Mesoplodon eueuMsepolodon eueu - Das Bild gibt eine etwaige Vorstellung, wie der Wal im Flachwasser wirkt. Die Originalzeichnung ist von Vivian Ward, die Montage von Tobias Möser
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Mit Mesoplodon eueu hat ein internationales Wissenschaftlerteam um Emma Carroll und Morton Tange Olsen eine weitere, große Schnabelwalart aus den südlichen Ozeanen beschrieben.

 

Die Erstbeschreibung ist am 27.10.2021 erschienen. Um rechtzeitig publizieren zu können, habe ich Teile der Originalarbeit durch einen Maschinenübersetzer gejagt und das Ergebnis angepasst.

 

Artbildung in der Tiefe: Genetik und Morphologie enthüllen eine neue Schnabelwalart: Mesoplodon eueu

Die Tiefsee wird häufig als letzte große ökologische Grenze bezeichnet. Ein Großteil ihrer Artenvielfalt ist noch unentdeckt und unbeschrieben. Schnabelwale (Ziphiiden) gehören aufgrund ihrer Größe und weltweiten Verbreitung zu den sichtbarsten Bewohnern der Tiefsee. Ihre taxonomische Vielfalt und vieles über ihre Naturgeschichte sind noch wenig verstanden. Die Autoren der Erstbeschreibung kombinieren genomische und morphometrische Analysen, um eine neue Ziphiidenart der südlichen Hemisphäre darzustellen: Den Ramari*-Schnabelwal, Mesoplodon eueu.

Sein Name ist mit den indigenen Völkern der Länder verbunden, aus denen der Holotyp und die Paratypen der Art stammen. Mitogenom- und ddRAD-abgeleitete Phylogenien zeigen eine reziproke monophyletische Divergenz zwischen M. eueu und True-Schnabelwal (M. mirus) aus dem Nordatlantik, mit dem er zuvor subsumiert wurde. Auch morphometrische Analysen von Schädeln unterscheiden die beiden Arten. Eine zeitkalibrierte Mitogenom-Phylogenie und die Analyse von zwei Kerngenomen weisen darauf hin, dass sich die Arten vor etwa 2 Millionen Jahren (Ma) trennten. Der Genfluss stoppte vor 0,35–0,55 Ma.

 

Verbreitung von Mesoplodon eueu und M. mirus
Abbildung 1. Probennahmestellen in Nordatlantik (schwarze Kreise) und der südlichen Hemisphäre (gelber Kreis). Globale Karte als Spilhaus-Projektion, die die Verbundenheit des Ozeans zeigt, mit Probenahmeorten und Verbreitung von Mesoplodon mirus und M. eueu. Bildnachweis: Vivian Ward, University of Auckland.

Die neu beschriebene Art: der Ramari-Schnabelwal, Mesoplodon eueu sp. nov.

Molekulare und morphologische Daten zeigen, dass unter den True-Schnabelwalen aus dem Nordatlantik und der Südhemisphäre zwei unterschiedliche, lang getrennte evolutionäre Abstammungslinien vorliegen. Sie stimmen mit den Arten im Rahmen des genealogischen Konkordanz-Artenkonzepts überein. Daher schlagen die Autoren vor, die Form der Südhemisphäre als neue Art zu klassifizieren.

 

Systematische Biologie von Mesoplodon eueu

Cetacea Brisson 1762
Ziphiidae Grau 1865
Mesoplodon Gervais 1850
Mesoplodon eueu sp. nov.

 

Holotyp von Mesoplodon eueu

Der Holotyp ist ein trächtiges, 5,06 m langes erwachsenes Weibchen namens Nihongore von Te Rūnanga o Makaawhio. Sammler sind Ramari Stewart, Nathaniel Scott und Don Neale nach dem Beachcast am 27. November 2011. Die vollständigen Skelette des Weibchens und des Fötus befinden sich im Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa (NMNZ, Wellington, Aotearoa New Zealand. Es ist das Exemplar mit der Sammlungsnummer MM003000). Eine Gewebeprobe wird im New Zealand Cetacean Tissue Archive (NZCeTA, University of Auckland, Auckland, Aotearoa New Zealand) aufbewahrt.

 

Typlokalität

Waiatoto Spit, South Westland, Aotearoa Neuseeland.

 

 

Paratypen

Erwachsene Weibchen (PEM N0136 und PEM N3438) und erwachsene Männchen (PEM N1114) im Port Elizabeth Museum (Gqeberha, Südafrika) und erwachsene Männchen (SAM-ZM-041596 und SAM-ZM-039840) im Iziko South African Museum (Kapstadt, Süd Afrika).

Eine vollständige Beschreibung der Paratypen findet sich im elektronischen Ergänzungsmaterial zur Erstbeschreibung.

 

Etymologie von Mesoplodon eueu

Die wissenschaftlichen und gebräuchlichen Namen erkennen Verbindungen zu indigenen Gemeinschaften in Südafrika bzw. Aotearoa Neuseeland an und wurden in Absprache mit diesen Völkern ausgewählt. Die meisten südafrikanischen Strandungen passieren aus Gebieten, die von den Khoisan-Völkern bewohnt werden. Unter Anleitung des Khoisan-Rates wählten wir den Namen //eu//’eu. Dies haben die Erstbeschreiber zu eueu vereinfacht, um den Nomenklaturstandards zu entsprechen. Dies bedeutet in der Sprache Khwedam „großer Fisch“.

In Aotearoa, Neuseeland, entwickelte der Māori-Kulturexperte Brad Haami eine Auswahlliste potenzieller Namen mit Bedeutung in der Māori-Sprache. Diese Liste hat er dann zur Stellungnahme an den Te Rūnanga o Ngāi Tahu geschickt. Der ausgewählte gebräuchliche Name, Ramari- Schnabelwal*, ist eine Hommage an die Māori Tohunga (Expertin) Ramari Stewart. Sie erhält das traditionelle Wissen am Leben, hat umfassend bei der wissenschaftlichen Erforschung von Meeressäugern beigetragen und das Skelett des Holotyps vorbereitet. Das Wort „Ramari“ bedeutet in der Sprache der Māori ein seltenes Ereignis. Das spiegelt die schwer fassbare Natur der meisten Schnabelwale sehr gut wider.

 

Diagnose

Molekulare Eigenschaften

Mesoplodon eueu unterscheidet sich von M. mirus anhand von nuklearen DNA-Markern und von M. mirus und seinen nächsten Verwandten M. europaeus, M. ginkgodens und M. bidens anhand von mtDNA-Markern (Abbildung 2). M. mirus unterscheidet sich von allen anderen Mesoplodon– Arten basierend auf früheren mitochondrialen und nuklearen DNA-Bäumen.

 

Genetische Stammbäume von Mesoplodon eueu
Abbildung 2. Tiefe genetische Divergenz zwischen M. mirus (schwarz) und M. eueu (gelb).

 

Die genauen molekularen Daten werden den meisten Lesern hier nicht viel sagen. Daher verweise ich hiermit auf die Darstellung in der Erstbeschreibung.

 

Morphologie

Mesoplodon eueu ist eine größere (5,3 m) Mesoplodon-Art. Sie unterscheidet sich von allen anderen Mitgliedern der Gattung außer M. mirus, M. hectori und M. perrini durch Stoßzähne an der Spitze des Unterkiefers. Gegenüber M. hectori und M. perrini besitzt sie kleinere, weniger dreieckige Stoßzähne. Von M. mirus differenziert sie sich durch ein relativ kürzeres Rostrum mit breiterer Basis, eine kürzere Unterkiefersymphyse, breitere Prämaxillarsackgruben und -kämme und einen höheren Schädel .

 

 

Mesoplodon eueu im Wasser
Mesopolodon eueu – Das Bild gibt eine etwaige Vorstellung, wie der Wal im Flachwasser wirkt. Die Originalzeichnung ist von Vivian Ward, die Montage von Tobias Möser

 

Äußere Erscheinung

Es ist nicht bekannt, dass das äußere Erscheinungsbild von M. eueu und M. mirus einheitlich unterscheidbar ist. Beide Arten sind runde Mesoplodonten mit Körpern, die sich zum Schwanz und zum Rostrum hin verjüngen. Sie haben etwas bauchige und gut definierte Melonen, einen meist geraden Schnabel und einem kurzen, geraden Spalt. Die Färbung ist bei beiden Arten im Allgemeinen grau mit einer dunklen Augenklappe, aber es können spezifische Färbungsmuster im Zusammenhang mit M. eueu auftreten; zum Beispiel zeigte ein in Südafrika gestrandetes Weibchen eine weißliche Rückenfärbung von der Flosse bis zum Schwanzstiel.

 

Schädel von Mesoplodon eueu und M. mirus
Abbildung 4. Schädel und morphologische Besonderheiten von M. eueu, dargestellt durch Holotyp (NMNZ MM003000). (a) Schädel in dorsaler (links), ventraler (Mitte) und linker lateraler (rechts) Ansicht (b) periotisch in dorsaler (links) und ventraler (rechts) Ansicht; (c) Bulla tympanica in dorsaler (links) und ventraler (rechts) Ansicht; (d) Unterkiefer in dorsaler (oben) und seitlicher (unten) Ansicht; (e) Unterkieferstoßzähne in medialer (links) und lateraler (rechts) Ansicht. (f) PCA von kranialen und mandibulären Messungen, die eine klare Trennung zwischen M. eueu von SH und M. mirus von NA zeigen. Prozentsätze neben den Hauptkomponenten (PCs) bezeichnen die erklärte Gesamtvarianz. Gefüllte Sterne sind Holotypen und hohle Sterne Paratypen. (Online-Version in Farbe.)

 

Aguilar et al. berichteten von M. mirus mit unterschiedlicher dorsaler und ventraler Weißfärbung auf den Kanarischen Inseln und den Azoren, so dass artenspezifische Farbmuster noch nicht abschließend definiert werden können.

 

Verbreitung von Mesoplodon eueu

Die neu beschriebene Art M. eueu kommt wahrscheinlich in gemäßigten Gewässern der südlichen Hemisphäre vor, es gibt Beobachtungen und Berichte von mehreren Standorten.
Genetische Methoden haben zumindest einige dieser Aufzeichnungen in Südafrika, Australien und Aotearoa New Zealand bestätigt.

 

Verbreitung von Mesoplodon eueu und M. mirus
Fundorte und mögliche Verbreitung von Mesoplodon eueu und M. mirus

 

Diskussion

Die Tiefsee als Motor der Artbildung

In der Tiefsee warten bis zu 1,5 Millionen Arten darauf, entdeckt zu werden. Eine detaillierte Analyse selbst einer kleinen Anzahl von Proben ermöglicht tiefe Einblicke in die Vielfalt und Phylogeographie der in diesem riesigen Lebensraum vorkommenden Arten. Als einer der wenigen Tiefseespezialisten unter den Säugetieren ist es vielleicht nicht überraschend, dass Schnabelwale sehr artenreich sind.

Tiefseeökosysteme werden durch Temperatur, Primärproduktivität und Habitatkomplexität bestimmt. Die Modellierung des Energieeintrags legt nahe, dass die Biodiversität in der Tiefsee in Breitengraden von 30–50° ihren Höhepunkt erreicht, was mit den Verbreitungsgebieten von M. eueu und M. mirus zusammenfällt. Basierend auf der zeitkalibrierten, phylogenetischen Rekonstruktion von Mitogenomen könnte die anfängliche Divergenz dieser Arten durch eine intensive Abkühlung bei tropischen Ozeantemperaturen von etwa 2 Ma angetrieben worden sein. Dies hat wiederum die äquatoriale Trennung der Populationen der Hemisphären erleichtert. Es ist unklar, aus welchem ​​Ozeanbecken die angestammte Art stammt. Die etwas größere genetische Vielfalt und das breitere geografische Verbreitungsgebiet von M. eueu können auf einen südlichen Ursprung hinweisen. Die hPSMC-Analyse legt nahe, dass um 0,35 Ma jeglicher signifikante Genfluss zwischen den beiden Hemisphären aufgehört hatte. Nach der Divergenz ist die Populationsgröße beider Arten wahrscheinlich gewachsen, da M. mirus und M. eueu in jüngster Evolutionszeit Signale der Expansion zeigten.

Beispiele für antitropische Artenpaare und Populationsstrukturierungen sind bei Walen und anderen Meeressäugern üblich.

 

Der Ramari-Schnabelwal ist die fünfte Schnabelwalart, die in jüngerer Zeit beschrieben wurde

Mesoplodon eueu ist die fünfte Schnabelwalart, die in den letzten Jahrzehnten beschrieben oder in den Artenstatus erhoben wurde.

Hinzu kommt mindestens noch eine weitere, unbekannte Schnabelwalart, die im vergangenen Jahr vor Mexiko das erste Mal beobachtet wurde. Wir berichteten.

Ziphiiden kommen hauptsächlich vor der Küste vor. Sie verbringen wenig Zeit an der Oberfläche und sind visuell schwer zu unterscheiden, was ihre Untersuchung erschwert. Ein integrativer Ansatz, der genetische und morphometrische Analysen kombiniert, hat sich bei der Aufdeckung der Vielfalt und Verwandtschaft dieser schwer fassbaren Tiere als effektiv erwiesen. Er wird wahrscheinlich in Zukunft weitere taxonomische Erkenntnisse liefern. Die Studie erforderte internationale Zusammenarbeit. Sie ist im Rahmen des Aufbaues eines globales Archives für Schnabelwal-Gewebeproben (International Tissue Archive for Beaked Whale) entstanden. Dieses Archiv bewahrt mittlerweile Gewebeproben auf, die über fünf Jahrzehnte gesammelt wurden.

Die Beschreibung einer neuen Art erfordert wichtige Entscheidungen bezüglich der Benennung des neuen Taxons. Die moderne Wissenschaft versucht, die tiefe Verbundenheit und das Wissen der indigenen Völker mit der natürlichen Umwelt anzuerkennen. Dazu haben sich die Erstbeschreiber mit ihnen zu möglichen Arten und gebräuchlichen Namen beraten lassen. Dies ist Teil eines kritischen Wandels in der globalen Wissenschaftsgemeinschaft, die bestrebt ist, mit indigenen Wissensträgern in Ökologie und Naturschutzbiologie zusammenzuarbeiten. Dies hat hier zu einem der ersten Wale geführt, die nach einer indigenen Frau benannt wurden.


Literatur:

Originalarbeit

Carroll, E.l. at al: Speciation in the deep: genomics and morphology reveal a new species of beaked whale Mesoplodon eueu; https://doi.org/10.1098/rspb.2021.1213

 

Weitere Literaturangaben dort


* Schnabelwale werden häufig nach Personen benannt. Im Englischen ist es üblich, den Namen der Person in den Genitiv zu setzen: „True’s beaked whale“, während er im Deutschen Teil des Namens ist: „True-Schnabelwal“ und nicht „Trues Schnabelwal“. Ebenso verfahren wir hier mit dem Namen der neu beschriebenen Art: „Ramari-Schnabelwal“ und nicht „Ramaris-Schnabelwal“.


Die komplette Arbeit einschließlich aller Abbildungen ist unter Creative Commons 4.0 lizensiert. Dies gilt dem entsprechend auch für diesen Text.

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.