Seeungeheuer in den Alpenseen 3: Der Traunsee

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Der Traunsee im österreichischen Salzkammergut sollte der Traum eines jeden Kryptozoologen sein – er beherbergt mindestens drei, möglicherweise vier, Arten von Seeungeheuern, und eine davon soll sogar von Tausenden von Zeugen berichtet worden sein.

 

Seeweiblin und Drache

Die ersten Auskünfte über das „Ungeheuer des Traunsees“, eine Seejungfrau, verdanken wir dem Schriftsteller Otto von Graben zum Stein (* ca. 1690, Innsbruck; † ca. 1756, Potsdam). Von Graben zum Stein veröffentlichte bis 1731 in zwei Bänden das Werk „Monathliche Unterredungen von dem Reiche der Geister zwischen Andrenio und Pneumatophilo“, ein Buch über Geistererscheinungen. (Das Buch brachte ihm ein Publikationsverbot am königlich-preußischen Hof ein, mit der Begründung, er verbreite „Aberglauben und Schwärmerey“.)

 

Traunsee
Auf den ersten Blick ist der Traunsee „nur“ ein wunderschöner Alpensee

 

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Blondchen: Eine Sage

Das Gesicht gehörte zu einer jungen Frau, nicht zu einem jungen Mädchen, und dennoch war die ganze Jugend an ihr und alles, was Jugend ausmacht. Alles von der Helligkeit und der Wärme und vom Gleißenden der Jugend. Das war es, was ich mir dachte, als ich sie damals das erste Mal ganz nahe vor mir sah. Ich war sehr überrascht. Es hatte mich ziemlich überrascht, weil ich für lange Zeit gedacht hatte, es würde nichts mehr geben, was mich so überraschen könnte. Das war das Leben, es war das junge Leben in ihr und sie war das Leben, es war dieses warme, versprechende Leben, das sie ein- und ausatmete. Es war die ganze Jugend, die an ihr war und das Beste daran war, dass das alles so natürlich war wie Kinderlachen und Lebensfreude und wie das Aufblitzen eines Wassertropfens auf einem Halm, wenn die Sonne ihn erreicht.

 

Blondchen: Eine Sage ist 2019 bei Book on Demand erschienen und hat als Taschenbuch 250 Seiten.

 

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Otto von Graben zum Stein schreibt, was er am Traunsee über das Seeweiblein erfahren hat:

 

„Man hat versichern wollen, daß viele tausend Menschen das Traunerseeweiblein bald in der Mitte dieses Sees, bald bei dem Wasserfall sowohl um die Mittagsstunde als auch bei hellem Mondschein gesehen haben. Ich habe selbst mit einigen Personen geredet, auf welche selbige mit fliegenden Haaren aus dem Wasser losgekommen, daß sie vor Angst haben davon laufen müssen. Auch höret man erzählen, daß es sich zum öftern auf einem Waserdrachen reitend gezeiget habe, welcher dem Ansehen nach einem geschundenen Pferde sehr ähnlich gewesen.

Der Ritt auf dem Drachen

Jedoch glaube ich, es werde niemand demselben so nahe gekommen sein, daß er dessen Gestalt so eigentlich in Augenschein genommen. Vor Zeiten ließ sich dieses Gesicht zwar zum öftern sehen, allein von vielen Jahren her ist weiter nichts als das Seeweib zum Vorschein gekommen, daher zu vermuten, daß jenes ein natürliches Amphibium gewesen, dessen sich dieser Wassergeist in gewissen Umständen bedienet hat.“

(nach Leander Petzoldt: Sagen aus Oberösterreich. 1993, S 192)

Die Seejungfrau reitet also auf dem Drachen, den Drachen hält von Graben zum Stein für ein ganz normales Tier, die Seejungfrau aber für einen Geist. Wollen wir den Zahlen des Autors glauben, dann müssen Drachen und/oder Seeweib von ebenso vielen Leuten gesehen worden sein wie das Ungeheuer von Loch Ness!

 

Die große Schlange

Traunsee
Ruhig liegt der See, trotz tiefhängender Wolken ist nichts besonderes um die Kapelle des Hl. Johannes in Traunkrichen

„Die Sage spricht von einer riesigen Schlange, welche unaufhörlich den Lauf der Traun auf: und abschwimmt, und bevölkert die Tiefen des Sees mit Ungeheuern erschrecklicher Form.“ (Nach Auguste Marguillier: “A travers le Salzkammergut”, 1896; in: Hans Commenda, Zur Volkskunde des Salzkammergutes vor fünfzig Jahren, in: Volkskundliches aus Österreich und Südtirol, Hermann Wopfner zum 70. Geburtstag dargebracht, Hg von Anton Dörrer und Leopold Schmidt, Wien 1947)

 

Der Krake

Neben Drachen, Seejungfrauen und Riesenschlangen gibt es auch eine Art Süßwasserkrake im Traunsee: „Beim Hinunterschauen begreift man“, schreibt Heinrich Noë in seinem Das Österreichische Seenbuch (München 1867, S. 137–142), „wie die Einbildungskraft der Bergbewohner die Schlünde, deren glasige Hülle in dröhnender Bewegung heraufzüngelt, sich mit schauerlichen Ungeheuern belebt vorstellen kann. Auch die Alpenseen haben ihre ‚Kraken‘, Ungetüme, die in den Sagen der Leute sich nicht immer mit der Gestalt eines ungewöhnlich großen Fisches begnügen, die vielmehr den Umfang und die Formen scheußlicher Vielfüße und sonstiger halb möglicher, halb unmöglicher Tiererscheinungen annehmen.

In der Wirklichkeit aber würde der Taucher dort unten weiter keinen Unförmlichkeiten begegnen als einem großen Waller oder Lachs, einer menschlichen Leiche, die in den eng zusammengepreßten Wasserschichten nicht aufsteigen kann, deren Kälte auch die Entwicklung jener Fäulnisgase verhindert, die in wärmeren oder seichteren Gewässern den aufgedunsenen Körper emporheben, einen versenkten Holzstamm, Überreste von Nachen und Gerippe in der grünen, kalten Nacht.“

 

Der Traunsee als Alpensee
Detail des Traunsees

 

Tatzelwurm

Früher glaubte man, Seedrachen seien zu groß gewordene Landdrachen. Da verwundert es kaum, wenn wir aus der Gegend sogar Berichte über Sichtungen von Großechsen an Land finden:

„Insbesondere der Bericht eines Herrn Paul Resag aus Potsdam, der im Juni 1930 Gelegenheit hatte, ein solches Tier in aller Ruhe durch einige Zeit zu beobachten, auf einem etwa einen Meter breiten Weg, der über eine mit hohem Grase bestandene Waldlichtung führte, eine Stunde zu Fuß von Traunkirchen am Traunsee:

 

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Der Tatzelwurm: Porträt eines Alpenphantoms

Der Tatzelwurm: Porträt eines Alpenphantoms stammt von unserem Autor Ulrich Magin und ist eines der wenigen Werke, die sich wissenschaftlich mit dem Phäniomen „Tatzelwurm“ auseinandersetzen.

Spannend, inhaltsreich, fundiert und gut zu lesen ist das Buch am 25. Juli 2020 bei Edition Raetia erschienen und hat 232 in ein Paperback eingebundene Seiten.

 

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Paul Resang aus Potsdam berichtet

‚Plötzlich sah ich mich nun auf Schrittlänge einem Tier gegenüber, wie ich es noch nie erblickt hatte. Es lag ruhig mitten auf dem Weg, sonnte sich oder schlief. Nach dem ersten Schreck betrachtete ich es eine Weile, ohne mich zu rühren, und kann es somit heute noch genau beschreiben. Seine Länge betrug 50 bis 60 cm, die Breite etwa 20 cm’ (eine sehr gedrungene Echse also!), ‚die Höhe vielleicht 6 bis 8 cm. Die vier Beine glichen genau denen eines Krokodils, überhaupt der ganze Körper, nur in verkleinertem Maßstab, abgesehen vom Schwanz, der rund und nicht sehr lang war.
Die Haut, in der Farbe graugrün, schien wie weiches Leder und bildete dort, wo die Beine am Körper saßen, Falten. Über den Rücken zogen sich drei kräftige rote Querstreifen, die in der Mitte unterbrochen waren. Der Kopf sah ungefähr so aus wie der einer Eidechse, viermal vergrößert. – Der Anblick war so angsterregend, dass ich mich nach kurzer Zeit schleunigst auf den Heimweg machte.’“

(Heimito von Doderer: Die Wiederkehr der Drachen: Aufsätze, Traktate, Reden. CH Beck 1996, S. 32)

Was ist der Kupferstutzen?

Noch im März 2004 erhielt eine österreichische Schlangenwebsite die besorgte Anfrage: „In Ebensee am Traunsee wird immer wieder berichtet, dass es eine Schlange gibt mit dem Namen ‚Kupferstutzen‘. Sie ist ca. 20 – 40 cm lang und springt angeblich Leute an und wurde von den Amerikaner während des Krieges abgeworfen.“ (http://www.herpetofauna.at/forum/viewtopic.php?t=654) Spannend ist hier zumindest, dass der Tatzelwurm nicht mehr als etwas Einheimisches empfunden wird, sondern als aus Amerika importiert gilt.

 

Herbst am Traunsee
Herbst am Traunsee

Ein gefährlicher See

Der Traunsee liege nie still, so wird erzählt. Gewaltige Kräfte brodeln in seinem Innern: „Es bedarf keines Sturmes, um den Traunsee zu gewaltigen Wellen aufzuregen. Während der die Esplanade von Gmunden Hinabwandelnde keine oder eine geringe Bewegung der Luft verspürt, schlägt die hellgrüne Flut an die Quader der Ufermauern, daß der Schaum gegen sie heraufspritzt. Der Traunsee ist nicht nur das tiefste, sondern auch das unruhigste aller Gewässer dieser Berge.

Diese Tiefe verleiht ihm die Fähigkeit, der bändigenden Gewalt des Frostes zu widerstehen. Stets neue wärmere Wasserschichten, die sich aus den einsamen Schlünden emporheben, steigen herauf an die Stelle der kälteren, an der Luft nahezu erstarrten. In diesem Jahrhundert hatten die Bewohner seiner Ufer nur ein einziges Mal Gelegenheit, das Salz, welches jetzt dort die schaukelnden Schiffe tragen, der ganzen Länge des Sees entlang auf seiner Eisdecke von Pferden herschleifen zu sehen.“ (Heinrich Noë: Das Österreichische Seenbuch, München 1867, S. 137–142)

 

Traunsee im Nebel
Ein See, der ein solches Bild bieten kann, kann nicht ohne Geheimnisse sein

 

Ist der Traunsee bodenlos?

Der Volkskundler Michel Meurger (Lake Monster Traditions) führt weitere volkstümliche Annahmen über den See hinzu. Bodenlos sei er, so hieß es, ein Opfer mindestens fordere er im Jahr. Gut möglich, dass all diese Sagen von Drachen und dämonischen Seeweiblein und riesigen Schlangen und formlosen, vielarmigen Monstern nur eine Metapher waren, diese Gefahren des Sees begreifbar und beschreibbar zu machen. Was aber ist mit den 1000 Augenzeugen? Wollen wir nicht annehmen, dass vor 250 Jahren noch Seejungfrauen auf Drachen ritten, müssen wir akzeptieren, dass das Erzählungen waren, die die Gefahren des Sees ebenso bildhaft überlieferten wie die Legenden – und dass damit auch eine quantitative Argumentation für etwa die Existenz des Ungeheuers von Loch Ness (So viele Leute können sich nicht irren!) in die Leere geht.

 

Allerdings: Dem Kryptozoologen, der das Seeweiblein vom Traunsee mit seinem Netz fängt, dürfte auch am Loch Ness Erfolg beschieden sein!

 

Der See in Daten

Der Traunsee liegt in Oberösterreich. Mit 12 km Länge, 3 km Breite und einer Fläche von rund 24,5 km² ist er – nach dem Attersee – der zweitgrößte See Oberösterreichs. Der Traunsee misst an der tiefsten Stelle 191 m, damit handelt es sich um den tiefsten See Österreichs. Er wird von Ausflugsbooten, Raddampfern und Linienschiffen befahren und weist im August eine Wassertemperatur von 20° C auf.

 

Traunsee mystisch

One Reply to “Seeungeheuer in den Alpenseen 3: Der Traunsee”

  1. Der Bericht von einem „Kupferstutz“, einer springenden Schlange, die von den Amerikanern gebracht worden sein soll, lässt mich sofort aufhorchen. Vom spanischen Saeton, der Springschlange Andalusiens, wird gelegentlich auch angeführt, sie sei von den Mauren als „Geheimwaffe“ auf die Iberische Halbinsel gebracht worden. Sehr erstaunlich, wie ähnlich sich diese Narrativen sind.

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