Lesedauer: etwa 13 Minuten

Gestern am 17. November 2024 wurde in der IBIS, International Journal of avian Science ein Paper veröffentlicht, das das Aussterben des Dünnschnabel-Brachvogels (Numenius tenuirostris) thematisiert. Nach zahlreichen Analysen unterschiedlicher Art ist man sich „zu 96% sicher, dass die Art ausgestorben ist“.

 

Dünnschnabel-Brachvogel – nie gehört?

Erscheinungsbild

Der Dünnschnabel-Brachvogel ist bzw. war einer der faszinierendsten, weil geheimnisvollsten Vögel Europas. Er war mehr oder weniger eng mit den anderen Brachvögeln verwandt, einheimisch sind der Große Brachvogel und der Regenbrachvogel. Der Dünnschnabel-Brachvogel ist etwa so groß, wie ein Regenbrachvogel, jedoch schlanker. Sein Gefieder ähnelte eher einem sehr hellen Großen Brachvogel, der Schnabel war aber fast komplett schwarz und noch schlanker als bei den anderen europäischen Brachvogel-Arten.

 

Brachvögel

Die Brachvögel bilden eine Gattung der Schnepfenvögel. Sie sind eher schlank, vergleichsweise groß und eher unscheinbar gefärbt. Von den nahe verwandten Pfuhlschnepfen unterscheiden sie sich durch den charakteristisch nach unten gebogenen Schnabel.

Brachvögel sind typische Bewohner von Sümpfen, Mooren und anderen Feuchtlandschaften. Die meisten Arten leben von Kleintieren wie Insekten, Würmer und andere Wirbellose, nur eine Art nimmt auch größere Nahrung zu sich. Hauptverbreitungsgebiete sind die kühlgemäßigten Breiten der Nordhalbkugel, viele Arten sind Zugvögel und überwintern weit südlicher. Viele Arten waren in der Vergangenheit sehr häufig, sind aber heute selten geworden. Neben dem hier vorgestellten Dünnschnabelbrachvogel sind noch zwei weitere Arten bereits ausgestorben oder stark bedroht:

  • Amerikanischer Brachvogel (Numenius americanus, Long-billed curlew), brütet in den Prärien Nordamerikas und zieht im Winter an die West- und Südwestküst der USA und nach Mittelamerika. Noch ungefährdet, Bestand fallend.
  • Großer Brachvogel (Numenius arquata, Eurasian curlew), weit verbreitet in Asien und Europa, auch in Deutschland vorkommend, vor dem 19. Jahrhundert in Deutschland häufig, seit dem durch Trockenlegungen stark zurückgegangen, heute schlechte Bruterfolge, Bestände überaltern. Weltweit noch ungefährdet, der Klimawandel wird das Verbreitungsgebiet nach Norden verschieben, die Fläche wird sich drastisch verkleinern.
  • Eskimo-Brachvogel (Numenius borealis, Eskimo curlew), brütet in der kanadischen Tundra und wandert bis in die Rio de la Plata-Region, ggf. auch nach Feuerland und Chile. Gehörte früher zu den häufigsten Vögeln Amerikas, heute stark bedroht oder bereits ausgestorben, die letzte sichere Sichtung erfolgte 1963 auf Barbados (beim Zug), mögliche spätere Sichtungen 1987 und 2004. Dieser Vogel verdient einen ähnlichen Nachruf wie diesen, auch wenn die IUCN ihn noch als „möglicherweise ausgestorben“ einstuft, um den Romeo-Irrtum zu vermeiden.
  • Hudson-Brachvogel (Numenius hudsonicus, Hudsonian whimbrel), in zwei Unterarten geteilt, eine brütet an der Küste der Hudson-Bay und Nordost-Kanada, eine andere an der Nordwestküste Kanadas und Alaskas und in der Tundra im Inland. Beide Unterarten überwintern an den Küsten Nord- und Südamerikas. Die Art ist nicht bedroht.
  • Isabellbrachvogel (Numenius madagascariensis, Far eastern curlew), der größte Brachvogel brütet im Bereich der Permafrostsümpfe im nordöstlichen Asien, in Sibirien, Kamtschatka und der Mongolei. Nicht-brütende Tiere findet man weiter verbreitet an den Küsten Australiens, Südkorea, Thailand, den Philippinen und sogar Neuseeland. Der Verlust der Wattflächen am Japanischen Meer, vor allem in China und Korea hat der Art stark zugesetzt. Aktuell scheint es etwa 38.000 Tiere zu geben, die IUCN listet die Art als gefährdet.
  • Zwergbrachvogel (Numenius minutus, Little curlew), kleinste Brachvogelart, nur wenig größer als eine Amsel. Die Tiere brüten bevorzugt auf alten Waldbrandflächen und an Flussufern in Nordost-Sibirien, sie ziehen ins nördliche Australien, aber auch in ein diskretes Überwinterungsgebiet bei St Kilda im Bundesstaat Südaustralien. Aus Europa sind ungewöhnlich viele Beobachtungen von Irrgästen in Europa, zuletzt im Winter 2019/2020 in den Niederlanden. Die Art gilt als ungefährdet.
  • Regenbrachvogel (Numenius phaeopus, Eurasian whimbrel) ist die zweite in Deutschland regelmäßig vorkommende Brachvogelart. Sie ist etwas kleiner als der Große Brachvogel und gilt in Deutschland im Frühjahr und Herbst als Durchzügler. Sie brüten in Skandinavien, dem nördlichen Baltikum, Nordwest-Russland, auf Island, Teilen Grönlands und einigen Inseln Schottlands. Überwinterungsgebiete liegen an den afrikanischen Mittelmeerküsten, dem Roten Meer, um den Viktoriasee. Nichtbrüter findet man an den Küsten Afrikas und den Küsten des Indischen Ozeans bis Taiwan, Australien und Neuseeland. Die Art gilt mit 160.000 bis 380.000 Brutpaaren alleine in Europa als nicht bedroht.
  • Borstenbrachvogel (Numenius tahitiensis, bristle-thighed curlew) ist, wie der Name vermuten lässt, endemisch in – Alaska. Er ist ein mittelgroßer, ziemlich typischer Brachvogel, der in der Tundra nahe der Yukon-Mündung und auf der Seward-Halbinsel brütet und in Japan sowie tropischen Inseln Ozeaniens überwintert. Dabei legen die Tiere mindestens 4000 km nonstop zurück, teilweise wesentlich mehr. Anders als andere Brachvögel frisst er nicht nur kleine Wirbellose, sondern auch Eidechsen, Kleinsäuger, Vogeleier und -junge. Sie wurden schon dabei beobachtet, wie sie Steine auf Eier fallen ließen, um sie zu knacken.  Mit einer Population von etwa 10.000 Tieren und abnehmenden Beständen gilt er als „near threatened“.
  • Dünnschnabel-Brachvogel: offiziell ausgestorben. Dieser Artikel ist der Nachruf auf die Art.

 

Dünnschnabel-Brachvogel
Dünnschnabel-Brachvogel, Illustration von Henrik Grønvold, 1902

 

Vorkommen

Die wichtigsten Brutgebiete der Art lagen in Westsibirien, soweit ist halbwegs sicher. Wo genau sie langen, ist weniger sicher, die einzige sicher bekannte Brutkolonie wurde zwischen 1909 und 1924 in der Region Tara, 250 km nördlich von Omsk beobachtet. Bis zuletzt galten die Permafrost-Moore an den Flüssen Irtysch und Ob als heiße Kandidaten, im Gespräch sind aber auch die Steppengebiete in Südsibirien und Kasachstan. Überwintert haben sie vor allem am westlichen Mittelmeer, in den Küstenregionen von Marokko bis Mitteltunesien. Weniger häufig waren sie im  Nildelta, dem Euphrat-Delta in Kuwait und dem Irak und im Jemen. Ziemlich regelmäßig wurden Irrgäste in Mittel- und Westeuropa nachgewiesen. Viele Nachweise erfolgten auch aus Ländern, die sie bei der Wanderung durchquerten.

Im Nordosten Griechenlands, nahe der türkischen Grenze im oder in der Nähe des Nestos-Deltas gab es ebenfalls ein Vorkommen des Dünnschnabel-Brachvogels. Ob es sich überhaupt um eine feste Population handelt, ist unklar: Dieses Gebiet liegt etwa auf halbem Weg von den mutmaßlichen Brut- in die Wintergebiete der Art. Möglich ist also, dass hier Tiere ihre Wanderung unterbrachen und überwinterten bzw. übersommerten und sich dann wieder dem Zug ihrer Artgenossen anschlossen. Brutnachweise aus dieser Region sind dem Autor ebenso unbekannt, wie Sichtungs- oder wenigstens Sammlungsberichte mit Jahresangaben.

Wie die relativ zahlreichen Berichte aus relativer Nähe zu Nordgriechenland zu bewerten sind, ist unklar.

 

Verbreitung des Dünnschnabel-Brachvogels (Numenius tenuirostris)

 

Lebensweise

Wie alle Brachvögel bewohnte der Dünnschnabel-Brachvogel Feuchtgebiete, vor allem Torfmoore. Außerhalb der Brutzeit fand man sie auch auf Wattflächen, Salzmarschen und Feuchtgebieten des Süßwassers. Er fraß alle vorkommenden Kleintiere, vermutlich suchte er in weicherem Substrat als andere Brachvögel.

Die wenige bekannten Nester waren flache Bodennester, meist in Torfmooren. Sie enthielten vier grauolive bis braune Eier mit dunklen Flecken.

Dünnschnabel-Brachvogel
Das Titelbild, noch einmal farbig. Illustration von Elizabeth Gould & Edward Lear, ca. 1830.

 

Das Aussterben

Wie so häufig ist das Aussterben einer Art ein multifaktorielles Geschehen. Insbesondere bei einer Art, über die so wenig bekannt ist, wie über den Dünnschnabel-Brachvogel bleibt leider sehr viel Raum für Spekulation.

Brutgebiete

Auch in Sibirien hat es seit dem 19. Jahrhundert großflächige Umformung von Wildnis in Ackerland gegeben. Sicher ist der großflächige Verlust von Feuchtgebieten durch künstliche Entwässerung – Gebiete, in denen der Dünnschnabel-Brachvogel gebrütet haben könnte.

Auch die Verbreitungsgebiete in Griechenland sind heute massiv überformt und werden weitgehend landwirtschaftlich, aber auch touristisch genutzt. Nur im äußeren Delta des Nestos ist ein kleiner Bereich in Form eines Nationalparkes seit Kurzem geschützt.

Wanderung und Überwinterungsgebiete

Viele Lebensräume für nicht-brütende Tiere bestanden aus Küstenwiesen, die heute im Mittelmeerraum ein extrem seltener Lebensraum sind. Nahezu überall dort, wo sich die Tiere außerhalb ihrer Brutzeit aufhielten, wurden Feuchtgebiete systematisch trocken gelegt, und für landwirtschaftliche oder touristische Nutzung umgeformt. Dennoch sollte es in Sibirien zumindest theoretisch ausreichend als Brutgebiete geeignete Lebensräume geben.

In nahezu allen Durchzugs- und Überwinterungsgebieten wurde der Dünnschnabel-Brachvogel, wie viele Schnepfenvögel, gezielt bejagt. Er erschien zahmer bzw. seine Fluchtdistanz war oft geringer als die anderer Watvögel, und er suchte auch bei hohen Wasserständen nach Nahrung, so dass er leicht bejagt werden konnte.

 

In Deutschland gilt die Art als seltener Irrgast. Nach je nach Zählweise gibt es etwa 13 Nachweise in Deutschland:

  • 12.05. (ohne Jahr) Siebleber Teich bei Gotha (2),
  • 1820: ohne weitere Angaben (1)
  • Ende der 1830er-Jahre: Helgoland (damals brit. Kronkolonie) (2),
  • Zwischen 1850 und 1875: Speyer (2),
  • ca. 1862: Sylt (2),
  • 1878: Bodensee (1)
  • Herbst 1883: Poselwitz, damals Kreis Liegnitz, Niederschlesien; heute Postolice, ca. 40 km westlich von Breslau, Polen (1; 2),
  • 23.09.1890: Neustadt (Hessen), Landkreis Marburg-Biedenkopf (1; 2),
  • September 1891: Vogelwarte Rossiten, Kurische Nehrung, heute Oblast Kaliningrad, Russland (2),
  • Um 1891 Vogtareuth, Landkreis Rosenheim (2),
  • 1927: Wollmatinger Ried (Bodensee) (1; 2),
  • 17.4.1966: Lüneburger Heide (1; 2),
  • 29.4.1973: Fischteiche bei Auleben, Stadt Heringen/Helme, Landkreis Nordhausen, Thüringen (1; 2)

(1: Buchanan et al.; 2: Reißland & Göhring)

Ein 1832 an das Berliner Naturkundemuseum übergebener Balg, der angeblich von der dt. Ostseeküste kommen soll, stammt wohl aus Italien (siehe Anmerkungen). Ob dies in der Sammlung des Berliner Museums bekannt ist, ist dem Autor unbekannt. Nachforschungen laufen.

 

Dünnschnabel-Brachvogel im Naturalis, Leiden, NL
Was von einer Spezies bleibt: Ein Museumsexemplar eines jungen Weibchens von Numenius tenuirostris, gesammelt am 27.12.1889 in Friesland. Heute Teil der Sammlung des Naturalis, Leiden, NL. Huub Veldhuijzen van Zanten/Naturalis Biodiversity Center; CC 3.0

 

Die letzten Dünnschnabel-Brachvögel

Das letzte glaubhaft dokumentierte Nest fand man 1924 bei Tara in Sibirien (57°N, 74°O). Intensive Nachsuche in der Umgebung brachte keinen Erfolg, kein Wunder, wenn man die „Umgebung“ mit mehreren 100.000 Quadratkilometern unwegsamen Geländes definiert. Etwa zu dieser Zeit verschwanden auch die meisten Wintergäste in Marokko. Seit den 1980er Jahren überwinterten die Tiere nur noch an einem einzigen Ort in Marokko, 1986 wurden dort fünf Tiere beobachtet, 1988 nur noch vier, 1989 bis 1992 jährlich nur noch drei, 1993 und 1994 nur noch zwei, die letzte Beobachtung eines Einzeltieres stammt von 1995.

Man vermutet, dass Mitte der 1990er Jahre noch 50 bis 270 Individuen existierten. Die meisten Beobachtungen stammen aus Ungarn, wo Dünnschnabel-Brachvögel zwischen 1990 und 1999 insgesamt sieben Mal beobachtet wurden. 1995 wurde eine Gruppe von 20 Tieren in Italien beobachtet, jedoch ist die Bestimmung nicht sicher.

Die Kombination aus Habitatverlust und Jagd könnte sich besonders negativ ausgewirkt haben, da viele Vögel auf immer kleinere Überwinterungsgebiete konzentriert wurden und so für Jäger besonders attraktiv wurden. Diese Konzentration führte natürlich auch zu stärkerer inner- und außerartlicher Konkurrenz und potenziell größerer Gefahr der Krankheitsübertragung. Wie sich Umweltverschmutzung und Klimawandel auf die Art auswirkten, ist unklar. Die sinkende Populationszahl könnte die Fitness des Einzelnen zudem negativ beeinflusst haben (Allee-Effekt), die Suche nach Brutpartnern erschwert und eine Räubersättigung der Brutkolonien schließlich verhindert haben.

In England?

Im Mai 1998 kam es zu einer Aufsehen erregenden Beobachtung in England: Bei den Druridge Pools tauchte ein Jungvogel des vergangenen Jahres auf und wurde fotografiert. Falls die Bestimmung richtig war, belegt dies eine erfolgreiche Brut in 1997. Die Beobachtung haben offizielle Stellen 2002 bestätigt. Leider wurde die Bestimmung 2013 widerrufen, die Debatte, um welche Art es sich bei dem „Druridge Bay curlew“ (Druridge-Bucht-Brachvogel) handelt, geht jedoch bis heute weiter.
Zwei weitere unsichere Beobachtungen des Dünnschnabel-Brachvogels stammen von August 2002 ebenfalls aus der Druridge Bay und Oktober 2004 aus Minsmere in Suffolk, England.

Weitere Sichtungen

2003 gab es eine unsichere Sichtung von vier, später sogar sechs Vögeln im Donau-Delta. Weitere Beobachtungen gibt es aus dem Jahr 2003 und 2004 in der Ukraine, eine als sicher geltende Beobachtung von März 2005 stammt aus Montenegro.

Ein einzelner Vogel wurde 2006 in Albanien beobachtet. Diese Beobachtung scheint relativ sicher, da sie mehrere Wissenschaftler von EuroNatur getätigt haben.

Eine unbestätigte Sichtung eines Einzeltieres ergab sich am 10. April 2014 an der Südküste des Omans (Khawr Barr al Hikman; Observation.org)

 

Offiziell ist der Dünnschnabel-Brachvogel (Numenius tenuirostris) damit ausgestorben. 

 

 

Diese Meldung ist sehr bedeutend, denn es handelt sich beim Dünnschnabel-Brachvogel nicht um eine von sich aus schon seltene Inselart oder einen Spezialisten, sondern um eine Art, die vor 150 Jahren noch in großer Zahl in Europa und am Mittelmeer vorkam. Das menschengemachte Massensterben kommt uns immer näher.


Nachtrag

Trotz einer relativ geringen Zahl von Klicks hat dieser Beitrag einige interessante Reaktion provoziert.

Am 20.11. mailte mich Lutz Reißland von natur-projekte.de an. Er schrieb, dass die letzte offizielle Sichtung eines Dünnschnabel-Brachvogels in Deutschland im April 1927 in Baden-Württemberg stattgefunden habe. Inoffiziell ist seine Sichtung am 29.04.1973 an den Fischteichen bei Auleben in der Goldenen Aue im Norden Thüringens, die 1975 sogar in der Monatsschrift für Ornithologie und Vogelschutz „Der Falke“ veröffentlicht wurde. Er schreibt dazu:

Ich erinnere mich noch ganz deutlich, wir hatten den Vogel sehr gut
gesehen und da die anderen beiden, bei uns vorkommenden Brachvogelarten,
Großer und Regenbrachvogel waren damals ebenfalls im Gebiet und wir
hatten einen guten Vergleich, dies war ein anderer Brachvogel, Größe,
keine Kopfzeichnung, herzförmige Flecken an den Flanken konnten wir
erkennen. Auch die Stimme war anders.

 

Diese Beobachtung wurde später von „Granden“ der DDR-Ornithologie angezweifelt und unter anderem in einer Widerrede im „Falken“ angegriffen. Herr Reißland ist dennoch überzeugt, dass er als „Greenhorn“ (wie er selber schreibt) 1973 keinen Großen oder Regenbrachvogel, sondern einen Dünnschnabel-Brachvogel gesehen hat.

 

Im genannten Artikel des Falken finden sich folgende Sichtungsmeldungen:

Nachweise in: Niethammer, G. (1942): Handbuch der deutschen Vogelkunde, Bd. 3, S. 254. Vorkommen in Deutschland. Etwa 9mal festgestellt:

  1. 12. 5. (Jahr?) Siebleber Teich bei Gotha, Sammlung Brehm (Orn. Jahrb. 1892, S. 159)
  2. Ad. ,,Ostsee“ (1) (aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts). Mus. Berlin (J. Orn. 1915, S. 583)
  3. Ende der 1830er Jahre Helgoland (Gätke). Beleg nicht vorhanden
  4. Insel Sylt (J. Orn. 1862, S. 450)
  5. Speyer/Rheinpfalz. zwischen 1850 und 1875; in der Sammlung der Pollichia, Kaiserslautern (Anz. Orn. Ges. Bayern II, S. 282)
  6. Herbst 1883 Poselwitz Kr. Liegnitz (Orn. Mschr. 1901, S. 313, Sammlung Järisch, Ber. Ver. Schles. Orn. 1925, S. 101)
  7. 23. 9. 1890 Neustadt Kreis Kirchhain/Hessen­ Nassau; Mus. Senckenbergianum (Katalog Mus. Senckenberg. 1891, S. 257)
  8. September1891 Rossitten: Sammlung der Vogelwarte Rossitten (Orn. Mschr. 1895, S. 338)
  9. Um 1891 Vogatreuth bei Rosenheim, Bayern; Verbleib? (2. Jahrber. Orn. Ver. München, S.·16)

In diesem Beitrag (der den wenigsten Lesern zugänglich sein dürfte), finden sich zudem folgende Fußnoten:

(1)„Handschriftlicher Hinweis in meinem Exemplar auf J. Orn. 95, S.181, 1954: „Numenius tenuirostris Vicillot. – Ein Exemplar wurde am 10.2.1832 von Dr. Michahelles aus Nürnberg als Balg an das Zoolog. Museum Berlin geliefert. Michahelles hatte es von Dr. P. Savi (Pisa) erhalten. In Berlin wurde es katalogisiert: ,Ostsee. Michaelis‘. (Nr. 1208, Hesse p. 583). Seitdem erscheint es unter den ,deutschen‘ Belegstücken! (Niethammer 111, p. 251).“

Der Titel dieses Artikels lautet: Stresemann, E. (1954): Zur Avifauna der Mark Brandenburg. J. Orn. 9, S 178-181

In: Niethammer, Kramer und Wolters (1964): Die Vögel Deutschlands – Artenliste, Frankfurt/Main: „Numenius tenuirostris Vieill., 1817 – Dünnschnabelbrachvogel. Irrgast. Etwa 10 Nachweise, zuletzt 1891 bei Rossitten und bei Rosenheim/Bayern sowie (Sichtungsbeobachtung), April 1927 Wollmatinger Ried (Noll).“

In Makatsch, W. (1968): Verzeichnis der Vögel Deutschlands (3. Auflage, die 1. Auflage erschien 1955). Radebeul und Berlin: „158. Numenius tenuirostris Vieillot – Dünnschnabel-Brachvogel Südwestsibirien. Irrgast: wenige Male nachgewiesen, zuletzt am 17.4.1966 in der Lüneburger Heide (J. Orn. 108, S. 84, 1967)

Auf Anfrage antwortete mir Pascal Eckhoff vom Naturkundemuseum Berlin, dass die Geschichte des Exemplars von Paolo Savi bekannt sei. Anders als in der handschriftlichen Notiz erwähnt, handelt es sich um Sammlungsnummer ZMB 12408 (hier wurde oben also eine Ziffer vergessen), der Weg aus Italien in die Berliner Sammlung ist bekannt und dort vermerkt. Da Savi in Pisa ansässig war, geht das Museum davon aus, dass auch dieses Exemplar aus der Gegend von Pisa stammt.
Es wurde also nie als „deutsches“ Belegstück geführt.


Quellen

Deutsche Wikipedia zum Dünnschnabel-Brachvogel

Englische Wikipedia zum Dünnschnabel-Brachvogel (Slender-billed curlew)

Englische Wikipedia zu den Druridge Bay curlews

Buchanan et al: IBIS: Global extinction of Slender-billed Curlew (Numenius tenuirostris)

Reissland, L. & Göhring, S., 1975: Dünnschnabel-Brachvogel in Thüringen; Der Falke, 22. Jahrgang, Heft 2, Urania Verlag Leipzig/Jena/Berlin)

 

 

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.