Lesedauer: etwa 20 Minuten

 

Once abundant, but now, alas! I fear extinct, or nearly so

(Henry Reeks 1869)

 

 

 

Freilich ist immer noch die Möglichkeit vorhanden, dass der Brillenalk nicht ausgestorben sei

(William Preyer 1862a)

 

Einleitung: Der Riesenalk

Neben Moa, Wandertaube und Dodo gehört der zu den Alkenvögel (Alcidae) zählende Riesenalk (Pinguinus impennis) zweifellos zu den bekanntesten ausgestorbenen Vögeln der Neuzeit. Warum dies so ist, darauf lässt sich keine einfache Antwort geben. Es mag wohl zum einen auf die anthropomorphe Gestalt des gänsegroßen Vogels zurückzuführen sein, welche den an Land aufrechtstehenden, aber unbeholfenen Riesenalk, ähnlich wie den Pinguin, wie einen kleinen Herrn mit weißem Frack und Brille aussehen ließ. Auch seine Flugunfähigkeit, eine Einzigartigkeit unter den Vögeln des Nordatlantiks, hat ihn zu einer auffälligen Erscheinung gemacht, besonders, wenn er in den Monaten Mai und Juni z.T. in großen Mengen seine Brutinseln und -felsen aufsuchte, welche zumeist einige Kilometer vor der nächsten Festlandküste lagen.

 

Riesenalk in Birds of America
Abbildung des Riesenalkes in „Birds of America“ von John J. Audubon, ca. 1827 bis 1838

 

Vor allem aber seine gnadenlose Ausrottung durch den Menschen, welche ein Werk unnachgiebigen Jagens und Eiersammelns war, hat den Riesenalk zu einer tragischen Kreatur werden lassen, die auch gerade deshalb Einzug in Literatur und Kunst gehalten hat. Als ein Beispiel sei die Novelle des Historikers Allan Wesley Eckert erwähnt, welche die Ausrottung der Spezies aus der Perspektive des letzten lebenden Individuums erzählt[1].

 

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Sachkundige Beobachtungsberichte zum Riesenalk sind selten

Auch wenn die dokumentierten Beobachtungen lebender Riesenalken in freier Wildbahn durch sachkundige Forscher und Ornithologen sehr klein an der Zahl sind und somit wenig Sicheres über die Biologie des Riesenalks gesagt werden kann, so ist doch Bengtson zuzustimmen, welcher 1984 feststellt „the total literature dealing with the Great Auk is truly impressive[2]. Der interessierte Leser sei daher an dieser Stelle auf die wunderbaren Monographien von Grieve (1885), Blasius (1903), Fuller (1999) und Gaskell (2000), ferner auf die ebenfalls bedeutenden Arbeiten von Steenstrup (1856/57) sowie Newton & Wolley (1861) verwiesen, welche die ausführlichsten Bilder seiner Naturgeschichte zeichnen und umfassende Kenntnisse vermitteln, wie es kaum zu einem anderen ausgestorbenen Vogel erfolgt ist.

 

Riesenalk bei John Gould
Riesenalk bei John Gould: Birds of Europe. Lithographie von Edward Lear, handcoloriert.

 

Um der umfangreichen Riesenalk-Literatur nicht noch einen weiteren Artikel der allgemeinen Art hinzuzufügen, soll im vorliegenden Beitrag lediglich die mögliche Existenz des Riesenalks nach 1844 im Vordergrund stehen. Es geht somit um Beobachtungen einzelner oder mehrerer Riesenalken nach dem Jahr seines vermeintlichen Aussterbens.

Das Jahr 1844 wird gemeinhin als das Jahr seines Aussterbens akzeptiert. Es wird als das Jahr angesehen, in dem am 3. Juni der letzte sichere physische Nachweis zweier lebender Riesenalken auf dem isländischen Vogelfelsen Eldey erbracht wurde. Dieses Datum hatte sich schnell als eine feste Größe in der Geschichtsschreibung zum Riesenalk etabliert, so dass der britische Ornithologe und Riesenalk-Forscher Alfred Newton schon 1861 zu den beiden Eldey-Exemplaren bemerkt: „[…] many persons […] regard these birds as the latest survivors of their species[3]. Und 142 Jahre später stellt Errol Fuller fest: „Tradition has it that these two birds were the very last of their kind, the last great auks[4]. Kryptozoologisch fokussiert werden sollte somit die Zeit nach 1844.

 

Verbreitung des Riesenalks

Riesenalk Verbreitungsgebiet mit Brutkolonien
Verbreitungsgebiet des Riesenalkes. Dunkel: Belegte Verbreitung in geschichtlicher Zeit, hell: Vermutete maximale Verbreitung, Gelb: Bekannte Brutkolonien.

Der Riesenalk war ein Bewohner des Nordatlantiks, jedoch erstreckte sich seine Verbreitung nicht über den Polarkreis hinaus in arktische Gebiete, sondern umfasste die borealen und subarktischen Gewässer zwischen etwa dem 41. und 52. Breitengrad auf amerikanischer und etwa dem 52. und 65. Breitengrad auf europäischer Seite[5]. In früheren, prähistorischen Zeiten umfasste seine Verbreitung ein weitaus größeres Gebiet, das im westatlantischen Bereich bis Florida, im ostatlantischen Bereich bis zur Bretagne und sogar ins Mittelmeer hineinreichte, wie u.a. eine paläolithische Riesenalk-Malerei in der Grotte Cosquer, Südfrankreich, belegt[6].

Wie sein allgemeines Auftreten, so hat sich wahrscheinlich auch die Zahl seiner Brutstätten über die Jahrhunderte verringert. So existierten, nach allem was bekannt ist, in den Jahrzehnten vor seiner Ausrottung vermutlich nur etwa 20 mehr oder weniger stark frequentierte Brutplätze. Davon waren die Inseln Geirfuglasker und Eldey vor Kap Reykjanes, Island, St. Kilda vor West-Schottland und Funk Island vor der Ostküste sowie Penguin Island vor der Südküste Neufundlands die Bekanntesten.

 

Focus auf Sichtungen nach 1844

Im Folgenden sollen alle Beobachtungen, aber auch Fänge einzelner Riesenalken in chronologischer Reihenfolge aufgeführt werden, welche sich nach dem Zeitpunkt seines vermeintlichen Aussterbens im Jahre 1844 ereignet haben sollen. Damit einher soll die Frage gestellt werden, ob die Summe der dargelegten Fälle nicht eine Revision der späten Riesenalk-Geschichte sinnvoll erscheinen lässt.

 

 

Der Riesenalk nach 1844

1844

Am 3. Juni dieses Jahres landen drei Männer, Sigurdr Islefsson, Jon Brandsson und Ketil Ketilsson, auf dem kleinen Vogelfelsen Eldey vor der Südwestspitze Islands und erlegen die nach allgemeiner Ansicht letzten zwei Exemplare des Riesenalks. Es handelt sich um einen weiblichen und einen männlichen Vogel. Auch ein Ei wird gefunden, welches aber angebrochen ist und deshalb liegengelassen wird. Die erlegten und später präparierten Vögel wechseln mehrfach den Besitzer, so dass heute keine sichere Kenntnis über ihren Verbleib besteht. Lediglich ihre in Spiritus eingelegten Augen befinden sich im Bestand des zoologischen Museums in Kopenhagen[7].

 

Insel Eldey im Südwesten Islands
Die Insel Eldey. Am Fuße dieses Eilandes starben nach offizieller Meinung 1844 die letzten Riesenalken. (Foto by Ziko van Dijk, CC 4.0)

 

Johann Friedrich Naumann, der Begründer der modernen Ornithologie in Europa, gibt 1844 in seinem und dem Werk seines Vaters Naturgeschichte der Vögel Deutschlands an, dass der Riesenalk auf der schottischen Inselgruppe St. Kilda „ehedem alle Jahre brütete, jetzt aber nur zuweilen im Mai und Juni erscheint[8].

In seinen Scandinavian Adventures berichtet Llewelyn Lloyd von zwei Riesenalken und zwei Riesenalk-Eiern, welche im Jahr 1844 nach Kopenhagen gebracht worden seien und von „a skär near to Iceland“ stammen sollen. Da das Ei der beiden Eldey-Exemplare beschädigt zurückgelassen wurde (s.o.), kann es sich wahrscheinlich nicht um jene gehandelt haben. Lloyd erwähnt ferner, dass einige Leute Niels Kjærbölling mitgeteilt haben, dass später einige Riesenalken vor der Küste Islands gesehen worden seien[9]. Nach dem britischen Ornithologen Alfred Newton habe Lloyd diese Angaben dem Buch N. Kjærböllings entnommen, diese aber „very inaccurate“ wiedergegeben[10].

 

nach 1844

Alfred Newton erwähnt 1865 Gerüchte, wonach Riesenalken noch in den Jahren nach 1844 in den Gewässern um die Insel Geirfugladrángr vor der Küste Islands gesehen worden seien[11].

 

zwischen 1840 und 1845

1903 teilt Alfred Newton in einem Brief an den deutschen Ornithologen Wilhelm Blasius mit, dass ihm im Juli 1887 auf St. Kilda der alte Insulaner Lauchlan M’Kinnon mitteilte, wie er und zwei weitere Männer einen Riesenalk auf der benachbarten Felseninsel Stack-an-Armin gefangen hatten und diesen bei Ausbruch eines Sturmes töteten, da sie ihn für eine Hexe hielten. Nach Blasius ist der Vorfall wohl in das erste Drittel der 1840er Jahre zu datieren, kurz vor der Ausrottung auf Eldey[12].

 

1845

Alfred Newton erfährt von Thompson, dass der Jäger und Vogelfänger H. Bell am 23. September dieses Jahres zwei Riesenalken in der Belfast Bay gesehen haben will[13].

 

1845 oder 1846

Nach William Preyer wurde in einem der beiden Jahre ein alter, wahrscheinlich von der Inselgruppe Reykjaneseyjar verschlagener Riesenalk im Hafen der Westmännerinseln, Island, geschossen[14]. Nach Blasius soll diese Angabe „durch nichts bestätigt und als unrichtig anzusehen“ sein, ohne dass er dafür Gründe angibt[15].

 

1848

In seinen Materials for a Fauna and Flora of Swansea and the Neighbourhood führt Lewis Weston Dillwyn eine Liste seltenerer Vögel auf und erwähnt in dieser auch den Riesenalk, welcher selten auf den Scilly-Inseln, Cornwall, gesehen werde. Dillwyn erwähnt aber auch, dass er mit dieser Spezies nicht vertraut sei[16].

 

Riesenalken nach Keulemans
Riesenalken im Sommer- und im Winterkleid. Der Künstler John G. Keulemans ging zum Zeitpunkt seines Werkes davon aus, dass der Riesenalk ausgestorben war.

Ein junger Jäger schießt Anfang April dieses Jahres einen Riesenalk bei Vardø, Nord-Norwegen, wirft den Vogel aber als ungenießbar ans Ufer. Der Bericht des Jägers sowie die eindeutige Identifizierung des Vogels als Riesenalk wurde von A. G. Nordvi aus Mortensnaes entgegen- bzw. vorgenommen, welcher ihn in einem Brief an den schwedischen Zoologen Sven Nilsson vom 11. Mai 1856 wiedergibt[17].

 

Ebenfalls im Jahre 1856 teilt A. G. Nordvi auch Japetus S. Steenstrup brieflich mit, dass ein Lorenz Brodtkorb im April dieses Jahres vier Riesenalken auf dem kleinen Sund zwischen Vardø und den Vogel-Inseln Hornø und Renø, nahe dem Varanger-Fjord, östlich vom Nordkap, gesehen habe und einer der Vögel auch erlegt worden sein soll[18].

 

Ein Jahr zuvor, 1855, erzählt Brodtkorb auch den englischen Ornithologen und Riesenalk-Forschern John Wolley und Alfred Newton von dem Vorfall. Brodtkorb berichtet auch, dass am Ort des Vorfalls stets ein oder zwei Paare des Riesenalks in einer Lummen-Kolonie brüteten. Er ist sich sicher, dass es sich bei dem erlegten Vogel nicht um einen Eistaucher (Gavia immer) gehandelt habe, jedoch vergleicht er den Schnabel des Vogels mit dem einer Lumme (Uria) und nicht mit dem eines Tordalks (Alca), welcher dem Schnabel des Riesenalks eher entspricht. Newton bezweifelt aus diesem Grunde die Identifizierung als Riesenalk[19].

 

um 1850

Bei einem Spaziergang entlang des Strandes der schottischen Inneren-Hebriden-Insel Skye, schießen ein Mr. Mackenzie und ein Malcom Macleod einen Vogel, den sie zunächst für einen Eistaucher (Gavia immer) halten, der sich dann aber als eine andere, ihnen unbekannte Spezies entpuppt. Einen Tag später erlegt Malcom Macleod einen weiteren Vogel dieser Art. Macleod nimmt beide Vögel mit nachhause und behält den Kopf eines dieser Vögel für längere Zeit als Trophäe. 1880 bestätigen Mackenzie und Macleod R. Scott Skirving, dass es sich bei beiden Vögeln um Riesenalken gehandelt hat[20].

 

1850er Jahre

Während seiner Zeit als Inspektor von Grönland, 1925 bis 1932, interviewt Knud Oldendow einen alten Jäger in der Siedlung Itivdlek, nördlich von Kap Farvel, welcher angibt, in seiner Kindheit einen Riesenalk gesehen zu haben. Nachdem Oldendow die Sichtung bezweifelt, gibt ihm der Jäger eine exakte Beschreibung des Vogels, welche einem Riesenalk entspricht. Oldendow führt dies auf die starken Traditionen der Gegend zurück[21].

 

1850

In seinem Tagebuch vermerkt Robert Randolph Carter, erster Offizier der Brigg Rescue während der ersten Grinnel-Expedition auf der Suche nach der verlorenen Franklin Polarexpedition, dass am 16. August dieses Jahres der Bootsmann und zweite Offizier Henry Brooks einen Riesenalk geschossen haben soll. Die Rescue befand sich zu diesem Zeitpunkt vor Cape York am Nordwestende der Melville Bay, Nordwest-Grönland[22].

 

1851

Ohne nähere Details anzugeben, erwähnt James E. Ducey das Auftauchen eines Riesenalks in der Baffin Bay, Westgrönland, für dieses Jahr[23].

 

1852, die letzte „offizielle“ Sichtung eines Riesenalk

Im Dezember dieses Jahres beobachtet der Ornithologe Colonel Drummond-Hay einen Riesenalk, während er die Ausläufer der Newfoundlandbanks überquert. Zunächst hält er den Vogel für einen Eistaucher (Gavia immer), erkennt dann aber den großen Schnabel und den für einen Riesenalk charakteristischen weißen Fleck vor dem Auge. Der Vogel befindet sich in nur 27 bis 36 Metern Entfernung (30 bis 40 Yards) vor dem Dampfschiff, bevor er abtaucht[24].

Colonel Drummond-Hays Bericht wurde von Alfred Newton entgegengenommen. Die Sichtung wird von der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN), welche die Rote Liste gefährdeter Arten erstellt, als die letzte Sichtung eines lebenden Riesenalks anerkannt[25].

 

Riesenalk-Verbreitung mit Sichtungen 1844 bis 1852
Karte wie oben, Rot: Sichtungen 1845 bis 1852

1853

J. MacGregor aus St. Johns, Neufundland, teilt dem Ornithologen Colonel Drummond-Hay 1854 brieflich mit, dass im Jahr zuvor ein toter Riesenalk in der Trinity Bay aufgefunden wurde[26].

 

1856

Während seines Aufenthalts auf Neufundland im Jahre 1868, erhält der Zoologe Henry Reeks von einigen Siedlern die Nachricht, dass vor zwölf Jahren ein Kapitän Stirling auf einer westlichen Felseninsel vor Neufundland einen Riesenalk gefangen haben soll[27].

 

1857

Auf der 11. Versammlung der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft im Jahr 1857, lässt Dr. Niels Kjärbölling brieflich mitteilen, dass im Sommer dieses Jahres vier Eier des Riesenalks auf den Geyrvogel-Scheeren an der Südwest-Spitze Islands gefunden worden seien[28].

Blasius gibt an, dass die Jahresangabe falsch sei, erläutert jedoch nicht, wieso dies der Fall sein soll[29].

Riesenalken auf einer Schoko-Sammelkarte
Das Bild „Riesenalke“. Diese Illustration stammt aus einem Set von 30 Sammelkarten unter dem Titel „Tiere der Urwelt“. Aus der Serie Ia. Das Set wurde 1916 mit Text versehen und vermutlich mit Schokoladentafeln verbreitet. Künstler: Heinrich Harder

1859

Der Gouverneur von Godhavn auf Disko Island, Westgrönland, berichtet 1867 dem Zoologen Robert Brown, dass Johannes Propert, ein Neffe des Dolmetschers Carl Petersen, im Winter 1859 an einer kleinen Insel außerhalb des Hafens von Disko Island zwei unbekannte Vögel gesehen haben will, wovon einer zwischen den Felsen entwischt, der andere aber erlegt und von Propert und seinen Gefährten gegessen worden sein soll. Den Beschreibungen nach konnte es sich nur um einen Riesenalk gehandelt haben. Brown bezweifelt den Vorfall dennoch[30].

 

1860

Wie Alfred Newton angibt, erreicht in der zweiten Hälfte dieses Jahres ein Bericht Kopenhagen, wonach zwei Riesenalk-Eier auf den bekannten Fuglasker (Vogelinseln) vor Kap Reykjanes, Südwest-Island, gefunden und in England für viel Geld verkauft worden seien. Da Newton von keiner Expedition zu den Fuglasker weiß, hält er den Bericht für „utterly false[31].

 

1859 oder 1860

In seinem vielbändigen Werk A History of the Birds of Europe berichtet der Ornithologe Henry Eeles Dresser, dass im September 1859 oder 1860 ein Riesenalk zwischen der Fortuna Bay und Engelman’s Harbour in Grönland getötet und verzehrt worden sei. Dresser erwähnt weiterhin Jonas Collin, welcher ihm im Zusammenhang mit diesem Vorfall einige Fehler aufgezeigt haben soll[32].

 

1862

An einem kalten Februar-Morgen dieses Jahres sieht ein Freund des schottischen Folkloristen John Francis Campbell von Islay einen seltsamen Vogel auf einem Loch in Argyll, Westschottland. Nach Angabe des Augenzeugen ähnelte der Vogel einem Eistaucher (Gavia immer) „with the exception of a white streak on the neck and breast […] The bill […] looked like an eagle’s at the end […] The legs were short, black and powerful […] the feed webbed”. Auffallend ist die vom Augenzeugen angegebene Größe des Vogels. So wird die Länge des Halses mit „two feet eleven inches long“, also knapp 89 cm, und die des Schnabels mit „seventeen inches long“, also 43 cm angegeben, was für einen Vogel nicht nur gewaltig groß, sondern in Anbetracht der Beobachtungsentfernung von knapp 78 Metern überraschend genau erscheint. Der Vogel verschwindet indem er untertaucht. Campbell identifiziert den Vogel als einen Boobrie, einem mythischen Wasservogel des schottischen Hochlands[33].

 

Der Anthropologe und Kryptozoologe Dale A. Drinnon bringt diese Sichtung in Verbindung mit einem Riesenalk, möglicherweise einer größeren Variante[34].

 

Riesenalk nach Tom Pennant
So zeichnete Thomas Pennant 1776 den Riesenalk. Er schreibt dazu „Die Vögel sind regelmäßig im Winter im Königreich: Glostershire, Mouth of Severn und gelegentlich in den Seen von Shropshire“. Im Folgenden erwähnt er eine Brutkolonie bei Fosdyke in Lincolshire, England.

 

1863

Der Arzt, Bakteriologe und Ornithologe Rudolf Blasius, Bruder des Braunschweiger Ornithologen und Riesenalk-Forschers Wilhelm Blasius, sieht in der Sammlung Alfred Newtons im Museum zu Cambridge „ein scheinbar ganz frisch präpariertes, ausgezeichnet erhaltenes Skelett“ eines Riesenalks, welches mit einer Etikette „1863 Island“ versehen ist. Wilhelm Blasius vermutet, dass mit der Etikettierung nicht das Jahr der Präparation, sondern das Jahr des Erwerbs angegeben sein könnte, führt jedoch nicht aus, ob er dies allein von der Datierung des Etiketts nach dem offiziellen Aussterbejahr 1844 ableitet[35].

 

1865

Der Ornithologe Alfred Newton hält es für sehr wahrscheinlich, dass ein Großteil der Riesenalken, welche bei dem vulkanisch verursachten Untergang der Insel Geirfuglaskér vor Kap Reykjanes, Island, 1830 ihre Brutstätte verloren, Zuflucht zur benachbarten Felseninsel Geirfugladrángr suchten und dort bis jetzt existieren. Ferner nimmt er weitere überlebende Riesenalken in den westlich von Island gelegenen Gewässern an[36].

Alfred Newton erwähnt den Bericht eines Freundes, welcher kürzlich Neufundland besuchte, wonach dort nach wie vor der Glaube vorherrsche, dass auf einigen Inseln, bei denen es sich nach Newton nur um die Virgin Rocks in der Mitte der Nordwestseite der Great Bank handeln kann, Riesenalken existieren[37].

 

1867

Der amerikanische Arzt und Polarforscher Isaac Israel Hayes erfährt während seiner dritten Arktis-Expedition im Jahr 1869 von Frederick Hansen, dem Gouverneur von Godhavn, Disko Island, Westgrönland, dass zwei Jahre zuvor auf einer der Walfisch-Inseln ein Riesenalk von einem Einheimischen gefangen und verzehrt worden sei[38].

 

um 1868

Der Osteologe Frederic A. Lucas erfährt 1888 von William Sclater aus St. Johns, dass noch vor zwanzig Jahren Riesenalken auf der Pinguin-Insel, in der Mündung der Gros Water Bay, sechzehn Meilen von Grady Harbour entfernt, gesehen worden seien. Lucas hält diese Sichtungen für möglich, wenn auch wenig wahrscheinlich[39].

 

1868

Während seines Aufenthalts auf Neufundland stellt der Zoologe Henry Reeks fest, dass „the settlers generally believe that the pinwing [Riesenalk] is not extinct[40].

 

1869

Am 19. September 1888 erhält der Riesenalk-Forscher Symington Grieve eine Information von T. G. Paterson, wonach diesem während eines Islandaufenthaltes im selben Jahr ein Beamter, „a well-educated and reliable man“, mitteilte, dass er vor 19 Jahren einen Riesenalk gesehen haben will, als er vor der isländischen Felseninsel Mevenklint, 40 Meilen nordnordwestlich von Grimsey, nach Haien fischte[41].

 

1870

Im August 1871 erfährt der Ornithologe Ruthven Deane von dem Naturforscher und Sammler Alfred Lechevallier, dass dieser im Besitz eines toten Riesenalks sei, welcher im November 1870 in der Umgebung von St. Augustin an der Küste Labradors von einigen Indianern tot aufgefunden wurde. Es handelte sich um ein männliches Exemplar in schlechtem Zustand, das von Lechevallier konserviert und für 200 Dollar an einen Naturforscher in Frankreich verkauft wurde, welcher es wiederum nach Österreich veräußerte[42].

 

1871

In seinem Buch The Birds of Canada (1871) gibt der kanadische Naturkundler Alexander Milton Ross an, dass der Riesenalk zwar sehr selten geworden sei, dass aber einige Exemplare gelegentlich noch an den Küsten von Neufundland und Nova Scotia beobachtet wurden[43].

 

 

Tordalk und Krabbentaucher
Tordalk (links), Krabbentaucher (rechts). Bild aus Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas: Gera, 1903.

1881

Riesenalk 1834
Dieses Foto eines Riesenalk-Präparates stammt aus dem Jahresbericht des US National Museum 1888. Das Tier lebte 1834 auf Eldey.

Nach einem kräftigen Blizzard im Oktober dieses Jahres findet Charles Phillip Ingalls, Vater der Schriftstellerin Laura Ingalls Wilder, einen seltsamen Vogel in einem Heuhaufen nahe seines Hauses bei De Smet in South Dakota. Nach Laura Ingalls Wilder, zum Zeitpunkt des Vorfalls 14 Jahre alt, war der Vogel “small, but it looked exactly like the picture of the great auk in Pa’s big green book, The Wonders of The Animal World [von G. Hartwig 1871]. It had the same white breast and black back and wings, the same short legs placed far back, and the same large, webbed feet. It stood straight up on its short legs, like a tiny man with black coat and trousers and white shirt front, and its little black wings were like arms […] Its wings were too small to lift it.

Am nächsten Tag wird der Vogel an einem See ausgesetzt. Die Tatsache aber, dass der Vogel in der Prärie, weit im Inland des nordamerikanischen Kontinents gefunden wurde, recht klein war und zuletzt doch davongeflogen sein soll, lässt einen Riesenalk – selbst einen Jungvogel – ausschließen[44].

 

1888

Nach Lars Thomas werden auf den Kronprinses Ejlande, südlich von Disko Island, Westgrönland, vier Riesenalken auf einem Felsen gesehen[45]. Eine Quelle gibt Thomas nicht an.

1890

Zwei Grönländer sehen im Herbst dieses Jahres in der Nähe der Ingmikertok-Insel im Angmagsalik Fjord an der Südostküste Grönlands einen Riesenalk und versuchen ihn zu fangen, aber der Vogel entkommt in der rauen See. Einer der Männer vergleicht die Größe des Vogels mit der eines Eistauchers (Gavia immer) und erwähnt, dass er nicht fliegen konnte. Der Bericht wurde vom Verwalter der Kolonie Angmagsalik, Johan Petersen, 1896 aufgezeichnet[46].

 

 

Am 11. Juli 1891 berichtet die Oban Times, dass im Sommer des Vorjahres Alexander Ferguson, „a very intelligent young man of nineteen years, and extremely fond of watching and taking notes of the habits of wild birds frequenting the island“, zusammen mit mehreren Bewohnern St. Kildas, Schottland, ein Paar Vögel von der Gestalt eines Tordalks (Alca torda), jedoch von doppelter Größe, beobachtet haben will. Die Beschreibungen stimmten mit der Erscheinung zweier Riesenalken überein[47].

 

Riesenalk-Verbreitungsbebiet mit Brutkolonien
Karte wie oben. Blau: lokalisierbare Sichtungsberichte 1853 bis 1890

 


1920er Jahre

Ein Bewohner von Disko Island, Westgrönland, erzählt dem Ichthyologen Lars Thomas im Jahr 1984, dass sein Großvater in den 1920er Jahren einen Riesenalk gefangen hatte, diesen mit nach Hause nahm und von seiner Frau kochen ließ[48].

 

1920er und 30er Jahre

Auf den Lofoten, Norwegen, wird von gesichteten Riesenalken berichtet, die sich aber wohl gänzlich als Pinguine herausstellen, welche von Walfängern aus Australien mitgebracht und ausgesetzt wurden[49].

 

1945

Nach Sarah Hartwell wurde der Riesenalk noch 1945 in einigen britischen Vogelführern als lebend aufgeführt[50].

 

Portrait eines Riesenalkes, Museum Braunschweig
Portrait eines Riesenalkes, Museum Braunschweig

 

1986

Mit dem Ziel, einen lebenden Riesenalk zu finden, landen am 4. Mai dieses Jahres fünf Mitglieder des Royal Findhorn Yacht Club of Scotland auf der kleinen, zu den schottischen Orkneys gehörenden Insel Papa Westray, wo die Inselbewohner „still talk of the great auk“. In einer zuvor herausgegebenen Pressemitteilung der Cartmell Public Relations ist ferner von einigen unbestätigten Sichtungen des Riesenalks in den letzten Jahren die Rede, und einige Inselbewohner spekulieren während der Suchaktion angeblich, dass der Vogel möglicherweise noch existiere. Letztendlich stellt sich die Pressemitteilung als ein Auftrag der Whisky-Marke Canadian Club heraus, welche die „Riesenalk-Jagd“ mit dem Titel „Operation Aukfinder“ als PR-Aktion inszenierte. Über die Seriosität oder gar Tatsächlichkeit der Äußerungen der Inselbewohner kann somit nichts Sicheres ausgesagt werden[51].

 

2012

Am 1. April teilt der Blogger und Birdwatcher Stuart Winter mit, dass die Faorese Ornithological and Oological League sehr bald den Fang eines lebenden Riesenalks bekanntgeben würde, nachdem Biologen eine Expedition zu einer neuen, 200 Meilen westlich der Färöer-Inseln gelegenen Vulkaninsel unternommen hätten. Die Insel sei auf den Aufnahmen eines Militär-Satelliten aus dem Jahr 2002 entdeckt worden. Bei der Meldung handelt es sich freilich um einen Aprilscherz[52].


Fazit

 

Dermoplastik eines Riesenalkes
Was von einer Art übrig bleibt: Dermoplastik eines Riesenalkes, Museum Braunschweig

 

Auch wenn mit den beiden Exemplaren, welche am 3. Juni 1844 auf Eldey erlegt wurden, der letzte sichere physische Nachweis des Riesenalks erbracht wurde, so spricht doch nichts dafür, dass diese beiden Vögel tatsächlich die letzten Exemplare ihrer Art gewesen sein sollen. Fuller stellt in diesem Zusammenhang fest, dass „the supposition, that the birds killed on Eldey in June of 1844 were actually the very last of their kind is hardly a realistic one[53].

 

Aufgrund der Vielzahl der Beobachtungen nach 1844 ist es vielmehr als sicher anzusehen, dass einzelne Individuen, kleine versprengte Trupps oder sogar kleinere unentdeckte Brutkolonien des Riesenalks bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts überlebt haben. In Anbetracht des vermutlich hohen Lebensalters des Riesenalks von 20 bis 25 Jahren[54], ist nicht auszuschließen, dass einzelne Individuen sogar die Schwelle zum 20. Jahrhundert überschritten haben. Ob es die Art jedoch auch in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts oder in versteckten Winkeln des Nordatlantiks sogar bis in die Gegenwart geschafft hat, dafür lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Indizien anführen. So bleibt vorerst immerhin ein weiteres Mal die Feststellung, dass vermeintliche Aussterbedaten mit Vorsicht zu betrachten sind und ausführliche Recherchen zu Revisionen führen können, welche weiter hoffen lassen.


Weitere Artikel zum Riesenalk

Einige Informationen über die Biologie des Riesenalkes und eine abweichende Version der Ereignisse vor 1844 finden sich in Tobias Möser’s Beitrag „Heute vor 175 Jahren: das letzte Ei eines Riesenalkes wurde – zertreten

 

Auch Ulrich Magin befasst sich mit der Frage, wann der Riesenalk denn tatsächlich ausstarb. Wir haben seine Recherche als Archiv-Meldung gesammelt.

 


Literatur zum Riesenalk

Aufgrund seines Umfanges bieten wir das Literaturverzeichnis für Riesenalk nach 1844 zum Download an

Von Natale Guido Cincinnati

Kryptozoologie ist romantische Naturkunde. Die „Jagd“ nach den devianten Geheimnissen der Tierwelt führt in den Fragen herausfordernden Schattenbereich unserer Welt. Und diese beginnt gleich vor unserer eigenen Haustür. Natale G. Cincinnati befindet sich auf dieser „Pirsch“ seit seiner Jugendzeit. Seine Besessenheit führte ihn dabei durch eine Ausbildung zum staatl. gepr. Biologisch-technischen Assistenten sowie ein Studium der Kulturanthropologie/Volkskunde, Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie und Geologie/Paläontologie in Bonn und Köln; Zu seinen Schwerpunkten in der Kryptozoologie zählen die Weiterentwicklung kryptozoologischer Methoden und Feldforschung, die Kryptozoologie im deutschsprachigen Raum sowie Kryptozoologie in der Schnittmenge von Natur- und Kulturwissenschaft; die Ergebnisse seiner geistigen Eskapaden schlagen sich in Veröffentlichungen, Vorträgen und Projekten im weiten Feld der Anomalistik nieder, immer mit einem Schwerpunkt auf forteanische Zoologie; ganz grundständig ist er tätig als Internatspädagoge an einem Bonner Internat. Natale G. Cincinnati ist wohnhaft in Pulheim, am südlichen Rand des Niederrheins. Kontakt: Sichtungen@netzwerk-kryptozoologie.de