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Die wissenschaftlichen Namen der Dinosaurier sind manchmal echte Zungenbrecher. Schon beim Lesen kommen wir bei ihnen leicht ins Stocken und Stottern, weil das alles ja oft Worte sind, die wir so noch nie gehört haben. Doch was ist bei der Aussprache der Dinosaurier-Namen zu beachten? Wie kannst du als Dinosaurier-Fan so sprechen, dass dich ein echter Paläontologe nicht sofort für einen totalen Idioten hält?

Wie werden sie denn nun ausgesprochen, die Dinosaurier-Namen?

Hier kann ich dich zuerst beruhigen: das wird niemand tun. Tatsächlich gibt es für die Aussprache der Dinosauriernamen keine so streng verbindlichen Regeln. Im Grunde sind ja alle Dinosaurier sogenannte Neologismen, also Neuwortschöpfungen, zumeist Kofferwörter, die nicht selten sogar aus mehreren Sprachen zusammengefügt sind. Daraus ergeben sich unterschiedliche Aussprechweisen, von denen keine so wirklich falsch ist. Und zweitens sind Paläontologen nur selten auch Philologen (das heißt, sie sind keine griechisch-lateinischen Universalgelehrten). Die haben das in der Schule oder im Studium vielleicht mal gelernt, das ja, aber ihr Arbeitsfeld ist doch eigentlich ein anderes, und so sind eigentlich alle Paläontologen, die ich kenne, nicht so mies drauf, dass einem beim Aussprechen sofort über den Mund fahren würden.

 

Muss ich Latein gelernt haben?

Trotzdem möchte man es ja schon irgendwie „richtig“ machen. Deshalb habe ich mir überlegt, mein eigenes Wissen in einem Artikel zu diesem Thema zu komprimieren. Dazu aber vorweg gleich zu meiner Verteidigung: Ich bin selbst kein Paläontologe, und meine Zeit als Altphilologe (ja, ich habe früher mal Latein studiert und kann auch immer noch ein bisschen Altgriechisch!) liegt schon ein gutes Jahrzehnt zurück.

Anthony Hutchings hat diese Darstellung des epischen Duells zwischen einer Triceratops-Herde und einer Gruppe junger Tyrannosaurier zu Papier gebracht.

Neulatein – Aussprache fast wie im Deutschen

Fangen wir also mal bei den Basics an. Die erste Grundregel der Nomenklatur der Dinosaurier kennt ihr sicher schon: alle Dinosauriernamen müssen in lateinischen Buchstaben geschrieben werden und auch lateinisch deklinierbar sein, so wie die wissenschaftlichen Namen aller anderer Spezies auch. Das bedeutet zumeist, dass ein Dinosauriername auch so ausgesprochen werden sollte wie NEULATEIN. Das ist im Grunde recht einfach, weil die neulateinische Aussprache der Buchstaben im Wesentlichen auch der Deutschen entspricht. Da gibt es nur wenige Zusatzregeln, die man beim Sprechen noch kennen sollte:

  • AE, OE und UE werden immer zu einem langen Ä, Ö oder Ü
  • CH wird immer „zischend“ ausgesprochen, wie in den Wörtern „ich“ oder „sicher“.
  • C wird vor langen Vokalen immer zu einem Z, vor kurzen Vokalen zu einem K.

(Beispiele: der Ceratopsier („Zeratopsier“) Centrosaurus („Zentrosaurus“), ABER der Carnosaurier („Karnosaurier“) Carcharodontosaurus („Karcharodontosaurus“)

Eine Centrosaurus-Herde beim Überqueren eines Flusses. Bildquelle: Raul Martin

Das war der einfache Teil. Machen wir es mal kompliziert: auch wenn die Dinosauriernamen alle lateinisch dekliniert werden, stammen viele ihrer Namensbestandteile eben NICHT aus dem Lateinischen, sondern sind vielmehr altgriechischen Ursprungs. Auf die chinesischen Namen oder solche, die aus ganz exotischen Sprachen stammen wie dem Mongolischen oder der Sprache der Eskimo gehe ich hier jetzt aber nicht weiter ein. Damit kenne ich mich selbst zu wenig aus.

Griechisch, oder besser: Altgriechisch

Machen wir also beim Altgriechisch weiter: Das besondere hierbei ist, dass vor allem bei der Betonung etliche Unterschiede zu unserer gewohnten Aussprache mit dazu kommen. Aber auch einige Buchstabenkombinationen, die bei Dinosauriernamen häufig sind, können wir aus der altgriechischen Sprache ableiten:

  • PH wird immer zu F.
  • SP und ST sprechen wir im Altgriechischen immer in der „Hamburger“ Variante aus, also nicht als z.B. „Schpinosaurus“, sondern kurz und knackig als „ssspitzer Ssssspinosaurus“.
  • TH bedeutet, dass der nachfolgende Vokal „aspiriert“, also angehaucht ausgesprochen wird. Das machen wir Deutschen aber eigentlich immer, und können wir uns auch nicht abgewöhnen. Das ist eines der typischen Dinge, die man an unserem Akzent sofort heraushört, wenn wir mit Menschen mit einer romanischen Muttersprache sprechen –kleiner Funfact. Wichtig zu wissen ist aber in Bezug auf die Namen der Dinosaurier, dass der nun folgende Vokal in der Regel lang ausgesprochen wird.

Im Altgriechischen gibt es nämlich viel weniger Worte mit lang ausgesprochenen Vokalen als bei uns, auch als im Lateinischen! Zur Unterscheidung haben die Altgriechen für die Vokale „E“ und „O“ sogar extra zwei Buchstaben zusätzlich in ihrem Alphabet: so gibt es das Epsilon (kleiner Buchstabe: ε; großer Buchstabe: Ε) als kurzes E, das Eta (η; Η) als langes E; und sie haben das Omikron (ο; Ο) als kurzes O, das Omega (ω; Ω) als langes O. Das sieht man bei der lateinischen Schreibweise aber leider nicht, weshalb bei der Aussprache immer Vorsicht geboten ist!

Im Zweifel müsste man in einem griechischen Wörterbuch nachschlagen, ob der Buchstabe lang oder kurz ist. Das kann also ganz schön kompliziert werden. Im Zweifel würde ich aber dazu raten, die Vokale erstmal immer kurz auszusprechen, weil Eta und Omega seltener vorkommen als Epsilon und Omikron.

Spinosaurus
Skelettrekonstruktion von Spinosaurus in einer Sonderausstellung im Naturkundemuseum Berlin

Betonung auf der drittletzten Silbe – wenn’s altgriechisch ist

Außerdem gilt im Altgriechischen die Regel, dass alle Wörter, die drei oder mehr Silben haben, immer auf der drittletzten Silbe betont werden (bei lateinischen wäre es dagegen die vorletzte!) Bei langen Kofferwörtern kann es auch vorkommen, dass bei der Betonung auch „getrennt“ wird, doch dazu komme ich später. Auch wenn wir im Deutschen dazu neigen, Vokale gern zu dehnen, oder wie im Lateinischen die vorletzte Silbe zu betonen, ist es eigentlich eleganter, die Wortbestandteile so auszusprechen und zu betonen, wie man es in der „Ursprungssprache“ Altgriechisch getan hätte.

Aber wie gesagt: das ist meist nur eine Frage des persönlichen Geschmacks und weder richtig noch falsch. Aber ich bringe natürlich auch mal ein paar Beispiele, damit du verstehst, was ich meine. Ich verwende dabei nun absichtlich „Wortmalereien“, also schreibe die Wörter zwar absichtlich total falsch, versuche sie aber so abzubilden, dass du mit der Aussprache auch etwas anfangen kannst. Die betonten Silben schreibe ich in MARGINALIEN, lange Vokale „dehne“ ich mit Doppelvokalen, kurze mache ich mit einem folgenden Doppelkonsonanten deutlich.

Endlich: die Beispiele

Diplodocus

Der längste Dinosaurier: Diplodocus
Diplodocus, hier als Skelettpräparat in einer Sonderausstellung im Museum Koenig, Bonn

Beim ersten Beispiel bestehen die Wortbestandteile des Diplodocus aus „Diplo“ („doppelt“) und „Docus“ („Balken“). Klassisch neulateinisch ausgesprochen hieße das Tier „diiplooDOOkuss“, also bis auf das hintere „us“, das auch im Lateinischen immer kurz gesprochen wird, mit langen Vokalen. „Richtiger“ wäre es aber, die altgriechische Variante zu wählen, weil alle Namensbestandteile ebenfalls altgriechisch sind: Dann hieße der Dino nämlich „dippLODDokkuss“, also überall mit kurzen Vokalen und der Betonung auf der drittletzten Silbe!

Triceratops

Triceratops in einem kreidezeitlichen Wald. Bildrekonstruktion nach Chris Masnaghetti.

Nächstes Beispiel: die Wortbestandteile des berühmten Pflanzenfressers Triceratops bestehen sogar aus gleich drei Bausteinen: „Tri“ (das bedeutet „Drei“), „Cera“ (Horn) und „Tops“ (Gesicht). Viele Dinofans sprechen diesen Namen „triizeeRAAtopps“ aus, also die ersten drei Vokale lang und mit der Betonung auf der vorletzten Silbe, wie es zu unserem Sprachgefühl und auch zum Neulatein passen würde. Eleganter wäre es aber, den Namen als „trizzERRattopps“ auszusprechen, also mit kurzen Vokalen und der Betonung auf der drittletzten Silbe.

Ganz strenge Altgriechen würden sogar „trikkERRattopps“ sagen, weil im griechischen das Wort κέρας mir einem Kappa, also mit einem K beginnt, und dementsprechend auch mit K ausgesprochen werden müsste. Wir haben hier also gleich drei Aussprech-Varianten, die alle nicht wirklich falsch und nicht wirklich richtig sind.

Andere Dinosaurier-Namen

Bei vielen anderen Wortbestandteilen sprechen die meisten Dinofans auch nicht „elegant“:

 

Pachycephalosaurus
Ein Pachycephalosaurus stapft durch den Bruchwald von Hell Creek. Wer sich außer ihm wohl noch in diesem Sumpf aufhält? Image: Blue Rhino Studios.

 

  • cephale – (Kopf, Schädel): wird oft als „Zeffale“ ausgesprochen, dabei ist das E aber kurz, und folglich müsste man hier immer „Keffale“ sagen. Der berühmte Pachycephalosaurus müsste also als „pachyKKEFFallossaurus“ ausgesprochen werden. Und weil dieser Name so lang ist, trennt man hier beim Wortbaustein „cephale“ und legt die Betonung eben dort auf die drittletzte (also erste) Silbe. Das „saurus“ zählt nicht mit. Fragt mich aber nicht, warum das so ist, wer es weiß, darf es gern in die Kommentare schreiben.
  • lopho, lophus – (Kamm): Hier hört man bei deutschen Sprechern ganz oft die „lange“ Variante, also „loofuss“. Ist aber ein Wort mit Omikron, also ist es ein zackiges „loffus“.
  • cera – (Horn): hatten wir zwar schon, aber zur Wiederholung: das Wort spricht man entweder „Zerra“ oder „Kerra“, aber nicht so elegant als „Zehrah“ aus.
  • spinax, spino –(Stachel): Hier gilt die Regel ausnahmsweise mal andersrum: Der Vokal ist lang. Es heißt „Spiino“ und nicht „Spinno“.
  • mono – (eins, einmal): das kann man sowohl als „moonoo“ als auch als „monno“ aussprechen, ist meistens Geschmackssache.
Erythrovenator in seinem Lebensraum. Bildquelle: Marcio L. Castro.
  • venator – (Jäger): Obacht! Hier kommt mal ein original lateinischer Namensbestandteil, der vor allem in neueren Dinosauriernamen sehr häufig ist. Also hier mal nix mit Altgriechisch und kurzen Vokalen, der hier bleibt ein lang ausgesprochener „veenaatoor“.
  • mega – (groß): Einer der häufigsten gemachten „Fehler“: viele machen da immer ein langes „meegaa“ draus. Aber μέγα wird mit Epsilon geschrieben, ist also ein kurzes „megga“. Bevor es wieder Gemecker gibt (Eselsbrücke!).
  • coelo – (hohl): Na? Wie sprichst du das aus? „Zöölo“, „Köölo“, „Zöllo“ oder „Köllo“? Überleg mal. Meine Meinung dazu gibt’s gleich!
  • stego – (Dach): Der hier heißt aber schon mal „steggo“.
  • deino, dino – (schrecklich): Eben weil das Wort im Ursprung mit einem Diphtong (also mit „EI“) geschrieben wird, ist auch das I in „Dinosaurier“ lang. Den Fehler, es kurz auszusprechen, und „Dinnosaurier“ zu sagen, macht aber bestimmt keiner.
  • Und bei „coelo“ heißt es (meiner Meinung nach!) „Zöölo“. Diphtonge wie Ä, Ö, Ü oder Au, Ei oder Eu werden nämlich immer lang ausgesprochen, und weil es eine lange Silbe ist, ist auch das C als Z auszusprechen. Der Dino heißt also „Zööloffüssiss“ (Coelophysis), und die Dinosauriergruppe heißen „Zööluurossaurier“ (Coelurosaurier).
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Grünlicher Dinosaurier, der auf vier Beinen läuft, zahlreiche Knochenplatten auf dem Rücken und vier Dornen auf der Schwanzspitze hat
Adratiklit boulahfa ist nahe mit den europäischen Stegosauriden verwandt, wie dem hier gezeigten Miragaia. (Bild: Nobu Tamura, spinops.blogspot.com, CC by 3.0)

Keine bindenden Regeln, nur Richtlinien – blamieren kann sich niemand

Aber wie gesagt: All das sind keine bindenden Regeln, sondern eher sowas wie Richtlinien. Mit einer „richtigen“ Aussprache anzugeben lohnt sich deshalb nicht, denn es gibt immer viele, die die eine oder andere Variante aus den unterschiedlichsten Gründen bevorzugen. Man kann, aber sollte sich also nicht darüber streiten.


Dieser Beitrag hat Hiltrud Cantauw von „Dinosaurier-Interesse“ so gut gefallen, dass sie ihn auf ihrer Dinosaurier-Liste verlinkt hat.

Von Markus Kretschmer

Ich wurde 1984 in Wolfsburg geboren und wuchs in dem beschaulichen Dörfchen Bokensdorf im Landkreis Gifhorn in Niedersachsen auf. Schon in meiner Kindheit begeisterte ich mich für die Urzeit und insbesondere für Dinosaurier. Diese Leidenschaft wurde neu belebt, als ich begann, für meinen Roman „Die weißen Steine“ zu recherchieren, der im Ehrlich Verlag erschienen ist. Ich habe Geschichte, evangelische Religions- und lateinische Sprachwissenschaften studiert und arbeite heute als Ganztagsbetreuer an einer Gesamtschule in Kiel, wo ich meine neue Heimat gefunden habe.