Ein Team von Wissenschaftlern um Nicolas J. Rawlence von der Uni Otago in Dunedin, Neuseeland hat mit Tadorna rekohu, der Rekohu-Gans eine bisher namenlose Gans beschrieben. Sie ist nur aus subfossilen Knochen bekannt und stammt von den Chatham-Inseln (Maori: Rekoku).
Die Chatham-Inseln liegen ca. 800 km östlich des neuseeländischen Festlands. Sie bestehen aus mindestens 18 Inseln und einer großen Zahl bewachsener und kahler Inselchen und Felsen. Die beiden Inseln Pitt Island und die Hauptinsel Chatham Island sind bewohnt. Bekannt ist zudem „The Pyramid“, die südlichste der Chatham-Inseln. Alle Inseln sind nur die Spitzen des Chatham-Rückens, einem unterseeischen Gebirge. Das Klima ist moderat gemäßigt, durch die Lage im Südpazifik sind die Jahreszeiten nur mäßig ausgeprägt, es ist dauerfeucht.

Wie zu erwarten, weisen die Inseln einen hohen Grad an Endemismus auf. Vor der Besiedlung durch den Menschen beherbergten die Inseln mindestens 18 endemische Vogelarten: (Alle Links öffnen je ein neues Tab)
- die Dieffenbach-Ralle (Gallirallus dieffenbachii), ausgestorben
- die Hawkins-Ralle (Diaphorapteryx hawkinsi), ausgestorben
- die Chatham-Ralle (Gallirallus modestus), ausgestorben
- die Chatham-Ente (Anas chathamica), ausgestorben
- die Neuseelandente (Anas chlorotis), lebt auf der NZ-Nordinsel
- die Chatham-Schnepfe (Coenocorypha pusilla), in der dt. Wikipedia irrtümlich als ausgestorben geführt
- das Chatham-Blässhuhn (Fulica chathamensis), ausgestorben
- den Chatham-Pinguin (Eudyptes warhami), ausgestorben
- den Chatham-Kaka (Nestor sp.), ausgestorben
- den Chatham-Raben (Corvus moriorum ), ausgestorben
- den Chatham-Glockenhonigfresser (Anthornis melanocephala), ausgestorben
- den Chatham-Grassänger (Bowdleria rufescens), ausgestorben
- und eine Unterart des Neuseelandschwans (Cygnus atratus sumnerensis), ausgestorben, auch auf den Hauptinseln ausgestorben.
- Der Chatham-Schnäpper (Petroica traversi) gilt als eine der weltweit seltensten Vogelarten.
- Der Chathamregenpfeifer (Thinornis novaeseelandiae) brütet nur noch auf zwei Inseln.
- Der Magentasturmvogel (Pterodroma magentae) hat sich nach starker Bejagung durch die Moriori wieder erholt.
- Die Langschnabelgerygone (Gerygone albofrontata) scheint nicht bedroht zu sein.
- Der Chatham-Albatros (Thalassarche eremita) brütet weltweit nur auf The Pyramid.
- Die die Pittscharbe (Phalacrocorax featherstoni) ist in den letzten Jahren selten geworden.
- Eine endemische Unterart des Ziegensittichs (Cyanoramphus novaezelandiae chathamensis) ist ebenfalls dort vertreten.
Und: Die Rekohu-Gans Tadorna rekohu.

Die Rekoku-Gans
Neu beschrieben wurde eine ausgestorbene Vogelart aus holozänen Knochenfunden auf den Chatham-Inseln.
Geometrische morphometrische Analysen und phylogenetische Analysen der vollständigen Mitochondrien-Genome bestätigen, dass die Rēkohu-Gans (Tadorna rekohu sp. nov.) eine eigene Art darstellt und das Schwestertaxon der Paradiesgans Tadorna variegata vom neuseeländischen Festland war. Die Vorfahren der Rēkohu-Gans besiedelten die Chatham-Inseln vor etwa 390.000 Jahren während des späten Pleistozäns. Vergleichsweise kurze, robuste Flügelknochen und lange Beinknochen deuten darauf hin, dass die Art anders als ihre Gattungsgenossen auf dem Festland flugunfähig war. Das Vorkommen von Knochen der Rēkohu-Gans in frühen Moriori-Müllablagerungen lässt vermuten, dass ihr Aussterben auf Überjagung und invasive Tiere, vor der späteren Besiedlung der Inseln durch Europäer und Māori im 19. Jahrhundert zurückzuführen ist.
Die Moriori waren frühe Besiedler der Inseln, sie kamen zwischen 1500 und 1500 dort an und blieben dort. Bei der Besiedlung brachten sie die Pazifische Ratte (Rattus exulans) und Kaninchen mit auf die Inseln. Diese verheerten unter den Inselbedingungen.
Die Rekohu-Gans gehört zur Gattung Tadorna. Diese Gattung vermittelt in der Größe zwischen den Enten (Gattung Anas und andere) und den Gänsen Gattungen Branta (z.B. Kanadagans) und Anser (z.B. Graugans). Manchmal bezeichnet man ihre Vertreter mit dem russischen Lehnwort „Kasarka“ bzw. „Kasarkas“. Ihre Arten sind verstreut auf in Eurasien, Afrika, Australien und Neuseeland verbreitet. In Deutschland sind die Brandgans und die allochthone Rostgans aus dieser Gattung verbreitet. Bis auf die neuseeländische Paradiesgans (Tadorna variegata) zeigen sie kaum oder gar keinen Geschlechtsdimorphismus.
Fossilien der Rēkohu-Gans sind seit mindestens 1994 bekannt, sie galt lange Zeit als heißer Kandidat für eine Erstbeschreibung einer weiteren endemischen Vogelart der Chatham-Inseln.
Tadorna rekohu ist damit die achte „rezente“ Art der Gattung, ein weiterer Kandidat für eine holozän ausgestorbene Tadorna-Art ist von subfossilen Funden von Kreta bekannt und möglicherweise im Gänsefries im ägyptischen Meidum abgebildet.
Charakteristika der Rekohu-Gans
Der Erstbeschreibung liegen subfossile Knochen zugrunde, die der Sammlung des Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa (NMNZ) angehören. Darunter waren fünf teilweise zusammenhängende Teilskelette und zahlreiche Einzelknochen. Aus Knochen von acht Individuen wurde genetisches Material genommen. Aus diesen wurde eine 752 Basenpaar-lange Region des mitochondrialen COI-Gens sequenziert. In dessen Folge wurde das komplette mitochondriale Genom sequenziert. Wer hier über die Osteologie und die Genetik mehr wissen möchte, sei an die Originalarbeit verwiesen, sie ist unter den Quellen verlinkt.
Genetik
Die genetische Analyse der Rekohu-Gans, der Paradiesgans (T. variegata) und anderen Tadorna-Arten zeigt, dass T. rekohu und T. variegata im Schwestergruppenverhältnis zueinander stehen, sich jedoch T. rekohu durch zwei Apomorphien unterscheidet. Die Daten der anderen Tadorna-Arten wurden, wie für solche Arbeiten üblich, der GenBank entnommen.
Hieraus wurde ein phylogenetischer Stammbaum entwickelt, der weitgehend dem bekannten Stammbaum der Gattung entspricht und um die neue Art erweitert wurde. Da die Arbeit unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht wurde, darf ich diesen übernehmen:

Morphologie
Natürlich ist bei einer Untersuchung subfossiler Überreste selten eine große Zahl vorhanden, die für eine gute Statistik nötig wäre. Bei fünf untersuchten Individuen ist es schwierig, definitive Aussagen zu treffen, insbesondere wenn auch noch mit Geschlechtsdimorphismus zu rechnen ist. Für die geringe Zahl lassen sich die untersuchen Knochen relativ klar in zwei diskrete Gruppen aufteilen. Dies spricht dafür, dass T. rekohu einen ähnlich starken Sexualdimorphismus wie T. variegata hatte.
Die Länge der Femur (Oberschenkel)-Knochen bei der Rekohu-Gans clustert mit denen von T. variegata, jedoch ist die Spreizung größer, die Extreme beider Geschlechter weichen nach unten ab. Daraus kann man schließen, dass die Rekohu-Gans meist so groß wie die Paradiesgans (T. variegata) war, jedoch auch in beiden Geschlechtern kleinere Individuen vorkamen.
Bei der Berechnung des Körpergewichtes haben sich die Erstbeschreiber der Methode von Field et al. (2013) bedient. Dies wurde ausdrücklich auch für die rezenten T. variegata als Vergleich genutzt, um den methodischen Fehler dieser Methode zu erfassen und ggf. auf T. rekohu umzurechnen.
Hieraus ergeben sich folgende Werte:
Art | M, geschätzt | M, gemessen | W, geschätzt | W, gemessen |
T. variegata | 1374 – 1504 g | 1712 g, SD 145 g | 1020 – 1237 g | 1387 g, SD 178 g |
T. rekohu | 1292 – 1327 g |
Die Gewichte nach Field et al. (2013) scheinen also insgesamt etwa 20% zu niedrig zu liegen. Die Erstbeschreiber schätzen daher das Gewicht der Rekohu-Gans auf 1390 – 1670 g (beide Geschlechter zusammengenommen).
Rezente T. variegata erreichen eine Körperlänge von 63 bis 71 Zentimetern. T. rekohu wird also entsprechend einige Zentimeter kürzer gewesen sein. Damit war sie minimal größer, als die Rostgans. Die Unterschiede in den Maßen der Flügelknochen mehrerer im Zusammenhang gefundener Flügel zeigen an, dass die Chatham-Gans bereits ein etwas reduziertes Flugvermögen hatte, jedoch anders als die Chatham-Ente (Anas chathamica) nicht völlig flugunfähig war.
Die Beschreibung
Die Rekohu-Gans wurde unter dem Namen Tadorna rekohu Rawlence, Lubbe, Adams, Shepherd, Cole, Knapp, Llamas, Wood, Mitchell, Tennyson, 2025 beschrieben. Die Zoobank-Registrierung liegt unter urn:lsid:zoobank.org:act:2CA44468-73B1-4A0C-88E8-2A08A53B6D86 vor. Als common name wird Rekohu shelduck vorgeschlagen, Rekohu-Gans ist eine direkte deutsche Übersetzung.
Der Artname ist der Moriori-Name der Chatham-Inseln. Er wurde durch den Hokotehi Moriori Trust ausgewählt, der die indigene Bevölkerung der Inseln repräsentiert. Über die Grammatik des Namens (vermutlich Nomen in Apposition) wurde nichts veröffentlicht.
Holotyp ist NMNZ S.32830, ein zusammenhängendes Skelett, das am 20.01.1993 von Phil Millner gesammelt wurde. Es besteht aus Schädel, Unterkiefer, Brustbein, dem linken Oberarmknochen, der rechten Elle, dem linken Speiche (Unterarm), beiden Carpometacarpus, beiden Oberschenkelknochen, dem rechten Tibiotarsus und vier Wirbelkörpern.
Paratypen:
- NMNZ S.25009, ein zusammenhängendes Skelett aus 25 Knochen, aus Waitangi West, Hauptinsel, von Phil Millner, am 09.01.1988.
- NMNZ S.25011, ein zusammenhängendes Skelett aus 7 Knochen, aus Waitangi West, Hauptinsel, von Phil Millner, am 09.01.1988.
- NMNZ S.26435, ein zusammenhängendes Skelett aus 13 Knochen, Tahatika Stream, Hauptinsel, von Phil Millner, am 21.01.1988.
- NMNZ S.29453, ein zusammenhängendes Skelett aus 34 Knochen, Maunganui Beach, Hauptinsel, von Phil Millner, am 19.01.1991.
Die Artdiagnose bezieht sich auf vier Merkmale, die sie von T. variegata unterscheiden:
- Der Schädel von T. rekohu ist länger und hat einer kleineren Intraorbitalweite.
- Die Oberarmknochen sind kürzer und haben dickere Enden. Die Speiche und die Carpometacarpi sind kürzer, das körperferne Ende der Speiche hat einen größeren Durchmesser.
- Das Verhältnis von Humerus zu Femur liegt bei T. rekohu bei 1,92 – 1,96, bei T. variegata bei 2,00 – 2,11 (W) und 2,02 – 2,18 (M).
- Die Beinknochen (Femur und Tarsometatarsus) bei T. rekohu sind länger.

Typuslokalität ist Maunganui, Chatham Island, Chatham-Inseln, Neuseeland.
Ehemalige Verbreitung: Knochen der Art wurden auf Chatham (der Hauptinsel), Pitt und den Mangere-Inseln gefunden. Die Erstbeschreiber halten es für möglich, dass die Art zudem South East Island besiedelt hat. Die Art ist (nach 1500 n. Chr.) ausgestorben.

Quellen
Die Originalarbeit
Nicolas J Rawlence, Pascale Lubbe, Amy L Adams, Lara D Shepherd, Theresa L Cole, Michael Knapp, Bastien Llamas, Jamie R Wood, Kieren J Mitchell, Alan J D Tennyson, Ancient DNA and morphometrics reveal a new species of extinct insular shelduck from Rēkohu Chatham Islands, Zoological Journal of the Linnean Society, Volume 204, Issue 3, July 2025, zlaf069, https://doi.org/10.1093/zoolinnean/zlaf069
Daraus zitiert:
Field DJ, Lynner C, Brown C et al. Skeletal correlates for body mass estimation in modern and fossil flying birds. PLoS One 2013;8:e82000. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0082000
Weiterhin verwendet:
Wikipedia zu Tadorna variagata, Gattung Tadorna, Chathaminseln