Das Montauk-Monster ist ein stehender Begriff in der Kryptozoologie, ebenso wie der Bigfoot, Nessie oder irgendwelche Meeresschlangen. Dabei ist das Rätsel um dieses Tier längst zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst. Eine solche Lösung wie beim Montauk-Monster (siehe unten) führt normalerweise dazu, dass ein solches Wesen aus dem Reich der Kryptozoologie ins Reich des Vergessens gelangt.
Wieso das beim Montauk-Monster nicht so ist, versucht dieser Bericht aufzuarbeiten.
Montauk, der Ort
Montauk liegt im US-Bundesstaat New York, am äußersten östlichen Rand von Long Island, etwa 3 Auto- oder Bahnstunden von der Stadt New York entfernt. Damit ist der nur etwa 3300 Einwohner große Ort für mehr als 15 Millionen Menschen innerhalb einer Zeit erreichbar, die viele US-Amerikaner für einen Wochenend-Trip akzeptieren.
Bereits 1895 war Montauk von New York aus mit der Bahn zu erreichen. Die beginnende Elektrifizierung der Linie machte 1925 den Unternehmer Carl Graham Fisher auf Montauk aufmerksam. Er begann 1926, den Ort in ein Feriendomizil umzuwandeln. Damit hatte er bereits beim Fischerort Miami Beach großen Erfolg gehabt. Hierzu erwarb er große Teile des östlichen Montauks und erbaute zunächst das Luxushotel Montauk Manor und einen Jachthafen. Weitere Gebäude kamen dazu, die heute alle anders genutzt werden, als von Fisher geplant. Nach dem Börsenkrach des Jahres 1929 ging sein Unternehmen im Jahre 1932 bankrott.
Bei Montauk befand sich eine US-Luftwaffenbasis, die 1969 geschlossen wurde. Heute steht das Gelände unter Naturschutz. In einem Bunker unterhalb der Anlagen liegt Camp Hero. Um diesen Radarstützpunkt kursieren mehrere Verschwörungstheorien. Nach außen hin sichtbar ist noch die letzte, über 80 t schwere Radarantenne des Luftraumaufklärungsradars AN/FPS-35.
Im Ort selber haben sich zahlreiche Familien einen Zweitwohnsitz geschaffen. Bereits in den 1960ern gründeten die ersten Fertigbungalow-Siedlungen, ein Trend, der sich etwas hochwertiger bis heute fortsetzt. Der Pop-Art-Künstler Andy Warhol erwarb 1972 eine solche Ferienhaussiedlung, was zu regelmäßigen Besuchen von Prominenten führte, u.a. der Rolling Stones. Dies und die Nähe zu New York ließen Montauk auch zu einer gerne genutzten Filmkulisse werden.
Montauk als Filmkulisse
Der fiktive Ort Amity aus „Der weiße Hai“ befindet sich in der Nähe von Montauk. Dieser Film und vor allem seine (wesentlich schlechtere) Fortsetzung „Der weiße Hai 2“ portraitieren das Leben in Montauk in der Mitte bzw. Ende der 1970er Jahre recht gut.
Montauk ist heute einer der geschäftigsten Touristenorte auf Long Island. Das gemäßigte Meeresklima mit moderaten Temperaturen im Sommer und Frost im Winter halten den Ort bei Tages- wie Wochenurlaubern populär.
Montauk, die Erzählung
1975 erschien die Erzählung „Montauk“ des Schweizer Schriftstellers Max Frisch. Wie viele seiner Erzählungen ist auch „Montauk“ autobiographisch geprägt, die Geschichte selber ist jedoch fiktiv.
Die Rahmenhandlung beschreibt das Wochenende des 11. und 12. Mai 1974. Der Erzähler ist das literarische Alter Ego des Autors Max Frisch. Er beendet am Vortag eine Lesereise durch die Vereinigten Staaten. Zwei Tage später, einen Tag vor seinem 63. Geburtstag, ist Frischs Rückflug nach Europa geplant. Er wird von der 30jährigen Lynn im Auftrag des Verlages auf der Lesereise betreut und begleitet. Sie hat allerdings vom Werk des Autors keine Vorstellung. Am letzten seines Amerika-Aufenthaltes kommen sich Lynn und Frisch näher. Wie viele frisch verliebte Paare unternehmen sie einen Ausflug nach Montauk an der Atlantikküste.
Frisch nutzt diesen Rahmen der sowohl zeitlich wie räumlich begrenzten Umgebung, um über Lynns Gegenwart Erinnerungen und Reflexionen über sein Leben zu formulieren. Er denkt über sein Alter und das Gefühl, eine Zumutung für andere zu sein, nach. Spätestens hier verschwimmen Autor und literarisches Alter Ego völlig. Frisch gibt intime Details aus seinem Leben preis. Auch mit seinem eigenen Werk – das Lynn bezeichnenderweise nicht gelesen hat – zeigt Frisch sich unzufrieden. Das Gefühl, mit den meisten Geschichten sein Publikum bedient zu haben und ihm dabei Teile seines Lebens zu verheimlichen.
Vor allem Frischs ehemalige Gefährtinnen stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Lynn löst Erinnerungen an ihre Vorgängerinnen aus, die dem Leser teilweise bereits aus älteren Werken des Autors bekannt sind. Da Frisch angesichts seines Alters bereits seinen Tod nahen sieht, möchte er keine Frau in eine Beziehung binden, die keine Zukunft haben kann. Gleichzeitig ist Lynn und ihm klar, dass sich ihre Beziehung nur auf dieses eine Wochenende und auf Montauk beschränkt.
Tatsächlich endet die Erzählung, wie beide nach der Rückkehr nach New York mit dem Wort „bye“ auseinander gehen. Frisch sieht Lynn nach, doch die dreht sich nicht einmal um.
Montauk: Eine Erzählung„Ich mag dieses Buch sehr, denn es spiegelt das wahre Leben Frischs aus eigener Feder wieder. Diese Erzählweise aus Monotonie und Aberwitz, Liebesbeweisen und Reisegeschichten, ist ein Novum und gehört auf jeden Nachttisch. Man sollte diesem Buch Raum geben und laut lesen, die spezielle schweizer Art, ist herrlich definiert und so klug, das man jeden Satz im Kopf behalten möchte.“ (Anja Ciaxz auf Amazon.de)
Montauk: Eine Erzählung hat 224 Seiten und ist in dieser Ausgabe 1981 bei Suhrkamp erschienen. |
Rezeption
Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki schrieb zu „Montauk“: „Und doch übertrifft diese Erzählung Montauk in mancherlei Hinsicht alles, was wir bisher von Frisch kannten. Es ist sein intimstes und zartestes, sein bescheidenstes und gleichwohl kühnstes, sein einfachstes und vielleicht eben deshalb originellstes Buch.“ Er schloss mit dem Fazit: „Diese Selbstentblößung ist frei von Exhibitionismus, Frischs Intimität nähert sich nie der Schamlosigkeit, seine Abschiedsstimmung kennt keine Larmoyanz, keine Wehleidigkeit. Montauk ist eine poetische Bilanz: ein Buch der Liebe, geschrieben von einem Dichter der Angst.“
Die Erzählung inspirierte Volker Schlöndorff zu seinem Spielfilm Rückkehr nach Montauk (2017). Der im gleichen Jahr erschienene Roman Eden Roc des Schweizer Publizisten und Verlegers Matthias Ackeret liefert im Kapitel Montauk 2 eine literarische Fortsetzung von Max Frischs Erzählung.
Montauk – das „Projekt“
Mit seinem Buch „The Montauk Project: Experiments“ begründete der US-Autor Preston B. Nichols eine Reihe von Verschwörungstheorien, die sich um den Militärstützpunkt Camp Hero auf Montauk drehen.
Die Grundlage: Das Philadelphia Experiment
Nichols beginnt seine Erzählung nach dem angeblich desaströs verlaufenen Philadelphia-Experiment. Dieses soll 1943 erfolgt sein, hierbei soll die US-Navy versucht haben, den Geleitzerstörer USS Eldridge (DE-173) mittels eines starken Magnetfeldes optisch unsichtbar zu machen. Ein Augenzeuge will 15 Minuten lang nur den Kielabdruck im Wasser gesehen haben. Die Auswirkung auf die Besatzung war katastrophal. Einige Seeleute seien mit dem Schiff verschmolzen, andere verbrannt oder spurlos verschwunden. Viele hätten geistige Schäden erlitten, vereinzelt sollten sich Seeleute noch Jahre später spontan in Luft aufgelöst haben oder sind schweren Erkrankungen erlegen.
Das Schiff soll später einmal im Hafen von Philadelphia verschwunden und in Norfolk aufgetaucht, Sekunden später jedoch wieder in Philadelphia gewesen sein.
Die US-Navy bestreitet, entsprechende Experimente durchgeführt zu haben. Veröffentlichte Logbücher belegen, dass die USS Eldridge 1943 nicht in Philadelphia war.
Dieses vermeintliche Experiment war Grundlage für den gleichnamigen Film „Das Philadelphia Experiment“ (1984), der sehr erfolgreich in den Kinos lief und nach Meinung einzelner Verschwörungstheoretiker einige Wahrheiten enthält.
Nichols nimmt den Staffelstab auf
Nichols beschreibt in seinen Büchern nicht hauptsächlich die individuellen Folgen des Philadelphia Experiments. In den 1990ern hatte sich auch bei den meisten Verschwörungstheoretikern die Erkenntnis durchgesetzt, dass „nur“ ein starkes Magnetfeld wohl kaum eine Wirkung haben kann, wie sie oben beschrieben wurde.
Entsprechend des Zeitgeistes der 1970er und -80er Jahren greift er einen kleinen Teil der vermeintlichen Ergebnisse heraus und entwickelt sie weiter. Nach seiner Ansicht soll eine US-Bundesbehörde versucht haben, die Gedanken von Millionen von Amerikanern zu beeinflussen und sogar, sie fernzusteuern. Noch wertvoller könne das System als Waffe werden, wenn man damit die Armeen des Feindes in den Wahnsinn treiben könne.
Für dieses Experiment sei jedoch eine große Radaranlage erforderlich. Diese fand sich mit Camp Hero bei Montauk, wohin man bald das gesamte Projekt verlegte. Die Schließung der Basis 1969 diente laut Nichols vor allem dazu, das Projekt zu verschleiern.
Die dabei durchgeführten Einzelexperimente und Experimentserien erzielten angeblich Ergebnisse außerhalb des derzeit physikalisch möglichen. Die Rede ist von Teleportation, Zeittunneln und einen Zugang in den „Hyperspace“. Auch Kontakte zur USS Eldridge erfolgten.
Dabei wurden zahlreiche Menschen getötet oder schwer psychisch und physisch verletzt. Zunächst arbeitete die Behörde mit Obdachlosen, später mit Ausreißern.
Nach dem ersten, sehr erfolgreichen Buch folgten weitere Bände und Auflagen, die insgesamt über 100.000 verkaufte Exemplare. Zahlreiche angebliche Opfer haben sich nach der Veröffentlichung gemeldet, eine Vielzahl von Webseiten beschäftigt sich mit dem Thema oder zumindest Teilen der Bücher. Nur die wenigsten von Preston Nichols Behauptungen lassen sich beweisen oder widerlegen.
Das Montauk-Monster
Genau die Kombination dürfte es sein, die einen Großteil der Faszination ausmacht. Montauk ist für viele Millionen Amerikaner in wenigen Stunden erreichbar und aufgrund seiner Infrastruktur sehr viel „greifbarer“, als die Wälder Oregons oder die Wüsten von New Mexico. Der kleine Ort ist sympathisch und seit vielen Jahren Teil der Populärkultur, vor allem an der Atlantikküste. Dennoch schwingt oft ein wenig Melancholie mit, Montauk liegt am Ende von Long Island, einer Gegend, die am Ende des Sommers am schönsten sein soll. Diese Stimmung hat Max Fisch in seiner Erzählung auch eingefangen.
Gleichzeitig gibt es eine große Schnittmenge zwischen kryptozoologisch interessierten Lesern und den an Verschwörungstheorien Interessierten. So schwingt beim Wort „Montauk“ immer auch die bedrohliche Lage des „Experiments“ oder „Projektes“ mit. Und vielleicht ist ein Monster an diesem Ort ja doch der Kadaver eines Opfers eines seltsamen Experimentes?
Was ist nun mit dem Monster?
Das Montauk-Monster ist bzw. war ein Kadaver, der am 12. Juli 2008 von Jenna Hewitt (damals 26) und drei Freunden gefunden wurde / gefunden worden sein soll. Als Fundort geben sie den Ditch Plains Beach an, 2 Meilen (ca. 3,2 km) östlich des Districts. Der Strand ist als bekannter Surfspot populär und liegt am Rheinstein Estate Park.
Dies erleichtert die Lokalisierung.
Hewitt machte ein Foto, das die Zeitung The Independent am 23. Juli 2008 veröffentlichte. Es zeigt einen Kadaver unbestimmter Größe auf nassem Sand mit einigen Wasserablauflinien. Der Kadaver stammt von einem massigen, vierbeinigen Tier mit kleinem Kopf. Er ist weitgehend braun und hat nur an den Hinterbeinen sichtbar hellere Farbe. Die Haut ist nackt, nur am unteren Rücken gibt es einzelne Haare, die zu Zotteln zusammenhängen. Der Schwanz ist mittelmäßig kurz, er misst geschätzt 1/3 der Rumpflänge.
Der kleine Kopf liegt auf einem kurzen Hals und ist nur von der rechten Seite sichtbar. Das große Auge ist geschlossen, Lippen und Nase sind von Aasfressern angefressen. Ein Teil des Gebisses liegt frei. Dies lässt die Schnauze ein wenig schnabelförmig aussehen. Das Ohr ist entweder umgeschlagen oder ebenfalls angefressen.
Der linke Hinterfuß ist erkennbar verlängert, beide Vorderfüße liegen vor dem Kopf. Zehen sind deutlich erkennbar, die genaue Zahl kann man aber kaum ermitteln.
Bei einer Nachsuche, mehrere Tage nach dem Fund wurde der Kadaver nicht mehr entdeckt. Entweder hat die Flut eines der bekanntesten Kryptide des 21. Jahrhunderts mitgenommen oder es wurde von der Stadtreinigung entsorgt.
Das Montauk-Monster: Die Identifikation
Im Gegensatz zur häufigen Praxis der englischsprachigen Literatur, den Kadaver als unidentifiziert zu bezeichnen, ist die Artbestimmung gar nicht so schwer:
- Das freiliegende Gebiss zeigt vier Zähne mit hohem Profil in einer Reihe im Unterkiefer, davor ein deutlich verlängerter Eckzahn. Im Oberkiefer ist der Eckzahn ebenfalls sichtbar. Auch der Oberkiefer trägt noch eine Reihe flacherer Zähne mit hohem Profil, die genaue Zahl ist aufgrund der geringen Auflösung nicht erkennbar.
Diese Gebissform kommt nur bei Säugetieren vor. Spekulationen wie Wasserschildkröten fallen hierbei aus. - Die verlängerten Eckzähne gibt es vor allem bei Raubtieren und Affen. Das schließt wiederum Möglichkeiten wie ein Schaf oder einen Nager (z.B. einen Biber) aus.
- Da auch die folgenden Zähne raubtierähnlich mit hohem Profil ausgebildet sind, kann man einen Affen ausschließen.
- Ein Hundeartiger fällt aber ebenso durchs Muster: Die Vorderfüße sind die eines Sohlengängers mit langen Zehen, während Hundeartige kurze Zehen haben und auf den Zehen gehen (und deswegen entsprechende Polster an den Zehen tragen).
- Marderartige fallen wegen ihres hoch abgeleiteten Körper- und Schädelbaus ebenfalls aus.
Vergleicht man das Muster mit der Liste der in den Staaten New York sowie den anliegenden Staaten Connecticut und Rhode Island vorkommenden Säugetiere, landet man schnell bei einer der wichtigsten Arten: dem Waschbär.
Ein Waschbär
Die Zusammensetzung des Gebisses stimmt mit dem Waschbären überein. Ebenso die Form des Schädels, auch wenn er durch die Perspektive und Fraßschäden auf den ersten Blick schnabelartig wirkt. Die Füße und das Verhältnis Schwanz- zu Körperlänge stimmen bei Kadaver und Waschbär ebenfalls überein.
Amerikanische Websites zitieren sich gerne gegenseitig mit der Behauptung, dass die Gliedmaßen eines Waschbärs verhältnismäßig kürzer seien, als die des Montauk-Monsters. Dies ist auf den ersten Blick tatsächlich so, aber der Kadaver ist haarlos. Lebende Waschbären haben ein langhaariges, konturauflösendes Fell, in dem ein Teil der Gliedmaßen praktisch „verschwindet“.
Berechtigte Zweifel an der Identität des Montauk-Monsters als Waschbärkadaver bestehen nicht.
Knapp 11 Jahre später, Anfang Juni 2019 strandete am Wolfe‘s Pond Beach auf Staten Island, New York ein sehr ähnlicher Kadaver. Aufgrund einer besser zugänglichen Lage und besserer Fotos konnten viele Interessierte ihn sehr schnell als Waschbär identifiziert werden.