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Am Mittwoch, 12. August 1863 verstarb das letzte bekannte Quagga im Artis Zoo in Amsterdam. Mit der über 20-jährigen Stute starb eine der einstmals individuenstärksten Großtierarten Afrikas aus.

Quagga von Samuel Daniell 1804
The Quahkah; „Samuel Daniell was appointed artist for a British expedition into the Cape interior in 1801. He sketched animals from life in their natural habitats, and was praised for his accuracy and attention to detail. Upon his return, Daniell used his field sketches to create and publish these aquatints.“. By: Samuel. Daniell 1804-1805. Page or plate: plate of Quahkah

 

Was ist das Quagga?

Das Quagga (Equus quagga) kennt heute kaum noch jemand. Bei diesem Tier handelt es sich – je nach Sichtweise – um eine Zebra-Art oder Unterart, die im südlichen Afrika zwischen den Flüssen Oranje, Vaal und Great Kei River verbreitet war.

 

Die Tiere zeichneten sich im wahrsten Sinne des Wortes durch eine ungewöhnliche Zeichnung aus. Kopf und Hals waren kontrastreich schwarz-weiß gestreift, während der Rücken graubraun bis rehbraun war, Bauch und Beine blieben weitgehend weiß. Quaggas waren etwa so groß wie die nahe verwandten Steppenzebras, die kleinsten rezenten Zebras. Sie erreichten ein Stockmaß von etwa 130 cm, eine Kopf-Rumpf-Länge von etwa 230 cm und ein Gewicht von 175 bis 350 kg.

 

Quagga Zoo London 1870
Ein Quagga im Zoo von London. Die Aufnahme stammt etwa von 1870 und ist vermutlich die einzige, die ein lebendes Quagga zeigt.

 

Das Aussterben

Die einzige ernsthafte Bedrohung für das Quagga waren Menschen, genauer westliche Menschen aus Europa, hauptsächlich englischen und niederländischen Ursprungs. Farmer betrachteten alles, was nicht Nutztier war, als Konkurrenz, die in jedem Fall „weg musste“. Dazu kam, dass sich im 17. Jahrhundert bereits eine begüterte Oberschicht herausbildete. Für sie wurde die Jagd zu einem „Sportschießen auf lebende Zielscheiben“, so dass sehr viele Tiere auf diesem Weg ihr Leben ließen. Die Nutzjagd wegen Fleisch und Leder geriet da schnell in den Hintergrund und hätte vermutlich nicht einmal zu einem großen Rückgang der Population geführt.

 

So aber war das Quagga bereits 1850 südlich des Oranje-Rivers ausgestorben. Die letzten wilden Quaggas bis in die späten 1870ern im Transvaal, nördlich des Vaal. 1877 setzte eine Dürre der verbliebenen Population heftig zu. Viele versprengte Teilpopulationen galten danach als ausgestorben. Dennoch ging die Jagd weiter, Ende der 1870er wurde vermutlich das letzte wilde Quagga erschossen.

 

Zunächst: Überleben im Zoo

In Zoos lebte die Tierart noch ein wenig länger. Der Zoologische Garten Berlin beherbergte 1863 bis 1867 sowie 1872 bis 1877 je ein Einzeltier. Das erste Exemplar steht heute als Dermoplastik im Naturkundemuseum der Stadt.
Im belgischen Antwerpen wurden 1861 zwei Quaggas präsentiert. Die Mini-Herde ist bis 1867 durch zwei Geburten auf vier Exemplare angewachsen, von denen ein Tier nach Amsterdam abgegeben wurde. Das andere verblieb mindestens bis 1878 dort. Entweder dieses Tier oder das zweite Berliner Exemplar war das vorletzte Tier seiner Art.

Weitere Tiere, darunter das letzte bekannte Quagga lebten im Artis Zoo in Amsterdam. Nach einer ersten, erfolgreichen Haltung eines Alttieres aus England in den Jahren 1851 bis 1853 erhielt der Artis Zoo am 09.05.1867 eine Stute aus Antwerpen. Vermutlich war es eines der dort geborenen Jungtiere.

Das letzte Quagga war wohl auch das Tier, das im Zoo am ältesten wurde. Meist sind die Tiere in den Zoos nur wenige Jahre alt geworden, die namenlose Stute wurde über 20 Jahre alt. Sie starb am 12. August 1883, heute vor 140 Jahren.

 

Quagga von Ludwig XVI
Quagga aus der Menagerie Louis XVI. aus Versailles. Wasserfarb-Zeichnung von 1793 von Nicolas Marechal.

 

Kryptozoologisches

Dennoch gibt es einen Einzelbericht über wesentlich längeres Überleben von Quaggas in Afrika. Der deutsche „Schutztruppen“-Offizier Victor Franke (1866 – 1936) berichtete 1901 von kleineren Quaggaherden im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dessen Fläche dem heutigen Staat Namibia quasi übereinstimmt. Franke war 1901 im Sesfontein, in der Region Kunene im Nordwesten der Kolonie stationiert. In seinem Tagebuch (das der Redaktion nicht vorliegt) schreibt er an mehreren Stellen, er bringe es nicht übers Herz, auf diese „wunderschönen und herrlichen“ Quaggas zu schießen.

 

Leider ist Frankes Tagebuch nicht unbedingt als zuverlässige Quelle einzuordnen. Franke galt zu diesem Zeitpunkt bereits als alkoholsüchtig und nutzte mindestens gelegentlich Morphium. Ob dies zu Beobachtungsfehlern (nennen wir es mal so) führte, bleibt unklar. Andererseits hatte Franke keinen Grund, Geschichten zu erfinden, denn er wollte seine Tagebücher nie veröffentlichen. Erlebt hat er mit Sicherheit auch ohne Quaggas genug.

 

Rau-Quaggas
„Rau-Quaggas“ aus dem Quagga-Projekt. Foto von: The Quagga Project www.quaggaproject.org

 

Abbildzucht

Nachdem die Genetik bestätigt hatte, dass das Quagga nahe mit dem Steppenzebra verwandt ist, nutzte man die südliche Unterart (Equus quagga burchelli), um Tiere mit reduzierten Streifen zu züchten, die ans Quagga erinnern. Bereits 1986 initiierte Reinhold Eugen Rau (1932 – 2006) eine Steppenzebra-Zuchtlinie, die äußerlich stark an Quaggas erinnert.

 

Anfang des Jahres trat das Quagga-Projekt an die Weltöffentlichkeit. Es pflegt mehr als 200 quaggaähnliche Zebras in mehreren Zuchtstationen, von denen einige im ursprünglichen Verbreitungsgebiet wieder ausgewildert werden sollen. Wir berichteten.

 

Rau-Quaggas
Eine weitere Gruppe Rau-Quaggas. Foto von: The Quagga Project www.quaggaproject.org

 


Literatur:

a.: „Quaggas“: Zebras ohne Streifen könnten wieder Steppen erobern, n-tv am 23.2.2022

a.: The Quagga Project, Webseite

Wikipedia zu Quagga und Victor Franke

www.zootierliste.de zum Quagga

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.