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Erdbeben erzeugen sogenannte Seiches, starken Wellengang in Seen und Meeren (da nennt man sie Tsunami), ohne dass Unwetter oder Wind herrscht. Das große Erdbeben vom 1, November 1755 von Lissabon brachte in ganz Europa die Seen zum Kochen und zum Überschwappen, in Schottland unter anderem den Loch Lomond, den Loch Tay und den Loch Ness.

 

Loch Ness mit Bergketten an beiden Ufern und der Sonne hinter Wolken am gegenüberliegenden Ende
Wie verschlossen liegt Loch Ness an diesem Abend da, kaum eine Welle, und selbst das Licht wirkt bleiern.

 

Das schildert der walisische Naturwissenschaftler Thomas Pennant (1726–1798) in seinem Buch „A Tour of Scotland“ (Nachdruck Perth: Melven Press 1979, S. 201):

 

[Loch Ness] is violently agitated by the winds, and at times the waves are quite mountainous. November 1st, 1755, at the same time as the earthquake at Lisbon, these waters were affected in a very extraordinary manner: they rose and flowed up the lake from East to West with vast impetuosity, and were carried above 200 yards up the river Oich, breaking on its banks in a wave near three feet high; then continued ebbing and flowing for the space of an hour: but at eleven o’clock a wave greater than any of the rest came up the river, broke on the North side, and overflowed the bank for the extent of 30 feet. A boat near the General’s Hut, loaden with brushwood, was thrice driven ashore, and twice carrioed back again; but the last time, the rudder was broken, the wood forced out, and the boat filled with water and left on shore.

 

Das Buch ist 1779 auch auf Deutsch erschienen, unter dem Titel „Reise durch Schottland und die Hebridischen Inseln“ (Leipzig: Weygandsche Buchhandlung). Hier steht die Passage, stark gekürzt, auf Seite 128:

 

Oft stürmt es auf diesem See sehr heftig, und die Wolken [muss eigentlich heißen: Wogen] steigen alsdenn gleich Bergen in die Höhe. Insonderheit bemerkte man den ersten November 1755, um die nämliche Zeit, da zu Lissabon das große Erdbeben war, daß es auf dem Loch-Neß entsezlich stürmte, doch verspürte man in der ganzen Gegend keine Erderschütterung.

 

Eine weitere interessante Informationen, nämlich das frühere Vorkommen von Bibern im Loch Ness, bietet die „Jagd-Zeitung“, Band 12, 15. März 1869, Seite 151. Dort schreibt ein Fr. A. P. den Artikel „Naturgeschichtliches aus England, über Thiere, welche seit geschichtlich bekannten Zeiten ausgestorben sind“. Loch Ness liegt natürlich in Schottland, nicht in England!

 

schwimmender Biber
Schwimmender Biber.

 

Es vermuthen wohl Wenige, daß der Biber (Castor fiber), von dessen merkwürdiger Lebensweise man uns schon in der frühesten Jugend erzählte, einst in den Gebirgswassern von Loch Neß und Loch Marree in Pertshire ebenso heimisch waren und friedlich ihre Dämme bauten, wie heutzutage an der Hudsonsbai und in Canada, und doch war es so.

Abgesehen von andern stichhaltigen Beweisen, haben wir einen, dem die Unkundigeren vielleicht geneigt sind mehr Glauben zu schenken, ich meine die Aussagen von Augenzeugen und Zeitgenossen, die bei geologischen Behauptungen, selbst über die jüngsten Formationen, äußerst selten sein dürften. Die erste, uns bekannte Kunde davon stammt aus dem 9. Jahrhundert, wo desselben in den Gesetzen von Hywel Dha (Leges Wallicae) als eines zur damaligen Zeit schon seltenen und geschätzten Thieres Erwähnung geschieht.

 

Furriers Shop 19. Century
Pelzsalon eines Londoner Kürschners im 19. Jahrhundert. Das Bild stammt aus Frankreich, weiteres ist unbekannt.

 

Während ein Marderfell auf 24 Pence, Fell einer Fischotter nur auf 12 Pence geschätzt wurde, galt das eines Flosdyldan oder Bibers die große Summe von 120 Pence, also fünfmal so viel als das eines Marders und zehnmal soviel als ein Fischotterfell. So scheint er schon zur Zeit der sieben Königreiche weniger häufig gewesen zu sein, seine Sonne ging früher unter. Giraldus de Barri, oder wie er von Andern genannt wird, Sylvester, Giraldus oder Giraldus Cambriensis erzählt uns im Jahre 1188 in dem komischen Berichte, den er von seiner Wanderung durch Wales mit Balduin, Erzbischof von Canterbury gibt (der Zweck dieser Reise war, die Bewohner von Wales zur Theilnahme an den Kreuzzügen aufzumuntern), daß zu seiner Zeit der Biber nur in dem Fluße Teivi in Cardiganshire gefunden wurde, und er macht eine merkwürdige Beschreibung von den Eigenthümlichkeiten dieses Thieres, welche allem Anscheine nach theilweise auf eigene Beobachtungen gegründet war. […]

Der Biber war ein seltenes Thier, aber ein wichtiges

Ungefähr um dieselbe Zeit war der Biber in Schottland bekannt, aber nur als ein seltenes Thier. Hector Boece (oder Boethius), der scharfsinnige Vater aller schottischen Geschichtschreiber führt den Biber ohne das mindeste Bedenken unter den Bewohnern von Loch Neß an und sagt, daß Biberfelle gegen das Ende des 15. Jahrhunderts ein ansehnlicher Ausfuhrsartikel gewesen seien; er geht sogar noch weiter und spricht von einer unvergleichlichen Menge; das ist jedoch vielleicht nur eine Uebertreibung, wie sie unsere modernen Geschichtschreiber den mittelalterlichen Historiografen öfters zur Last legen, wo es sich um merkwürdige Thatsachen handelt.

Bellenden, welcher ungefähr um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts auf den Wunsch Jakobs VI. eine Uebersetzung der schottischen Chronik (Cronikles of Scotland) von Boethius unternahm, und der in seiner Gewissenhaftigkeit Hirsche, Rehe und sogar Fischottern wegläßt, erwähnt des Bibers ohne Zögern. Die darauf bezügliche Stelle ist werth, hier angeführt zu werden: „Mony wyld hors and amang yame are mony martrikis, (pine martins) bevers quhitredis and toddis, the furrings and skynnis of yame are coft (bought) with great price amang uncouth (foreign) merchandis.“ (Viele wilde Pferde und von Waldthieren viele Baummarder, Biber, Wiesel und Füchse, deren Pelze und Felle zu hohen Preisen von den fremden Kaufleuten gekauft werden.)

Es ist mehr als wahrscheinlich, daß jene ehrenwerthen Geschichtschreiber unter dem Einfluß eines gewissen heimatlichen Stolzes schrieben, als sie den Biber unter den im 15. Jahrhundert in Loch Neß eins heimisch gewesenen Thieren anführten, da derselbe in einem Parlamentsakt vom Juni 1424 gar nicht genannt ist, in welchem doch mertricks (Baummarder), fourmartes (Iltisse), Fischottern und Füchse ausdrücklich genannt werden. Es muß im Vorbeigehen bemerkt werden, daß beide Historiker von den Erzeugnissen ihres Landes in übertriebenen Ausdrücken schreiben. [….]

Am Anfang des Jahrhunderts hatten die schottischen Hochländer einen eigenthümlichen Namen für das Thier: losleathan oder dobhran losleathan, die breitschwänzige Fischotter; und Dr. Stewart of Luß sagt in einem Briefe an den verstorbenen Dr. Patrick Neill, Sekretär der Wernerian Society, daß der Sage nach in Lochaber einst Biber oder breitschwänzige Fischottern gehaust haben sollen.

 

Fischotter leben auch in Loch Ness
Fischotter sind schnelle, geschmeidige Jäger – sie kommen auch heute noch regelmäßig in Loch Ness und vielen anderen Teilen Schottlands, sogar im Meer vor.

 

Es wäre wohl wert, die Stelle bei Boece, wo er über Loch Ness schreibt, herauszufinden. Jedenfalls scheint für ihn und lange Zeit noch der Biber das bemerkenswerteste Tier im Loch Ness gewesen zu sein.


Anmerkung der Redaktion:

Laut Literatur ist der Biber in Großbritannien im 16. Jahrhundert ausgestorben. Der letzte Nachweis für England erfolgte im Jahr 1526. 2008 wurden im Rahmen der Wiederherstellung der Natur im Vereinigten Königreich die ersten Biber wieder ausgesetzt. Dies geschah am Otter-River in Devon, Südengland. Die Wiedereinbürgerung wird bis heute fortgesetzt, 2021 wurde in Südengland eine Rekordzahl von Bibern ausgesetzt (Wir berichteten).

Literatur: Martin, H. T. (1892). Castorologia: Or The History and Traditions of the Canadian Beaver. W. Drysdale. p. 26. ISBN 978-0-665-07939-9.

Von Ulrich Magin

Ulrich Magin (geb. 1962) beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Kryptozoologie, insbesondere mit Ungeheuern in Seen und im Meer. Er ist Mitarbeiter mehrerer fortianischer Magazine, darunter der „Fortean Times“ und Autor verschiedener Bücher, die sich u.a. mit Kryptozoologie befassen: Magischer Mittelrhein, Geheimnisse des Saarlandes, Pfälzer Mysterien und jüngst Magische Mosel.