Das Mammut ist vielleicht das Sinnbild für die Tierwelt der letzten Eiszeit. Als dritte Hauptlinie der Elefanten neben dem afrikanischen Elefanten (Loxodonta) und dem indischen Elefanten (Elephas), durchstreiften die Mammuts die Kältesteppen Eurasiens und Nordamerikas.[1]
Mammut-Mumien sorgen immer wieder für Schlagzeilen
Zu den spektakulärsten Funden der eiszeitlichen Megafauna gehören sicherlich Wollhaarmammuts, die noch vollständig erhalten, zum Teil sogar noch voll behaart, aus den Permafrostböden Sibiriens oder, wie in einem ganz aktuellen Fall, Kanadas, geborgen wurden. Ein mumifiziertes Mammutkalb wurde im Juni 2022 im Permafrostboden von Yukon gefunden und sorgte weltweit für Schlagzeilen.[2]
Dieser spektakuläre Fall ist jedoch nur einer von vielen ähnlichen Funden. So wurde zum Beispiel 1977 die Eismumie “Dima“ im sibirischen Permafrost gefunden. Das Mammutkalb war so gut erhalten, dass die roten und weißen Blutkörperchen und sogar die Proteine im Gewebe, wodurch wichtige genetische Erkenntnisse zur Verwandtschaft des Mammuts mit den anderen Elefanten möglich wurden.[3]
Auch ausgewachsene Mammuts, erhalten mit Haut und Haar, werden seit mehr als 300 Jahren immer wieder entdeckt. Der älteste uns vorliegende Bericht von einem gefrorenen Mammut stammt hierbei aus dem Jahr 1692. Nikolaus Witzen berichtet über einen solchen Fund während seiner damaligen Sibirienreise.[4]
Fragwürdige Interpretationen
Für den Evolutionskritiker Hans-Joachim Zillmer, stellen die Funde von aufrechten und mumifizierten Mammuts ein Rätsel dar, das sich nur lösen lässt, wenn man einen globalen Kataklysmus annimmt, der die Tiere von einem Moment auf den anderen schockgefroren hat. Er schreibt hierzu:
„Da die Mammuts mit Haut und Haar in aufrechter Stellung, einschließlich dem leicht verderblichen Futter im Magen, sowie andere Tiere, die normalerweise in wärmeren Gefilden leben, mit noch erhaltenen Fleischstücken gefunden wurden und immer noch werden, kommt als Erklärung nur ein urplötzlicher Tod in Frage. Ein langsames Einfrieren durch die Verschlechterung der Umweltbedingungen (Eiszeiten) kann unter Berücksichtigung dieser Umstände völlig ausgeschlossen werden.“[5]
Diese definitive Aussage gilt es zu prüfen. Es ergeben sich mehrere Behauptungen aus diesen wenigen Sätzen, die interessant sind. Der Umstand der erhaltenen Weichteile und vor allem des Futters wären ebenso ein Hinweis auf einen plötzlichen Tod und ein plötzliches Gefrieren, wie auch die Aufrechte Haltung der Tiere. Hinzu kommt die (unausgesprochene) Annahme, all diese Tiere seien gleichzeitig durch Veränderungen der Umweltbedingungen (Eiszeit) gestorben. Hierzu muss erwähnt werden, dass Zillmer die Annahme vertritt, dass es keine Eiszeiten gab und die Erdgeschichte nur wenige Jahrzehntausende zurückreicht. In seinem Weltbild starben alle Tiere der Fossilüberlieferung, vom Dinosaurier bis zum Mammut, gemeinsam bei einer erdumspannenden Katastrophe vor wenigen Jahrtausenden aus.
Aber wieso stehen einige Mammut-Mumien aufrecht?
Wissenschaftler interpretieren die Mammutfunde anders als Zillmer. Über das berühmte Berjosowka-Mammut zum Beispiel schreibt Sedlag:
„Die gelegentlich gefundenen unverdauten Nahrungsreste erklären sich wohl durch Unfalltod. Das dafür besonders bekannte, 1900 an der Beresowka (ein rechter Nebenfluß der Kolyma) gefundene Mammut hatte mehrere Knochenbrüche und war wohl sehr schnell den Verletzungen erlegen, die es sich beim Sturz in eine Erd- oder Eisspalte zugezogen hatte.“[6]
Auch Zillmer führt diesen Fall an und schließt aus den Umständen, dass bei diesem Tier mehrere Knochenbrüche vorlagen und sich noch Nahrungsreste im Maul befanden, dass eine große Kraft von oben auf das Tier eingewirkt haben muss, und zwar so plötzlich und schnell, dass das Futter weder ausgespuckt noch verschluckt wurde.[7]
Dieses berühmte Mammutexemplar befindet sich heute als Präparat in St. Petersburg und wird auf ein Alter von 35000 Jahren datiert. Das Becken, sein rechts Schulterblatt und mehrere Rippen sind gebrochen.[8] Dies alleine schließt schon eine reine Presskraft von oben aus und deutet darauf hin, dass die Verletzungen einseitig, zum Beispiel durch einen Sturz, verursacht sind. Der erigierte Penis des Tiers deutet auf einen Erstickungstod hin.[9] Neuere Studien deuten daraufhin, dass die Knochenbrüche erst später durch einen Erdrutsch verursacht wurden, bei denen das Tier bewegt wurde.[10] Gut möglich also, dass das Tier im Schlamm stecken blieb und versunken ist. Wir kommen auf diese Möglichkeit am Ende nochmal zurück.
Langsames Aussterben der Mammuts
In Zillmers vereinfachter Darstellung wird der Anschein erweckt, die Mammute starben gleichzeitig aus und er behauptet hier eine weltweite Katastrophe als Ursache. Tatsächlich aber starben sie, ebenso wie große Teile der weiteren eiszeitlichen Megafauna, über einen längeren Zeitraum hinweg aus. Kopp vermutet, dass dieses Aussterben mit dem Zurückweichen der Steppenvegetation einherging, die sich heute noch in Nord- und Zentraljakutien anzutreffen ist.[11] Durch das Abschmelzen der Gletscher kam es hierbei auch zu einem Anstieg des weltweiten Meeresspiegels, was dazu führte, dass ehemals mit dem Festland verbundene Landmassen zu Inseln wurden.
Hier konnten sich Reliktpopulationen des Mammuts für viele Jahrtausende erhalten, als ihre Verwandten auf dem Festland lange nicht mehr existierten. Auf der Nordöstlich von Sibirien gelegenen Wrangelinsel starben die letzten Mammuts gegen 2000 v. Chr. aus, auf der St. Paul-Insel, Alaska gegen 3600 v. Chr.[12] Für letztere konnte eine Untersuchung aufzeigen, dass der Hauptfaktor, der das Aussterben begünstigte, vor allem an den knapper werdenden Trinkwasserzugängen gelegen hat.[13]
Selbst für die Eismumien gelten unterschiedliche Sterbezeiten. Datierungen zeigen, dass diese jeweils entweder älter als 35000 Jahre sind oder zwischen 15500 und 11500 Jahre alt.[14] Möglicherweise herrschte in diesen Zeiten ein milderes Klima, das mehr flüssiges Wasser und Schlammströme möglich machte, was eine schnelle Sedimentation und Erhaltung der Mammuts und anderer Tiere ermöglichte.
Trockenmumien entstehen durch einen Entzug der Flüssigkeit aus dem Körper. Wassereis kann hier ein wichtiger Faktor sein, diese Flüssigkeit gebunden zu haben.
In Tundrenlandschaften können tödliche Fallen lauern
Derartige, wärmere Zeiten, sorgten dafür, dass gefährliche Todesfallen für die eiszeitliche Megafauna entstanden. Die Tundrenlandschaft am Rande der eisbedeckten Gebiete, die so genannten Periglazialgebiete, tauten in diesen Zeiten im Sommer weiter auf als in kälteren Zeiten. Durch die Bodenkontraktion entstanden vertikale Spalten von bis zu zehn Meter Tiefe, so genannte Eiskeile,[15] die sich beim wechselseitigen Auftauen und einfrieren mit Lehm und Sand anfüllen. Stürzt ein Tier in eine solche Spalte oder bleibt im lehmigen Untergrund stecken, so kann es zur Trockenmumifizierung und somit Erhaltung des Körpers kommen.
Wer sich trotzdem noch nicht vorstellen kann, dass Mammuts in einer Lebendhaltung einfach so versterben können und uns in genau dieser Position erhalten bleiben, dem sei noch folgende eigene Beobachtung aus dem Feld nähergebracht.
Eine moderne Beobachtung
In einem, für mich nahegelegenem Moor lebt ein großes Damwildrudel und so befand ich mich Ende Oktober 2020 hier während der Brunftzeit auf Fotopirsch. Während ich also durch das Moor schlich, stolperte ich plötzlich geradezu über zwei Geweihschaufeln direkt vor mir und erschrak zunächst. Ein grotesker Anblick stellte sich dann ein, als ich aus dem Wasser des Moors einen Damhirschkopf herausragen sah. Das Tier stand aufrecht, aus dem halb geöffneten Maul schauten noch Gräser heraus, auf denen das Tier rumgekaut hatte. Nur die vertrockneten Augen verrieten, dass dieser Hirsch nicht mehr am Leben war.
Wie es in die tödliche Falle geriet, in der der Tier dann vermutlich erfror, das weiß ich nicht. Zulange in dem Wasser gestanden und dann so weit eingesunken, dass es sich nicht mehr befreien konnte? Von einem Rivalen hineingestoßen? Ich kann es nicht sagen. Aber, unter den Permafrostbedingungen Sibiriens, wäre dies ein potenzieller Fall für einen weit in der Zukunft liegenden Fund des Tieres gewesen. Ohne eine urplötzliche und globale Katastrophe annehmen zu müssen.
Quellen
Graham, Russel W.; Belmecheri, Soumaya; Choy, Kyungcheol et. Al.: Timing and causes of mid-Holocene mammoth extinction on St. Paul Island, Alaska. In: PNAS Vol. 113, no. 33 16.08.2016. Auf: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1604903113 gesichtet am 03.07.2022
Halstead, L. B.: Spuren im Stein. Das Kosmosbuch der Paläontologie. Die Suche nach den Zeugnissen vergangenen Lebens. Stuttgart: Kosmos 1983
Kopp, Gerald: Evolution und Lücke. Fossilien – Schatten der Vergangenheit. Norderstedt: GRIN Verlag 2016
Lister, Adrian; Bahn, Paul: Mammuts. Riesen der Eiszeit. 2. Auflage. Ostfilden: Jan Thorbecke Verlag 2009
A.: Gefrorenes Baby-Mammut im kanadischen Yukon entdeckt. Auf: https://www.derstandard.at/story/2000136910030/gefrorenes-baby-mammut-im-kanadischen-yukon-entdeckt 26.06.2022, gesichtet am 27.06.2022
Rothe, Peter: Allgemeine Geologie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2015
Sedlag, Ulrich: Vom Aussterben der Tiere. Leipzig, Jena, Berlin: Urania 1983
Steel, Rodney; Harvey, Anthony P. (Hrsg.): Lexikon der Vorzeit. Freiburg: Herder 1981
Zillmer, Hans-Joachim: Darwins Irrtum. Vorgeschichtliche Funde beweisen: Dinosaurier und Menschen lebten gemeinsam. 4. Auflage. München: Herbig 2001
Verweise
[1] Steel; Harvey 1981, S. 186
[2] o. A. 2022
[3] Halstead 1983, S. 43
[4] Lister; Bahn 2009, S. 51
[5] Zillmer 2001, S. 108
[6] Sedlag 1983, S. 37
[7] Zillmer 2001, S. 107
[8] Lister; Bahn 2009, S. 52
[9] ebd.
[10] ebd.
[11] Kopp 2016, S. 129
[12] Graham; Belmecheri; Choi et. Al. 2016, S. 9310
[13] a. a. O., S. 9313
[14] Lister; Bahn 2009, S. 51
[15] Rothe 2015, S. 112 f.
Dieser Artikel ist am 11. AUgust 2022 erschienen und wurde zum Relaunch i