Lesedauer: etwa 5 Minuten

Um den Bryde-Wal gibt es einen Komplex mittelgroßer Bartenwale, die in den tropischen Gewässern aller drei Ozeane vorkommen. Bisher waren aus diesem Komplex nur der Bryde-Wal (Balaenoptera edeni) und der Omura-Wal (B. omurai) wissenschaftlich beschrieben. Jetzt folgt mit Balaenoptera ricei die dritte Art.

 

Der Komplex gilt als schlecht erforscht, da die Bryde-Wale (im weiteren Sinne) aufgrund der geringen Größe erst sehr spät in den Focus des industriellen Walfangs gerieten, aber oft zu groß für Subsistenz-Waljäger waren. Erschwert wurde das Ganze durch eine Namensverwirrung. Auch wenn der ganze Komplex umgangssprachlich und von der International Whaling Convention (IWC) als Bryde-Wale bezeichnet werden, heißen sie wissenschaftlich B. edeni. Die Form, die als Eden-Wal bezeichnet wird, heißt wissenschaftlich B. (edeni) brydei.

Balaenoptera brydei
B. brydei vor False Bay, Südafrika

Das Who-is-who der mittelgroßen Bartenwale

Die ganze Sippschaft

Bryde-Wale im weiteren Sinne (Balaenoptera cf. edeni) sind mittelgroße Furchenwale. Sie erreichen eine Länge von 11 bis 15 m und ein Gewicht von 16 bis 25 t. Die Tiere sind schlank und oberseits weitgehend einheitlich schiefergrau gefärbt. An der Kehle und am Bauch sind sie etwas heller. Charakteristisch sind drei leistenartige Wülste auf der Oberseite des Kopfes, der ähnliche Seiwal trägt nur eine. Bryde-Wale sind an diesem Merkmal bereits auf See gut erkennbar.

Benannt wurde der Bryde-Wal nach einem norwegischen Walfangunternehmer, Johan Bryde (1858 – 1925). Daher wird der Name „Brüde“ ausgesprochen und nicht englisch „braid“. Beide Wale unterscheiden sich in der Verbreitung und der Nutzung von küstennahen und küstenfernen Gewässern. Da üblicherweise der wissenschaftliche Name B. edeni für beide Wale genutzt wird, kam es in der Vergangenheit regelmäßig zu Missverständnissen. Diese ziehen sich auch durch wissenschaftliche Literatur.

 

Balanaeoptera brydei

Bryde-Wal
B. brydei vor Brasilien. Deutlich sichtbar sind die drei Rillen auf dem Kopf und die schiefergraue Farbe der Haut. Foto: Ze Julio

Balaenoptera brydei bevorzugt offenbar produktive und warme tropische Gewässer mit Temperaturen zwischen 16 und 22°C. Dem entsprechend lebt er etwa zwischen 40°N und 40°S. Man kennt ihn aus dem Indischen Ozean von Burma, Bangladesh, Indien und den Malediven. Im Pazifik reicht die Verbreitung im Norden bis Honshu und Südkalifornien, im Süden bis Chile und die Nordinsel Neuseelands. Eine ortstreue Population lebt im Golf von Kalifornien. Im Atlantik stellt Cape Hatteras die nördliche Verbreitungsgrenze da, von der Karibikinsel Aruba sind zwei Tiere bekannt, die genetisch sicher zu B. brydei gehören, sie sind eng mit Tieren von Madeira und Südafrika verwandt. Sie kommen auch vor Brasilien und Südafrika vor, wo es eine stationäre und eine wandernde Population gibt.

Vermutlich stellen B. brydei einen offshore-Ökotypus dar.

B. brydei erreicht durchschnittlich 12,9 m Länge bei männlichen und 13,3 m bei weiblichen Tieren.

Balaenoptera edeni

B. edeni
B. edeni vor Thailand (Foto: Nik Cyclist)

Balaenoptera edeni scheint ebenfalls warme Gewässer zu bevorzugen. Die Art besiedelt die Gewässer vor Myanmar, die Bucht von Bengalen, das Meer vor Thailand, Vietnam, Taiwan, Südjapan und Australien. Möglicherweise sind auch 1993 vor den Salomonen beobachtete Wale dieser Art zuzuordnen. Vor der Küste Festlandchinas kamen sie vermutlich auch vor, sind aber heute dort nahezu verschwunden.

Vermutlich stellen die etwas kleineren B. edeni einen küstennahen Ökotyp. Die Tiere erreichen durchschnittlich 11,2 beim Männchen bis 11,7 m bei Weibchen.

Balaenoptera ricei

Balaenoptera ricei
Zwei Rücken von Balaenoptera ricei aus der Erstbeschreibung.

Kürzlich haben Wissenschaftler vom US-National Marine Fisheries Service (NOAA) und aus Japan im Golf von Mexiko eine evolutionär abweichende Linie aus diesem Komplex anhand genetischer Daten identifizieren können. Erste Untersuchungen eines vollständigen Schädels dieser Wale zeigten auch diagnostische Merkmale, die ihn von den anderen mittelgroßen Bartenwal-Taxa unterscheiden.

Genetische Untersuchungen unterstützen die Existenz dieser isolierten Art innerhalb des Bryde-Komplexes, die im Golf von Mexiko lebt. Die Wissenschaftler konnten hierbei Proben von insgesamt 36 Individuen sammeln, die zu dieser Linie gehören. Ein Vergleich mit anderen Dokumenten von Bryde-artigen Walen aus der Karibik und dem offenen Atlantik stützt die These der isolierten Verbreitung.

Die Art haben sie jetzt als Balaenoptera ricei beschrieben.


Die Systematik im Bryde-Komplexes ist noch nicht abschließend erfasst. Unterschiede zwischen Bryde- und Edenwalen sind seit den 1990ern zunächst durch Unterschiede am Schädel sowie molekularbiologisch belegt. Bisher ist umstritten, ob es sich um individuelle Unterschiede, Ökotypen oder Unterarten der selben Art oder getrennte Arten handelt.

  • Bereits 2003 wurde der Omura-Wal (Balaenoptera omurai) aus diesem Komplex herausgetrennt und als eigene Art beschrieben.
  • 2021 folgt Balaenoptera ricei aus dem Golf von Mexiko.
  • Wann wird B. brydei als eigene Art formal wieder beschrieben?

Literatur

Rosel, PEWilcox, LAYamada, TKMullin, KDA new species of baleen whale (Balaenoptera) from the Gulf of Mexico, with a review of its geographic distributionMar Mam Sci20211– 34https://doi.org/10.1111/mms.12776


Dieser Beitrag erschien erstmalig am 15. Januar 2021 und nun erneut unbearbeitet im Rahmen des Relaunches.

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.