Was ein Sonntagsbesuch an einem urbanen Stausee so alles zutage bringt.
Spanien ist bekannt für seinen „Lokalpatriotismus“. In jedem Dorf ist man stolz auf das Seinige. Innen und drum herum. So mancher sieht seinen Heimatort sogar als den schönsten Ort der Welt. Und das Ironische an der Geschichte ist, dass das in einigen Fällen vielleicht sogar stimmt. Das malerische Bergdorf Pampaneira in den Alpujarras, einer Region in der Sierra Nevada, wurde beispielsweise tatsächlich bisweilen als das schönste Dorf der Welt gehandelt. So sah es die englische Times. (Lasexta.com) Persönlich habe ich dieser Position faktisch auch nichts entgegenzusetzen, außer vielleicht, dass dieser Titel dem oberen Nachbardorf Campileira zuteil werden sollte.
…ein hässlicher Stausee
Doch um lokalen Tourismus soll es in diesem Beitrag nicht gehen. Und manchmal ist der Lokalpatriotismus auch pure Fiktion. Das trifft mit Sicherheit auf jenen Ort zu, um den es in diesem Beitrag gehen soll. Die Rede ist vom “Embalse de Cubillas”, einem Stausee unweit von Granada. Die spanische Wikipedia maßt sich tatsächlich an, von einer “landschaftlichen Attraktivität” zu sprechen. Das ist ein Euphemismus, wenn man es gut meint. Der Stausee ist ein erbärmliches Wasserloch, das sich in ödem Flachland neben einer Autobahn erstreckt und in seiner “landschaftlichen Attraktivität” weit hinter alle Lokalitäten zurückfällt, die Granadas Umgebung sonst zu bieten hat.
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… mit zoologischen Schmankerln
So dauerte es in meinem Fall auch ganze fünf Jahre, bis ich endlich bereit war, einen freien Sonntag dieser überdimensionierten Pfütze zu opfern. Und das obwohl es durchaus Gründe gegeben hätte, den See aus zoologischen Motiven aufzusuchen. Im Zuge einer Recherche, die ich im Jahre 2017 zusammen mit Ulrich Magin durchführte und die die Aufklärung zweier zeitlich weit zurückliegender Seeungeheuerfälle aus den Jahren 1955 und 1958 im Río Genil zum Ziel hatte, stieß ich auf einen damals aktuellen, vielversprechenden Zeitungsartikel. Und besagter Artikel pries den Stausee als neue Heimat von Fischottern an, die allem Anschein nach in den Flüssen um Granada allmählich wieder Fuß fassen. So auch im Río Cubillas, das dem besagten Stausee seinen Namen gibt. (siehe hierzu unter anderem: El Ideal vom 5. April 2018)
Zwei Monster im Río Genil
1955…
Aber jetzt noch einmal kurz zu den Seeungeheuerfällen, die Ulrich Magin und ich untersuchten. Und hier gleich die Spoilerwarnung: Tatsächlich war wohl ein Otter auch die Ursache zumindest einer der beiden alten Seeungeheuerberichte, die in den 50er Jahren durch die Presse geisterten. Zumindest kam die Beschreibung des 1955 in der Stadt Écija gesichteten Tieres ziemlich nah an jene des Fischotters heran. Und auch sonstige Verhaltensweisen des “Ungeheuers” sprachen für den Otter. Als spektakulärer stellte sich jedoch der andere Fall heraus.
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und 1958…
Denn dieser entpuppte sich tatsächlich als ein Ereignis mit Inhalt von kryptozoologischer Relevanz: denn hierbei handelte es sich um ein Tier, das aus den Wassern des Genil gefischt worden war. Und die engagierte Suche von Luis Velasco Fernández Nieto, einem lokalen Forscher im Ort des Geschehens, Puente Genil, ermöglichte es, den Neffen des Fischers zu befragen. Dieser erinnerte sich auch tatsächlich noch an den Fang seines Onkels. Am Tag des Geschehens war sich dieser nicht sicher, was er gefangen hatte. Er kannte nur die gängigen Fische aus dem Fluss. Doch Jahre später kam er schließlich zu dem Schluss, dass er damals einen Stör gefangen hatte. Diese waren ihm zu jener Zeit nicht aus dem Fluss bekannt. Und daher war er auch mit diesen Fischen nicht vertraut. Störe gab es einst im Genil. Doch zu seiner Zeit waren sie äußerst selten geworden. So konnte der Hobbyangler das gefangene Tier dann auch nicht zuordnen. Doch Jahre später, als er mehr über Störe in Erfahrung brachte, gelangte er schließlich zur Überzeugung, dass er 1958 einen solchen gefangen hatte. Und das ist an sich schon sehr spektakulär: denn offenbar hatte der Fischer einen der letzten Störe des Genil gefangen! Kryptozoologisch relevant? Aber ja doch!
Die gesamte Recherche von Ulrich Magin und mir könnt ihr übrigens in der Ausgabe der Zeitschrift für Anomalistik (Band 18, 2018) nachlesen.
Cubillas? Trotz Otter immer noch keine Motivation für einen Besuch
Jetzt aber zurück zum Stausee von Cubillas. Nein, auch die vermeintlichen Otter lockten mich jahrelang nicht zu diesem See. Zu schön waren einfach die umliegenden Berge. Es bedurfte also noch einer weiteren Verkettung unglücklicher Umstände, die mich schließlich und endlich dazu bewegten, einen Nachmittag dem hässlichen See zu opfern.
Sommer 2022: Hitzewelle, ein bisschen großes Pech und die kleinen Unfreuden des granadinischen Alltags
Wir schreiben den August 2022. Spanien wird gerade von einer schrecklichen Hitzewelle heimgesucht. Der Sommer war in Granada noch nie angenehm, und schon früher kannte man die drei Wochen “calor”, die sämtliche menschlichen Aktivitäten auf die frühen Morgen- und späten Abendstunden reduzierten. Doch dieses Mal erreicht die Hitzewelle eine neue Dimension. Und wie es pünktlich zum Anfang der Ferien sein muss, erleidet mein Kameraobjektiv eine schwere Havarie. Und so muss mein so essentielles Gerät die erste Woche unserer gemeinsamen Ferien beim Mechaniker verbringen, dessen Monopolstellung in unserer Kleinstadt mich mal wieder ohne Alternativen lässt, als abzuwarten, wann der werte Herr es für angebracht hält, meinem technischen Anliegen ein bisschen seiner Aufmerksamkeit zu widmen. Die Andeutung, das mein Problem mal wieder wider Erwarten “eine blöde Fieselarbeit” und länger brauche als gedacht (was sich immer dann so herausstellt, nach dem man den Eingangspreis schon gezahlt hat) gibt mir zu verstehen, dass ich wohl nicht mit einer zügigen Reparatur rechnen kann. So versuche ich die unfreiwillige Freizeit zu nutzen, um zumindest neue Plätze zum Fotografieren zu finden.
Flucht in die Olivenhaine der Alhambra?
Doch nicht mal dann kam für mich der Stausee bei Cubillas in Betracht. Zuerst wollte ich die romantischen Olivenhaine hinter der Alhambra erkunden. Denn hier hatte ich schließlich vor vielen Jahren mal bei einem Luderplatz die Feder eines großen Greifs gefunden? Ob es der berühmte Uhu von der Alhambra war? Ich werde es nie erfahren. Denn auch damals machte mein Objektiv Probleme und der Frust darüber dämpfte meinen Naturgenuss in diesem Moment zu sehr. Ich räumte der Feder nicht die notwendige Wichtigkeit ein, die ihr meiner Meinung nach heute gebührt. Was soll das Geschwafel? Ich warf sie weg! Wie heißt es so schön: Jeder Mensch ist partiell dumm. Und die Vernunft erreicht uns Menschen nur in ruhigen, aber nicht in hitzigen Momenten.
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Schlangenadler, Bienenfresser … was will man mehr …?
Nun also zurück zur Hitze von diesem verdammten Sommer 2022. Das Objektiv ist also wieder kaputt. Doch dieses Mal gebe ich mich geläutert, will mein Schicksal einfach hinnehmen und suche die Stelle von dem Federfund in den Oliven wieder auf. Nicht ganz ohne Erfolg: Ein stattlicher Schlangenadler thront auf einem Hochspannungsmast. An zwei Tagen kann ich ihn sehen. Bienenfresser schwirren rufend durch den abendlichen Himmel und machen sich ganz ihrem Namen nach über die Bienen einer Kolonie von Bienenkästen her. War die Feder von damals vielleicht auch von einem Schlangenadler? Jedenfalls habe ich einen möglichen neuen Hotspot gefunden. Das reicht mir fürs Erste. Und in der Gegend konnte ich neue mögliche Verstecke für meine geliebten Bienenfresser ausmachen – Lösswände, gut versteckt im Tannenhain.
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… außer ein bisschen sommerlicher Frische …
So weit, so gut. Doch die Hitze (die auch abends unerträglich ist) hält mich davon ab, die Gegend über die 500 Quadratmeter hinaus in Augenschein zu nehmen. Zu groß der Wunsch nach mehr Wasser. (mein Proviant ist schnell leer) Zu weit der nächste Brunnen. Zu trocken die Umgebung hier im August. Ich versuche in diesen trockenen Tagen dreimal im Tal einen ordentlichen Ansitz und Erkundungstouren zustande zu bringen. Und normalerweise lasse ich mich nicht so leicht von Witterungsbedingungen abschrecken. Doch jedes Mal habe ich den Eindruck, auf dem Planeten Venus gelandet zu sein. Und an einem Tag ist auch vor sechs Uhr kein einziger Vogel zu sehen. Ungewöhnlich. Alles ist tot. Und ich körperlich am Ende. Und so lege ich das Projekt fürs Erste auf Eis. Ein neuer Plan muss her.
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“Mission Cubillas”, die Zweite: ich mache Ernst!
Und da kommt mir plötzlich die Idee eines Besuchs des Stausees von Cubillas. Jetzt oder nie. So denke ich. Gesagt. Getan. Ich mache mich also auf, wie immer mit meinem Fahrrad, aber dieses Mal durch Granadas hässlichsten Teil, dem Industriegebiet, um an der Autobahn entlang langsam den Weg zum Embalse von Cubillas zu finden. Wer weiß, vielleicht ergeben sich dort neue Bienenfresser- und Pirolbäume? Letztere kämen für mich dem Fund einer Goldmine gleich. Vielleicht entdecke ich auch Hinweise auf Otter? Manchmal muss man eben außerhalb des bekannten Schemas agieren, um weiterzukommen…rede ich mir ein. Doch in Wirklichkeit bin ich immer noch zutiefst frustriert über den bisherigen Verlauf der Dinge. In diesen Ferien. Meinen ersten wirklichen Ferien. In meinem Leben.
Es geht los…
Eine kurze Langeweile
12 Uhr. Ankunft. Es ist schon wieder brütend heiß. Meine Wasserflasche ist schon wieder so gut wie leer. Egal. Auf zur “Mission”. Ich beschließe, das wenig frequentierte Südufer zu erkunden. Denn hier gibt es viel Gestrüpp, kleine Wassergerinnsel und keine menschlichen Konstruktionen. Schritt für Schritt bewege ich mich also an den Ufern des Stausees vorwärts. Hin und wieder zieht ein Paddler vorbei, einmal kreuzt ein Passant mit zwei stattlichen Kampfhunden meinen Weg. Doch ansonsten bin ich weitgehend allein. Tatsächlich nimmt das Erscheinungsbild ein bisschen etwas von den Ufern der anderen Stauseen an, jene von Córdoba und Jaén, die wirklich etwas von “landschaftlicher Attraktivität” – und außerdem zoologisch auch viel zu bieten haben. Denn in der Nähe befindet sich Andújar, der bekannte Naturpark, mit seinen Luchsen und Ottern…ich komme gedanklich ins Schwärmen…doch meine romantischen Reminiszenzen werden jäh unterbrochen.
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Ein großer Fund
Denn am Ufer liegt etwas. Etwas Großes. Es dauert nicht lange, bis ich weiß, was es ist. Körper torpedoförmig. Großer Kopf. Grün. Was soll es denn sonst sein? Klar. Ein Hecht. Oder wie man auch sagt: Esox lucius. Und der liegt da einfach so. Tot am Ufer. Schnell bin ich bei ihm. Keine Zeichen auf menschliche Einwirkung. Keine Angelschnur ragt ihm aus dem Rachen. Keine Anzeichen von Verletzungen durch irgendein mechanisches Gerät. Nur der Schwanzbereich ist angefressen. Aber ansonsten sieht alles so aus, als hätte er in genau der Haltung das Zeitliche gesegnet. Ein wirkliches “Monster” habe ich da vor mir. Meine Hand passt locker in sein Maul. Spitze, aneinander gereihte Zähne eröffnen einen wahren “Schlund zur Hölle”. Gut, dass man kein Weißfisch ist. Oder irgendein kleiner Barsch. Da meldet sich Markus Bühler in meinem Hinterkopf: bei Fotos immer ein Vergleichsobjekt. Meine Hand? Zu relativ. Mein Steiner-Fernglas? Schon besser. 20 mal 20 Zentimeter misst das an seiner breitesten Stelle. 20 mal 11 Zentimeter an seiner Schmalsten. Der Hecht übertrifft in seiner Länge das Gerät mindestens vier Mal (seht selbst in den Fotos). Doch erstaunlich ist auch die “Breite” seines Körpers, die Masse und natürlich immer wieder dieser enorme, bedrohliche Kopf.
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Wer war der Täter?
Doch jetzt liegt er da. Wehrlos. Opfer seines Schicksals? Und hier stellt sich für mich die entscheidende Frage: Wie kam dieses Tier zu Tode? Er scheint nicht gefischt worden zu sein. Und offenbar wurde der Schwanz auch nachträglich angefressen. Langsam dämmert es mir. Die Hitze könnte etwas damit zu tun haben. Das lassen wir mal so stehen. Fürs Erste. Auf und weiter.
Eine Tragödie jagt die nächste
Gut. So viel weiter komme ich nicht. Denn im selben Areal entdecke ich einen Flussuferläufer (Actitis hypoleucos). In einem schrecklichen Zustand. Denn er hat einen angerissenen Flügel. Kann sich nicht fortbewegen. Irgendwann lernt man irgendwie, wie man sich in solchen Fällen verhalten soll. Doch mein Kopf funktioniert in der Hitze sowieso nur halb, und ich bin ein bisschen perplex in der Situation. Kann nicht klar denken. Darf man verletzte Vögel mitnehmen oder nicht? Wie ist der Verhaltenscode? Da war doch was. Bei den Versammlungen der Ornithologen wird es doch immer wieder gepredigt. Also, was nun? Ich beschließe einen Kompromiss: erkunde den Rest des Südufers, und auf dem Rückweg packst du den verletzten Vogel in deinen Rucksack. Und bringst ihn zu einer Auffangstelle für verletzte Tiere.
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Graureiher: Meister des ästhetischen Fluges
Also erstmal weiter. Ich komme zu einem erbärmlichen “Strand”, wo ein paar Jugendliche im Wasser der Hitze entrinnen. Ein verlassenes Haus. Doch nichts, was mich interessiert. Will sagen: keine Hinweise auf Präsenz von Eulen. Also weiter. Schließlich eröffnet sich vor mir ein freies Feld zum Ufer, das auf einer Seite von trockenen, kahlen Bäumen gesäumt wird. Ein nicht untypisches Erscheinungsbild für spanische Stauseen. Und hier eröffnet sich endlich die Gelegenheit, die stattlichen Graureiher, die mich auf meinem Weg am Ufer schon die ganze Zeit negativ begleiten (…also sich immer in einem gewissen Abstand positionieren, dann wieder wegfliegen, um sich dann weiter vorn von neuem zu positionieren), mit meinem Fernglas genauer zu beobachten. So begleite ich einen dieser imposanten Vögel bei seinem Flug durch die Lüfte. Das ist ein wahrer Naturgenuss. Machs gut, mein Freund. Und weiter.
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Ein Paradies für Wasservögel
Ich gelange zur Bucht des Südufers. Und ein Schild bringt meinen Marsch zum Stoppen. Ein Hinweis der von mir geliebten spanischen Ornithologenorganisation SEO bittet den Passanten, nicht weiterzugehen. Denn der Rand des Ufers ist ein wichtiger Rastplatz für Wasservögel. Und das Wohl des Tieres geht immer vor, also wird der Hinweis ohne Wenn und Aber befolgt. Trotzdem haben die Vogelfreunde hier einen kleinen Beobachtungsposten gebaut, den man selbstverständlich betreten kann. Ich mache in der Ferne Reiher, Kormorane und Blesshühner aus. Auch glaube ich, mich an Stelzenläufer (Himantopus himantopus) zu erinnern. Bin mir aber nicht mehr sicher. Ob ich mich hier eines Morgens mal in Stellung bringen soll? Wäre doch eine Idee…
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Große Zwerge
Hinter dem Beobachtungspunkt ist ein geteerter Weg, der eine Umgehung des Stausees gestattet, ohne dass man dabei von den Vögeln am Ufer groß bemerkt wird. Also nehme ich den Stausee nun sozusagen “waldwärts” in Augenschein. Und das lohnt sich. Denn schon bald stoße ich auf zwei halbstarke Zwergadler (Hieraaetus pennatus), die in den hohen Ästen etwas ungeschickt ihre Flug- und Geh-Experimente unternehmen. Der Name “Zwerg”adler ist aus meiner Sicht ein bisschen unglücklich gewählt, denn so klein sind die Zwergadler in ihrem Erscheinungsbild nämlich gar nicht. Jedenfalls heißt es auch hier für mich mal wieder, Bogen machen und die Tiere nicht stören. In diesem Teil nimmt der Wald ein fast schon deutsches Erscheinungsbild an. Hohe Fichten, gerade Wege, flach, ich denke, ich bin irgendwo bei Hamburg. Nur die alten, malerisch ausgedörrten alten Obstbäume, die den Weg säumen, erinnern mich daran, dass ich eigentlich in Südeuropa bin. Mögliche Pirolbäume? Nein, keine Deckung, und abgesehen davon ist alles eingezäunt. Die Straße zieht sich in die Länge, und der Flussuferläufer braucht dringend einen Krankendienst.
Ein Federfund als kleiner Trost
Also denselben Weg zurück zum “Tatort”. Auf dem Weg dorthin machte ich im Wald jedoch noch eine weitere interessante Entdeckung. Taubenfedern bedecken den Nadelboden. Und über diesem Haufen findet sich eine Eulenfeder. Wie sich später herausstellt, gehört sie einer Waldohreule (Asio otus). War sie der Räuber? So sieht es tatsächlich aus! Na immerhin! Ein kleiner Trost für den selbstverschuldeten Verlust der riesigen Feder des großen Greifs vor vielen Jahren. Aber nur ein sehr kleiner. Ich sage mir schon wieder: wie kann man nur so dumm sein? Nun gut, es soll Leute gegeben haben, die das berühmte “Flussmonster” Mokele – Mbembe 20 Minuten beobachtet haben wollen, und trotz mitgeführter Kamera kein Foto machten…so schwadroniert es in mir tröstend vor sich hin.
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Mission Flussuferläufer
Abfahrt…
Zurück zum Flussuferläufer, am riesigen Hecht vorbei. Auf zum Vogel. Eins, Zwei, Drei, hab dich. Ab in den Rucksack. Und auf zur Auffangstelle. Es ist 16 Uhr. Und Vollgas. Heute habe ich mein Zweitrad, ein gebrauchtes Rad (extra angeschafft für unsichere Lokalitäten, an denen viel geklaut wird, so wie eben am Stausee von Cubillas), es tut, was es kann, aber es kann nicht viel. Es sind ja auch nur 30 Kilometer. Und es war auch schon mal heißer. An 30 Grad muss man sich halt einfach gewöhnen, wenn man hier draußen etwas machen will. Take it or leave it. Das Wohl des Tieres geht immer vor. Doch freue ich mich bei allem „Heldentum“ trotzdem über die zahlreichen Brunnen, die die Ortschaften den Durchreisenden anbieten. Einen Fortschritt zu den trockenen Olivenhainen der Alhambra muss es geben. Eine gute Stunde später komme ich am Auffangzentrum an? Und dieses ist…ratet mal…natürlich…geschlossen.
…und administrative Komplikationen
Was jetzt? Natürlich dachte ich mir etwas Ähnliches vorher, aber ich hoffte auf die Präsenz zumindest einer Person, und sei es auch das private Sicherheitspersonal…aber nada. Anruf bei der Parkverwaltung. Man wird auf den nächsten Tag vertröstet. Anruf bei der Guardía Civil. Man verweist mich auf die Parkverwaltung. Ein Polizeiauto reagiert kurz auf mein unsicheres Herbeiwinken, doch ebenso unsicher bleibt es nicht stehen. Deswegen: Voice Message beim Auffangzentrum. Ab nach Hause. Mein kleiner Freund ist noch am Leben. Zumindest etwas.
Letzte erste Hilfe
Ankunft. Pappschachtel muss her. Papier (stellte sich nachher als ein Fehler heraus), Wasser (stellte sich nachher als weiterer Fehler heraus). Stressfreie Umgebung, kein Licht. Abwarten. Ruhen lassen. Wann hat das Auffangzentrum auf? Am Sonntag offensichtlich nicht. Für mich daher eine sinnfreie Angelegenheit, denn gerade am Sonntag sind doch gerade viele Wanderer unterwegs. Wer findet Tiere in der Sierra schon am Montagmorgen? Am Wochenende ist doch die Zeit, wo man die Natur erkunden kann. Eines der vielen verwaltungstechnischen Mysterien dieses Lebens, die ich nie verstehen werde. Und nie akzeptieren werde. Und schlecht für die Gesundheit der Fauna sind sie auch. Das stellt sich am Ende leider auch bei meinem Flussuferläufer heraus. Als mich der Parkwächter am nächsten Morgen (gut, immerhin schon um acht Uhr morgens) anruft, ist er schon tot. Innere Verletzungen? Oder war die Reise zu viel Stress für ihn? Habe ich bei der Betreuung Fehler gemacht? Die Leser mögen mich richten. Verdammt aber auch!
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Mission “Hecht”
Todesursache Klimawandel?
Zweite Baustelle. An was ist der Hecht gestorben? Ich kontaktiere Fabio, einen bekannten Fischereiaufseher, der uns damals schon bei unserer Recherche zu den “Seeungeheuern” vom Genil geholfen hat. Melde den Hecht. Und Fabio teilt meinen Verdacht. Keine Fremdeinwirkung. Die Hitze wars. Wir wissen es natürlich nicht mit Sicherheit, doch allem Anschein nach war der Hecht das Opfer der spanischen Hitzewelle von 2022. Akte geschlossen? Noch nicht ganz. Der Kryptozoologe in mir meldet sich zu Wort. Ich komme ins Grübeln.
Der Hecht – ein echtes “out-of-place-”Flussmonster”
Der Hecht ist ein Fisch, der ursprünglich in Spanien nie heimisch war. In dem Fischerkurs, den ich vor langer Zeit bei Fabio machte, lernte ich, dass der Hecht als “Invasor” der spanischen Gewässer zu entnehmen ist. Und so führt ihn auch das spanische Ministerium für Umwelt in die Liste der “invasiven Exoten”, die ursprünglich, im Jahre 1949, aus Frankreich in spanische Gewässer gebracht wurden. Der Sportfirschrei wegen (Ministerio de Agricultura, Alimentación y Medioambiente). Und so gelangten sie wohl auch in das besagte “Embalse de Cubillas” bei Granada.
Eine beachtliche Größe – trotz Befischung!
Was jedoch erstaunlich ist: An diesem Flussufer wird sehr oft gefischt. Und gejagt. Ich muss nämlich zugeben, dass mein hier geschilderter Besuch nicht der allererste Aufenthalt am Embalse de Cubillas war. Wenn man es ganz genau nimmt. Denn Fabio und ich waren an diesem Ufer schon vor vielen Jahren fischen. Und parallel wurde in nicht allzu großer Ferne Jagd auf Kaninchen gemacht. Und professionell sah das nicht aus. Was ich also sagen will: dieser riesige Hecht konnte sich dort über Jahre halten, und das trotz einer sicherlich intensiven Befischung, die mit Sicherheit nicht immer die Grenzen der Legalität befolgt, sondern mit allen schmutzigen Tricks arbeitet. Trotzdem konnte er zu einem “Monster” heranwachsen, dem letztlich nur die Hitze, nicht aber die direkte Einmischung des Menschen, den Garaus machte. Darf mein Hecht also ein “Flussmonster” sein? Aber ja doch!
Der Link zum Loch Ness – muss ich den wirklich noch erwähnen?
Natürlich könnte man hier auch zynisch argumentieren. Fände man so einen Kadaver am Loch Ness, dann hätten wir nach den Aalen natürlich sofort natürlich bald wieder einen Kandidaten für die zoologische Identität des Ungeheuers…aber ich denke, das muss ich nicht wirklich weiter vertiefen, oder? Nun gut, so ein Hecht rockt die Legende mit Sicherheit mehr als die winzigen Aale, die momentan wegen eines wissenschaftlichen Lapsus als Ungeheuer von Loch Ness im Gespräch sind..
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Schluss. Zwei “Monster”, eine Tragödie
Doch lieber schließe ich diesen Beitrag in eine andere Richtung. Der Fund des Hechtes ist in doppelter Hinsicht eine Tragödie. Ein vom Menschen eingeschleppter Raubfisch breitet sich in andalusischen Flüssen aus, wächst du einer “monströsen” Größe heran, bis ihm eine Hitzewelle, die ebenfalls indirekt durch menschliches Untreiben (Stichwort Klimawandel) zur Strecke bringt.
Doch diesen Umstand muss man sich nun vor der eingangs erwähnten Geschichte vor Augen führen, in der ein Hobbyangler einen der letzten Störe aus dem Genil angelte. Und auch hier, also beim Verschwinden des Störs, war mal wieder menschliches Eingreifen ursächlich. An seiner statt wurden die gefräßigen Hechte in Andalusiens Gewässer geholt. Und das ist die eigentliche Tragödie an der ganzen Geschichte!
Vom Fisch zum Monster – der unfreiwillige Weg in die Legende
Wer also will, kann die ganzen Begebenheiten also so interpretieren: wir haben die natürlichen Flussbewohner so sehr bejagt, bis sie in den Augen der Zeitgenossen zu “Monstern” wurden, sie dann durch uns genehme Raubfische ersetzt, sie ungestört zu “Monstern” wachsen lassen, bis auch sie in der Wüste unseres menschlichen klimafeindlichen Treibens an den Ufern unserer Seen jämmerlich dahinsiechen. So bleiben sie bald nur noch Legenden, seien diese “Monster” nun ursprünglicher oder eingeschleppter (come on…wir sagen hier doch “out of place”) Herkunft .
Ist das wirklich noch eine natürliche Welt, wie wir sie wollen?
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Am Ende: ein lohnender Besuch
Nun denn: Trotz meiner anfänglichen Abneigung, und der vielen Tragödien, die sich in dessen Zusammenhang abspielten, war mein Ausflug an das Embalse de Cubillas am Ende doch durchaus zoologisch gewinnbringend. Und das obwohl ich keine Pirolbäume oder gar Hinweise auf Otter fand. Es muss eben nicht immer die Créme-de-la-crème der Ausflugsziele sein. Und wir haben jetzt ein Monster mehr.
Mission complete.
Zum Weiterlesen
El Ideal vom 5. April 2018
https://www.ideal.es/biodiversidad/muere-nutria-atropellada-20180405001813-ntvo.html?ref=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F (letzer Zugriff: 1. November 2023)
La Sexta.com
https://www.lasexta.com/viajestic/curioso/pueblo-granada-que-sido-elegido-mas-bonitos-mundo-ingleses_2023090864fb29627caa7b0001b3605a.html (letzer Zugriff: 1. November 2023)
Ministerio de Agricultura, Alimentación y Medioambiente
https://www.miteco.gob.es/content/dam/miteco/es/biodiversidad/temas/conservacion-de-especies/esox_lucius_2013_tcm30-69914.pdf (letzer Zugriff: 1. November 2023)