William Dampier 2 – der zoologische Beobachter

Teil 1 des Beitrages über William Dampier ist am 19. Januar hier erschienen.

 

Kryptozoologen haben das reiche literarische Werk des erfolglosen Freibeuters schon öfters genutzt.

  • Richard Carrington (1960, S. 187) führt Dampiers ausführliche Schilderung des Kängurus an.
  • Bernhard Heuvelmans (1968, S. 39, 575) führt Dampiers Beschreibung einer „Seeschlange, so dick wie ein Männerbein“ an.
  • Und in „On the Tracks“ weist er auf Dampiers Berichte über Nilpferde in Australien hin, auf die Tobias Möser am 29. Mai 2020 auf dieser Website ausführlich eingegangen ist.

 

Kryptozoologische Nachlese

Die moderne deutsche Ausgabe seiner Weltreise habe ich ganz gelesen, und kann einige schöne Beobachtungen zum dieser kryptozoologischen Auswahl hinzufügen. Andere mögen andere Stellen für wichtig empfinden – die Lektüre lohnt sich auf jeden Fall, Dampier hat einen anschaulichen Stil ohne die sonst in dieser Zeit üblichen Ausschweifungen und rhetorischen Floskeln.

Dampiers Vogelaufzeichnungen. Zahlreiche Arten lassen bestimmen

Dampiers Schlangen

Zunächst aber noch ein Abschnitt über Wasserschlangen, die er 1699 vor Brasilien beobachtete, aus seinem Buch von 1709 (S. 78-79). Die Übersetzung stammt von mir:

 

 

„Es gibt [in Brasilien] zwei Arten sehr großer Schlangen. Eine davon ist eine Landschlange. Die andere eine Wasserschlange. Die Landschlange ist von grauer Farbe und etwa 5,40 bis 6 m lang, nicht sehr giftig, aber gefräßig. Man versprach, mir ihre Haut zu zeigen, aber mir mangelte es an der Gelegenheit.

 

Anaconda im Wasser
Eine 3 m lange Anaconda ist eine gewaltige Schlange

 

Die Wasserschlange soll fast 9 m lang sein. Sie leben ganz im Wasser, entweder in großen Flüssen oder in großen Seen, und jagen jedem Lebewesen nach, das ihren nahe kommt, sei es Mensch oder Tier. Sie ziehen ihre Beute mit dem Schwanz zu sich; denn wenn sie etwas an den Ufern des Flusses oder Sees sehen, an dem sie lauern, schwingen sie ihren Schwanz 3 bis 4 m über das Ufer, und was immer im Wege steht, wird mit außerordentlicher Gewalt in den Fluss gerissen und ertränkt. Nein, es wird sehr glaubwürdig gemeldet, dass sie, wenn sie auch nur den Schatten eines Tieres im Wasser sehen, sie ihre Schwänze verwenden, sich den Menschen oder das Tier zu schnappen, dessen Schatten sie sehen, und sie sind oft zu erfolgreich darin.

 

Deshalb statten sich Männer, die in der Nähe eines Ortes Geschäfte machen, an dem diese Wasserungetüme mutmaßlich lauern, stets mit einer Waffe aus, die sie oft abfeuern, was sie abschreckt oder ruhig hält. Sie sollen über große Köpfe und starke, 15 cm lange Zähne verfügen.

 

Ein Ire, der hier lebte, erzählte mir, dass der Vater seiner Frau kurz vor meiner Ankunft hier knapp davor war, von einer gefressen zu werden, als sein Vater mit ihm im Lande weilte: Denn das Ungetüm warf seinen Schwanz nach ihm aus, aber verfehlte ihn um ein oder zwei Meter; was ihn ausreichend erschreckte.“

 

 

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William Dampiers Schriften, „neu“ bearbeitet

Wer mehr über Dampier und seine Reisen, vor allem die „romantischen Details“ erfahren möchte, ist mit diesem Werk bestens bedient. Herausgeber Hans Walz hat sein Buch von 1702 modern bearbeitet und umfangreich ergänzt.

 

William Dampier – Freibeuter 1683-1691 ist 1970 bei Edrmann erschienen und hat 284 Seiten im Hardcover.

 

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Dampiers Wasserschweine

Es folgt (Dampier 1707, S. 80) die Beschreibung eines Capybaras oder Wasserschweins (Hydrochoerus hydrochaeris):

 

Gruppe von Capybaras in der Wildniss
So oder ähnlich wird William Dampier die Capybaras kennengelernt haben.

„Die amphibischen Wesen, von denen ich sagte, dass sie von den Portugiesen Cuchora’s de Agua oder Wasserhunde genannt werden, sollen so groß wie kleine Mastiffs sein und vom Kopf bis zum Schwanz ganz behaart und struppig. Sie haben 4 kurze Beine, einen ziemlich langen Kopf und einen kurzen Schwanz; und sind von einer schwärzlichen Farbe. Sie leben in Süßwasserseen und kommen oft an Land und sonnen sich dort; aber ziehen sich bei einem Angriff ins Wasser zurück. Man isst sie und sie sollen sehr gut schmecken. Einige dieser Wesen, von denen ich gerade gesprochen habe, sah ich nicht selbst, sondern unterrichtete mich nur über sie, als ich hier in Bahia war, durch nüchterne und vernünftige Personen unter den Bewohnern, unter denen ich einige traf, die Englisch sprachen.“

 

Einige von Dampiers weiteren interessanten Beobachtungen

Auch die deutsche Ausgabe von 1970 weist einige kryptozoologische und mythozoologische Perlen auf:

Auf der Höhe von Colima im mexikanischen Bundessstaat Jalisco berichtet Dampier von wundertätigen Steinchen im „Alligator, welcher ein Art von Krokodil ist“. Dieses Steinchen hilft gegen die dort weit verbreitete Wasserkrankheit: „In jedwedem Fuße hat dieses Tier vier solcher Steinchen nahe beieinander stecken. Ein solches muß man zu Pulver zerreiben und dann in Wasser einnehmen. […] Ich würde es wohl probiert haben, konnte aber keinen Alligator finden, wiewohl sie sonst in dieser Gegend durchaus vorkommen.“ (Dampier 1970, S. 74) Das ist der Krötenstein aus dem europäischen Mittelalter, in die Neue Welt transferiert.

 

Am 26. Oktober 1685, das Schiff lag vor Guatulco (Oaxaca, Mexiko), berichtet er: „In den zwei Nächten, […] hörten wir die ganze Zeit hindurch ziemlich in unserer Nähe ein starkes Bellen. Zwar sahen wir nichts, doch meinte ich, es könne wohl ein Haufen Schakale gewesen sein, wiewohl ich ihrer in Amerika sonst nie gesehen noch gehört habe; es mochten wohl wenigstens 30 bis 40 dieser Tiere gewesen sein.“ (Dampier 1970, S. 67) Eigentliche Schakale gibt es in Amerika nicht, aber natürlich hatten sowohl die indigenen Völker wie auch die Spanier Hunde.

 

Kojote
oder hörte William Dampier kläffende Kojoten?

Wikipedia schreibt hierzu: „Es gibt außerdem einen Andenschakal (Lycalopex culpaeus), der zu den südamerikanischen Wildhunden der Gattung Lycalopex gehört und mit den oben genannten Arten nicht näher verwandt ist.“ Allerdings lebt der Andenschakal in Südamerika und nicht in Nordamerika, in dem sich der Bundesstaat Oaxaca befindet.

 

Sogar Riesenfledermäuse

Und wie steht es mit der Riesenfledermaus? Am Februar 1687 ankerten die Engländer in einer Bucht auf einer menschenleeren Insel westlich von Cebu Bantayan (Zentrale Philippinen). „Dagegen entdeckten wir auf einer kleinen, mitten in unserer Bucht gelegenen Insel, die voller Gebüsch war, eine unglaubliche Menge von Fledermäusen, die so groß wie Enten waren, wenn nicht größer, und sehr lange Flügel hatten. Ich hatte schon zu Mindanao eine solche gesehen und halte dafür, daß jeder Flügel sieben bis acht Fuß lang war [2,10 bis 2,40 m!], denn niemand von uns konnte beide Flügelspitzen erreichen, er mochte seine Arme noch so sehr ausstrecken. Diese Flügel bestehen aus derselben Haut wie bei anderen Fledermäusen und sind von grauer oder mausefalber Farbe. An dieser Haut sind gleichsam Rippen der Länge nach angewachsen und können drei oder vier Falten machen, an den Gelenken und Enden dieser Rippen haben sie spitzige, krumme Haken, mit denen sie sich allenthalben anhängen können.“

 

Flughunde, wie Dampier sie überall in Asien und Australien beobachten konnte.

Nach Sonnenunterhang schwärmten sie als riesige Wolke aus und flogen von ihrer kleinen zu der größeren Insel. Am Morgen kurz nach Tagesanbruch kehrte die Wolke zurück. Es dauerte jeweils eine Stunde, bis die Wolken verschwunden waren. (Dampier 1970, S. 138) Diese Tiere kannte Dampier nicht nur vom Hörensagen, aber ein solch riesiger Flughund ist heute nicht mehr bekannt. Der Kalong (Pteropus vampyrus) der Philippinen soll 1,70 m Flügelspannweite erreichen – vielleicht ist er gemeint oder der Goldkronen-Flughund (Acerodon jubatus) mit 1,50 m Spannbreite. Für meine Freitags-Kryptos bereite ich schon länger einen Beitrag über moderne Flugsaurier-Sichtungen vor. Viele davon stammen aus der Region und sind sicherlich Flughunde gewesen.

 

William Dampier war ein präziser Beobachter und hatte wenige Vorurteile

Dampier berichtet ebenso über exotische Naturphänomene wie Elmsfeuer (Dampier 1970, S. 154) und Wasserhosen (Dampier 1970, S. 164).

 

Generell scheinen in seinen Büchern keine Vorurteile gegen Indios oder Schwarze durch (die Sklaverei akzeptierte er freilich als selbstverständlich) – wenn er Vorurteile hatte, dann gegen Holländer.

Aborigines der Cape Dombey People, ca. 1905.

 

Desto mehr stechen seine Bemerkungen über die Menschen Australiens heraus, die er als primitiv, tierähnlich und schmutzig beschrieb. Dafür ist er jüngst sehr stark kritisiert worden, mein Eindruck allerdings ist, dass er erstaunlich aufgeschlossen war, selbst gegen Muslime. Das schmälert seinen Rassismus gegen Australier nicht, aber gemessen an seiner Zeit war er sicherlich einer der weniger bornierten Weißen.


Literatur

Carrington, Richard. Mermaids and Mastodons: A Book of Natural and Unnatural History. London: Arrow Books 1960

 

Dampier, William: A Voyage to New Holland, Etc. in the Year 1699 (English Edition): Wherein are Described, the Canary-Islands, the Isles of Mayo and St Jago, the Bay of All-Saints with the Forts and Town of Bahia in Brasil … The Course to New-Holland, Shark’s Bay, the Isles and Coast, & of New-Holland. Their Inhabitants, Manners, Customs … Also Divers Birds, Fishes and Plants, Not Found in this Part of the World, Curiously Ingraven on Copper-plates. London: Knapton 1709

 

Dampier, William: William Dampier – Freibeuter 1683-1691. Tübingen: Horst Erdmann 1970

 

Heuvelmans, Benard: On the Track of Unknown Animals. London: Kegan Paul International 1995

 

Heuvelmans, Bernard: In the Wake of the Sea Serpents. London: Rupert Hart-Davis 1968


Anhang.

Hier der englische Originaltext zu Anakonda und Capybara:

 

Water-Snake of Brazil An. 1699

Here are two sorts of very large Snakes or Serpents: One of ’em a Land-snake, the other a Water-snake. The Land-snake is of a grey colour, and about 18 or 20 Foot long: Not very Venomous, but Ravenous. I was promised the sight of one of their Skins, but wanted opportunity.

 

The Water-snake is said to be near 30 Foot long. These live wholly in the Water, either in large Rivers, or great Lakes, and prey upon any Creature that comes within their reach, be it Man or Beast. They draw their prey to them with their Tails: for when they see any thing on the Banks of the River or Lake where they lurk, they swing about their Tails 10 or 12 Foot over the Bank ; and whatever stands within their Sweep is snatch’d with great Violence into the River, and drowned by them. Nay ’tis reported very credibly that if they see only a shade of any Animal at all on the Water, they will flourish their Tails to bring in the Man or Beast whose shade they see, and are oftentimes too successful in it.

 

Wherefore Men that have business near any place where these Water-Monsters are suspected to lurk, are always provided with a Gun, which they often Fire, and that scares them away, or keeps them quiet. They are said to have great Heads, and strong Teeth about 6 Inches long. I was told by an Irish Man who lived here, that his Wife’s Father was very near being taken by one of them about this time of my first Arrival here, when his Father was with him up in the Country: For the Beast flourish’d his Tail for him, but came not nigh enough by a yard or two; however it scared him sufficiently.

Water Dogs

The Amphibious Creatures here which I said are called by the Portugueze Cuchora’s de Agua, or Water-dogs, are said to be as big as small Mastives, and are all hairy and Thaggy from Head to Tail. They have 4 short Legs, a pretty long Head and short Tail; and are of a blackish Colour. They live in fresh Water-ponds, and oftentimes come ashore and Sun themselves; but retire to the Water if assaulted. They are eaten, and said to be good food. Several of these Creatures which I have now spoken of I have not seen, but inform’d my self about them while I was here at Bahia, from sober and sensible Persons among the Inhabitants, among whom I met with some that could speak English.