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… und ein paar Weitere.

 

Mokele mbembe, der afrikanische Dinosaurier, taucht zum ersten Mal unter diesem Namen in einem deutschen Expeditionsbericht auf – den Unterlagen der deutsche Likuala-Expedition 1913/14, die zur Erkundung der Kolonie Kamerun diente, und die Freiherr Stein zu Lausnitz leitete.

Sogar für Mokele M’Bembe, den angeblich überlebenden Dinosaurier gab es 2020 „neue“ alte Literatur

 

Den Bericht des Freiherrn, der nie Teil der wissenschaftlichen Veröffentlichung wurde, lernte ich zum ersten Mal in Peter Kolosimos Buch „Viel Dinge zwischen Himmel und Erde“ kennen. Er führte als Quelle Ivan T. Sandersons Artikel im „INFO Journal“ an (der zusätzlich auch in seinem Buch „More ‚Things‘“ erschien). Sandersons Quelle schien Willy Leys „Drachen Riesen Rätseltiere“ gewesen zu sein, das unter unterschiedlichen Titeln zuerst in Amerika erschien. Von Ley hatte auch Heuvelmans seinen Text in „On the Tracks of Unknown Animals“. Ob Willy Leys deutsche Ausgabe aus dem Amerikanischen übersetzt ist, oder ob er von Stein zu Lausnitz Text – schließlich war Deutsch seine Muttersprache – im Original zitierte, wusste ich nicht zu sagen.

Die meisten von uns aber dürften dieses wichtige Dokument nur aus einer Übersetzung zurückübersetzt kennen. Da es sozusagen einer der ersten Texte über lebende Dinosaurier in Afrika ist (unabhängig von der von Hagenbeck gefundenen Tradition des Chipekwes), war ich froh, das Original des Textes kürzlich in einem kleinen Kosmos-Bändchen zu entdecken. Es handelt sich um Wilhelm Bölsches „Drachen – Sage und Naturwissenschaft, eine volkstümliche Darstellung“ (Kosmos, 1929, S. 50–54)

„Halb Drache, halb Elefant“

Zunächst leitet Bölsche auf das Material ein, dann bringt er längere Ausschnitte aus dem Originalbericht:

„In dem allbekannten inhaltsreichen Werk des alten Hagenbeck ‚Von Tieren und Menschen‘ wird gelegentlich eines geheimnisvollen Ungetüms, ‚halb Drache, halb Elefant‘, Erwähnung getan, das sich im dunkelsten Afrika berge und vielleicht ein noch lebender Brontosaurus sei. Alte Buschmannbilder wiesen darauf hin; den Tierfängern der Firma sei wiederholt davon berichtet worden. Doch seien unmittelbare Versuche, seiner habhaft zu werden als des sicherlich großartigsten Schaustücks für Stellingen, bisher stets an unwegsamen Fiebersümpfen gescheitert. Wie die Firma gelegentlich mitteilte, hatte sich auch in den folgenden beiden Jahrzehnten an dieser Sachlage nichts geändert, und das fragwürdige Abenteuer schien erneut im Märchen zu verklingen. Gegenwärtig sind mir aber wieder greifbarere Nachrichten zugekommen, die das Ganze in ein neues Licht stellen könnten.

 

leben hier Dinosaurier?
Der Kongo bei Kisangani im Sonnenaufgang

 

Ich verdanke sie der Freundlichkeit des Hauptmanns Freiherrn von Stein zu Lausnitz, des verdienstvollen Leiters der deutschen Likuala- Kongo-Expedition von 1913/14, deren wichtigstes Kartenmaterial inzwischen in den ‚Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten‘ erschienen ist. Ich gebe die betreffende Stelle (aus den noch unveröffentlichten zoologisch-botanischen Ergebnissen der Forschungsreise) mit gütiger Erlaubnis möglichst im Wortlaut wieder, um den Eindruck nicht abzuschwächen.

Ort ist diesmal das verwickelte Flußadernetz des südlichsten Kamerun unmittelbar zum untern Kongo, mit seinen Überschwemmungsgebieten, Wasserwäldern auf schwankendem Wurzelgrund und Raphiapalmensümpfen – eine der bisher unbekanntesten und auch unwegsamsten Stellen Afrikas.

 

Von Steins Bericht

Es handelt sich laut von Steins äußerst vorsichtigem Bericht um ‚einen sehr merkwürdigen Gegenstand‘, der ‚möglicherweise nur in der Phantasie der Stromanwohner existiert‘, ‚wahrscheinlich aber doch irgendeinen greifbaren Untergrund hat‘. Die Angaben stützen sich vorläufig mangels genauer eigener Erkundung auf ‚sonst recht zuverlässige und landeskundige eingeborene Quelle‘ und sind ‚ganz unabhängig voneinander von erprobten Führern wiederholt gleichartig bestätigt‘ worden.

 

In den Regenwäldern des Kongo gibt es viel zu entdecken. Auch Dinosaurier?

 

Wesentlichen Inhalt bildet auch hier ein ‚Geschöpf, das die Uferbevölkerung dieser Teile des Kongobeckens, des unteren Ubangi und des Ssanga bis etwa hinauf nach Ikelemba als mokéle-mbêmbe bezeichnen und sehr fürchten‘.

‚In den weniger großen Strömen, wie in den beiden Likuala, soll es gänzlich fehlen, und auch in den genannten Stromteilen in nur sehr wenigen Individuen vorhanden sein. Außerhalb der Fahrrinne des Ssanga, z. B. etwa zwischen der Mbaiomündung und Pikunda, sollte zur Zeit der Expedition ein derartiges Geschöpf gerade sein Wesen treiben, also bedauerlicherweise in einem Flußabschnitt, der infolge des brüsken Abbruchs der Expedition nicht mehr zur Untersuchung gelangte. Aber auch im Ssômboarm fanden sich hinweise auf das angebliche Tier. Die Erzählungen der Eingeborenen geben etwa folgendes Bild.

 

Es verändert den Lauf des Flusses

Bevorzugter Aufenthalt sollen die nicht ganz seltenen, sehr tiefen Wirbelstellen sein, die der Strom in den konkaven Uferstrecken scharfer Richtungsänderungen vielfach ausgearbeitet hat.

Es soll das Geschöpf da die häufigen, aus den Lehmsteilufern unter dem Wasserspiegel ausgewaschenen Höhlungen mit Vorliebe aufsuchen. Auch am Tage soll es das Ufergelände betreten, um dort seiner, was eigentlich gegen Sage spricht, rein pflanzlichen Nahrung nachzugehen. Besonders eine weiß-großblütige Uferliane mit kautschukhaltigem Milchsaft und apfelähnlich aussehender Frucht soll bevorzugte Äsung sein. Im Ssômboarm wurde mir einmal sogar in der Nähe einer Gruppe derartiger Pflanzen ein sehr frischer, gewaltiger Durchbruch durch das dichte Uferbuschwerk gezeigt, den das Tier kürzlich erst hinterlassen hätte, um zu dieser Nahrung zu gelangen. Die wie überall massenhaft aus dem Wasser an Land führenden Flußpferdwechsel und die außerordentlich begangenen, breiten Wildpfade, die auf weite Strecken den Uferrändern folgen und ihre Entstehung Elefanten, Flußpferden und Büffeln verdanken, erlaubten an dieser Stelle aber leider nicht, auch nur mit einiger Sicherheit irgendeine Fährte auszumachen …‘

Der Saurier ist ein Einhorn

‚Das Tier wird beschrieben als von graubrauner Farbe, mit glatter Haut und in Elefanten-, mindestens aber Flußpferdgröße. Es soll einen langen, beweglichen Hals und einen einzigen, sehr langen Zahn, der aber auch als Horn beschrieben wurde, besitzen. Einige sagten ihm auch einen sehr langen, kräftigen Schwanz in Alligatorenart nach. Kanus, die in seine Nähe kommen, sollten sofort angegriffen und umgeworfen, die Besatzung zwar getötet, aber nicht gefressen werden.‘

Der Berichterstatter deutet hier die Denkbarkeit allgemeiner Gefahrsagen für solche Wirbelstellen bei hohem Wasserstande selbst für größere Kanus an, kehrt aber doch wieder zu dem Tierbilde zurück. Wesentlich viel mehr sei aus den Aussagen nicht zu gewinnen gewesen, wenn man märchenhafte Züge wie ‚Unverwundbarkeit und ähnliches‘ beiseite lasse. Eine zoologische Nebenvermutung, daß es sich um eine große Manatus-Art (also einen Vertreter der auch sonst in Flüssen und Seen des tropischen Westafrika bis in den Tjadsee verbreiteten sog. Seekühe, Trichechus, rein wasserangepaßter pflanzenfressender Elefanten-Altverwandten) handeln könnte, hat sich als unhaltbar erwiesen.

Manatis
Der Rücken mehrerer Manatis könnte auch für ein großes Tier gehalten werden (Hier: Florida-Manaties)

Ist Mokele Mbembe auch im Niger-System verbreitet?

In einer privaten Mitteilung an mich erwähnt von Stein aus seinem Reisejournal noch eine Notiz ‚vom oberen Ssanga, aus Benassa zwischen Quesse und Nola, also bereits aus der Region der Steinbänke und des überwiegenden Felsbettes …, wonach von dort wohnenden Ndsimu … eine ganz entsprechende Erzählung und Beschreibung‘ gegeben wurde. ‘Zwei außerordentlich hochstehende Fullah aus der Garuagegend, die … sich die übliche Bângala-Verkehrssprache angeeignet hatten, folgten diesmal diesen Unterhaltungen und erzählten dann übereinstimmend von einem ganz ähnlichen, wenn auch seltenen Vorkommen im von hier doch so weit entfernten Benuë, der doch dem Niger-System angehört.‘ Diese weite Verbreitung, meint von Stein, könne immerhin ein wenig mehr zur Erklärung durch Sage geneigt machen.

 

Kongo-Elefanten
Elefanten auf einer Lichtung

Von anderer Seite schließen hier mehr oder minder Berichte an von Koch aus Kamerun, die aber mehr auf eine riesige Wasserschlange gehen würden, die alle ihr begegnenden Menschen und an Furtstellen sogar passierende Elefanten töte. Die Leichen solcher etwas rätselhaft abschwimmenden Elefanten hat auch von Stein beobachtet, sah sie aber als Opfer der Stromschnellen selbst an. Im übrigen zeigen diese Schlangenberichte, die gelegentlich ebenfalls von Stein hörte, weit stärkere Legendenzüge und dürften, falls sie überhaupt auf das gleiche Tier gehen, bereits seiner Verdunkelung in einen nahe liegenden Sagenkreis hinein angehören, der doch die Grundwirklichkeit durchaus nicht ausschließt.

 

oder doch eher ein brontosaurushaftes Ungeheuer?

Schließlich haben ganz unabhängig noch zwei Belgier neuerlich aus dem östlichen Kongobecken berichtet, daß sie in Verfolgung einer seltsamen Fährte ein brontosaurushaftes Ungeheuer mit riesigem Hals, einer Art Rhinozeroshaut und dickem Känguruhschwanz wirklich von fern erblickt hätten. Die Erzählung, in der englisch-amerikanischen Presse mit Wort und Bild gleich unsinnig als Sensation ausgeschlachtet, hat, bei starker Unwahrscheinlichkeit sonst, doch den einen merkwürdig übereinstimmenden Zug, daß auch in ihr dem fraglichen Geschöpf ein Horn auf der Schnauze zugeschrieben wird.

 

Ist dieses Bild ein Vorbild für Mokele Mbembe?
So stellte sich Charles Robert Knight einen Sauropoden vor. Das Bild als Sumpf und Wasser bewohnende Riesen prägte lange die Vorstellung von diesen Tieren.

 

Ich verzeichne immerhin zu der ganzen Sachlage und vor allem den ersten von Steinschen Angaben, die alle Züge besonnener wissenschaftlicher Kritik wahren, ein paar eigene Bemerkungen.

Der Bezug gerade auf einen Brontosaurier ist natürlich, auch die echte Existenz eines zoologisch noch unbekannten und zu erforschenden riesigen Sumpftiers zugegeben, kein zwingender. Immerhin wäre vielleicht kein Ort der Erde auch für einen solchen geeigneter, wenn das Wort einmal anklingen soll. Ähnliche Riesensaurier haben auf der Grenze vom Jura zur Kreide, wie die herrlichen Tendagurufunde beweisen, in Ostafrika in Masse gelebt – einer Fachvermutung nach auch in seichten oberen Flußgebieten, wo sie im Wasser standen und weiche Wasserpflanzen abweideten, während abtreibende Leichen verunglückter Exemplare sich unten im Delta gelegentlich häuften.

 

Brachiosaurus
Der Brachiosaurus aus dem Naturkundemuseum Berlin (Foto: Axel Mauruszat), ist einer der damals neuen und weltbekannten Tendaguru-Funde.

Der Dino ist ein Vegetarier

Gerade dieser Hauptsockel des afrikanischen Festlandes dürfte aber in der ganzen Zwischenzeit seither kaum größere Bodenveränderungen erfahren haben. Die Umwelt könnte also in den kamerunischen Wasserwäldern bis heute ungefähr als die gleiche gelten. Bloß dass sich die angreifenden Raubsaurier, die schon damals das Riesenvolk in die Sümpfe trieben, jetzt gänzlich dort verloren hätten, was dem Fortvegetieren einer immerhin kleineren Art nur Vorschub leisten konnte.

In der Tat doch recht merkwürdig ist, dass das fragliche Tier kein Fleisch fressen, sondern saftige Wasserpflanzen abäsen soll.

 

Einbaum
Nicht überall ist der Kongo so ein ruhiger Fluss wie hier, aber die Einheimischen wissen badende Elefanten wohl zu meiden.

 

Dass es als heutiger Machtherrscher seines Gebiets Elefanten bis zum Ertrinken scheu machen, Kanus umwerfen und Menschen schlagen würde auch ohne Freßgelüste, liegt aber ebenso nahe.Der lange Hals, einzeln aus dem Wasser gereckt, könnte die Schlangenlegende begünstigt haben. Ein Horn jener Art kommt bei vielen Urweltsauriern, wie auch heutigen Schlangen und Eidechsen vor, worüber noch ein Wort zu sagen sein wird. Selbst über die Unverwundbarkeit in Eingeborenenaugen ließe sich bei einem reptilischen Dickhäuter, der einst Megalosaurusbissen standhalten sollte, reden.

 

Iguanodon-Modelle
Die Iguanodon-Modelle im Crystal Palace Park. Foto by Jes from Melbourne, CC 2.0. Man dachte, die Tiere seien so träge, dass sie sich mit Hautpanzern gegen Fressfeinde wehren mussten.

 

Wo sonst könnte es sich verstecken, als in den Dschungeln des Kongos?

Ein besseres Versteck, wie gegen den Wandel der Zeiten selbst, so auch gegen den Spüreifer unserer Zoologen bisher, hätte dieses Stück ‚verlorener Welt‘ sich auch nicht gut aussuchen können als in diesen verwunschenen, undurchdringlichen Kamerun- und Kongo-Dickichten von extremer Unpassierbarkeit. Also alles in allem – warum nicht? Es kostet nur den ersten Schritt. Wobei allerdings auch hier wieder der zähnefletschende böse Landdrache der Sage fehlen würde. Es scheint, daß diese Sage selbst wenigstens heute auch in Afrika nicht sehr verbreitet ist. Es könnte uns blühen, daß, wenn mir den kamerunischen Brontosaurus wirklich noch lebend entdeckten, gerade der ‚Drache‘ als solcher in der Menschheitsseele von hier gar nicht befruchtet worden wäre. Aber wir gingen ja von dem Bilde zu Babylon aus, und wenn am Ssanga heute so etwas lebte, wie vielleicht nicht auch dort noch vor Jahrtausenden.“

Keine „verlorene Welt“, nur Kolonialromatik – oder eher Rassismus

Nur so als Hinweis: Die „verlorene Welt“, die Kryptozoologen heute noch bemühen, ist Humbug und entspringt der kolonialistischen Phantasie, nach der die Afrikaner unzivilisierte Wilde waren und sind, zu keiner Kulturleistung fähig. Tatsächlich konnte man im Oktober 2000 in der deutschen Ausgabe von „National Geographic“ (S. 68–69) nicht nur tolle Luftaufnahmen des Lac Tele bestaunen, man erfuhr zudem, dass die gesamte Region um den See und den Likula noch in jüngerer Vergangenheit dicht besiedelt war und dass Forscher dort überall auf die Ruinen großer landwirtschaftlicher Terrassen stoßen. Die Region war nicht unberührt, sondern – ähnlich wie unsere Mittelgebirge noch vor 200 Jahren – abgeholzt.

 

Ostafrikanische Dinosaurier

Wenn wir gerade bei deutschen Berichten von Dinos in Afrika sind. Tanganjika war von 1885 bis 1918 Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Ich kenne keine offiziellen Meldungen, aber aufgrund der Tatsache, dass sich dort mehr Deutsche aufhielten als in anderen Teilen Afrikas, haben wir auch von hier zwei Zeitungsberichte.

Wir lesen in der „Neuen Mannheimer Zeitung“ am 6. Januar 1934 auf Seite 5:

„Zu den Berichten über das Fabelwesen in Loch Neß schreibt eine Leserin der ‚Königsberger Allg. Ztg.‘, ihrem Blatte: Ich lege Ihnen einen im Juni 1928 erhaltenen Brief vor, worin übe ein ähnliches Ungeheuer aus dem Tanganjika-See berichtet wird. Es heißt da:

‚Du willst etwas Neues aus Afrika wissen? Also, höre zu, was kürzlich am Lagerfeuer erzählt wurde. Im Tanganjika-See lebt noch ein Saurier, der von verschiedenen Schiffen aus gesichtet wurde, aber nur von weitem. Er sah aus wie eine Insel. Wenn man näher kam, tauchte die Insel plötzlich unter. Spuren von ihm hat man im Ufersand gefunden: drei klauen, wie von einem Riesenvogel, viel größer als ein Elefantentaps, und die Schleifspur von einem dicken Schwanzende. Der Bruder des am Anfang des Krieges oft genannten Sir Edward Grey sitzt schon seit Jahren am Tanganjika-See, hat seine eigene Yacht, und bringt sein Leben damit zu, nach dem Ungetüm zu forschen. Mr. Dammy M., der auch hier im Lager weilt, ist ein persönlicher Bekannter von Mr. Grey und bestätigt das von letzterem Gesagte.‘“

 

Tanganijkasee 1892
Boot an den Gestaden des Tanganijkasees, 1892 bei Mpala (Holzschnitt eines unbekannten Autors)

Noch ein Augenzeuge am Tanganjikasee

Ebenfalls vom Tanganjikasee stammt eine Meldung, die wir dem deutsche Arzt Max Ulrich Thierfelder (geb. 8. August 1885 in Rostock; fest. 21. April 1957 in Indonesien) verdanken. Er bekämpfte im Auftrag der deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika als Regierungsarzt die Schlafkrankheit. Sein Augenzeugenbericht erschien zunächst im Februar 1948 in „Die Glocke“ (S. 3) und wurde nachgedruckt in der Zeitschrift „Das Tier“ im September 1963 (S. 24). Nachdem ich den Bericht aufgespürt hatte, brachte ich eine englische Übersetzung in der amerikanischen Zeitschrift „Strange“ (Nr. 6, S. 11), dann ging meine Kopie des Artikels verloren. Ich übersetze deshalb von meiner englischen Fassung ins Deutsche zurück – deshalb steht der Bericht nicht in Anführungsstrichen. Die Originalfassung weicht sicherlich davon ab!

 

Der Tropenarzt und die Seeschlange

M. U. Thierfelder ging mit einem örtlichen Lehrer namens Ilsgensmeier in der Nähe des Sees auf die Jagd. Als sich Thierfelder, Ilsgensmeier und ein afrikanischer Junge in der Nähe einer von Klippen umgebenen Bucht des Sees befanden, kam plötzlich vom See etwas in die Bucht, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Es war eine Wesen, das einer riesigen Schlange glich. Es schwamm jedoch nicht wie Schlangen in waagrechten Bewegungen, sondern seine Schleifen – er zählte bis zu sechs – erhoben sich senkrecht aus dem Wasser. Das Tier kam ziemlich zügig in der Bucht und schwamm direkt in die Nähe des felsigen Ufers, auf dem er regungslos lag.

Ein 50 m langer Otter?

Durch den Vergleich der Schleifen mit einigen Ottern in der Nähe schätzte Thierfelder, dass das Tier etwa fünfzig Meter lang sein musste, wobei jede Schleife etwa viereinhalb Meter in der Länge und drei Meter im Durchmesser maß. Der Durchmesser des ganzen Tieres war vom Kopf bis zum letzten Drittel ungefähr gleich, wobei es sich zum Schwanz hin verjüngte.

 

Flusspferde Tansania
Inseln, wo noch keine waren? Da kommen auch Flusspferde in Frage.

 

Das Tier hatte weder Beine noch Stümpfe noch Flossen. In der Nähe des Kopfes befanden sich jedoch auf beiden Seiten schmale flossenartige Strukturen. Die Farbe des Tieres war hellbraun; es hatte keine Schuppen, war aber mit einem dicken Fell bedeckt. Der Kopf war schwer zu erkennen, da er nur kurz über dem Wasser erschien, er war aber nicht breiter als der Körper und nicht durch einen Hals von ihm abgetrennt. Er wirkte nicht wie der Kopf einer Schlange, sondern eher wie der eines Säugetiers, etwa einer Seekuh. Der Mund wirkte jedoch schmal und länglich.

 

Nachdem sich das riesige Tier einige Zeit zwischen den Ottern bewegt hatte, drehte es um und schwamm in majestätischen Wellen aus der Bucht.

 

Ilsgensmeier hatte das Tier ebenfalls gesehen, und seine Beobachtungen stimmten vollkommen mit denen von Thierfelder überein. Ihre afrikanischen Arbeiter, die keine Einheimischen der Region waren, kannten das Tier nicht, behaupteten jedoch, dass die Einheimischen es alle fünf Jahre sahen.

 

In der Heuvelmanschen Klassifikation wäre das ein Superotter, die Abart der Seeschlange, die die arktischen Küsten Grönlands und Skandinaviens bewohnte – aber nun mitten in Afrika!

Superotter
Heuvelmans Interpretation eines Superotters (Netzfund)

Und dann war noch Äthiopien

Nach der „Neuen Mannheimer Zeitung“ vom 6. September 1935, S. 7:

„Im Tanasee, Abessinien [Äthiopien], in der Provinz Amhara, lebt ein Geist, der dem Ungeheuer von Loch Ness gleicht, nur viel größer ist. Die Eingeborenen trauen sich nicht an den See heran.“

 

Lake Tana
Der Lake Tana in Äthiopien ist einer der Quellseen des blauen Nils. In seinem Einzugsbereich leben 3 Millionen Menschen

 

Auch das ist eine große Falschmeldung – der Ufer des Sees sind dicht besiedelt, Linienschiffe verkehren darauf, auf den Inseln stehen Klöster … Aber es muss halt immer etwas dramatischer sein, wenn es um überlebende Dinosaurier und Seeungeheuer geht.


Dieser Beitrag erschien erstmals am 23. Februar 2021 und nun erneut im Rahmen des Relaunches.

Von Ulrich Magin

Ulrich Magin (geb. 1962) beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Kryptozoologie, insbesondere mit Ungeheuern in Seen und im Meer. Er ist Mitarbeiter mehrerer fortianischer Magazine, darunter der „Fortean Times“ und Autor verschiedener Bücher, die sich u.a. mit Kryptozoologie befassen: Magischer Mittelrhein, Geheimnisse des Saarlandes, Pfälzer Mysterien und jüngst Magische Mosel.