Herde von Wollmammuts Mammuthus primigenius von Charles Robert Knight, 1916Herde von Wollmammuts Mammuthus primigenius von Charles Robert Knight, 1916
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Leben eines Mammutbullen aus seinem Stoßzahn rekonstruiert

Mathew J. Wooller (was ein passender Name!) und Kollegen aus Alaska, Kanada, Österreich sowie anderen US-Staaten ist es gelungen, das Leben eines Mammutbullen aus den Isotopen in seinem Stoßzahn zu rekonstruieren.

Den Forschern lag ein 1,7 m langer Stoßzahn eines arktischen Wollhaar-Mammuts (Mammuthus primigenius) vor. Das Mammut lebte etwa vor 17100 Jahren während der letzten Eiszeit. Sie nutzten die Strontium- und Sauerstoff-Isotopenprofile, um die individuelle Wanderung des Tieres zu analysieren.

 

 

Was sind Isotopen und was kann man damit herausfinden?

Normalerweise haben Atomkerne eines Elementes wie Strontium oder Sauerstoff eine genau definierte Zahl an Neutronen und Protonen. Beim Sauerstoff sind es 16, bei Strontium 88. Es kann jedoch auch Abweichungen geben, wenn zusätzliche Neutronen im Atomkern vorhanden sind. Atome mit solchen Kernen reagieren chemisch wie „normale“ Atomkerne, sind aber durch ihre größere Masse physikalisch zu unterscheiden. Sie werden als Isotopen bezeichnet, da sie den gleichen (gr.: „iso“) Ort (gr.: „Topos“) im Periodensystem der Elemente einnehmen.

Früher dachte man, dass die Isotopen auf der Erde gleich verteilt wären. Heute weiß man, dass jeder Ort eine spezifische Isotopenverteilung hat. Kennt man sie, kann man beispielsweise die Herkunft von Staub nachweisen.
Nimmt ein Tier an einem Ort pflanzliche Nahrung auf, nimmt es auch die spezifische Isotopenverteilung der Pflanzen dort auf. Da zwar die Nahrung chemisch, aber nicht atomar verdaut wird, werden die Atome, also Isotopen in seinem Gewebe eingebaut.

Um festzustellen, an welchem Ort welcher Pflanzenfresser welche Isotopenverteilung hat, untersucht man kleine Nagetiere, die nicht wandern und Pflanzen fressen. Hierzu eignen sich Mäuse, aber keine Lemminge. Da Strontium wesentlich mehr Isotope als Sauerstoff hat, erstellt man so eine eher unspezifische Sauerstoff-Isotopenkarte und spezifiziert sie mit einer Strontium-Isotopenverteilung.

 

Hat man nun eine beständige, langsam wachsende Struktur wie einen Stoßzahn, kann man jeden Zeitpunkt des Stoßzahnwachstums mit einem Ort in Verbindung bringen. Man muss nur fein genug schneiden und messen.

 

Wo hat der Mammutbulle gelebt?

Die Lebensphasen des Mammuts beschrieben sie in der Fachzeitschrift „Science“. „Vom Moment ihrer Geburt bis zum Tag, an dem Mammuts sterben, führen sie ein Tagebuch, das in ihren Stoßzähnen aufgezeichnet ist“, sagt der Paläontologe und Ko-Autor Pat Druckenmiller.

Insgesamt hatte das Mammut vier klar abgegrenzte Lebensphasen. Die ersten zwei Jahre seines Lebens hielt er sich am Unterlauf des Yukon in Zentral-Alaska auf. Dann folgten 16 Jahre, in denen das junge Mammut im Tiefland von Alaska zwischen der Brooks-Kette im Norden und der Alaska-Kette im Süden wanderte.

Die dritte Phase seines Lebens prägten weite Wanderungen. Der Bulle streunte für etwa 10 Jahre weit umher.

In der letzten Lebensphase wanderte er kaum noch und hielt sich in einem Gebiet nördlich der Brooks-Kette auf. Hier zeigten deutliche Veränderungen der mitgemessenen Elemente Stickstoff und Kohlenstoff, dass sich die Ernährung änderte. Letztlich verstarb er mit 28 Jahren, vermutlich an Hunger im Spätwinter.

 

Afrikanische Elefanten
Afrikanische Steppenelefanten, hier in Botswana, kommen auch weit rum

 

Große Ähnlichkeit mit modernen Elefanten

Die vier Lebensphasen finden sich nahezu identisch bei den heute lebenden Elefantenarten. Als Säugling bzw. Jungtier blieb er eng bei seiner Mutter, die nur begrenzte Wanderungen mit ihm unternahm. Als er mit drei Jahren alt genug war, integrierten sich beide wieder in eine Herde, die im Tiefland Alaskas jahreszeitliche Wanderungen unternahm. Auch heute leben heranwachsende Elefantenbullen in der Herde ihrer Mütter, bis sie geschlechtsreif werden.

Dann trennen sie sich von der Herde, bilden eigene Gruppen oder wandern als Einzelgänger umher. So streifen sie durch große Gebiete, genau wie das untersuchte Mammut.

Das Alter wird bei heutigen Elefanten hauptsächlich dadurch bestimmt, dass die letzten Backenzähne abgenutzt sind und sie sich nur noch von weicher Nahrung ernähren können. Dann halten sie sich oft in der Nähe von Seen auf, wo es weiche Wasserpflanzen gibt. Möglicherweise bestimmte auch ein solcher Bedarf die letzten eineinhalb Jahre des Leben des Mammut-Bullen. Er wanderte kaum noch, seine Ernährung veränderte sich.

Der Tod trat im Spätwinter ein. Die körpereigenen Reserven waren aufgebraucht, es gab aber draußen noch keine neue Nahrung – die übliche Jahreszeit, in der Mammuts und zahlreiche andere polare Pflanzenfresser sterben.

 

Waldelefanten
Eine altersmäßig gut durchmischte Gruppe von Waldelefanten

 

Wann wanderte das Mammut?

Auch wenn es nahe liegt, ist nicht eindeutig festzustellen, ob das Mammut tatsächlich jahreszeitliche Wanderungen unternahm oder sich zufällig fortbewegte. Die Entfernungen, die das Tier zurücklegte, sind beachtlich, die Brookskette und die Alaskakette liegen zwischen 500 und 800 km auseinander.

Möglicherweise, so die Forscher, war diese Wanderung auch ein Grund für das Aussterben am Ende der Eiszeit. Die nur flach auftauenden Permafrostböden mit Grasbewuchs tauten tiefer auf, wurden zu schwer begehbaren Sümpfen und Wälder wuchsen.

 

Quelle: Originalarbeit

 

Dieser Beitrag war Teil einer Presseschau vom 22. August 2021

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.