Ein weiteres Indiz für die mögliche Existenz eines Orang Pendek sind – wie auch bei Yeti und Bigfoot – Abgüsse von Fußabdrücken. Natürlich können diese ebenso leicht – wenn nicht leichter – gefälscht werden, wie Foto- oder Videoaufnahmen. Da dem Autor dieses Artikels allerdings ein solcher angeblicher Abguss vorliegt, soll dennoch eine kurze Untersuchung vorgenommen werden.
Hintergrundinformationen und Beschreibung
Der Verfasser dieses Artikels hat den Abguss im Jahr 2019 von einem britischen Anbieter erworben. Es handelt sich nicht um das Original. Die Erde, die dem Abguss scheinbar anhaftet, ist in Wirklichkeit nur braune Farbe. Dies hat der Verkäufer auch offen zugegeben. Eine kurze Internetrecherche ergibt, dass der Originalabguss 1999 von Adam Davies gesichert wurde. Als Quelle dafür gibt die Online-Ausgabe des „Guardian“ das „Center for Fortean Zoology“ an. Das ist durchaus glaubwürdig, da diese Einrichtung regelmäßig kryptozoologische Expeditionen in verschiedene Regionen der Welt organisiert. Außerdem hat Richard Freeman, einem Mitglied dieser Organisation, den fraglichen Artikel verfasst.
Der Abguss ist ca. 13 cm lang und an der breitesten Stelle 9 cm breit. Am vorliegenden Abguss sind Unterschiede in der Dicke deutlich ersichtlich. So kann man etwa relativ klar erkennen, an welcher Stelle die Fußsohle in die Zehen übergeht. Die Zehen sind nicht so angeordnet, wie man es bei einem menschenähnlichen Kryptid erwarten würde. Der große Zeh befindet sich nämlich an einer ähnlichen Position, wie der Daumen beim Menschen. Das lässt darauf schließen, dass dieser Fuß auch zum Greifen oder Klettern genutzt wird. Demnach kommt also nur ein Affe oder ein affenartiges Kryptid als Urheber dieses Abdruckes in Frage.
Die Eingrenzung des Urhebers
Der Verfasser wollte sich nun gleich daran machen, den Abguss mit den Fußabdrücken der verschiedenen Affenarten auf Sumatra abzugleichen. Ein Detail des Abgusses macht bei näherer Betrachtung allerdings stutzig: Dieses Wesen muss ja die reinsten Stummelzehen haben! Jeder Zeh schien nur ein einziges Glied und damit keinerlei Gelenke zu besitzen. Mit einem solchen Fuß könnte man eventuell aufrecht gehen – zu greifen oder zu klettern, wäre damit aber völlig unmöglich. In diesem Fall würde allerdings wiederum die Position des großen Zehs keinen Sinn ergeben, die ja auf ein kletterndes Kryptid hindeutet. Das jedenfalls war der erste Gedanke des Autors.
Die erste Erklärung für dieses Phänomen wäre ein unvollständiger Abguss, etwa, weil der Boden zu hart war. Das ist aber unwahrscheinlich, da der Abguss über eine gewisse Tiefe verfügt. Dementsprechend müssen die Füße des Verursachers auch ein Stück weit in den Boden eingesunken sein. Die einzige andere Möglichkeit bestünde darin, dass ein harter Gegenstand oder mehrere harte Gegenstände auf eine sehr seltsame Art und Weise angeordnet waren: So nämlich, dass bei jedem einzelnen Zeh das erste Glied vollständig, die übrigen Glieder aber überhaupt nicht abgebildet wurden. Sehr wahrscheinlich erscheint diese Möglichkeit nicht. Man sollte also eigentlich alle Teile des Fußes erkennen können. Tatsächlich gibt es dafür allerdings eine einfache Lösung:
Laufen mit angewinkelten Zehen?
Der Abguss ist vollständig! Man sieht alle Teile des Fußes – alle Teile, die den Boden berühren. Der Zufall hat diese Erkenntnis geführt. Auf der Suche nach geeignetem Vergleichsmaterial stieß der Verfasser auf ein Video, das einen auf allen Vieren laufenden Orang-Utan zeigte. Auf dem Trampelpfad waren die Füße gut zu erkennen. Es wirkte so, als ob das Tier während des Laufens seine Zehen anwinkelte.
Eine weitergehende Recherche förderte ein Bild zutage, anhand dessen dieses Verhalten noch sehr viel klarer ersichtlich ist. Dabei wurde die These bestätigt, dass die Füße auch mit angewinkelten Zehen auf dem Boden abgesetzt werden. Demnach berührte also nur ein Glied des jeweiligen Zehs beim Laufen den Boden. Bei der Verdickung am „Ende“ der Zehen des Abgusses handelt es sich tatsächlich also um nichts anderes, als die Knöchel.
Auf den ersten Blick mag es als Gedankensprung erscheinen, nun gleich einen Orang-Utan zum „Schuldigen“ zu erklären. Die Beweislast ist allerdings erdrückend: Der Orang-Utan lebt auf der Insel Sumatra. Der Orang-Utan verfügt über Füße, die zum Klettern und Greifen geeignet sind. Orang-Utans winkeln beim Laufen die Zehen an. Auch stehen diese Tatsachen im Widerspruch zu den Beschreibungen des Orang Pendek. Dieser wird als aufrecht gehend beschrieben und soll menschenähnliche Füße haben.
Zwei Kryptide?
Ansonsten bliebe nur noch eine sehr unglaubwürdige Theorie: Demnach existiert der Orang Pendek und der Fußabdruck stammt auch tatsächlich von diesem Kryptid. Dies würde allerdings bedeuten, dass alle Augenzeugen einer Täuschung erlegen sind. Wie im letzten Absatz bereits gesagt, ist es nicht der Fußabdruck eines aufrechtgehenden Wesen. Man müsste also davon ausgehen, dass einerseits eine Orang-Utan-artige Affenart unentdeckt auf Sumatra lebt und andererseits alle Augenzeugenberichte über dieses Kryptid fehlerhaft sind. Auch das im letzten Teil besprochene Video wäre dann zwangsweise entweder eine Fälschung, oder es würde auf einer Verwechslung beruhen.
Zur Klarstellung: Der Fußabdruck stammt meiner Ansicht nach keinesfalls von einem Wesen, welches sich auf zwei Beinen fortbewegt. Zwischen den Indizien (Film und Abdruck) besteht kein anderer Zusammenhang, als dass sie beide auf die mögliche Existenz des Orang Pendek hindeuten. Sie sollten daher auch unabhängig voneinander betrachtet werden.
Mindestens eines der beiden Indizien halten wir fälschlicherweise für ein solches: Entweder ist der Orang Pendek ein Bodenbewohner (dann wäre eher das Video korrekt), oder er ist ein Orang-Utan-artiger Kletterer (dann wäre eher der Fußabdruck das richtige Indiz) – oder er existiert nicht. In diesem Fall würden beide Indizien falsch interpretiert. Nur lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, welches Szenario richtig ist.
Zum Ausschluss anderer konservativer Ansätze
Nun bleibt noch die Frage, warum nicht eine Gibbonart der Urheber dieses Abdruckes sein könnte. Immerhin handelt es sich dabei um verhältnismäßig große Affenarten, die durchaus kürzere Strecken auf zwei Beinen zurücklegen können. Auch hier hat der Verfasser Bild- und Videomaterial recherchiert. Daraus ist ersichtlich, dass Gibbons ihre Zehen bei Laufen und Stehen durchstrecken. Ferner wurde der Abguss mit dem Fußabdruck eines Gibbons verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass Letzterer deutlich zu schmal und grazil ist, um mit Ersterem übereinzustimmen.
Auch der Malaienbär ist nicht der Urheber des Abdruckes. Er käme normalerweise deswegen in Frage, weil seine Fußabdrücke sehr menschenähnlich wirken. Dummerweise weist dafür der Abguss kaum Ähnlichkeit zu einem menschlichen Fußabdruck auf. Ferner müssten auch die Krallen eines Bären einen Abdruck im weichen Boden hinterlassen. Solche Krallenspuren sind am Abguss nicht zu erkennen. Den markantesten Unterschied stellt jedoch ohnehin der opponierbare große Zeh dar, der am Abguss erkennbar ist. Dieses Merkmal fehlt Menschen ebenso, wie (Malaien-) Bären.
Außerdem käme grundsätzlich noch ein Tier in Frage, das den Beschreibungen des Orang Pendek so gar nicht ähneln will: Der Tapir. Er hat am Vorderfuß drei, am Hinterfuß aber vier Zehen, von denen wiederum eine seitlich abgespreizt ist. Wenn ein Tapir nun mit dem hinteren Fuß in einen Abdruck seines vorderen Fußes tritt, ergibt sich ein „verschmolzener“ Abdruck.
Wie ein einfaches Experiment des Verfassers zeigt, hat ein solcher Doppelabdruck allerdings kaum Ähnlichkeiten. Er zeichnete die Umrisse zweier Fußabdrücke nach und schnitt sie aus. Anschließend versuchte er, sie so ineinander zu verschieben, dass sie dem Abguss ähnlich sahen. Dies scheiterte jedoch: Die Zehen des Tapirs standen zu weit auseinander, waren zu klobig und verjüngten sich an der Spitze. Die am Abguss sichtbaren Zehen standen dagegen eng beieinander und verdickten sich zum Ende hin – was dafür spricht, dass das „Ende“ der Zehen in Wahrheit eine Gelenkkapsel abbildet.
Eine Expertenmeinung
Durch dieselbe Recherche, über die der Sammler des Abgusses bestimmt wurde, konnte ich auch eine Expertenmeinung finden. Der auf Primaten spezialisierte Biologe Dr. David Chivers der Cambridge University kam ebenfalls zum Schluss, dass es sich um den Abdruck eines Menschenaffen handele. Er meinte allerdings, eine Mischung aus Merkmalen von Schimpansen, Gibbons, Orang-Utans und Menschen ausmachen zu können. Der Verfasser dieses Artikels ist ein Laie und möchte sich daher nicht entgegen der Expertenmeinung darauf versteifen, dass der Fußabdruck zwingend von einem Orang-Utan stammt. Eine andere Menschenaffenart erscheint ihm auch plausibel. Wo der Experte allerdings meint, menschliche Merkmale ausmachen zu können, ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Seine Arbeit zu diesem Thema ist leider nicht (mehr?) im Internet auffindbar.
Teil 4: Die Suche nach dem DNA-Beweis: Eine haarige Angelegenheit
Aufgrund ihres Umfanges bieten wir das Quellenverzeichnis mit dem letzten Artikel der Serie zum Download an.