coyote Peterson, Facebook, [online] https://www.facebook.com/CoyotePeterson [abgerufen am 27.02.2023].

 

Seaburn, Paul (2022): TV Host Claims Photos are of a Giant Ape or Bigfoot Skull Found in British Columbia, [online] https://mysteriousuniverse.org/2022/07/TV-Host-Claims-Photos-are-of-a-Giant-Ape-or-Bigfoot-Skull-Found-in-British-Columbia/ [abgerufen am 27.02.2023].

 

Unexplained.ie (2022): Bigfoot Skull Found in ‚What if“: Hoax Scenario By Coyote Peterson, Unexplained.ie, [online] https://www.unexplained.ie/article/223-bigfoot-skull-coyote-peterson-what-if-hoax/ [abgerufen am 28.02.2023].




Hat Bigfoot Rechte? Teil 5 und Fazit

Mögliche juristische Konsequenzen durch die Anerkennung des Bigfoot als (indigener) Mensch

In diesem Artikel wurden zuvor bereits Hypothesen auf Hypothesen aufgetürmt: Nicht nur soll der Bigfoot existieren, er soll zugleich auch noch Vernunftbegabung zeigen. Diese soll dann wiederum so gut nachgewiesen werden, dass sich die Regierung der USA schließlich gezwungen sieht, zu handeln: Der Bigfoot wird als Mensch anerkannt, ohne biologisch ein Mensch zu sein.

 

Screenshot aus dem Video
Ist er vernunftbegabt, intelligent, möglicherweise sogar der direkten Kommunikation mit uns fähig – nur nicht willens? Ein mutmaßlicher Bigfoot kreuzt einen Fluss in Michigan; Aufnahme: Eddie V.

 

Nachfolgend sollen nun noch mögliche Folgen dieser Einstufung besprochen werden. Diese sind im Zweifelsfall eher weniger spekulativ, als die zuvor genannten Punkte. Einzige Voraussetzung wäre, dass der (real existierende) Bigfoot als Mensch anerkannt werden würde. Schließlich stehen allen Menschen (unter bestimmten Umständen) bestimmte Rechte zu.

 

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Wood Knocks: A Journal of Sasquatch Research: Vol. 5

Wood Knocks A Journal of Sasquatch Research: Volume 5 erschien am 13. November 2021 bei der Eerie Lights Publishing (in Englisch) im amerikanischen Trad Paperback-Format mit 156 Seiten.

 

Ulrich Magin hat es am 22. Februar 2022 besprochen.

 

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Die Rechte des Bigfoot werden im Folgenden zur besseren Lesbarkeit im Indikativ wiedergeben. Dieser ist im Kontext des hier dargestellten Szenarios zu lesen und stellt natürlich keine Beschreibung eines tatsächlichen Zustands dar:

 

Vollständige Anerkennung als juristische Person:

Durch eine Einstufung des Bigfoot als Menschen würde sich die Frage erübrigen, welche Rechte er denn im Vergleich zum Homo sapiens hat. Ein Mensch ist und bleibt schließlich gegenüber den übrigen Menschen juristisch gleichgestellt. So jedenfalls sollte dies in der Theorie gehandhabt werden.

 

Bigfoot-Sichtung
Screenshot einer „typischen Bigfoot-Sichtung“

 

 

Es folgt daraus, dass die Menschenrechte in vollem Umfang Gültigkeit haben. Dasselbe gilt – was in der Praxis viel wichtiger ist – auch für sämtliche Gesetze, die den Menschen in den Vereinigten Staaten betreffen.

 

Folglich ist es etwa verboten, den Bigfoot zu töten, seiner Freiheit zu berauben, ihn zu verletzen oder in einer sonst unzulässigen Weise zu bedrängen. Insoweit er über ein Konzept von Eigentum verfügt, dürfen ihm auch diejenigen Güter nicht gegen seinen Willen abgenommen, die er als sein Eigentum begreift. Alles Andere würde einen Verstoß gegen die Strafgesetze der USA bzw. der jeweiligen Bundesstaaten darstellen und auch dementsprechend bestraft werden.

 

Eine rückwirkende Bestrafung (d.h. für eine Tat vor Anerkennung des Bigfoot als Menschen) für Verbrechen gegen den Bigfoot erscheint dagegen unrealistisch. Ganz abgesehen davon, dass diese rückwirkende Anwendung von Recht an sich schon einen fragwürdigen Eingriff in das Rechtsstaatsprinzip bedeutet: Verbrechen setzt voraus, dass der Täter die Rechtswidrigkeit seines Handelns theoretisch erkennen könnte – etwa, indem er juristische Literatur liest. Er hat den Bigfoot also auf irgendeine Weise als Menschen erkannt haben müssen. Durch die enormen physiologischen Unterschiede zwischen Homo sapiens und Bigfoot kann man diese Voraussetzung nicht als automatisch erfüllt betrachten.

 

Würde Hansen also heute noch leben, müsste er sich wahrscheinlich keine Sorgen machen: Ihm Mord vorzuwerfen, wäre – wenn es auch sachlich richtig ist – nicht sinnvoll. Schließlich gab er an, den Minnesota Iceman nicht sofort als Menschen erkannt zu haben. In Anbetracht des vorhandenen Bildmaterials zu diesem Bigfoot erscheint das nicht als Ausflucht, sondern ist für Jedermann nachvollziehbar.

 

Hansen mit Iceman
Frank Hansen mit seinem Eismann, zu einem nicht genauer bekannten Zeitpunkt.

 

Auch der umgekehrte Fall ist theoretisch vorstellbar: Verletzt der Bigfoot die Rechte eines Homo sapiens oder eines anderen Bigfoots, muss auch er bestraft werden. In der Praxis scheint dies aber unwahrscheinlich. Aufeinandertreffen von Mensch und Bigfoot sind selten und Berichten zufolge im Allgemeinen nicht durch übermäßige Aggression geprägt. Der Bigfoot hat weiterhin auch bisher kein Interesse gezeigt, den Homo sapiens in Streitigkeiten mit anderen Bigfoots hineinzuziehen.

 

Ebenso graue Theorie ist die Anwendung des Zivilrechts auf den Bigfoot: Mangels regelmäßigen Kontakt zwischen Homo sapiens und Bigfoot sollte es unter normalen Umständen nicht zu Verträgen oder sonstigen zivilrechtlichen Verpflichtungen zwischen Angehörigen beider Arten kommen. Auch der Bigfoot hat wohl kein Interesse daran, vor einen Gericht nach menschlichem Verständnis Ansprüche gegen Artgenossen durchzusetzen.

Zumindest in der Theorie müssen die letztgenannten Fälle trotzdem möglich sein und dürfen vor Gericht nicht einfach abgewiesen werden.

 

Verordnungen wie die Ordinance 69-01 in Skamania County würden dagegen ihre Gültigkeit verlieren. Dadurch hätte der Bigfoot nämlich nur ein einziges Grundrecht, d.h. das Recht auf Leben, womit er gegenüber dem Homo sapiens unzulässiger Weise diskriminiert werden würde. Diesem wird schließlich in den USA eine weitaus größere Anzahl an Rechten zugestanden.

 

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Valley of Apes: Die Suche nach dem Sasquatch in Area X

Wiederkehrende 16- bis 27-Zoll-Fußabdrücke im pazifischen Nordwesten haben viele Amerikaner zu der Annahme veranlasst, dass zurückgezogen lebende, affenähnliche Kreaturen namens Sasquatch die Wälder durchstreifen. Nur wenige haben mehr als einen kurzen Blick auf sie geworfen, und niemand hat sie direkt und langfristig in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet. Bis jetzt.

 

Walter Spink ist kurzsichtig, sozial unbeholfen und anfällig für Unfälle. Er ist auch ein selbsternannter Monsterjäger. Als er und sein sanftmütiger Assistent Matt Preston auf der Suche nach dem Sasquatch in den pazifischen Nordwesten reisen, scheint ihre Chance, ihn zu finden, gleich Null. Aber unerwartet finden sich die Monsterjäger in einer Gruppe von Sasquatches wieder, mit denen sie leben und reisen. Während ihres Aufenthalts bei den Sasquatches lernen Walter und Matt, ob Raupen nach Hühnchen schmecken und wie man einen Silberrücken ärgert, ohne es wirklich zu versuchen. Irgendwie navigieren sie durch die sozialen Fallstricke der Gruppe…

 

Valley of Apes ist am 1. Juni 2022 bei Anomalist Books erschienen. Es liegt als Paperback und fürs Kindle vor.

 

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Der Bigfoot als Bürger

Zur Frage, wer amerikanischer Staatsbürger ist, findet sich in der Verfassung der USA eine eindeutige Angabe. So lautet Abschnitt 1 des Amendement XIV von 1868:

 

„Alle Personen, die in den USA geboren sind oder naturalisiert wurden und deren Rechtsprechung unterliegen, sind Bürger der Vereinigten Staaten und des Staates, in welchem sie wohnhaft sind. […]“

Constitution of the United States, Amendment XIV, Section 1, Übers. d. Verf.

 

 

Nun ist der Bigfoot (d.h. jedes heute lebende Exemplar) ganz unzweifelhaft kein Migrant, sondern in den USA geboren. Auch ist er (als neu ernannter Mensch) klar eine Person. Folglich ist er laut der Verfassung der USA zugleich auch Bürger. Ihm müssen also sämtliche Bürgerrechte zuerkannt werden.

Dass er von diesen Bürgerrechten auch Gebrauch machen wird, ist dann wieder so unwahrscheinlich, wie die im vorigen Abschnitt beschrieben Szenarien. Die Vorstellung, wie ein Bigfoot ins Wahllokal marschiert, ist aber wunderbar kurios.

 

 

 

Mögliches Anrecht auf ein Reservat mit weitreichender innerer Autonomie

Dass der Bigfoot wohl nicht mit europäischen Eroberern nach Nordamerika kam, steht fest. Wenn er ein Mensch ist, kann man ihn folglich als Ureinwohner bezeichnen. Zwar kann es sein, dass sich die Art nicht ursprünglich in Amerika entwickelt hat, doch dasselbe gilt auch für Ureinwohner der Art Homo sapiens. Jedenfalls lautet der aktuelle Stand der Wissenschaft, dass sich der moderne Mensch von Afrika her über die ganze Welt verbreitet hat.

 

Denjenigen Homo sapiens, die der indigenen Bevölkerung angehören, steht unter Umständen ein Anrecht auf weitgehende Souveränität zu. Diese Souveränität äußert sich in der Selbstverwaltung bzw. inneren Autonomie der dem jeweiligen Stamm zugewiesenen Reservate. Die Ureinwohner haben also das Recht auf eine eigene Verfassung und (Zivil-)Gesetze.

 

Dies beschlossen US-Senat und Kongress 1934 durch den „Indian Reorganization Act“. Die Ureinwohner – damals offiziell und heute noch im Volksmund „Indianer“ genannt – erhielten damit erstmals wieder ein höheres Maß an Selbstbestimmung. Sie waren faktisch beinahe dem US-Bundesstaat gleichgestellt, auf dessen Gebiet sich das jeweilige Reservat befand. Lediglich die nationale Regierung ist in der Lage, die Rechte der Reservate zu begrenzen. Dabei müssen aber alle Stämme und Reservate gleich behandelt werden.

 

Amerikanische Ureinwohner
Amerikanische Ureinwohner in traditioneller Tracht

 

Nun besteht ein gewisses Problem darin, dass im „Indian Reorganization Act“ die juristisch anerkannten Stämme abschließend definiert werden. Nur ihnen steht ein Recht drauf zu, Reservate selbst zu verwalten, sofern sie dies durch eine Abstimmung mit einfacher Mehrheit beschließen.

 

Der Bigfoot zählt freilich nicht zu diesen Stämmen. Es stellt sich aber doch die Frage, ob ihm das Recht auf ein eigenes Reservat nicht mindestens ebenso sehr zustehen würde.

 

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Mythen und Legenden der alten Völker Nordamerikas, Band 1

Mythen und Legenden der indianischen Völker des nordöstlichen Waldlandes und der Region um die Großen Seen, in deutscher Übersetzung nach alten englischen Quellen. Manche sind nur eine Seite lang, andere über zehn Seiten. Die Themen und die handelnden Personen sind äußerst unterschiedlich. Ein Glossar kann das Verständnis erleichtern, mehrere Abbildungen illustrieren den Text.

 

Mythen und Legenden der alten Völker Nordamerikas, Band 1 ist 2020 als Book on Demand erschienen. Es hat als gebundenes Buch 512 Seiten und ist auch für den Kindle erhältlich.

 

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Die Frage lautet folglich, wie ein Stamm denn definiert werden kann. Jedenfalls werden mit diesem Begriff Gruppen von Ureinwohnern voneinander unterschieden. Zumindest in kultureller Hinsicht unterscheidet sich der Bigfoot klar von Ureinwohnern der Art Homo sapiens. So trägt er jedenfalls den meisten Augenzeugenberichten nach weder Kleider am Leib noch Werkzeuge bei sich. Auch die physiologischen Unterschiede sind enorm.

 

Auch wenn der Bigfoot nicht automatisch unter den „Indian Reorganization Act“ fällt, erscheint es daher sinnvoll, ihm ein Reservat oder mehrere Reservate in verschiedenen Bundesstaaten zuzugestehen. Es verbietet auch kein Gesetz grundsätzlich, dass weitere Zonen mit besonderen Rechten eingerichtet werden dürfen. Sie dürfen sich nur nicht auf dem Gebiet bestehender Reservate befinden.

 

Totempfähle
Totempfähle aus dem Stanley Park bei Vancouver / Kanada, mitten im Bigfoot-Territorium

 

Isolation als Alternative

Allerdings ist auch klar, dass die Situation des Bigfoot nicht mit der der Homo sapiens-Ureinwohner vergleichbar ist. Die Letztgenannten wurden 1934 wieder ein Stück weit emanzipiert, zuvor aber mehr als 200 Jahr lang systematisch unterdrückt und verdrängt. Ihre ursprünglichen Stammeskulturen existierten also bereits nicht mehr, als der  „Indian Reorganization Act“ erlassen wurde.

 

Beim Bigfoot verhält es sich anders: Es existiert kein Reservat, dass diesem Volk zugewiesen wurde. Es erfolgte auch niemals ein (bewusster) Eingriff in die traditionelle Lebensweise des Bigfoot. Wie hätte es auch anders sein sollen? Schließlich lautet das in diesem Artikel besprochene Szenario, dass der Bigfoot eben erst entdeckt wurde. Folglich wurde er noch niemals kontaktiert.

 

Flußtal in Nordamerika
Auf dieser Sandbank soll in den 1970er Jahren ein Sasquatch gesehen worden sein.

 

Völker, die zwar nicht unbekannt, aber (beinahe) ohne Kontakt zur Außenwelt sind, existieren auch in der Realität. Freilich sind diese Menschen ganz gewöhnliche Homo sapiens, aber ihre Lebensweise ist eher mit der des Bigfoot vergleichbar, als die Lebensweise irgendwelcher Reservats-Bewohner.

 

In den USA existieren keine solchen Stämme (des Homo sapiens), durch die ein Präzedenzfall für den Umgang mit dieser Situation geschaffen wäre. Auf der völkerrechtlich zu Indien gehörenden North Sentinel Island beispielsweise findet sich aber ein solches Volk, im Deutschen als Sentinelesen bezeichnet.

 

Dieses Volk zeichnet sich vor allen Dingen durch seine beharrliche Weigerung aus, mit anderen Völkern in friedlichen Kontakt zu treten. Ihre Insel verteidigen die Sentinelesen notfalls auch mit tödlicher Gewalt vor Eindringlingen. Selbst durch Geschenke ließen sie sich in der Vergangenheit nicht umstimmen.

 

Nach Jahrzehnten voller erfolglosen und nicht ungefährlichen Kontaktversuchen fand schließlich ein Umdenken in der indischen Regierung statt: Der Zutritt zu Sentinel Island wurde behördlich verboten und die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen ausgesetzt. Damit erkannte man die Verweigerung weiterer Kontakte vonseiten der Sentinelesen an. Sie leben seitdem wieder in vollständiger Isolation und Autonomie.

 

Der Bigfoot ist nun nicht für seine übermäßige Gewalttätigkeit bekannt. Gleichwohl such er offensichtlich keinen engeren Kontakt zum Homo sapiens. Auch berichten manchen Augenzeugen von Drohgebärden, oder jedenfalls Gesten, die sie als solche identifizierten. Das alles spricht dafür, dass auch vonseiten des Bigfoot Interesse an einer weitgehenden Isolation besteht.

 

Blick über Redwood-Wälder mit tiefhängenden Wolken
Optimal wäre es für die Bigfoots, wenn man sie und ihren Lebensraum in Ruhe ließe.

 

Es wäre auch philosophisch zu rechtfertigen, ihm seinen Wunsch zu gewähren. Schließlich handelt es sich analog zu den Sentinelesen um ein Volk (oder mehrere Völker), das lange vor der Errichtung eines Staates westlicher Prägung das jeweilige Gebiet bewohnte. Auch lehnt dieses Volk den Kontakt zur Außenwelt kategorisch ab. Bei den Sentinelesen deutet nichts darauf hin, dass es sich um unzurechnungsfähige Menschen handelt. Sie verfügen definitiv über eine eigenständige Kultur, die auch zur Herstellung komplexer Strukturen wie verschiedener Arten von Hütten in der Lage ist. Beim Bigfoot wurde die Eigenschaft, Mensch zu sein, in unserem Beispiel ebenfalls bewiesen.

 

In der Realität wird sich die Errichtung einer solchen Sperrzone in den USA aber als äußerst schwierig erweisen. Während North Sentinel Island durch das Meer vom Festland und weiteren Inseln getrennt ist, lebt der Bigfoot auf dem nordamerikanischen Festland. Hier die Grenzen zwischen besonders geschützten und nicht geschützten Zonen abzusichern, würde unglaublich viel Personal in Anspruch nehmen.

 

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Bigfoot, Yeti, and the Last Neanderthal: A Geneticist’s Search for Modern Apemen

Dies ist „Das große Buch der Yetis“. Was der Leser hier bekommt, ist die Suche eines Weltklasse-Genetikers nach Beweisen für die Existenz von Big Foot, Yeti oder dem abscheulichen Schneemann. Unterwegs besucht Bryan Sykes Orte, an denen jemands angeblich diese seltsamen Kreaturen gesichtet hat, nimmt an Treffen von Kryptozoologen teil, erzählt die Geschichten berühmter Monsterjagd-Expeditionen und lässt mögliche Yeti-DNA durch sein hoch angesehenes Labor in Oxford laufen.

 

Sykes stellt uns die Spinner, Visionäre und Abenteurer vor, die in den letzten 100 Jahren an der Erforschung dieser möglichen wissenschaftlichen Sackgasse beteiligt waren. Sykes ist ein ernsthafter Wissenschaftler, der weiß, wie man eine Geschichte erzählt, und dies ist ein glaubwürdiger und ansprechender Bericht. Fast, aber nicht ganz menschlich üben der Yeti und seine Artgenossen aus wilden Regionen der Welt immer noch einen starken atavistischen Einfluss auf uns aus. Ist der Yeti nur ein Trugbild unserer Vorstellungskraft oder ein Überlebender unserer eigenen wilden Vorfahren? Oder ist es ein echtes Wesen? Dies ist das Geheimnis, das Bryan Sykes lüften wollte.

 

Bigfoot, Yeti and the last Neandethal… ist 2015 independent erschienen und hat als Taschenbuch 320 Seiten. Es ist in englischer Sprache geschrieben.

 

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Daneben stellen sich auch noch juristische Fragen: Durch die Anerkennung völliger Autonomie des Bigfoot auch gegenüber der nationalen Regierung würde ihm ein Sonderstatus gegenüber den übrigen Stämmen zustehen. Auch wäre der Bigfoot so nicht verpflichtet, Verfassung und Menschenrechte zu achten. Zwar ist dieser Zustand klar selbstgewählt, sodass ihm diese Rechte keinesfalls verweigert werden. Im Gegenteil hat er jederzeit die Möglichkeit, sie durch Überschreitung der Reservatsgrenzen wieder in Anspruch zu nehmen – in den restlichen USA ist er schließlich dem Homo sapiens rechtlich gleichgestellt. Dennoch muss zunächst besprochen werden, ob denn die Einrichtung von Reservaten mit vollständiger Autonomie verfassungsrechtlich überhaupt machbar ist.

 

Solche Fragen zu klären, ist dann aber wieder die Aufgabe von Juristen.

 


 

Die NAGPRA oder: Warum die Erforschung des Bigfoot schwierig wird

Neben dem möglichen Recht auf (weitgehende) Autonomie steht dem Bigfoot als Teil der indigenen Bevölkerung noch ein weiteres Recht zu: Der „Native American Graves Protection and Repatriation Act“, im Folgenden durch die Abkürzung NAGPRA bezeichnet regelt den Umgang mit den sterblichen Überresten Indigener sowie mit Artefakten von besonderem kulturellen Wert.

 

In der Praxis bedeutet dies, dass staatlich geförderte Institutionen eine Reihe von Gegenständen in der Regel nicht dauerhaft besitzen und weiter, als für die Rückgabe nötig, erforschen dürfen. Dazu zählen insbesondere die zuvor genannten sterblichen Überreste, aber auch Grabbeigaben und Gegenstände, die für aktuelle religiöse Rituale von Bedeutung sind.

 

Auch bei Grabungsarbeiten (zufällig) aufgefundene Objekte dieser Art müssen den Ureinwohnern übereignet werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Grabungen auf nationalen Gebieten oder in den Reservaten stattfanden. Es liegt dabei an den staatlichen Institutionen, die passenden Stämme zu identifizieren.

 

Im Wesentlichen existieren nur zwei Voraussetzungen: Die Gegenstände müssen eindeutig einer klar definierbaren Gruppe zuzuordnen sein. Daneben muss diese Gruppe auch ihren Anspruch auf Rückübertragung dieser Dinge geltend machen. Ob dieser Gruppe ein Reservat (und damit Autonomie) zusteht, ist dabei nicht relevant. Sie muss lediglich der indigenen Bevölkerung zuzuordnen sein.

 

Das Ziel des Gesetzes besteht darin, der indigenen Bevölkerung die Verfügungsgewalt über ihre kulturellen Artefakte zurückzugeben. Es stellt den Versuch eines Ausgleichs dar. In der Vergangenheit wurden Gräber und Stätten von kultureller Bedeutung vielfach geplündert. Die negativen Auswirkungen der Plünderungen auf die Kultur der Indigenen soll nun abgemildert werden.

 

Beim Bigfoot stellt dieses Gesetz die Hominologie aber vor ein echtes Problem. Schließlich ist auch der Bigfoot indigen. Damit steht er unter dem Schutz des NAGPRA.

 

In der Praxis bedeutet dies vor allem, dass eine anatomische Untersuchung des Bigfoot unmöglich wird: Überreste dieser Art sind der offensichtlichen physiologischen Unterschiede wegen klar identifizierbar. In dem Moment, in dem sie identifiziert werden, müsste man sie dem „Volk“ des Bigfoot übereignen.

 

Es ist sehr zweifelhaft, dass diese zurückgezogen lebenden Kreaturen sich an der wissenschaftlichen Forschung werden beteiligen wollen. So wird es zu Einen weder Genehmigungen für die Untersuchung bestehender Gräber geben. Zum Anderen wird auch die Zahl der Körperspender gegen Null gehen, die nach ihrem Tod ihren Körper der Wissenschaft überlassen wollen.

 

Bei der Erforschung von Völkern des Homo sapiens ist dies nicht weiter relevant. Ganz abgesehen davon, dass es ohnehin keine unkontaktierten Völker in den USA gibt, gleichen sich Homo sapiens aus allen Teilen der Welt in genetischer Hinsicht sehr stark. Wie aber etwa die Evolution des Bigfoot verlaufen sein könnte und welche anatomischen Unterschiede zum Homo sapiens bestehen, ist unbekannt.

 

Was Kultgegenstände betrifft, stellt das Recht auf Autonomie wohl das größere Hindernis dar, als der NAGPRA. Kulturelle Praktiken aus Grabbeigaben und isolierten Gegenständen alleine abzuleiten, ist nicht ideal. Diese Praktiken systematisch zu beobachten, wird aber wohl aufgrund der extremen Isolation des Bigfoot ebenfalls schwierig.

 

So wird der Bigfoot nach einer Anerkennung als Mensch wohl trotzdem ein weißer Fleck auf der Karte der Anthropologie bleiben. Es ist verständlich, vielleicht gar verfassungsrechtlich zwingend, dass er nicht von dem NAGPRA ausgenommen wird. Seiner Erforschung werden diese Gesetze zum Schutz der indigenen Bevölkerung aber im Wege stehen.


Fazit

Der Bigfoot hat also Potenzial, nicht bloß als Mensch, sondern sogar als Ureinwohner angesehen zu werden. In der Realität müssten aber wohl etliche Hürden übersprungen werden, bis es zu einer solchen Anerkennung käme.

 

Von den Detailfragen im Rechtssystem der USA abgesehen, dürfte der Nachweis der Menschlichkeit wohl am schwierigsten werden. In bestehenden Gesetzen ist die Existenz einer weiteren Art von Menschen nicht vorgesehen. Das gilt jedenfalls, wenn diese Art nicht nachweislich einen Hybriden mit dem Homo sapiens darstellt.

 

In diesem Artikel wurde der biologische Ansatz zur Bestimmung des Menschen daher durch einen geisteswissenschaftlichen ausgetauscht. Der Mensch bleibt dabei weiterhin das Maß aller Dinge – hauptsächlich zu seinem eigenen Schutz. Schließlich müssen die Menschenrechte weiterhin für alle Menschen gelten. Im Vergleich zum biologischen ermöglicht es der geisteswissenschaftliche Ansatz aber, die Menschenrechte auf andere Arten auszuweiten.

 

Inwieweit sich dieser Ansatz dann in der Praxis umsetzen ließe, ist eine andere Frage: Nur weil ein einziger Bigfoot wissenschaftlich beschrieben wurde, lebt die Art nicht weniger zurückgezogen. Dementsprechend schwierig würde sich die Forschung gestalten.

 

Klar ist in diesem Sinne, dass es an den Fürsprechern des Bigfoot liegt, seine Menschlichkeit zu beweisen. Schließlich hat sich bis jetzt noch keine einzige neu entdeckte Art als klar vernunftbegabt erwiesen. Es erscheint daher nicht sinnvoll, beim Bigfoot von einer Ausnahme auszugehen.

 

So kann man auch Hansen nicht dafür verurteilen, dass er den Bigfoot zunächst für ein Tier hielt – wenn unter allen seinen Erzählungen denn genau diese wahr ist. Dementsprechend ist es jedenfalls moralisch und wahrscheinlich auch juristisch nicht zu rechtfertigen, dass dieser Mann als Mörder betitelt wird. Er konnte nicht davon ausgehen, dass er einen Menschen vor sich hatte und sich darüber hinaus noch auf Notwehr berufen.

 

Ganz anders könnte es sich in Zukunft verhalten: Wenn dem Bigfoot offiziell Menschenrechte zugestanden werden würden, müsste man ihn auch dementsprechend behandeln. Ihn zu töten, wäre nur in einem Akt klarer Notwehr gerechtfertigt. Ein Anspruch darauf, dann die Leiche des Angreifers auszustellen, würde freilich unabhängig davon nicht bestehen.

 

Die größte Hürde besteht aber momentan darin, überhaupt erst die Existenz des Bigfoot zu beweisen. Alles hier Besprochene bleibt sonst ein bloßes Gedankenspiel.

 

In diesem Zusammenhang ein Hinweis: Sollte irgendjemand glauben, Körperteile des Bigfoot zu besitzen – es gibt keinen Grund, die nicht untersuchen zu lassen. Aktuell wäre der Bigfoot zunächst einmal nichts Anderes, als eine ungeschützte Tierart. Und selbst wenn sich herausstellen sollte, dass er ein menschlicher Ureinwohner ist, dürften zumindest US-Amerikaner seine Körperteile trotzdem behalten. Die NAGPRA gilt nur für staatlich geförderte Institutionen, nicht für Privatpersonen…

 


Literatur

Das umfangreiche Literaturverzeichnis steht hier als pdf zum Download bereit




Hat ein Bigfoot Rechte? Teil 4

Ganz oder gar nicht – Warum eine „Teilvernunftbegabung“ und einseitige Menschenrechte nicht praktikabel sind

Es mag nun das Argument aufkommen, dass die Bewertung des Bigfoot nach solchen Kriterien ungerecht ist. Schließlich wird dadurch wiederum der Mensch zum Maß aller Dinge: Bloß wenn genügend Parallelen zwischen den Kulturen von Homo sapiens und Bigfoot vorhanden sind, darf der Letztere auch als Mensch Menschenrechte genießen.

 

Screenshot aus dem Video, kann oder muss man einem Bigfoot Menschenrechte zugestehen?
Ist er vernunftbegabt, intelligent, möglicherweise sogar der direkten Kommunikation mit uns fähig – nur nicht willens? Ein Bigfoot kreuzt einen Fluss in Michigan; Aufnahme: Eddie V.

 

Mögliche Kritikpunkte an der Vernunftbegabung als Hauptkriterium für das Menschsein

Freilich lässt sich argumentieren, dass der Bigfoot schon durch seinen aufrechten Gang dem Menschen sehr ähnlich ist. Vielleicht nutzt er auch Werkzeuge, wie es die bereits bekannten Arten von Menschenaffen tun. Es wäre nicht unwahrscheinlich, wo der Bigfoot doch beide Hände frei hat. Gerade diese geschickte Manipulation von Gegenständen zeugt von Intelligenz.

 

Mehrere Stöckchen gezielt angeordnet auf dem Boden, reicht diese Form der Kommunikation für Menschenrechte?
Angeblich sollen Bigfoots solche Zweig-Arrangements nutzen, um untereinander oder mit Menschen zu kommunizieren. (Webfund ohne ermittelbaren Urheber)

 

Es mag schon sein, dass der Bigfoot nicht ganz so intelligent ist, wie der durchschnittliche erwachsene Mensch. Vielleicht entspricht seine Vernunftbegabung beispielsweise der eines fünfjährigen Kindes. Das fünfjährige Kind ist aber aktuell zurecht mit Menschenrechten ausgestattet. Warum soll der Bigfoot dann keine Menschenrechte haben?

 

Der Kritiker der Vernunftbegabung als Voraussetzung für die Menschenrechte zieht daraus den folgenden Schluss: Das Ziel der philosophischen Rechtfertigung der Menschenrechte besteht laut dem Verfasser in einer flexibleren Anwendung. Es ermöglicht die Ausweitung abseits von biologischen Kriterien. Wer damit nicht einverstanden ist kann aber umgekehrt sagen: Es ermöglicht auch die Verengung abseits von biologischen Kriterien.

 

Das Jahrbuch für Kryptozoologie 2022 (3) !neu!

Das 3. Jahrbuch für Kryptozoologie ist im März 2023 erscheinen. Wie seine Vorgänger ist es voll Originalarbeiten aus dem Bereich der Kryptozoologie. Es beinhaltet jetzt 14 große und fünf kleine Beiträge auf etwa 300 Seiten.
Siehe auch: Buchvorstellung

 

 

Das Jahrbuch für Kryptozoologie 3 – 2022 kostet trotz massiv gestiegener Papierpreise wieder € 12,90 (zzgl. P&P)

 

Ist denn folglich das Kind kein Mensch, weil es ihm an geistiger Reife mangelt? Macht man für Kinder nur eine Ausnahme, weil sie ja noch reifen können? Ist dann der geistig behinderte Mensch keines Rechtes würdig, weil er das Recht nicht verstehen kann? Haben wir in der Geschichte der Menschheit nicht schon leidvolle Erfahrungen mit solchen Ideologien gemacht?

 

Sicher, wer Rechte für den Bigfoot (oder auch für bekannte Menschenaffen) fordert, tendiert nicht zwangsläufig zu solchen Gedankengängen. Diskussionen über dieses Thema sind auch möglich, ohne Godwin‘s Law einmal mehr unter Beweis zu stellen. [Godwin’s Law bezeichnet die Tendenz, dass bei einer länger werdenden (Internet-) Diskussion früher oder später die Nazis eine Rolle spielen. Anm. d. Red.]

 

So mag manch ein Bigfoot-Schützer zur Mäßigung aufrufen und meinen: Dann ist der Bigfoot eben zu dumm, um unsere Gesetze zu verstehen. Trotzdem scheint er über Empfindungen oder gar Gedankenwelten zu verfügen, die sich bei den meisten Tieren nicht finden lassen. Können wir diesen Zeitgenossen nicht einfach ganz in Ruhe lassen, indem wir ihm ein Recht auf Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit garantieren?

 

Reviermarkierung von Bigfoots?
Solche im rechten Winkel abgeknickten Jungbäume, die über Wege und Wildwechsel ragen, gelten als Reviermarkierungen der Bigfoots. Sind das bereits Werkzeuge? (Netzfund ohne Urheber)

 

Eine Erwiderung

Dieser gemäßigte Ansatz hat mit der radikalen Ablehnung vor allen Dingen gemein, dass beides nicht konsequent zu Ende gedacht ist. Die besondere Qualität der radikalen Ablehnung besteht nur darin, dass sie sich an der Grenze zur Verleumdung bewegt und einen sachlichen Diskurs unmöglich machen soll.

 

Solcherlei Argumente ignorieren nämlich, dass Gesetze zum Schutz des Menschen nicht nur umfangreicher, sondern auch völlig anders aufgebaut sind, als etwa ein Tierschutzgesetz:

Nicht umsonst unterschied bereits Hobbes die Begriffe Recht und Gesetz. Diese beiden Wörter werden als Synonyme verwendet, weil das Gesetz das Recht absichern soll. Das Recht wiederum bedeutet, etwas tun zu dürfen oder nicht tun zu müssen. Das Gesetz umfasst aber neben dem Dürfen noch eine zweite Dimension: Etwas tun zu müssen oder nicht tun zu dürfen.

 

Es muss nämlich verhindert werden, dass in das Dürfen eingegriffen wird. So dürfen alle Rechtssubjekte zwar weniger, als der Naturzustand ihnen gewährt, weil sie das Dürfen Anderer respektieren müssen. Was sie aber dürfen, ist ihnen zugleich sicher.

 

Daraus folgt, dass das Gesetz erst durch seine konsequente Einhaltung wirklich entsteht. Das ist die Triebregulierung, die zuvor schon mehrfach erwähnt wurde. Verstöße gegen das Gesetz (d.h. mangelhafte Triebregulierung) durch Einzelpersonen kann eine Gesellschaft verkraften. Wenn aber eine zu große Anzahl von Menschen gegen das Gesetz verstößt, ist es nicht mehr durchsetzbar.

 

Wer einseitige Menschenrechte fordert, räumt also dem Bigfoot sprichwörtliche Narrenfreiheit ein. Wenn der Bigfoot einen Menschen angreift, wird er nicht bestraft. Gut, er versteht ja nicht, dass er Unrecht begeht. So kann man ihn nicht bestrafen. Was aber, wenn der Bigfoot einen Bigfoot verletzt?

 

Hier entsteht ein Paradox: Der Bigfoot soll menschenähnlich genug sein, dass ihn Niemand verletzen, fangen oder töten darf. Zugleich soll er unzurechnungsfähig genug sein, dass er für die eigenen Taten nicht zur Rechenschaft gezogen werden darf. Er ist also de facto eine Art Kind oder geistig eingeschränkter Mensch. Bloß dürfen sich diese Menschen auch nicht gegenseitig ihrer Rechte berauben.

Ja, sie haben Rechte und sie sollen Rechte haben. Das ist schon gut so. Sie haben aber keine wirkliche Narrenfreiheit. Und das ist auch gut so.

 

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Skulls and Bones

Ein Feldführer über Schädel, Knochen und Verhalten nordamerikanischer Landtiere.

Irgendwo in der Landschaft liegt ein Schädel, ein Skelettrest oder ein einzelner Knochen herum. Was bei Großtieren im Skelettzusammenhang noch einfach ist, ist bei einzelnen Knochen kleiner oder kleinster Landtiere sehr schwer, die Identifikation. Dieser Feldführer ermöglicht die Bestimmung einzelner Knochen größtenteils bis auf Artebene. Dazu inspiriert er zur wissenschaftlichen und künstlerischen Zeichnung, leitet den Aufbau einer Knochensammlung an.

 

Skulls and Bones ist leider nur noch antiquarisch erhältlich. Das 288-seitige Taschenbuch ist 1995 bei Stackpole erschienen. Für gut erhaltene Exemplare werden regelmäßig 40 bis 50 € gezahlt.

 

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Kinder und unzurechnungsfähige Menschen dürfen aufgrund ihrer mangelnden Einsichtsfähigkeit in der Regel nicht (im selben Ausmaß) für Gesetzesübertretungen bestraft werden, wie zurechnungsfähige Personen. Auch liegt es in der Natur der Bestrafung, dass sie erst nach der Tat erfolgen kann. Das bedeutet aber nicht, dass man die Überschreitung einfach zulassen darf und anschließend mit den Schultern zuckt.

 

Nein, wer nicht zurechnungsfähig ist, muss einen Vormund oder gesetzlichen Vertreter haben. Dessen Aufgabe ist es, stellvertretend für die nicht zurechnungsfähige Person vernunftbegabt (und im Idealfall vernünftig) zu sein. Dieser Mensch muss unachtsame, aus mangelnder Einsichtsfähigkeit resultierende, Handlungen verhindern. So muss keine Person sinnloser Weise bestraft werden, die ohnehin die Fehler ihres Handelns nicht erkennen kann. Scheitert der Vormund oder Vertreter an seiner Aufgabe, wird er daher an seines Mündels statt bestraft.

 

Wer also den Bigfoot zum Kind machen will, darf ihm jedenfalls nicht seine Freiheit lassen. Wer würde schon ein Kind alleine im Wald zurücklassen, wo es zur Gefahr für sich selbst und andere wird? Das wäre völlig unverantwortlich! Um diese Situation zu verhindern, müsste man sämtliche Bigfoots – sie sind schließlich allesamt nicht zurechnungsfähig – in menschliche Obhut nehmen.

 

Somit wäre dann das völlige Gegenteil des eigentlichen Ziels erreicht: Den Bigfoot im Wald in Ruhe zu lassen. Zielführender wäre es stattdessen, ihn einfach als Tier unter Artenschutz zu stellen. So gäbe es zwar mehr mögliche Ausnahmen von seinem Schutz, als es durch Menschenrechte der Fall wäre. Zugleich wäre diese Lösung aber praktikabler – und für die meisten Bigfoots stressfreier.

Blick über Redwood-Wälder mit tiefhängenden Wolken
Optimal wäre es für die Bigfoots, wenn man sie und ihren Lebensraum in Ruhe ließe.

Das Menschenrechts-Paradox

Bevor im folgenden großen Abschnitt besprochen wird, welche Rechte einem nach menschlichen Maßstäben vernunftbegabten Bigfoot zustehen würden, sollen muss noch eine Feststellung besprochen werden: Die Menschenrechte, wie sie durch die UN verkündet wurden, sind ein Ideal, das niemals vollständig erreicht werden kann. Diese Feststellung ist aber nicht bloß auf totalitäre Regimes anwendbar. Vielleicht ist das auch besser so:

 

Zuvor wurde etabliert, dass das Recht eines teilweise vernunftbegabten, kindlichen Bigfoot eingeschränkt werden müsste. Diese Einschränkung dient nicht zu seiner Strafe, sondern zu seinem Schutz. Sie ist also nicht Folge einer Gesetzesüberschreitung und beschneidet doch den Anspruch auf körperliche Freiheit in einem erheblichen Maße. Die UN verlieren hierzu kein Wort.

 

Logo der vereinten Nationen
Logo der United Nations (UN)

 

Mit menschlichen Kindern und sonstigen Personen, die sich rechtlich nicht selbst vertreten können, verhält es sich ähnlich. Wenn man aber die Menschenrechte wirklich für jedermann gleich auslegen würde, müsste man auch diesen Menschen dasselbe Maß an Entscheidungsgewalt zugestehen, wie den Übrigen. Damit ginge dann auch Verantwortung einher.

 

 

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Die Reise der Menschen

Rund sieben Milliarden Menschen leben aktuell auf der Erde. Unsere Spezies hat selbst die entlegenen Gebiete der Erde bevölkert. Aber einer Theorie nach begann die Erfolgsgeschichte des Menschen mit einer kleinen Gruppe unserer Vorfahren, die einst Afrika verließen. „Human Journey – Wie der Mensch die Welt eroberte“ verfolgt die Spuren dieser Pioniere auf ihrer Reise ins Ungewisse quer durch alle fünf Kontinente. Mit Hilfe modernster wissenschaftlicher Methoden rekonstruieren die Macher, wie die frühen Menschen Herausforderungen wie endlose Wüsten und Ozeane, gefährliche Raubtiere und eine Supervulkan-Explosion überstanden…

 

Human Journey – Wie der Mensch die Welt eroberte [2 DVDs] kommt in insgesamt 5 Episoden auf 2 DVDs daher. Die Scheiben sind in der bekannten BBC-Qualität (Walking with Dinosaurs) produziert und ausgestattet.

 

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Das Ergebnis wäre gewiss keine bessere Welt. Im Gegenteil würden die nun trotz mangelnder Befähigung Mündigen in arge Bedrängnis geraten. Man würde Fähigkeiten von ihnen erwarten, über die sie nicht verfügen. Für die Menschheit insgesamt besonders gravierend wäre das im Fall der Kinder: Wenn die bloße Befähigung zur Willensäußerung ausreichen würde, um die Entscheidungen der Eltern oder Betreuer zu überstimmen – die Kindersterblichkeit würde ins Unendliche steigen.

 

Mutter mit Kind an der Hand auf einem Zebrastreifen
Das „an-die-Hand-nehmen“ ist eine milde Form des Freiheitsentzuges, und an der Straße sicher lebenswichtig.

 

So muss man festhalten, dass eine inkonsequente Anwendung der Menschenrechte unter Umständen im Interesse des Menschen liegen kann. Voraussetzung dafür ist freilich, dass diese Einschränkung der Rechte nicht bloß Vorwand ist. Wer davon betroffen ist, muss auch wirklich nicht zur Vernunftbegabung in der Lage sein. Bloße Unvernunft genügt nicht, denn diese ist – im Gegensatz zur Intelligenz – objektiv nicht messbar.

 

Im Extremfall ist sogar ein Szenario vorstellbar, in dem es im Geiste der Menschenrechte ist, die Menschenrechte nicht durchzusetzen!

 

Das gilt im Falle von isolierten Gesellschaften, die auch als unkontaktierte Stämme bezeichnet werden. Diese haben im Laufe ihrer Geschichte ein System an Regeln entwickelt, die keinerlei Bezug auf die Menschenrechte nehmen, gar dagegen verstoßen. Wie sollten sie diese Rechte auch kennen, wenn ihnen weder Staaten noch UN bekannt sind?

 

So ist es für diese Menschen also unvorstellbar, nach irgendeinem anderen Recht zu leben. Wollte nun der Staat, auf dessen Gebiet sie leben, Menschenrechte durchsetzen, gibt es zwei Szenarien: Zunächst könnten diese zuvor unkontaktierten Menschen zur Überzeugung gelangen, dass die Menschenrechte eine sinnvolle Einrichtung sind. Sehr realistisch ist das aber nicht, da sie hierfür Jahrhunderte alte Regeln von einem Tag auf den anderen über Bord werfen müssten. Wahrscheinlicher ist, dass sie diese Veränderungen (zunächst) ablehnen.

 

Bei einer konsequenten Anwendung des Gesetzes müsste man den Stamm nun zu seinem angeblichen Glück zwingen. In der Folge käme es zu Konflikten, wahrscheinlich inklusive Verhaftungen und möglichem Blutvergießen.

 

Amazonas-Indianer
Amazonas-Indianer heute – von einem unentdeckten Volk kann hier keine Rede sein, aber es gibt noch unkontaktierte Gemeinschaften in den Regenwäldern, nicht nur in Südamerika.

 

Hier erscheint es daher sinnvoller, dem isolierten Stamm sein angestammtes Recht zu lassen. Voraussetzung dafür ist aber, dass tatsächlich kein, bzw. kaum Kontakt zu einer staatlichen Gesellschaft besteht. Sonst würde es nämlich wiederum zu Konflikten zwischen den Gesellschaften kommen.  Daneben muss der Stamm zur bewussten Ablehnung der Menschenrechte im Sinne der UN in der Lage sein.

 

Es hat sich bis heute keine Ausnahme gefunden, durch die ein Volk in seiner Gesamtheit unzurechnungsfähig wäre. Wollte man die Fähigkeit zur Vernunftbegabung anzweifeln, müsste man zunächst für das jeweilige Volk/den Stamm das Gegenteil beweisen. Es ist auch nicht nötig, dass sich dieses Volk im Detail mit den Inhalten eines Rechtssystems auseinandersetzt. Den Eingriff in das eigene Recht durch Fremde vehement abzulehnen, genügt.

 

So wird den Völkern Selbstbestimmung gewährt. Diese Praxis ist auch zwischen ganzen Nationen gängig, die durchaus sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Umsetzung der Menschenrechte haben können. Die Alternative bestünde im Versuch eines Staates, eine Art Weltpolizei einzurichten. Dies ist schlicht impraktikabel, weil zur Durchsetzung des jeweiligen Rechtsystems eine unverhältnismäßige Missachtung anderer Rechte nötig wäre.

 

Wenn es Bigfoot-Völker gibt, was ist mit ihren Rechten? (Abb. I. Sanderson)

 

Diese Erkenntnis könnte auch im Zusammenhang mit dem Bigfoot interessant werden. Schließlich scheint auch er sehr isoliert zu leben.

 

Allerdings kann man beim Bigfoot nicht automatisch von Vernunftbegabung ausgehen, sondern muss diese erst beweisen. Sollte er vernunftbegabt sein, hätte er analog zu den unkontaktierten Stämmen den Anspruch, das (US-amerikanische) Recht abzulehnen. Diese Souveränität wäre aber nur innerhalb klar definierter räumlicher Grenzen vorstellbar. Sie wäre also nicht auf die Art bezogen, sondern auf ein bestimmtes geografisches Gebiet.


Der vorhergehende 3. Teil des Artikels erschien am 30. März 2023

Der folgende 5. und letzte Teil erscheint am 27. April 2023




Hat ein Bigfoot Rechte? Teil 3

Eine Prüfung der Vernunftbegabung für den Bigfoot

Es gilt nun also, den Bigfoot einer Prüfung zu unterziehen, mit deren Hilfe seine Vernunftbegabung festgestellt werden könnte.

Selbst ausgehend von Hypothese, dass tatsächlich einmal ein lebender Bigfoot aufgefunden wird, bleiben noch erhebliche Hindernisse. Wie könnte man etwa diesem Wesen begreiflich machen, dass man es prüfen wolle? Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass der Bigfoot sich sogleich in ein Labor führen lässt, um seine Vernunftbegabung zu beweisen.

Daher erscheint es sinnvoller, ihn zunächst einfach zu beobachten. Auch lassen sich Hinweise finden darauf finden, inwieweit er dem Menschen ähnlicher ist, als einem gewöhnlichen Tier.

 

Patty
Ist Patty ein Tier oder ähnelt es/sie doch mehr dem Menschen?

 

Sprache als Grundvoraussetzung

Als Grundvoraussetzung für die Befähigung zur Vernunft und somit auch Kultur muss man die Sprache erachten. Zwar kommunizieren auch Tiere miteinander, doch spielen die Laute an sich eine weitaus geringere Rolle. Körpersprache und Betonung sind weitaus wichtiger, als eine bestimmte Abfolge von Vokalen und Konsonanten.

 

Bei der menschlichen Sprache verhält es sich umgekehrt: Die Abfolge der Lautzeichen ist die primäre Quelle der Information. Natürlich ist etwa auch die Körpersprache nicht unwichtig. Sie ist aber nur von sekundärer Bedeutung, etwa um einer Aussage Nachdruck zu verleihen. Anderweitig könnte der Mensch nicht verstehen, welche Informationen ihm etwa die neutrale Stimme einer Bandansage vermitteln soll.

 

Mehrere Stöckchen gezielt angeordnet auf dem Boden, ist das eine Form der Sprache?
Angeblich sollen Bigfoots solche Zweig-Arrangements nutzen, um untereinander oder mit Menschen zu kommunizieren. (Webfund ohne ermittelbaren Urheber). Ist das eine Form der Sprache?

 

Beim Menschen macht sich die Befähigung zur Sprache auch anatomisch bemerkbar: Damit ist nicht bloß die Ausformung etwa von Stimmbändern und Kehlkopf gemeint, die zur Lauterzeugung erforderlich sind. Nein, auch Gehörgang und Gehirn verändern sich mit der Entwicklung der Sprache:

Voraussetzung für die Sprache ist zunächst einmal das sprichwörtlich feine Gehör. Es muss in der Lage sein, zwischen den verschiedenen Konsonanten zu differenzieren. Ohne sie ist die Entwicklung einer Unzahl von Worten, wie sie der Mensch unterscheiden kann, unmöglich. Beim Menschen ist der Gehörgang seit etwa 600.000 Jahren hierfür ausreichend ausgeformt.

 

Daneben existiert auch noch eine genetische Veranlagung zur Sprache. Diese befähigt aber nicht dazu, irgendeine von Geburt an „einprogrammierte“ Sprache abzurufen. Stattdessen bedingt sie die Entwicklung bestimmter Hirnareale, die wiederum das Sprachlernen ermöglichen. Einer dieser Areale ist der cinguläre Cortex.

 

 

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Kompendium der nordamerikanischen Kryptiden und magischen Kreaturen

Dieses Buch gibt vor, ein illustrierter Leitfaden zu den Kryptiden und magischen Kreaturen Nordamerikas zu sein. Es beschreibt die Biologie, Ernährung, Lebensraum, magische Verwendung und Verteidigung gegen sie. Das Kompendium ist Lehrbuch an der Magischola und nützlich für alle Dungeonmaster und Monsterliebhaber.

Viele der vorgestellten Monster sind niedlich, einige legendär, andere Stoff für Albträume.

 

Was in der Beschreibung als Pseudolehrbuch erscheinen will, kommt real als liebevoll illustriertes und herrlich verspieltes Werk daher. Die Paperback-Version des Kompendlum der nordamerikanischen Kryptiden und magischen Kreaturen hat 288 Seiten in englischer Sprache und ist 2016 erschienen.

 

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Dieser cinguläre Kontext hat aber noch eine weitere Funktion: Er dient der Regulierung von Gefühlen. Somit ermöglicht er es dem Menschen, nötigenfalls seine Triebe zu unterdrücken. Damit überträgt die Sprache nicht nur (abstrakte) Informationen. Ihre Entwicklung fördert zugleich auch die Befähigung des Menschen, nach diesen abstrakten Informationen willentlich zu handeln.

 

Man kann daher festhalten, dass die Sprache in zweierlei Hinsicht ein Indikator für hohe Intelligenz und Vernunftbegabung ist. Sofern auch der Bigfoot darüber verfügt, deutet dies auf eines Wesensähnlichkeit zum Menschen hin.Daumen hoch, ein Teil einer einfachen Sprache?

Das „Daumen hoch“ ist nicht erst durch Facebook zu einer der bekanntesten Gesten der Welt geworden. 

Es stellt sich gleichwohl die Frage, ob Sprache zwingend in Lautäußerungen bestehen muss. Ein komplexes System von (Hand-)Zeichen scheint etwa in intellektueller Hinsicht nicht weniger fordernd zu sein.

 

Kunst als Indiz

Eine weitere Eigenart des Menschen besteht in seiner künstlerischen Begabung. Von modernen Menschen wie auch von Neandertalern sind zehntausende Jahre alte Kunstwerke bekannt. Es handelt sich also keineswegs um eine Eigenart des Homo sapiens.

 

Höhlenkunst in Argentinien
Hand-Negative in der Cueva de las Manos in Argentinien. Foto: Diego Tirira CC-BY-SA 2.0

 

Die große Besonderheit der Kunst liegt darin, dass sie keinen Überlebensvorteil mit sich bringt. Sie hat also auch evolutionär betrachtet keinen unmittelbaren Wert und kann somit nicht auf ein rein instinktives Verhalten zurückgeführt werden. Stattdessen spricht das Vorhandensein von Kunstwerken für ein symbolisches Denken ihres Schöpfers.

 

Dieses symbolische Denken ist ganz klar eine Eigenschaft des modernen Menschen. Dass auch der Neandertaler hierzu in der Lage war, galt lange Zeit als unwahrscheinlich. Der Fund einer etwa 65.000 Jahre alten Höhlenmalerei aus Spanien scheint aber vor wenigen Jahren das Gegenteil bewiesen zu haben. Aus dieser Zeit sind nämlich keinerlei Fossilien des Homo sapiens, wohl aber Fossilien des Neandertalers nachgewiesen. Solange keine ähnlich alten Fossilien des Homo sapiens gefunden werden, muss man die Malereien zwangsläufig dem Neandertaler zuordnen.

 

Höhlenmalerei: stilisiertes Pferd
Dieses stilisierte Pferd wurde nach heutigen Erkenntnissen von Neandertalern gemalt. Cueva La Pasiega, Spanien. Foto: Gobierno de Cantabria CC-BY-SA 3.0

 

Kunstbegabung macht den modernen Menschen also nicht einzigartig, ist aber zugleich ein Zeichen für hohe Intelligenz. Im Umkehrschluss lässt sich sagen: Wenn ein Wesen in der Lage ist, Kunst herzustellen, ist es dem modernen Menschen näher, als einem bloßen Tier.

 

Es gilt also herauszufinden, ob der Bigfoot seine Umwelt künstlerisch verändert. Dabei ist aber zu beachten, dass die Kunstwerke nicht unbedingt auffällig sein müssen. Beispielsweise kann bereits eine mit Farben beschmierte Muschel- oder Schneckenschale als Kunstwerk gelten.

 

 

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Neandertal: Die Geschichte geht weiter

Im Sommer 1997 führten die Archäologen Dr. Ralf W. Schmitz und Dr. Jürgen Thissen vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege am Ufer der Düssel Sondagen durch mit dem Ziel, den Aushub der kleinen Feldhofer Grotte – jener Höhle, in der 1856 der Neandertaler entdeckt worden war – zu lokalisieren. Gestützt auf altes Kartenmaterial und die Ergebnisse von Sondagen aus dem Jahre 1984 gelang ihnen eine detektivische Glanzleistung.

Etwa 50 Meter von der alten Untersuchungsstelle entfernt konnten sie Reste lehmiger Höhlenfüllungen mit Besiedlungsspuren des eiszeitlichen Menschen entdecken. Dieser Aushub war von Steinbrucharbeitern 1856 vor der Sprengung der Kalkfelsen aus den Höhlen herausgeschaufelt und am Düsselufer aufgehäuft worden. Sprengschutt überdeckte die Abraumhaufen und hat sie so vor der endgültigen Zerstörung bewahrt. Neben Steinwerkzeugen und Faunenresten fanden die Ausgräber darin auch zahlreiche Fragmente von Menschenknochen. War die Wiederentdeckung der Fundstätte bereits eine Sensation, so erschien ein weiterer Fund geradezu unglaublich!

 

Neandertal: Die Geschichte geht weiter ist 2002 im Spektrum Akademischer Verlag erschienen und hat 346 Seiten. Es ist ein wissenschaftlicher Bericht, der sich mehr als spannender Krimi liest…

 

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Bestattungskultur als Alleinstellungsmerkmal des Menschen

Eng mit dem symbolischen, in diesem Fall vielleicht gar spirituellen, Denken verbunden ist auch die Bestattungskultur des Menschen. Es existiert kein Volk, das nicht irgendwelche Riten an seinen Toten durchführt. Deren Komplexität ist dabei nicht wesentlich, wenn auch ein Pharaonengrab prächtiger ist, als ein Erdloch ohne Grabstein.

Viel wichtiger ist Eines: Es bringt den Überlebenden objektiv betrachtet keinen Vorteil, ihre Toten zu bestatten. Sicherlich, nicht in der Nähe von Toten der eigenen Art sein zu wollen, bringt einen Überlebensvorteil. So wird die Übertragung von Krankheitserregern unwahrscheinlich. Das erklärt aber nicht, warum Menschen etwa den Aufwand betreiben, ein Grab auszuheben Die Leiche an einem abgelegenen Ort zu entsorgen, wäre schließlich viel einfacher und energieeffizienter.

 

Ob das nun durch eine bloße, über den Tod hinausgehende, Zuneigung oder durch den Glauben an ein Leben nach dem Tod begründet ist – Jedenfalls spricht die Bestattungskultur für die Befähigung, abstrakte Werte zu verstehen. Diese Befähigung, abstrakten Werten und Normen zu folgen, ist wiederum auch für das Verständnis von Recht Voraussetzung.

Auch diese Form des symbolischen Denkens wollte man dem Neandertaler lange Zeit über absprechen. Inzwischen kam es aber zu einer Neubewertung paläontologischer Funde. Aus diesen geht hervor, dass auch der Neandertaler aller Wahrscheinlichkeit nach seine Toten bestattete.

Indizien dafür gibt es einige: So sind etliche der Knochenfunde weder verwittert, noch abgenagt. Die Überreste wurden folglich recht bald nach dem Tod von Erde bedeckt, sodass sie nicht Aasfressern oder der Witterung zum Opfer fielen. Auch scheinen die Gruben, in denen die Überreste aufgefunden wurden, menschgemacht zu sein.

 

Neandertaler-Begräbnis Kebara 2
Neandertaler-Begräbnis in Kebara (Israel); Abguss im NHM London. Foto: Emoke Denez, CC-BY-SA 4.0

Sollten sich also Bigfoot-Gräber finden, spricht auch das für eine Begabung des Bigfoot zu Kultur und Vernunft. Wenn diese Gräber nicht (auffällig) markiert sind, ist das natürlich schwierig. Es bleibt fast nur ein Zufallsfund als Möglichkeit. Vielleicht kann auch ein Hominologe ein Bestattungsritual beobachten, was in Anbetracht der zurückgezogenen Lebensweise des Bigfoot aber eher unwahrscheinlich wirkt.

 

Im Übrigen könnten im Zusammenhang mit Bigfoot-Gräbern ungeahnte rechtliche Konsequenzen entstehen, wenn der Hominid wirklich als Mensch anerkannt werden sollte. Das gilt jedenfalls, sofern sich diese Gräber auf US-amerikanischem Boden befinden. Dieses Thema wird allerdings an späterer Stelle in einem eigenen Abschnitt behandelt werden.


Der erste Teil des Beitrages „Hat ein Bigfoot Rechte“ erschien am 2. März diesen Jahres.

Der zweite Teil des Beitrages „Hat ein Bigfoot Rechte“ erschien am 16. März diesen Jahres.

Der vierte Teil des Beitrages wird am 13. April erscheinen.




Hat ein Bigfoot Rechte? Teil 2

Mensch (und Bigfoot) im biologischen Sinne

Was ist nun eigentlich ein Mensch? Der Verfasser ist ein Mensch, der Leser wohl ebenso und selbst die garstige Nachbarin von Gegenüber ist ein Mensch. Wenn wir einen Menschen sehen, erkennen wir ihn auch.

Das ist eigentlich auch nicht sehr schwierig. Die Tatsache alleine, dass wir uns ohne weitere Zusätze bloß an Menschen bezeichnen, deutet das schon an. Homo, das lateinische Wort für den Menschen ist eine Gattungsbezeichnung. Der Homo sapiens kann es sich nur deswegen erlauben, sich ohne Weiteres mit seinem Gattungsnamen zu betiteln, weil die übrigen Menschenarten ausgestorben sind. Soweit ist jedenfalls der Stand der Forschung.

 

 

Daher auch brauchten sich Menschenrechtler wie Gesetzgeber bis jetzt auch nicht mit der Frage beschäftigen, welche Rechte den übrigen Menschenarten zugestanden hätten. Was soll auch ein keulenschwingender Höhlenmensch mit Menschenrechten anfangen?

 

Jeder von uns ist (mindestens) zwei (Arten)

Ganz so irrelevant ist die Frage aber dann doch nicht. Wir sind nämlich keine „reinen“ Homo sapiens. Präziser gesprochen stammt der moderne Mensch nicht von einer einzigen Art ab, sondern von mindestens zwei Arten.

 

Der europäisch-stämmige Mensch (d.h. z.B. auch weiße US-Amerikaner) sowie der asiatisch-stämmige Mensch stammt teilweise vom Neandertaler ab. Etwa zwei Prozent seiner Gene lassen sich eindeutig auf ihn zurückführen.

Inzwischen gilt die Annahme als widerlegt, nach der afrikanisch-stämmige Menschen nicht über Neandertaler-DNA verfügen. So war Joshua Akey von der Princeton-Universität an einer Studie beteiligt, die die Erbinformationen der Afrikaner aufschlüsseln sollte. Man kam zum Schluss, dass etwa 2/3 Prozent afrikanischer DNA auf den Neandertaler zurückzuführen sind.

 

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Humangenetik: Eine kurze Geschichte von jedem, der jemals gelebt hat

Wussten Sie, dass jeder von uns Karl den Großen zu seinen Vorfahren zählen kann? Dass Neandertaler mitnichten eine eigene Spezies sind, genetisch so etwas wie Rasse gar nicht existiert und die Rothaarigen allen Unkenrufen zum Trotz nicht aussterben werden?
Wo kommen wir her? Was ist der Mensch? Seit das Genom, der komplette Erbgut-Satz eines Menschen, hunderttausendfach entschlüsselt («sequenziert») worden ist, erobert die Genforschung immer weitere Felder. Das Neueste: Weil unserem Genom auch die Evolution unserer Spezies eingeschrieben ist, schreiben Genforscher jetzt an der Seite von Archäologen und Historikern auch Menschheitsgeschichte.

Altes Wissen wird revidiert

Sie haben dabei überraschende Erkenntnisse gewonnen. Und manches Wissen von gestern erweist sich als Mythos, zumal inzwischen auch das Genmaterial sehr alter Knochenfunde «zum Sprechen» gebracht werden kann.
Ein Science-Schmöker für jedermann, der sich für dieses neue Wissensfeld interessiert, zugleich gibt der Autor eine beiläufige Einführung für jedermann in die Vererbungslehre. 150 Jahre nach Darwin gibt Rutherford einen ausgezeichneten Überblick darüber, was wir inzwischen wissen können und auch darüber, was wir eben nicht wissen.

 

Eine kurze Geschichte von jedem, der jemals gelebt hat ist 2018 bei Rowohlt erschienen und hat satte 464 Seiten in deutscher Sprache.

 

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Dazu kommt bei Asiaten noch DNA des Denisova-Menschen. Ja nach der genauen geografischen Lage variiert der Anteil. Im Extremfall – bei Melanesiern nämlich – kann er bis zu sechs Prozent betragen.

Es existierten also Menschen-Arten, die mit dem modernen Menschen zumindest teilweise fortpflanzungsfähigen Nachwuchs zeugen konnten. Anderweitig ließen sich diese archaischen Anteile in der DNA des heutigen Menschen nicht erklären. Dementsprechend eng muss die Verwandtschaft der verschiedenen Menschenarten gewesen sein.

Wenn sich heute also etwa noch ein lebender Neandertaler finden ließe, würde dies sicherlich eine Debatte anstoßen. Von allen moralischen Überzeugungen abgesehen und rein biologisch betrachtet würde sich nämlich die Frage stellen: Ist seine Verwandtschaft mit dem modernen Menschen eng genug, um ihm alleine aufgrund dessen Menschenrechte zuzugestehen?

 

Wie eng die Verwandtschaft des hypothetischen Bigfoot mit dem modernen Menschen wäre, lässt sich freilich schwer vorhersagen. Wenn aber bereits ein Präzedenzfall wie etwa der existieren würde, würde dies die Argumente für Bigfoot-Rechte stärken.

 

Neandertaler
Schön ist er nicht, aber er fällt auch nicht wirklich auf: der Neandertaler (Foto im Neanderthal-Museum, Mettmann)

 

Bigfoot als Halbmensch – Die Theorien der Melba S. Ketchum

Für Aufsehen sorgte eine Studie, die die US-Amerikanerin Melba S. Ketchum 2013 in Zusammenarbeit mit einem über ganz Nordamerika verstreuten Team veröffentlichte. Darin wurde behauptet, dass man die Existenz des Bigfoot bewiesen habe.

 

Dass dieser Beweis nicht so eindeutig war, wie Ketchum et al. ankündigten, dürfte wohl naheliegend sein. Sonst hätten sich auch Medien (und Wissenschaftler!) außerhalb der kryptozoologischen Szene weitaus stärker damit befasst. Kurz gesagt: Die Studie wurde vielfach kritisiert. Die Hintergründe umfassend zu erläutern, würde allerdings zu stark vom eigentlichen Thema ablenken. Schließlich lautet in diesem Artikel die Frage nicht, ob der Bigfoot existiert. Stattdessen soll diskutiert werden, ob bzw. unter welchen Umständen dem Bigfoot Menschenrechte zustehen würden.

 

In einem früheren Abschnitt wurde erwähnt, dass der Mensch laut der UNESCO als eine einzige Art ohne Unterarten definiert ist. Zugleich wird aber auch anerkannt, dass es in der Vergangenheit zur Hybridisierung mit anderen Menschenarten gekommen ist. Deren rechtlicher Status ist irrelevant, da sie bereits ausgestorben sind. Den Nachkommen dieser menschlichen Hybride sollen aber gleiche Rechte zustehen, ungeachtet dessen, wie groß der Anteil einer ausgestorbenen Art an ihrer DNA ist.

Hier kommen nun Ketchum et al. ins Spiel. Sie hatten eine DNA-Analyse vornehmlich von Haaren, aber auch Blut, Speichel und Gewebe angeblicher Bigfoots durchgeführt. Dabei kamen sie zum Schluss, dass diese Proben DNA enthielten, die keiner bekannten Art zugeordnet werden konnten. Das wäre in Anbetracht der Tatsache, dass der Bigfoot noch nie wissenschaftlich beschrieben wurde, nicht weiter seltsam.

 

Die (angebliche) Sensation bestand aber vielmehr darin, dass sich andere Teile der Bigfoot-DNA ganz eindeutig einer bestimmten Art zuordnen ließen – dem Homo sapiens nämlich! Ketchum meinte sogar, genau bestimmen zu können, woher diese Menschen kamen: Aus dem Nahen Osten. Daraus schloss sie wiederum, dass diese menschlichen Vorfahren über die Bering-Straße nach Nordamerika eingewandert waren. Mit anderen Worten: Die indigene (menschliche) Bevölkerung Amerikas ist ein Vorfahr des Bigfoot!

 

 

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Bigfoot, Yeti, and the Last Neanderthal: A Geneticist’s Search for Modern Apemen

Dies ist „Das große Buch der Yetis“. Was der Leser hier bekommt, ist die Suche eines Weltklasse-Genetikers nach Beweisen für die Existenz von Big Foot, Yeti oder dem abscheulichen Schneemann. Unterwegs besucht Bryan Sykes Orte, an denen angeblich diese seltsamen Kreaturen gesichtet wurden, nimmt an Treffen von Kryptozoologen teil, erzählt die Geschichten berühmter Monsterjagd-Expeditionen und lässt mögliche Yeti-DNA durch sein hoch angesehenes Labor in Oxford laufen.

 

Sykes stellt uns die Spinner, Visionäre und Abenteurer vor, die in den letzten 100 Jahren an der Erforschung dieser möglichen wissenschaftlichen Sackgasse beteiligt waren. Sykes ist ein ernsthafter Wissenschaftler, der weiß, wie man eine Geschichte erzählt, und dies ist ein glaubwürdiger und ansprechender Bericht. Fast, aber nicht ganz menschlich üben der Yeti und seine Artgenossen aus wilden Regionen der Welt immer noch einen starken atavistischen Einfluss auf uns aus. Ist der Yeti nur ein Trugbild unserer Vorstellungskraft oder ein Überlebender unserer eigenen wilden Vorfahren? Oder ist es ein echtes Wesen? Dies ist das Geheimnis, das Bryan Sykes lüften wollte.

 

Bigfoot, Yeti and the last Neandethal… ist 2015 independent erschienen und hat als Taschenbuch 320 Seiten. Es ist in englischer Sprache geschrieben.

 

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Den anderen Vorfahren konnten Ketchum et al. nach eigenen Angaben nicht näher bestimmen. Es musste sich demnach um eine dritte Art handeln. Der Bigfoot war also ein Hybrid aus dem modernen Menschen und einem unbekannten Hominiden. Das Team hatte also sogar zwei Arten entdeckt.

Jedenfalls glaubten Ketchum et al. dies. Nicht bloß das wissenschaftliche Establishment, sondern auch etliche Kryptozoologen meldeten ihr Zweifel an – die prompt ignoriert wurden.

Angenommen, dass die Ergebnisse der Studie aber der Wahrheit entsprochen hätten, wäre Eines klar: Dem Bigfoot wären automatisch und alleine aufgrund seines biologischen Status Menschenrechte zuzugestehen. Die Unterzeichnerstaaten der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ könnten ein abweichendes Vorgehen nicht rechtfertigen.

Was aber wenn der Bigfoot nicht das Glück haben sollte, reichlich Gene des modernen Menschen in sich zu tragen? Automatisch würden ihm in diesem Fall ganz klar keine Menschenrechte zustehen.

 

Bering-Landbrücke
ungefährer Küstenverlauf um Beringia: hellbrün: nur bei maximaler Vereisung trocken, mittelgrün: bei mittlerer Vereisung trocken, braun: heutiges Land. Über diesen Weg wurde Amerika von Menschen kolonisiert, auch wenn neuere Forschungen zudem noch Nebenwege darstellen.

 

 

(Menschen-)Rechte aus philosophischer Perspektive

Alle Dokumente, die sich den Menschenrechten widmen, scheinen also bei einer biologischen Begründung zu bleiben. Diese ist die einfachste und in der Praxis sinnvollste Begründung. Sie ist allerdings nicht die logischste.

Diese Art der Begründung lässt unsere Rechte wie ein Naturgesetz wirken. Dem ist natürlich nicht so. Die Menschenrechte können theoretisch jederzeit erweitert, verringert, oder schlicht ignoriert werden – ganz im Gegensatz zu den Naturgesetzen.

 

Was also macht den Menschen so besonders, dass er so etwas wie Rechte verdient hat, die nicht von Natur aus vorkommen? Es ist eine geradezu blasphemische Frage, die mancherorts wohl eher durch einen empörten Aufschrei als durch eine sachliche Debatte beantwortet werden würde.

Der Ursprung und die Begründung des Rechts ist aber für die Frage nach den Rechten des Bigfoot sehr relevant. Wenn nämlich bekannt ist, wie und warum menschliches Recht entsteht, lassen sich Analogien zum Bigfoot ziehen. Sind ähnliche Umstände vorhanden, erscheint es sinnvoll, daraus auch ähnliche Schlüsse zu ziehen. Dem Hominiden würden also Menschen-, respektive Bigfootrechte zustehen.

 

Blick über Redwood-Wälder mit tiefhängenden Wolken
Die Redwood-Wälder an der US-Westküste gehören zu den prominentesten Bigfoot-Habitaten. Wären sie durch Bigfoot-Rechte geschützt?

 

Eine kurze Rechtfertigung der ausgewählten Philosophen

Die hier vorgestellten Ansätze stellen eine mehr oder weniger willkürliche Auswahl dar. Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie Recht (aber nicht zwingend Gerechtigkeit) als nicht von Natur aus gegeben ansehen.

 

Nun mag es sein, dass tatsächlich ein höheres Recht besteht, als das menschgemachte. Wenn dem aber so ist, scheint seine menschliche Interpretation sehr uneinheitlich zu sein. Die diversen Religionen, sonstigen spirituellen Bewegen und auch Weltanschauungsgemeinschaften kommen hier nämlich zu sehr unterschiedlichen Schlüssen.

 

Für die persönliche Lebensgestaltung ist dies nicht weiter tragisch, da hier jedermann weitgehend eigene Verhaltensregeln aufstellen kann. Wenn es aber um universelle Rechte geht, müssen objektivere Begründungen gewählt werden. Insofern ist es nur sinnvoll, davon auszugehen, dass Recht kein Ur- oder Naturzustand ist. So kann ein Jeder die Begründung des Rechts zumindest logisch nachzuvollziehen, auch ohne sie zwingend zu teilen.

 

Anderweitig wäre die Debatte, ob dem Bigfoot Rechte zustehen, überflüssig. Ausdrücklich erwähnt dürfte er wohl in keinem noch so alten Gesetz werden. Es hinge also alles davon ab, ob das jeweilige Recht positiv oder negativ formuliert ist. Ist es positiv formuliert, stünden ihm keine Rechte zu, denn sein Anspruch wird nicht ausdrücklich erwähnt. Ist es negativ formuliert, stünden ihm Rechte zu, da diese nicht ausgeschlossen sind.

 

Damit aber zurück zum menschlichen Recht:

 

 

Thomas Hobbes: Für das Recht im Namen der Ordnung

Portrait von Thomas Hobbs
Thomas Hobbs, 1588 – 1679, englischer Philosoph, Staatstheoretiker und Mathematiker

Dass Recht sein muss, war für den britischen Philosophen Thomas Hobbes völlig klar. Dies zu begründen, war sein Anliegen. Dabei stützte sich Hobbes  – wohlgemerkt Mitte des 17. Jahrhunderts – aber nicht mehr auf göttliche Prinzipien. Vielmehr ging er davon aus, dass Recht ein zwingendes, aber menschliches Konstrukt ist.

 

Den Menschen sah er als von Natur aus eher triebhaft veranlagtes Wesen, das nach Selbsterhaltung einerseits und Glücklichsein andererseits strebt. Um diese Bedürfnisse zu befriedigen, bedient sich der Mensch im Naturzustand aller ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Dies ist sein natürliches Recht, das aber nicht in einer Reihe von Regelungen, sondern in grenzenloser Freiheit besteht.

 

Das ist Hobbes zufolge aber nur eine ganz utopische Theorie. Völlige Freiheit ist bereits in demjenigen Moment ein Widerspruch, in dem mehrere Menschen sie für sich beanspruchen. Es entsteht nämlich ein Interessenskonflikt. So verhindern die Menschen untereinander das Erreichen ihres individuellen Glücklichseins. Zuletzt ist sogar die Selbsterhaltung bedroht, da die Menschen sich im dauernden Kriegszustand gegeneinander befinden. Es entsteht aus der grenzenlosen Freiheit heraus ein Zustand völliger Unfreiheit.

Wirklich glücklich kann der Mensch also nicht werden. Er kann aber zumindest versuchen, die dauernde Existenzbedrohung aus der Welt zu schaffen.

 

Zu diesem Zweck hat der Mensch Staaten erschaffen, von Hobbes auch als „Leviathan“ bezeichnet – ein Name, der zugleich auch Titel seines wohl bekanntesten Werkes ist. Diesen Leviathan beauftragt er, so Gesetze zu erschaffen und zu überwachen, dass diese dem Eigeninteresse des Menschen dienlich sind.

 

Dafür ist aber die Bereitschaft erforderlich, auf Rechte zu verzichten. Die Menschen, die einen Staat bilden sollen, schließen folglich einen Gesellschaftsvertrag ab. Die Menschen sind Vertragspartner, nicht aber der Staat, der ein bloßes Instrument zur Kontrolle des Vertrages ist. Solange dieses Instrument durchsetzungsfähig ist – also kein innerer oder äußerer Feind es zerstören kann – muss es beachtet werden. Der innere Feind ist dann übermächtig, wenn keine Mehrheit das Souverän, d.h. den Staat unterstützt.

 

Das Souverän sollte theoretisch im Interesse des Volkes dienen. Praktisch ist die Unterwerfung unter den Staat aber absolut, da er kein Teil des Gesellschaftsvertrages ist. So kann er auch nicht den Vertrag brechen oder Unrecht tun. Auch hat so die Minderheit, die das Souverän nicht in dieser Form gestalten wollte, keinerlei Rechte.

Trotzdem sah Hobbes diesen Zustand als den bestmöglichen an. Er bietet nämlich einen Ausweg aus der dauernden Ruhelosigkeit, die der Naturzustand mit sich bringt.

 

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Neandertal: Die Geschichte geht weiter

Im Sommer 1997 führten die Archäologen Dr. Ralf W. Schmitz und Dr. Jürgen Thissen vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege am Ufer der Düssel Sondagen durch mit dem Ziel, den Aushub der kleinen Feldhofer Grotte – jener Höhle, in der 1856 der Neandertaler entdeckt worden war – zu lokalisieren. Gestützt auf altes Kartenmaterial und die Ergebnisse von Sondagen aus dem Jahre 1984 gelang ihnen eine detektivische Glanzleistung.

Etwa 50 Meter von der alten Untersuchungsstelle entfernt konnten sie Reste lehmiger Höhlenfüllungen mit Besiedlungsspuren des eiszeitlichen Menschen entdecken. Dieser Aushub war von Steinbrucharbeitern 1856 vor der Sprengung der Kalkfelsen aus den Höhlen herausgeschaufelt und am Düsselufer aufgehäuft worden. Sprengschutt überdeckte die Abraumhaufen und hat sie so vor der endgültigen Zerstörung bewahrt. Neben Steinwerkzeugen und Faunenresten fanden die Ausgräber darin auch zahlreiche Fragmente von Menschenknochen. War die Wiederentdeckung der Fundstätte bereits eine Sensation, so erschien ein weiterer Fund geradezu unglaublich!

 

Neandertal: Die Geschichte geht weiter ist 2002 im Spektrum Akademischer Verlag erschienen und hat 346 Seiten. Es ist ein wissenschaftlicher Bericht, der sich mehr als spannender Krimi liest…

 

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Max Stirner: Gegen die Menschenrechte im Namen des Naturrechts

Max Stirner
Max Stirner, 1806 – 1856, deutscher Philosoph und Schriftsteller

Dass Menschen bereits sind, Teile ihres natürlichen Rechtes aufzugeben, meinte auch der deutsche Philosoph Max Stirner erkannt zu haben. In seinem (einzigen) Buch „Der Einzige und sein Eigentum“ aus dem Jahr 1844 verwirft er jedoch den Gedanken, dass das Recht gerechtfertigt werden kann.

 

Wie auch Hobbes geht Stirner davon aus, dass der Mensch von Natur aus zunächst einmal zu Allem berechtigt ist. Erst der Staat oder eine andere mächtige Kontrollinstanz wie eine Religionsgemeinschaft schaffen Gesetze.

 

Stets – so Stirner – werden diese Gesetze mit dem Wohl des Menschen begründet. Zuletzt war ins seiner Zeit auch immer öfter von sogenannten Menschenrechten die Rede gewesen. Stirner allerdings kritisierte, dass es unmöglich war, einem Menschen Rechte zu geben. Schließlich verfügt der Mensch von Natur aus ja schon über das Recht auf Alles.

Daraus schloss Stirner im Umkehrschluss, dass das Recht allgemein und die Menschenrechte im Besonderen in Wirklichkeit entrechtend auf den Menschen wirken. Schließlich nimmt der Staat dem einzelnen Menschen so Handlungsspielräume. Er kann nicht mehr völlig ungehindert seine Interessen vertreten.

Auch verwirft Stirner die Vorstellung, dass die Staatenbildung (und damit Entstehung des Rechts) eine allseitig rationale Entscheidung darstellt. Rational ist sie nur für die zukünftigen Organe des Staates, d.h. für die Mächtigen. Da sie durch die Allgemeinheit gebilligt werden, müssen sie sich ihr Recht auf Herrschaft nicht mehr nehmen. Vielmehr gibt man ihnen diese Herrschaft freiwillig. So können die Vertreter des Souveräns dann ungehindert ihrem Egoismus freien Lauf lassen.

 

Hierzu ein kurzer Einschub: Stirner vertrat ein einigermaßen seltsames Menschenbild, in dem Egoismus nicht gleich Egoismus ist: Er kritisierte, obwohl er als Anarchist gilt, nicht totale Machtausübung an sich. Einen anderen Menschen zur völligen Unterwerfung zu zwingen, konnte eine logische Folge der grenzenlosen, naturgegebenen Handlungsfreiheit sein. Er erwartete aber vom Unterworfenen, dass dieser umgehend den Sturz seines Herren planen sollte. Schließlich schränkte die Unterwerfung zugleich den naturgegebenen Zustand völliger Freiheit des Beherrschten ein. Seine ideale „Gesellschaft“ bestand also in einem unumschränkten Wettstreit des Egoismus.

 

Dem Untertanen oder Bürger – für Stirner war beides gleich – wirft der Philosoph vor, nur teilweise egoistisch zu handeln. Freilich erhofften sie sich durch die Abgabe von Teilen ihres Naturrechts, dass ihnen andere Rechte erhalten blieben. Stirner wollte aber nicht einsehen, dass sie diesen Verlust nicht als schmerzlich empfanden.

Als Ursache für diese seiner Ansicht nach unsinnige Haltung nannte Stirner Ideale. Ideale sind ihm zufolge entweder religiös bedingt oder stellen wie im Fall des Humanismus eine Ersatzreligion dar. Diese Ideale führen zur Überzeugung, dass das Recht nötig ist, um höhere Ziele zu erreichen, als das natürliche Recht auf Alles. Abschätzig bewertete Stirner dies als Jugendsünde, die von einer mangelnden Reife der meisten Menschen zeugt.

 

 

Immanuel Kant: Recht im Namen von Mensch und Gerechtigkeit

Immanuel Kant
Immanuel Kant, 1724 – 1804, deutscher Philosoph

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Der kategorische Imperativ Immanuel Kants dürfte einer der wohl bekanntesten Sätze der deutschen Philosophie sein. Auch der Name Philosophen dürfte einer größeren Zahl der Leser ein Begriff sein, als etwa Hobbes und besonders Stirner.

Ganz unabhängig davon werden durch den kategorischen Imperativ hohe Ansprüche formuliert, die das (geschriebene) Gesetz tatsächlich überflüssig machen würden. Zwar ging Kant grundsätzlich von der Befähigung jedes Menschen aus, diesen Kategorischen Imperativ einzuhalten. Doch er war nicht naiv genug, zu glauben, dass auch Jedermann freiwillig dazu bereit wäre.

Für einen Philosophen, der auf den ersten Blick etwas vergeistigt klingen mag, ging Kant aber von einer sehr schlichten Grundannahme aus: Der Mensch ist demnach in vielerlei Hinsicht dem Tier ähnlich. Er kennt Lust und Unlust, wobei er das Erstere zu erreichen, das Letztere aber zu vermeiden versucht.

 

Es besteht aber auch ein besonders wesentlicher Unterschied zwischen Mensch und Tier: Der Mensch verfügt über Willkür. Mag dieses Wort heute auch einen sehr negativen Beigeschmack haben, fasst Kant es zunächst neutral auf: Willkür bedeutet nichts anderes, als die Fähigkeit, die Triebe zumindest zeitweise zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zu unterdrücken.

Dieser Zweck kann zunächst einmal darin bestehen, langfristig ein größere Lustempfinden zu erreichen. Lust ist dabei nicht (mehr) rein triebhaft oder gar sexuell zu verstehen. Vielmehr bedeutet „Lust“, einen zufriedenen Zustand als Ziel erreicht zu haben. Man denke etwa an einen Zahnarztbesuch, bei dem man kurzfristige Unannehmlichkeiten in Kauf nimmt, um langfristig schmerzfrei zu sein.

Daneben geht Kant aber auch davon aus, dass der Mensch rein aus seinen Werten heraus, also altruistisch handeln kann. Damit ist jede Handlung gemeint, die nicht unmittelbar einen Lustgewinn bedeutet oder sogar zum Verlust der Lust führt.

 

Zuletzt existieren laut Kant aber auch noch völlig abstrakte, aber allgemeingültige Prinzipien, wie etwa die Würde des Menschen. Diese sieht er als so grundlegend und gegeben an, dass sie nicht weiter begründet werden müssen. Diese Werte scheinen für ihn einen Teil dessen auszumachen, was allgemein als „Gerechtigkeit“ bezeichnet wird.

Aus diesen teils egoistisch, teils altruistisch bedingten Werten des Menschen leitet sich sein Streben nach Glücklichsein ab. Da nach Kant jeder Mensch nach Zufriedenheit strebt, will auch Niemand diesen Zustand verlieren.

 

Es existiert aber eben nicht bloß ein einziger Mensch auf dieser Welt. So ist es folglich nötig, sich davor abzusichern, dass die Anderen der Zufriedenheit im Wege stehen. Hier kommt der kategorische Imperativ ins Spiel: Wenn ein Jeder nach Zufriedenheit strebt und dieses Streben zum allgemeinen Prinzip (d.h. für alle Menschen) erhebt, müssen sich die Menschen gegenseitig beim Glücklichwerden behilflich sein.

 

So lassen sich dann also auch Gesetze ableiten: Die Menschen setzen gemeinsam ihre Willkür ein, um einen Zustand zu schaffen, den sie als befriedigend empfinden. Dies stellt wiederum eine moralische Rechtfertigung für den Staat und das Recht dar.

 

Statue der Justizia
Statue der Justizia an einem Hamburger Gericht

 

Fazit in Bezug auf Rechtfertigung und Entstehung des Rechts

Auch wenn Kant die Grundzüge des Menschen am eindeutigsten darstellte – Implizit sind die Grundannahmen zum Wesen des Menschen und der Entstehung des Rechts recht ähnlich:

Er ist der Grund, warum Gesetz und somit auch Menschenrechte bestehen können. Dabei ist er aber nicht bloß Untergebener, sondern zugleich auch Schöpfer des Rechts.

Dass Recht sein kann, erfordert wiederum die Fähigkeit zur Triebregulierung: Der Mensch ist unter bestimmten Umständen in der Lage, seine Wünsche zurückzustellen. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich und dasselbe gilt auch für die Bewertung der Fähigkeit: Von reinem Egoismus (Hobbes) bis hin zu weitgehendem Altruismus (Kant) und von Bejahung der Triebregulierung (Hobbes, Kant) bis zur vehementen Ablehnung (Stirner).

 

 

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Die Entdeckung des Sasquatch

In der Entdeckung des Sasquatch überdenkt der Biologe John Bindernagel viel von dem herrschenden Wissen über den Sasquatch. Er illustriert Beweise, die der weitverbreiteten Wahrnehmung des Sasquatch als nur ein kulturelles Phänomen widerstehen – ein Mythos, Halluzination, imaginäres Wesen, falsch identifizierter Bär oder Hoax. Er erklärt, warum Kriterien wie Testabilität, Konsistenz, Vorhersagekraft und Einfachheit tatsächlich eine alternative Hypothese unterstützen: der Sasquatch als extante Materie unterstützen.

Die Entdeckung des Sasquatch bietet ein wichtiges Verständnis der Stärken und Schwächen der Wissenschaft, da es in der modernen Welt praktiziert wird… ein Buch, das ich glaube, seinen Platz neben den Werken von Thomas Kuhn und Michael Polanyi als dauerhaften Beitrag zur Wissenschaft einnehmen wird.“—David A. Walsh, Ph.D., Associate Professor von Professor von Psychology, Universität.

 

The Discovery of the Sasquatch ist 2012 bei Beachcomber Books in englischer Sprache als Taschenbuch erschienen.

 

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Am Grundprinzip des Rechts ändert das aber nichts: Eine Gruppe von Menschen schafft Normen, die dann durch alle Mitglieder dieser Gruppe zu befolgen sind. Es handelt sich also um eine Form abstrakten Denkens. Schließlich sind Normen nicht greifbar, wie es die Objekte reiner Triebbefriedigung sind.

Auch kann man die so entstandenen Ordnung nicht völlig mit der sozialen (Rang-)Ordnung vergleichen, wie sie im Tierreich vorherrscht. Die letztere entsteht mehr durch Versuch und Lohn oder Strafe für diesen Versuch, wird also konditioniert. Daneben findet auch noch ein Lernen durch Beobachtung statt; ein Tier kann also auch aus den Handlungen von Artgenossen lernen.

Das Alles trifft auch auf den Menschen zu. Es reicht aber nicht aus, um die Einhaltung komplexer Normen – wie etwa der Menschenrechte – begründen. Die meisten Menschen werden nie für einen (schweren, wie etwa menschenrechtswidrigen) Gesetzesverstoß bestraft. Sie müssen auch nicht sehen, wie ein anderer Mensch dafür bestraft wird, um selbst gesetzeskonform zu handeln. Ihnen kann sogar klar sein, dass ihre Bestrafung eher unwahrscheinlich wäre.

Das kann nicht anders, als durch Werte, begründet werden. Sie müssen nicht hochtrabend sein. Die vage Hoffnung, durch eigenes normenkonformes Verhalten auch das normenkonforme Verhalten Anderer auszulösen, genügt etwa schon. Diese Haltung wäre einerseits egoistisch, beruht aber andererseits auch auf der Annahme, dass der Andere über ein grundlegendes Verständnis (ausgleichender) Gerechtigkeit verfügt. Diese Gerechtigkeit, so behandelt zu werden, wie man andere behandelt, ist ein Wert. Sie ist nicht naturgegeben; nichts zwingt den Anderen per se, sein Gegenüber nicht zu übervorteilen.

 

Man kann also Zusammenfassen, dass für die Erschaffung bzw. das Verständnis von Recht ein hohes Maß an Intelligenz vonnöten ist. Diese äußert sich in einer Fähigkeit zu abstraktem Denken. Der Mensch verfügt über diese Eigenschaften.

Wenn auch der Bigfoot über diese Eigenschaften verfügen sollte, müsste man ihn als vernunftbegabt bezeichnen. Durch seine Wesensähnlichkeit zum Menschen könnte man dann rechtfertigen, dass diese Kreatur Menschenrechte erhalten soll.


Der erste Teil des Beitrages „Hat ein Bigfoot Rechte“ erschien am 2. März diesen Jahres.

Der dritte Teil des Beitrages wird am 30. März erscheinen.




Hat ein Bigfoot Rechte?

Bigfoot und die Menschenrechte – Ein philosophisches Was-Wäre-Wenn-Szenario

 

Vorspiel: Mord an der (irdischen) Dritten Art

Nun endlich war dieser harmlose ältere Herr bereit, zu gestehen: Er hatte einen Mord begangen, oder vielleicht auch nur Notwehr. Darauf wollte er aber nicht bestehen, war sich selbst nicht sicher. Jedenfalls hatte er getötet und er selbst sah diese Handlung offensichtlich als Unrecht an.

 

Jetzt, 1970, wollte H. endlich reinen Tisch machen:

 

1960 war es gewesen. Ein Jagdausflug hätte es sein sollen, den Frank H. unternehmen wollte. In Minnesota streifte er durch die winterliche Landschaft, um Hirsche zu schießen. Gerade war er einem angeschossenen Exemplar auf der Spur.

 

Dann waren da diese haarigen Dinger auf der Lichtung, wie Affen, aber größer, unheimlicher. Einer sprang auf ihn zu. Frank H. schoss, das Wesen fiel, zwei weitere flohen. Dann floh auch der Jäger.

 

Doch er kehrte zum Tatort zurück; konnte sich nicht erklären, was er getötet hatte. Er fand den Körper. Er sah zu tierisch aus, um menschlich zu sein, aber auch zu menschlich, um tierisch zu sein. War das Etwas ein besonders seltsamer, extrem behaarter Mann? Oder war es etwas völlig Anderes, etwas Unvorstellbares? Konnte dieser Körper gar alles auf den Kopf stellen, was die Menschheit über ihre Geschichte zu wissen glaubte?

 

H. sah vor seinem inneren Auge, wie die Behörden ihn verfolgen würden, wie er vielleicht vor Gericht gestellt würde. Er musste die Leiche beseitigen. Er schaffte sie nach Hause, wollte sie später vergraben. Was aber, wenn jemand die Leiche sähe, wie er sie wieder aus seinem Haus schaffte, oder wie er sie transportierte, oder wie er ihr Grab schaufelte? Es ging nicht. Aber er konnte sie nicht ewig in seiner Gefriertruhe aufbewahren. Eigentlich war sie nur ein Zwischenlager für die Leiche, bis im Frühjahr die Böden tauten. Aber er konnte den Körper ja doch nie vergraben, das Risiko war zu hoch.

 

Er entschloss sich Jahre später zur Flucht nach vorne. Nein, damals er war noch nicht bereit, sich zu stellen. Aber er wollte den Körper anders verstecken, als zuvor. „In plain sight“ hatte er sich wohl gedacht – so, dass jedermann die Leiche sehen konnte, aber niemand an Mord dachte. Darum wollte er Schausteller werden.

Darum also wollte Frank Hansen den Minnesota Iceman ausstellen.

 

1969 schloss Hansen seine Show – warum ist ebenso unklar wie der Verbleib des Icemans.

Eigentliche Einleitung

Die Geschichte des Minnesota Iceman wurde bereits an früherer Stelle in einer Artikelserie für das „Netzwerk für Kryptozoologie“ näher ausgeführt. Wer sich unter den Lesern dieses Artikels entweder daran zurückerinnert oder bereits anderweitig mit dem Minnesota Iceman vertraut war, weiß: Dieses angebliche Geständnis war nur eine von vielen Geschichten, die Frank Hansen zu dieser Kreatur erzählte. Die meisten müssen wohl falsch gewesen sein, da sie sich gegenseitig widersprachen.

Vielleicht existierte sogar niemals ein Iceman aus Fleisch und Blut.

 

Patty - Ist Bigfoot menschenähnlich genug für Menschenrechte?
„Patty“, das Wesen im Patterson & Gimlin-Film, 1967 konnte nie falsifiziert werden – Ist es wirklich eine fremde Kreatur?

 

All das ist für das Thema dieses Artikels nicht weiter relevant. Ausnahmsweise kommt es einmal nicht darauf an, wie wahrscheinlich irgendwelche angeblichen Ereignisse waren. Heute soll es um reine Spekulation gehen:

 

Wenn der Minnesota Iceman tatsächlich ein Bigfoot gewesen wäre oder wenn heute jemand einen lebenden bzw. toten Bigfoot vorzeigen könnte – was dann?

 

 

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DAS Standardwerk in der Bigfoot-Forschung

Obwohl schon etwas älter ist „Sasquatch – legend meets science“ von Jeff Meldrum das Standardwerk in der Bigfoot-Forschung. Über viele Jahre hat Meldrum Bigfoot-Spuren untersucht. Dabei stellt er von Nahrungslisten über Schrittlängen, Gewichte und Ausscheidungen des Bigfoots alles dar, was man in der klassischen Ökologie eines Wildtieres erwartet.

Auch wenn es auf Englisch geschrieben ist, liest es sich für ein Werk mit wissenschaftlichem Anspruch erfreulich leicht. 150 Illustrationen auf knapp 300 Taschenbuchseiten unterstützen den Leser dabei.

 

Sasquatch: Legend Meets Science ist 2007 bei Forge erschienen und als Taschenbuch sowie in gebundener Form, für den Kindle und als Hörbuch zum Audible-Download erhältlich.

 

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Ja, es wäre eine wissenschaftliche Sensation. Bigfoot-Forscher lägen sich in den Armen, wo sie doch so lange verlacht wurden. Die Gläubigen würden über die Skeptiker triumphieren. Die Presse würde das alles ausschlachten und tagelang über nichts Anderes mehr berichten. So viel also zu den vorhersehbaren Reaktionen unser aller Zeitgenossen.

 

Welches Geheimnis bergen die Wälder Washingtons?
Welches Geheimnis bergen die Wälder des US-Bundesstaats Washington?

 

Was aber wäre mit dem Bigfoot?

Die große Faszination an dem Kryptid wie auch an Hominiden allgemein liegt sicher nicht zuletzt an ihrer Menschenähnlichkeit. In diesem Artikel soll vorausgesetzt werden, dass die Bigfoot(s) (Bigfeet?) nicht bloß ein Volk von außergewöhnlich stark behaarten Homo sapiens darstellen. Zugleich scheint es aber unangebracht, den Bigfoot als ein Tier unter vielen einzuordnen. Dafür berichten zu viele Zeugen, dass er außergewöhnlich – es gibt kein besseres Wort – menschlich erschien. Auch sein aufrechter Gang würde den Bigfoot, abgesehen vom Menschen, gegenüber sonstigen Affen einzigartig machen.

 

Nun haben wir in unserem hypothetischen Szenario also ein Wesen, das nicht so ganz Mensch, aber auch nicht so ganz Tier ist. Jedenfalls ist nicht auf den ersten Blick offensichtlich, welcher Kategorie der Bigfoot eher zuzuordnen wäre.

 

Das wiederum führt zur Kernfrage dieses Artikels: Sollte ein Bigfoot (Menschen-)Rechte haben? Hätte man Hansen bestrafen sollen – nicht weil er ein bedrohtes Tier getötet hatte, sondern weil dieses Wesen eben mehr war, als bloß ein Tier? Wie lässt sich die Antwort begründen und rechtfertigen – nicht bloß nach einem moralischen Bauchgefühl heraus, sondern auch logisch?

 

Gorilla und menschliche Frau - einigen Affen haben Gerichte Rechte ähnlich der Menschenrechte zugebilligt
Ist der Unterschied wirklich so klein? Oder doch so groß?

 

Mensch (und Bigfoot) im rechtlichen Sinne

Nun stellt sich also die Frage, ob man dem Bigfoot Menschenrechte gewähren sollte. Der Mensch sollte zumindest in der Theorie automatisch über solche Rechte verfügen.

Nun müsste noch festgestellt werden, was so ein Mensch denn eigentlich ist. Recht und somit auch die Menschenrechte sollten schließlich objektiven Kriterien folgen. So ließe sich auch feststellen, ob denn der Bigfoot – seine Existenz stets vorausgesetzt – nicht automatisch den fraglichen Kriterien entsprechen würde.

 

Eugène Delacroix: Die Freiheit führt das Volk - In der französischen Revolution wurde auch für die Menschenrechte gekämpft
Eugène Delacroix: Die Freiheit führt das Volk, es beschreibt einen der vielen Teile der französischen Revolution

 

Ein erster Versuch

„Die Repräsentanten des französischen Volkes, konstituiert in der Nationalversammlung, sind der Ansicht, dass die einzigen Gründe der öffentlichen Übel und der Korruption der Regierung in der Unkenntnis, dem Vergessen oder der Verfälschung der Menschenrechte liegen […]. Damit soll diese Erklärung, ständig allen Mitgliedern der sozialen Gemeinschaft präsentiert, ihnen ohne Unterlass ihre Rechten und Pflichten erläutern. […]

 

 

 

1. Artikel

Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und verbleiben so. Die sozialen Unterschiede können nur mit dem Gemeinwohl begründet sein.“

Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen de 1789, Übers. d. Verf.

 

 

So wurden im Jahr 1789 im damaligen (Noch-)Königreich Frankreich erstmals Rechte kodifiziert, die für alles Menschen gelten sollten.

Ein wirklicher Versuch, den Menschen zu definieren, wurde damals noch nicht unternommen. Das braucht nicht zu verwundern, wo doch in diesen Zeiten die Paläontologie eine geringe und die Kryptozoologie gar keine Rolle spielte. So war es nicht nötig, sich mit der Frage zu beschäftigen, welche Rechte denn irgendwelche Früh- oder Quasi-Menschen haben sollte.

Menschenrechte sollte jedermann in Anspruch nehmen können, der Teil der französischen Gesellschaft war. Teil der Gesellschaft war wiederum, wer ein Mensch war.

 

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On The Trail of Bigfoot: The Discovery

Die 2021 produzierte Doku von Seth Breedlove beschreibt sich als „Größter Durchbruch bei der Suche nach dem Sasquatch.“ Breedlove, David Ellis und Derek Randels machen sich im nördlichen Washington-State auf die Suche nach dem geheimnisvollen Waldbewohner.
Seth Breedlove kann die bekannten oder in der Doku neu festgestellten Fakten sehr glaubwürdig darstellen und jagt nicht mit der Infrarotkamera irgendwelchen Gespenstern im Wald nach.

 

On the Trail of Bigfoot: The Discovery läuft 77 Minuten und ist bei Amazon Prime zu kaufen oder zu leihen.

 

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Eine modernere Fassung

Seit der französischen Revolution sind etliche Jahre ins Land gezogen. Inzwischen hat sich nicht Frankreich alleine dazu verpflichtet, die Menschenrechte zu achten. So kam es 1948 schließlich zu einer Erklärung der UNO. Diese „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ wiederum stellt eine Vorlage dar, nach der sich Staaten zur Einhaltung bestimmter Rechte selbst verpflichten.

 

 

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, Art. 1

 

 

Der Mensch soll also vernünftig und gewissenhaft sein. Diese Annahme lässt sich jedenfalls mit einem Adjektiv beschreiben, welches mit dem Buchstaben n beginnt. Es fragt sich nur, ob es „nobel“ oder „naiv“ lauten sollte. Jedenfalls werden hier aber zwei Eigenschaften beschrieben, welche einen brüderlichen Umgang miteinander begründen sollen.

 

Die UN sehen sich heute als Wahrer der Menschenrechte
Heute wachen auch die Vereinten Nationen (mehr oder weniger erfolgreich) über die Einhaltung der Menschenrechte

 

Daraus müsste man eigentlich folgern können, dass derjenige, der „mit Vernunft und Gewissen“ begabt ist, als Mensch zu betrachten ist. Wenn man nun auch dem Bigfoot diese Eigenschaften nachweisen könnte – wäre er dann ein Mensch im Sinne der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“?

 

Diese Schlussfolgerung wäre zweifelhaft. Die edle Natur, die dem Menschen hier unterstellt wird, ist keine Voraussetzung dafür, in den Genuss von Menschenrechten zu kommen. Im 30. und zugleich letzten Artikel der Erklärung ist nämlich zu lesen:

 

 

„Keine Bestimmung der vorliegenden Erklärung darf so ausgelegt werden, dass sich daraus für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht ergibt, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, welche auf die Vernichtung der in dieser Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten abzielen.“

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, Art. 30

 

 

Diese Auslegungsvorschrift zielt zunächst einmal darauf ab, dass Niemandem die Menschenrechte entzogen werden dürfen. Die Umstände spielen dabei keine Rolle. Es genügt also nicht, einen Menschen für unvernünftig, gewissenlos oder sonstwie unmoralisch zu erklären, damit er seine Menschenrechte verwirkt. Selbst der reueloseste Mörder mit den niedersten Beweggründen hat noch einen Anspruch darauf, als Mensch im Sinne der Erklärung behandelt zu werden.

 

Natürlich verstößt diese starre Auslegung der Menschenrechte gegen das Gerechtigkeitsempfinden zahlloser Menschen. Vielleicht ist diese Gruppe gar in der Mehrheit gegenüber Denjenigen, die etwa das Recht auf Leben für in moralischer Hinsicht bedingungslos halten. Darin liegt aber gerade der Sinn der Erklärung: Sie soll einen objektiven Standard zur Behandlung des Menschen darstellen. Nur so kann ihr Missbrauch vorgebeugt werden.

 

 

 

Wenn der Mensch aber Mensch bleibt, wenn er sich auch in jeder Hinsicht unmoralisch und schädlich benimmt, muss man daraus auch einen Umkehrschluss ziehen: Nur weil ein Wesen „mit Vernunft und Gewissen begabt“ ist, muss es noch lange kein Mensch sein. Der Bigfoot also könnte – zumindest auf den ersten Blick –  in diesem Sinne wohl niemals die Menschenrechte in Anspruch nehmen.

 

Insofern folgt die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ derselben Grundannahme wie auch schon die Erklärung von 1789: Der Mensch hat Anspruch auf Rechte – weil er ein Mensch ist. Diese Annahme wird als Tatsache dargestellt. Der Mensch im rechtlichen Sinne ist also stets rein biologisch definiert. Das mag auch daran liegen, dass aktuell gar keine Notwendigkeit besteht, die Menschenrechte auszuweiten – solange sich keine geeigneten Kandidaten finden.

 

Es kann nur einen Menschen geben

Noch deutlicher als die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1949 wird das UNESCO-Dokument „Proposal on the biological aspects of race“. Es enthält hauptsächlich Argumente, die rassistische Ansichten und eventuell daraus resultierende Gesetze bekämpfen sollen.

Im Zusammenhang mit der Frage, was denn ein Mensch sein soll, ist dieses international anerkannte Papier allerdings ebenfalls relevant. Darin ist nämlich zu lesen:

 

 

1. Alle heute lebenden Menschen gehören einer einzigen Art, Homo sapiens genannt, an und stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab. […]

 

3. Es herrscht eine große genetische Diversität in allen menschlichen Populationen vor. Reine Rassen – im Sinne genetisch homogener Populationen – [d.h. Unterarten, Anm. d. Verf.] existieren innerhalb der menschlichen Art nicht.“

(Proposal on the biological aspects of race (1964), Übers. d. Verf.)

 

 

Diese Erklärung soll klar dem Schutz des Menschen vor willkürlicher Diskriminierung dienen. Zugleich ist damit aber ausgeschlossen, dass der Bigfoot ein Mensch sein kann. Die einzige Ausnahme könnte darin bestehen, dass er tatsächlich zugleich ein Mensch im biologischen Sinne ist.

 

Folglich hat der Bigfoot in diesem Sinne auch keinen automatischen Anspruch auf Menschenrechte.

 

 

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Valley of Apes: Die Suche nach dem Sasquatch in Area X

Wiederkehrende 16- bis 27-Zoll-Fußabdrücke im pazifischen Nordwesten haben viele Amerikaner zu der Annahme veranlasst, dass zurückgezogen lebende, affenähnliche Kreaturen namens Sasquatch die Wälder durchstreifen. Nur wenige haben mehr als einen kurzen Blick auf sie geworfen, und niemand hat sie direkt und langfristig in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet. Bis jetzt.

 

Walter Spink ist kurzsichtig, sozial unbeholfen und anfällig für Unfälle. Er ist auch ein selbsternannter Monsterjäger. Als er und sein sanftmütiger Assistent Matt Preston auf der Suche nach dem Sasquatch in den pazifischen Nordwesten reisen, scheint ihre Chance, ihn zu finden, gleich Null. Aber unerwartet finden sich die Monsterjäger in einer Gruppe von Sasquatches wieder, mit denen sie leben und reisen. Während ihres Aufenthalts bei den Sasquatches lernen Walter und Matt, ob Raupen nach Hühnchen schmecken und wie man einen Silberrücken ärgert, ohne es wirklich zu versuchen. Irgendwie navigieren sie durch die sozialen Fallstricke der Gruppe…

 

Valley of Apes ist am 1. Juni 2022 bei Anomalist Books erschienen. Es liegt als Paperback und fürs Kindle vor.

 

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Natürlich könnten ihm diese Rechte trotzdem gewährt werden. Erstens steht dies nicht im Widerspruch zu den Positionen der UN allgemein oder der UNESCO im Speziellen. Schließlich würde dadurch ja kein Mensch gegenüber den übrigen Angehörigen seiner Art schlechter gestellt. Zweitens haben die UN letztlich keine Möglichkeit, die Einhaltung ihrer Erklärungen zu erzwingen – und hätten in diesem Fall wahrscheinlich auch kein Interesse daran.

 

Screenshot aus dem Video
Ist er vernunftbegabt, intelligent, möglicherweise sogar der direkten Kommunikation mit uns fähig – nur nicht willens? Ein Bigfoot kreuzt einen Fluss in Michigan; Aufnahme: Eddie V.

 

Ein Entwurf für Bigfoot-Schutz aus Skamania County (Washington)

Etwas später in diesem Artikel wird weiterverfolgt werden, wie sich denn der Mensch biologisch betrachtet definiert und ob diese Definition wirklich so eindeutig ist. Dabei werden natürlich besonders die Implikationen beachtet, die dies für den Bigfoot und seine potenziellen Rechte haben könnte.

 

Zunächst aber soll ein Recht besprochen werden, über das der Bigfoot bereits verfügt. Mag seine Existenz in der Realität auch nicht erwiesen – kritisch gesprochen vielleicht sogar fragwürdig – sein, existiert doch die Ordinance 69-01 in Skamania County. Diese County, die sich im Deutschen wohl mit einer Mischung aus Regierungsbezirk und Landkreis gleichsetzen ließe, liegt übrigens im US-Bundesstaat Washington.

 

Die Ordinance (Verordnung) 69-01 trat nach ihrem Erlass am 01.04.1969 unverzüglich als Notverordnung in Kraft. Mag man bei diesem Datum auch an einen Aprilscherz denken, ändert dies nicht an der Gültigkeit der Verordnung. Sie wurde erlassen und ist somit juristisch nicht weniger wert, als jede andere Verordnung der County.

 

So kann also auch ein Verstoß gegen diese Verordnung bestraft werden. Namentlich ist es der Verordnung zufolge stets verboten, den Bigfoot zu töten. Wer gegen diese Regelung verstößt, soll mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 USD, einer Haftstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Kombination daraus belegt werden.

 

Küste Washingtons mit Meer, Felsen, Wald und Treibholz
Noch (?) bleibt die Antwort auf die „große Bigfoot-Frage“ im Nebel verborgen, wie die Pazifikküste in Washington.

 

Die Verordnung wird mit einem gesteigerten Interesse am Bigfoot in dieser Zeit begründet. Dies schließt sowohl wissenschaftliche Nachforschungen als auch Jagdtrips ein. Am Interessantesten ist aber die Begründung, weswegen der Bigfoot gegenüber der sonstigen Fauna besonders geschützt werden soll. So ist zu lesen:

 

 

„IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass Indizien existieren, die die mögliche Existenz eines nachtaktiven Primaten, der entweder als affenartige Kreatur oder als Unterart des Homo sapiens beschrieben wird, andeuten […]

 

IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass das Nichtvorhandensein spezifischer Gesetze bezüglich des Erwerbs der Exemplare Nachlässigkeit im Umgang mit Schusswaffen und anderen tödlichen Geräten begünstigt und eine Gefahr für die Sicherheit und das Wohlbefinden von Menschen, die innerhalb der Grenzen von Skamania County leben oder reisen, wie auch für die Kreaturen selbst darstellen […]“

(Skamania County Ordinance 69-01, Übers. d. Verf.)

 

 

Die Verordnung dient also ausdrücklich nicht nur zum Schutz vor Unfällen, sondern auch zum Schutz des Kryptids. Welche Theorie nun stimmt – d.h., ob es nun menschlich ist, oder nicht – ist dabei nicht weiter relevant.

Es handelt sich also um ein erstes Rechtsdokument, das dem Schutz des Bigfoot dient. Von vollumfänglichen Menschenrechten ist dabei zwar nichts zu lesen. Schließlich ist nicht einmal ein Recht auf körperliche Freiheit für den Bigfoot eindeutig definiert. Zugleich geht die Verordnung aber auch weiter, als etwa Gesetze zum Schutz bedrohter Arten. Sie lässt nämlich keine Ausnahmefälle zu, in denen die Tötung eines Bigfoot genehmigt werden kann.


Dieser Artikel wird mit einer Klärung „Mensch (und Bigfoot) im biologischen Sinne“ in 2 Wochen, am 16. März fortgesetzt. Insgesamt hat dieser Artikel 5 Teile. Mit dem 5. und letzten Teil bieten wir das Literaturverzeichnis zum Download an.